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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ZACK AND MIRI MAKE A PORNO (Kevin Smith/USA 2008)


"I hate you ebony and ivory motherfuckers!"

Zack And Miri Make A Porno ~ USA 2008
Directed By: Kevin Smith

Zack (Seth Rogen ) und Miri (Elizabeth Banks) kennen sich schon eine Ewigkeit und wohnen auch jetzt als Endzwanziger gemeinsam in einer Partner-WG. Ein Paar jedoch sind sie nie geworden. Als ihnen wegen mal wieder unbezahlter Rechnungen Wasser- und E-Werk an Thanksgiving den jeweiligen Saft abdrehen, heißt es schnell Kohle auftreiben. Da entwickelt Zack die unschlagbare Idee, gemeinbsam einen Amateurporno zu drehen, der durch ein lustiges Youtube-Video der beiden noch zusätzliche Abnehmer finden dürfte. Als sie sich während des Drehs selbst zum Koitus daniederlegen, entdecken Zack und Miri, dass sie sich eigentlich schon immer geliebt haben. Doch dr Weg zum Glück ist steinig und mit gebrochenen Herzen gepflastert...

Auch, wenn man mir häufig erzählt, dass ich physiognomische Ähnlichkeit mit Schmitzens Kevin aufwiese - was ich selber nicht unbedingt so empfinde - muss ich den Kerl ja nicht gleich liebhaben wie einen Zwillingsbruder. Im Gegenteil empfinde ich seine Filme mit zunehmendem Alter eher als postpubertäres Beziehungs-Fantasy-Kino heimlich biederer Prägung. Sein einziger echter Genrefilm, "Dogma", symbolisiert für mich folglich sogar ein ganz besonders spezielles Hassobjekt. Smiths Ausflüge in die Comickunst, in der er als Autor den "Großen" mittlerweile via Daredvil, Spider-Man, Green Arrow und jüngst Batman (die Fortsetzung zu "The Wydening Gyre" steht mittlerweile seit mittlerweile zweieinhalb Jahren auf sich warten lässt und mutmaßlich bereits in Marihuanaschwaden aufgegangen ist) seinen geschwätzigen Dialogstempel aufgedrückt hat, finde ich manchmal anstrengend, aber zumindest abwechslungsreich und unterhaltsam.
"Zack And Miri Make A Porno" schlägt nun in eine ähnliche Kerbe wie "Chasing Amy" und "Jersey Girl", ziemlich erz-eastcoast-mäßige RomComs, die jeder echte Kerl sich guten Gewissens am Samstagabend zu Pizza und einem Fläschchen Beck's Gold zusammen mit seinem geliebten Wesen anschauen kann, ohne dass eine® der beiden Bauchschmerzen bekommen muss. Außer vom Mildbier vielleicht. Es gibt was zu Schmunzeln und was fürs Herz, alles schön famos und adrett und ungefährlich. Ein wirklich überaus ekelhafter Kopro-Gag sorgt für laute "Iiiihs" und die zwingend formulierte Tatsache, dass manchmal erst ein erzwungener Fick die wahre Liebe zum Vorschein bringt, für zustimmend gemurmelte "Oooohs". Von mir aus.
Daher reicht mir einmal angucken aber auch völlig.

5/10

Kevin Smith Pennsylvania Winter Pornographie


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NORMA RAE (Martin Ritt/USA 1979)


"UNION! UNION! UNION!"

Norma Rae ~ USA 1979
Directed By: Martin Ritt

Wie die meisten Menschen ihrer Kleinstadt in Alabama arbeitet auch Norma Rae (Sally Field) in der lokalen Baumwollweberei. Die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen, denen sowohl sie selbst als auch ihre vielen Kolleginnen und Kollegen ausgeliefert sind, ist jedem ein Dorn im Auge - nur traut sich niemd, den Mund aufzumachen, weil man ohne Job auf der Straße stünde. Da taucht eines Tages der New Yorker Gewerkschaftsvertreter Reuben Warshowsky (Ron Leibman) auf, der die Leute unter größten Mühen waschzurütteln beginnt und Norma Rae als wichtige Mitstreiterin gewinnt. Darunter leidