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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE FIGHTING KENTUCKIAN (George Waggner/USA 1949)


"Wouldn't you take a look to the horses?" - "I'll see to the horses."

The Fighting Kentuckian (In letzter Sekunde) ~ USA 1949
Directed By: George Waggner

Nach Napoleons Niederlage und Exil emigrieren einige der ehemaligen Bonapartisten mitsamt ihren Familien in die Neue Welt, erwerben Land in Alabama und bauen sich dort eine neue Existenz auf. John Breen (John Wayne) von der Kentucky-Miliz verliebt sich in die Generalstochter Fleurette De Marchand (Vera Ralston), die jedoch bereits dem vermeintlich heldenhaften Geschäftsmann Blake Randolph (John Howard) versprochen ist. Während seiner Werbung um Fleurette und seiner Rivalität mit Randolph deckt Breen, der sich zusammen mit seinem besten Freund Paine (Oliver Hardy) als Landvermesser tarnt, um in Fleurettes Nähe bleiben zu können, einen Grundstücksschwindel zu Ungunsten der französischen Siedler auf, der in einem Überfall auf Fleurettes Vater kulminieren soll.

Ebenso flotte wie komische Semi-Western-Romaze, die für einen veritablen Genrefilm nicht ganz das recht Setting und die rechte Ära widerspiegelt. Immerhin liefert Waggner mit "The Fighting Kentuckian", der Duke Seite an Seite mit Oliver Hardy in Fransenjacke und Waschbären-Fellmütze präsentiert, einen ungewohnten, cineastisch faktisch unbeackerten historischen Hintergrund, in dem Waterloo-Veteranen auf Südstaaten-Milizen treffen, was Gelegenheit zu einigem Hurra-Patriotismus und Ehrbekundungen gibt. Bedenkt man, dass die gesamte Geschichte derweil vor einer Romanze konstruiert wurde, könnte man sich allerdings besser Errol Flynn in der Titelrolle vorstellen als Duke, doch jener war als Warner-Zugpferd für eine Republic-Produktion vermutlich unabkömmlich. Müßig, darüber zu spekulieren, denn "The Fighting Kentuckian" ist auch so durchaus gelungen. Besonders schön natürlich die ungewöhnliche Partnerschaft zwischen Wayne und seinem comic sidekick Hardy, der sich in einem besonderen Ausnahmefall von seinem Dauerpartner Stan Laurel absentierte, auch neben Duke eine im wahrsten Wortsinne imposante Figur macht und der durch seine liebenswerte Performance viel von dem Film rettet.

7/10

George Waggner Alabama Südstaaten period piece


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STATE OF THE UNION (Frank Capra/USA 1948)


"There's all the difference in the world: They're in and we're out!"

State Of The Union (Der beste Mann) ~ USA 1948
Directed By: Frank Capra

Die skrupellose, erzrepublikanische Pressezarin Kay Thorndike (Angela Lansbury) will mithilfe des Wahlkampfmanagers Jim Conover (Adolphe Menjou) den idealistischen Flugzeugbauer Grant Matthews (Spencer Tracy) ins Weiße Haus bringen. Matthews, der von Politik eigentlich gar nichts und Kays Idee für Humbug hält, ist bald Feuer und Flamme für seine mögliche, zukünftige Aufgabe und glänzt überall im Land mit flamboyanter Rhetorik. Seine Frau Mary (Katharine Hepburn), die weiß, dass Grant und Kay eine Affäre haben, beißt die Zähne zusammen und unterstützt ihren Gatten nach Kräften. Ohne es zu merken, lässt sich Grant jedoch schleichend korrumpieren, hält vorgefertigte Reden und wird zum Spielball einflussreicher Lobbyisten. Erst eine heimische Wahlsendung fürs Fernsehen, die ganz anders läuft als geplant, holt ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Politik ist ihrem Wesen nach böse, verlogen und frisst ihre Protagonisten unbarmherzig auf. Ein Film von Frank Capra muss und kann nur diese Aussage vertreten. "State Of The Union" führt die US-Politik vor, bringt viel Unangenehmes, Totgeschwiegenes zur Sprache und formuliert klare Botschaften. Allerdings hält er, auch dies kennt man von Capra, keine vorgefertigten Antworten bereit. Er liefert lediglich Denkanstöße und mündet zum Schluss einmal mehr in die naive Phantastik eines großen Philanthropen, Moralisten und Staatsapologeten, der Freiheit und Demokratie schätzt, nicht jedoch die Irrwege, die sie in den letzten Jahrzehnten genommen haben. Wie alle "Bildungsreisenden" bei Capra verläuft sich auch Grant Matthews, beziehungsweise wird er durch die Skrupellosigkeit seiner vermeintlichen Unterstützer in die Irre geführt, findet jedoch in letzter Sekunde auf den Pfad der Tugend zurück: Mr. Deeds, Mr. Smith und John Doe hielten sie dereinst und auch Grant Matthews kommt sie selbstverständlich zu: Die große, finale Ansprache, die die moralische Weste wieder reinwäscht und das unterdessen stark überzogene Sympathiekonto wieder ausgleicht. Capras Konsequenz allerdings, die da lauten mag: Wer wahrhaft altruistisch gefärbte Politik machen will, der kehre ihr am Besten den Rücken zu, zeugt von keiner allzu hellsichtigen Weltperspektive. Aber die erwartet man ja auch kaum in einem Film diesen Regisseurs.

8/10

Frank Capra Washington D.C. Politik Wahlkampf Ehe Satire


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WHEN HARRY MET SALLY... (Rob Reiner/USA 1989)


"It's amazing. You look like a normal person but actually you're the angel of death."

When Harry Met Sally... (Harry und Sally) ~ USA 1989
Directed By: Rob Reiner

Sally Albright (Meg Ryan) und Harry Burns (Billy Crystal) benötigen zehn Jahre, um sich ihre faktisch prompt existente, zunehmend tiefer werdende Liebe zueinander zu gestehen und endlich zusammenzufinden. Der Weg dorthin ist gepflastert mit den Steinen der wechselseitigen sowie der Selbsterkenntnisse.

Im schönen, retrospektiven 'Making Of' auf der DVD umreißt Nora Ephron es sehr trefflich: Es gäbe eine christliche und eine jüdische Tradition in der amerikanischen RomCom, konstatiert sie darin, und "When Harry Met Sally..." entspräche natürlich zur Gänze letzterer. Auch der Name Woody Allen fällt hier und da und es stimmt wohl: Rob Reiners Film steht in nicht eben geringem Maße in der Schuld jenes brillanten Komödienspezialisten. Reiner und Ephron zollen Allen mannigfaltig Tribut mittels der pointierten Dialoge (die, so fair muss man sein, die Qualität ihrer Vorbilder bisweilen durchaus erreichen), der geradezu verliebten Photographie Manhattans, die vor allem Herbst- und Winterbilder präferiert sowie der Swing- und Crooner-Klassiker, die teils im Original, teils von Harry Connick jr. neu aufgenommen eingespielt werden und die zentrale Liebesbeziehung auditiv perfekt unterstreichen.
Ich wüsste ohnehin nicht, was man an diesem Film noch groß optimieren könnte; er greift das Beste auf, was die klassische screwball comedy zu bieten hat und verarbeitet es zu neuerlicher Größe. Keine von Meg Ryans späteren Unternehmungen in dieser Richtung - und davon gibt es ja so manche - konnte die darin ganz offensichtlich angepeilte Klasse dieses herzhaften, kleinen Films erreichen, dessen Liebeserklärung am Ende mit zum Schönsten zählt, was in diesbezüglich je auf Zelluloid gebannt wurde.

10/10

Rob Reiner Nora Ephron New York


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NADINE (Robert Benton/USA 1987)


"It's better to be lucky than smart."

Nadine ~ USA 1987
Directed By: Robert Benton

Austin, Texas 1954: Als die Friseurin Nadine Hightower (Kim Basinger) sich ihre von dem schmierigen Raymond Escobar (Jerry Stiller) angefertigten Aktfotos zurückholen möchte, wird sie zufällig Zeugin, wie dieser ermordet wird. Als ihr dann statt der erhofften Bilder eine Blaupausen für den Bau eines neuen Highways in die Hände fallen, wittert ihr vom Pech verfolgter Noch-Ehemann Vernon (Jeff Bridges) die große Chance auf einen schnellen Dollar. Gar nicht damit einverstanden ist jedoch der Grundstücksspekulant Buford Pope (Rip Torn), der um den wahren Wert der Pläne weiß und dafür auch ohne lang zu fackeln über Leichen geht.

Trotz der großartigen Besetzung ein als eher beiläufig zu wertendes Werk aus Bentons Œuvre, eine kleine Kriminal- und Romatikkomödie mit Mut zur Kürze, mit der der Regisseur ganz offensichtlich sich selbst den Wunsch einer locker-flockigen, altmodischen Gaunerstory in heimatlichen Gefilden erfüllen konnte. Wie man weiß, liebt Benton seinen Herkunftsstaat ebensosehr wie er ein Faible dafür hat, seine Stoffe in jedwede historische Gewänder zu kleiden - dabei gibt es eigentlich gar keinen Grund dafür, "Nadine" in den Fünfzigern spielen zu lassen. Möglicherweise ging es auch ein wenig darum, sich zumindest ansatzweise vom zeitgenössischen Einerlei abzugrenzen. Kim Basinger beweist Humor und nimmt bereitwillig die Tatsache auf die Schippe, dass sie einst selbst eine Fotostrecke im 'Playboy' hatte, aber auch der Rest gibt, wie erwähnt, eine erfrischende Vorstellung ab.

7/10

Robert Benton period piece Ehe


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CLOUD ATLAS (Tom Tykwer, Andy Wachowski, Lana Wachowski/D, USA, HK, SG 2012)


"Don't leave me here!"

Cloud Atlas ~ D/USA/HK/SG 2012
Directed By: Andy Wachowski/Lana Wachowski/Tom Tykwer

Auf sechs Zeitebenen kämpfen unterschiedliche Inkarnationen ein und derselben Seele gegen die Repressionen, Zwänge und Freiheitsbeschneidungen ihrer jeweiligen Ära: 1849 kämpft der Anwalt Adam Ewing (Jim Sturgess) auf einem Schiff im Pazifik sowohl um sein eigenes Leben als auch um das des entflohenen neuseeländischen Sklaven (David Gyasi); 1936 wird der bisexuelle Nachwuchs-Komponist Robert Frobisher (Ben Whishaw) aufgrund seiner sexuellen Präferenzen von einem alternden Berufsgenossen (Jim Broadbent) übervorteilt und erpresst; 1973 gerät die Journalistin Luisa Rey (Halle Berry) in höchste Lebensgefahr, weil sie einem Atomkraft-Skandal auf die Spur kommt; 2012 wird der verschuldete Verleger Cavendish (Jim Broadbent) von seinem rachsüchtigen Bruder (Hugh Grant) in ein geschlossenes Senioenheim abgeschoben, aus dem es zu fliehen gilt; 2144 schließt sich die 'Duplikantin' Sonmi-451 (Doona Bae) einer revolutionären Bewegung an; 106 Jahre nach der Apokalypse bekommt der unbedarfte Insulaner Zachry (Tom Hanks) es mit der brutalen Unterdrückung durch einen feindlichen Stamm, der weiter fortschreitenden Verseuchung der Erde sowie seinem eigenen bösen Gewissen zu tun.

Zu Lebzeiten wäre die Adaption eines Bestsellers wie Mitchells diesem Film zugrunde liegenden Romans ein unbedingter Fall für Bernd Eichinger gewesen; heute springt statt der Constantin dann eben X-Filme in die Bresche. Tom Tykwer, der ja mit "Das Parfüm" bereits hinreichende Erfolgsliteraturverfilmungserfahrung gesammelt hat, tat sich dafür mit den Wachowski-Geschwistern zusammen und teilte die Inszenierung wohlfeil zwischen ihnen und sich selbst auf. Dabei ist unschwer zu erkennen, wer für welche Segmente verantwortlich ist; die atmosphärisch wie kinetisch betrachtet sanfteren Episoden gehen selbstverfreilich auf Tykwers Konto, während die actionreiche(re)n (Zukunfts-)Parts, in denen es zu zum Teil spektakulären visuellen Aufwendungen und athletischen Shoot-Outs kommt, natürlich von den Wachowskis dirigiert wurden.
Ich kenne das Buch nicht und habe nach dem Film auch nicht das Gefühl, seine Lektüre unbedingt nachholen zu müssen, aber die metaphysischen Diskurse zumindest der Adaption gleiten bisweilen offenherzig ins Vulgärpsychologische ab; die Wanderungen edler, wankelmütiger und niederträchtiger Seelen in immer neuerlichen Reinkarnationen, wobei der Astralkörper des Helden respektive der Heldin immer wieder in die Haut eines anderen Körpers wandert, der zu anderen Zeiten und unter anderen Bedingungen freilich weniger heroisch auftritt, derweil "das ultimative Böse", der ewige Satan immer wieder und immer nur von Hugo Weaving verkörpert wird. Was hat der Mann bloß angestellt, dass er stets so gemein daherkommen muss...? Das alles gibt sich wesentlich wichtiger und bewegter als es letzten Endes ist. Was bleibt, ist ein trotz anderweitiger Behauptung nicht sonderlich ausgefuchtes Genrestück, das sich zumindest über seine beträchtliche Erzähldistanz senkrecht halten kann. "Cloud Atlas" unterhält auf hohem formalen Niveau und erweist sich als in audiovisueller Hinsicht so ziemlich makellos, dennoch: 'thinking man's cinema', also das, was man hier doch offenkundig so gern kredenzt hätte, stelle ich mir trotzdem anders vor, meine Damen und Herren T. und W..

7/10

Andy Wachowski Lana (Larry) Wachowski Tom Tykwer period piece Ensemblefilm Zukunft Apokalypse Reinkarnation Sklaverei Atomkraft David Mitchell London San Francisco Kolonialismus Dystopie


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ALTERED STATES (Ken Russell/USA 1980)


"I'm on fucking fire."

Altered States (Der Höllentrip) ~ USA 1980
Directed By: Ken Russell

Ende der sechziger Jahre experimentiert der Wissenschaftler Eddie Jessup (William Hurt) mit den Halluzinationen, die sich nach längerem Aufenthalt in einem Isolationstank einstellen: Jessup ist der festen Ansicht, dass die auf den evolutionären Ausgangspunkt reduzierte Persönlichkeit des Menschen physikalisch messbar ist. Als er seine zukünftige Frau Emily (Blair Brown) kennenlernt und eine Familie mit ihr gründet, stellt er seine Forschungen für etwa zehn Jahre hintenan. Dann hört Jessup von einer psychoaktiven Droge, die mexikanische Indianer auf Pilzbasis herstellen. Vor Ort probiert er das Gebräu. Mit erstaunlichen Auswirkungen - Jessup hat extreme Halluzinationen und erlegt im Vollrausch eine Ziege. Begeistert nimmt er eine Probe von dem Rauschmittel mit. In Kombination mit weiteren Isolationstank-Aufenthalten beginnt Jessup dann, eine kkatastrophale Veränderung durchzumachen. Zeitweilig verwandelt er sich in ein behaartes Urzeitwesen und ist nicht mehr Herr seiner Sinne.

Weniger interessant aufgrund der recht abgestandenen Motivlage - "Altered States" intellektualisiert den klassischen 'Jekyll/Hyde'-Plot, indem er ihn im Milieu der drogenaffinen, mit Hofmann und Leary vertrauten 68er verankert, von dort aus theologisiert und im Grunde den alten moralinsauren Zeigefinger von der bitteschön stets zu wahrenden Ethikgrenze und der wahren Liebe, die alles besiegt, permanent erhoben lässt - denn seiner formalen Komposition wegen. Auch vor leichten B-Film-Avancen scheut Russell nicht zurück, wenn er William Hurt als keifenden Primaten durch den Universitätskeller und danach durch den Bostoner Zoo hampeln lässt. Mehr als alles andere prägt jedoch die Erfahrung mit Halluzinogenen die Grundierung des Werks; "Altered States" ist ein klassisches trip movie, das Hurts Erfahrungen mittels ausgedehnter Bildcollagen visualisiert, die häufig mit satanischen Motiven herumspielen. Auf der irdenen Seite überzeugt vor allem Hurt, der hier unglaublicherweise sein Filmdebüt gibt, als ebenso besessener wie verschrobener Versuchsanordner.

8/10

Ken Russell Paddy Chayefsky Monster Mad Scientist Ehe Drogen Boston Jekyll und Hyde


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BILLY BATHGATE (Robert Benton/USA 1991)


"Kid, you want a ride?" - "No thanks, I'll walk."

Billy Bathgate ~ USA 1991
Directed By: Robert Benton

New York, 1935: Kurz bevor er seinem früheren Kumpel Bo Weinberg (Bruce Willis) wegen Verrats Zementschuhe verpasst, lernt der berüchtigte Gangster Arthur Flegenheimer alias Dutch Schultz (Dustin Hoffman) den jungen Billy Behan (Loren Dean) aus der Bronx kennen. Der ebenso intelligente wie gutmütige junge Mann gehört nach ersten Arbeiten als Laufbursche bald zum engeren Stab von Schultz und lernt mitunter am eigenen Leibe kennen, wie gefährlich die psychotischen Ausbrüche seines Brötchengebers werden können. Als Schultz Weinbergs frühere Geliebte Drew Preston (Nicole Kidman) töten lassen will, weil sie ihm zu naseweis wird, trifft Billy, der sich jetzt 'Billy Bathgate' nennt, eine folgenschwere Entscheidung.

1990 und 91 waren so etwas wie die goldenen Jahre des Gangsterfilms; viele große und kleine Genreklassiker stürmten während dieser zwei Jahre förmlich die Leinwände. Insbesondere "Miller's Crossing" von den Coens hievte in diesem Zuge auch die traditionellen Kulissen und Requisiten der großen amerikanischen Gangster wieder ins Bewusstsein zurück: Prohibition, Glücksspiel, Pomade, Gamaschen, Nadelstreifenanzüge, Stetsons und natürlich die Thompson erfreuten sich urplötzlich wieder großer Beliebtheit. Neben 'Bugsy' Siegel aus der umfangreichen jüdischstämmigen New Yorker Gangsterclique, der auch Arnold Rothstein, 'Lepke' Buchalter und Meyer Lansky angehörten, wiederbelebte das Kino also auch Dutch Schultz, der von einem zu diesem Zeitpunkt bereits viel zu alten Dustin Hoffman gegeben wurde. Als gutem Schauspieler, der er nunmal ist, nimmt man ihm seine Gewalteruptionen zwar ab, so unterschwellig bedrohlich wie Warren Beattys Bugsy wird er jedoch nie. Die wahre Entdeckung an "Billy Bathgate" ist auch nicht der Titelheld Loren Dean, ein bereits in der Anlage handzahmes Milchbrötchen, von dem man wohl nicht von ungefähr später nurmehr selten hörte, sondern Nicole Kidman. Die einst so attraktive Dame steht hier in allerschönster Blüte, präsentiert sich zuweilen überaus freizügig und ist überhaupt eine Augenweide. Ansonsten bleibt der Film verhältnismäßig domestiziert und lässt durchblicken, dass dies schlichterdings nicht Bentons bevorzugtes Terrain darstellt.

7/10

Robert Benton New York New Jersey Dutch Schultz E.L. Doctorow


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A BREED APART (Philippe Mora/USA 1984)


"Does that thought bother you, sir?"

A Breed Apart (Die Brut des Adlers) ~ USA 1984
Directed By: Philippe Mora

Der Witwer und Vietnamveteran Jim Malden (Rutger Hauer) lebt zurückgezogen auf seiner Flussinsel 'Cherokee Island', auf der das letzte Pärchen einer bestimmten Art von Weißkopfadlern nistet. Jedem Fremden, der sich der Insel nähert, begegnet Malden mit grundsätzlichem Misstrauen und so zieht er sich bald die Feindschaft zweier einheimischen Hillbilly-Brüder (Brion James, John Dennis Johnston) zu, die Cherokee Island als persönliches Jagdrevier betrachten. Anders seine Beziehung zu der Kolonialwarenhändlern Stella (Kathleen Turner) und ihrem Sohn (Andy Fenwick), die gern Maldens neue Familie abgäben. Als der Bergsteiger Mike Walker (Powers Boothe) in die beschauliche Idylle einkehrt und sich mit Malden und Stella anfreundet, ahnt zunächst noch niemand, dass er im Auftrage des Millionärs Whittier (Donald Pleasence) die beiden Adlereier aus dem Nest stehlen soll...

Ein nicht ganz alltäglicher Film, aber das sind Philippe Moras Arbeiten ja eigentlich ohnehin selten. Der Held vereint auf den ersten Blick zahlreiche Klischeecharakteristika - ein ausgezeichneter Nahkämpfer und Vietnamveteran, der Frau und Kind und damit endgültig das Vertrauen in die zwischenmenschliche Kommunikation verloren hat, zugleich Tierliebhaber, dem ständig irgendwelche blutrünstigen Jagdidioten auf die Pelle rücken, dazu ein stiller Naturbursche, mit dem man besser keinen Streit anfängt. Die platinblonde Punkerfrisur hat Rutger Hauer geradewegs aus "Blade Runner" importiert, derweil Kathleen Turner um Einiges unglamouröser auftritt als bislang gewohnt. Eigentlich ein hervorragender Exploitationstoff, doch mit Ausnahme zweier Nacktszenen und einer recht unangenehmen Sterbesequenz hält sich Mora relativ keusch.
In welche Richtung sein Film geht - tatsächlich geht es um nichts Geringeres als das Auf-die-Probe-Stellen einer zaghaft und beiderseits unerwartet geknüpften Männerfreundschaft sowie ein etwas unbeholfen vorgetragenes Liebesgeständnis - ahnt man erst nach der Hälfte, bis dahin bleibt alles ähnlich verhalten und nebulös wie Rutger Hauers exzentrischer Protagonist.
"A Breed Apart" jedenfalls ist, soviel steht fest, ein Film, wie er nur vor dreißig Jahren hat entstehen können.
Heute wären die Primärreaktionen vermutlich Unverständnis und Ablehnung.

7/10

Philippe Mora North Carolina Südstaaten Veteran Freundschaft


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WHO'S MINDING THE STORE? (Frank Tashlin/USA 1963)


"Barbara is NOT doing fine. Barbara is in love with an imbecile!"

Who's Minding The Store? (Der Ladenhüter) ~ USA 1963
Directed By: Frank Tashlin

Um die Hochzeit ihrer Tochter Barbara (Jill St. John), künftige Millionerbin der "Tuttle-Warenhaus"-Kette mit dem trotteligen, aber grundehrlichen Norman Phiffier (Jerry Lewis), zu verhindern, der von Barbaras wahrer Identität nichts ahnen darf, weil er der konservativen Meinung ist, der Ehemann müsse für seine Familie aufkommen, denkt sich die garstige Mrs. Tuttle (Agnes Moorehead) einen genialen Plan aus: Norman soll im Warenhaus, in dem Barbara zur Zeit als Liftgirl jobbt, eine Anstellung und nur die unmöglichsten Aufgaben zugeteilt bekommen, bis er das Weite sucht und sich von seiner unzuverlässigen Seite zeigt. Doch weit gefehlt - wenngleich Norman jede ihm auferlegte Mission garantiert ins Chaos führt, hält er doch tapfer durch und kann zudem die Sympathie seines - unbekannterweise - künftigen Schwiergervaters (John McGiver) verbuchen.

Neuerlich Bravouröses aus der Tashlin-/Lewis-Factory, diesmal vor dem grandiosen Komödienschauplatz 'Warenhaus', der in der US-Lachmaschinerie eine lange Tradition vorweisen kann. Auch "Who's Minding The Store?" kann getrost als Klassiker dieser kleinen Untergattung kategorisiert werden; Lewis findet für jede Kaufhaus-Etage, die er gezwungenermaßen durchläuft, irgendwelche mehr oder minder halbgaren Gags und Sketche. Den absoluten komischen Höhepunkt und zugleich auch den gloriosen Showdown des Films bildet ein von Norman Phiffier frisierter Staubsauger, der eine halbe Haushaltswarenabteilung inklusive Schosshündchen und Damenmieder einsaugt. Zuvor muss Norman unter anderem eine Fahnenmastspitze anstreichen, frittierte Heuschrecken und Ameisen in der Delikatessen-Abteilung verkaufen (und vertilgen), einer schwergewichtigen Ringerin Pantoletten verkaufen und einen Sommerschlussverkauf in der Damenkonfektion ausrichten. Man kann sich unschwer vorstellen, wie sowas bei und mit Lewis ausschaut. Wenngleich die farbliche VistaVision-Brillanz der beiden zuvor geschauten Filme hierin ausbleibt - "Who's Minding The Store?" ist ein unbedingter Meilenstein seines Kreativ-Teams und ein Manifest der hemmungslosen Albernheit, das außerdem Lewis' geniale, legendäre Improvisation zu "The Typewriter" beinhaltet.

8/10

Frank Tashlin Jerry Lewis Kaufhaus Familie Slapstick


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ROCK-A-BYE BABY (Frank Tashlin/USA 1958)


"Five! I'm better than the matador!"

Rock-A-Bye Baby (Der Babysitter) ~ USA 1958
Directed By: Frank Tashlin

Als ihr bewusst wird, dass sie ein Baby erwartet, sieht die Hollywood-Diva Carla Naples (Marilyn Maxwell) ihre Karrierefelle davonschwimmen. Doch ihr Manager Harold Hermann (Reginald Gardiner) hat den rettenden Einfall: Für die Zeit des nächsten Drehs soll Carla ihr Neugeborenes in die vorübergehende Pflege einer zuverlässigen Pflegeperson geben. Dafür kommt nur Carlas Jugendliebe, der treu-naive Clayton Poole (Jerry Lewis) in Frage. Dieser staunt nicht schlecht, als ihm nach der Gefallens-Zusage an Carla Drillinge ins Haus flattern, doch Clayton bewältigt seine ersatzväterlichen Aufgaben meisterlich und mit Hingabe. Derweil bemerkt Carlas Vater Gigi (Salvatore Baccaloni), der von seiner berühmt gewordenen Tochter eigentlich nichts mehr wissen will, die Familienähnlichkeit, riecht Lunte und wird weichherzig, während seine jüngere Tochter Sandra (Connie Stevens) Clayton umschwirrte wie eine Motte das Licht.

Turbulente Musical-Comedy im bewährten Tashlin-Lewis-Stil, mit ähnlich vielen Gesangsnummern wie die vergangenen Kollaborationen mit Dean Martin ausnahmslos in quietschvergnügter VistaVision-Atelierkulisse gefilmt und daher noch zusätzlich realitätsentrückt wirkend. Der Anarchie-Faktor der Gags wird diesmal zugunsten eines potenzierten Familientauglichkeitsfaktors nochmals gedrosselt - "Rock-A-Bye Baby" ist so zuckersüß und brav wie ein Disney-Film und daher auch weitestgehend ohne echten Biss. Dafür sorgt noch zusätzlich die - ansonsten sehr sympathisch ausfallende - Installation von Lewis' Co-Star, des fülligen Tenors Baccaloni, der seinen Part des verwitweten Klischee-Italo-Patriarchen gleichermaßen aufbrausend wie weichherzig ausfüllt und beinahe schon als der heimliche Protagonist des Films bezeichnet werden darf. So ist das Ganze auch die märchenhaft anmutende Story einer Familienzusammenführung im ethnischen Kleinstadt-Milieu, die, wie so oft bei Lewis, prononciert, dass das Herz Amerikas eigentlich ein kunterbuntes Völker-Flickwerk ist.

7/10

Frank Tashlin Jerry Lewis Baby Kleinstadt Preston Sturges





Filmtagebuch von...

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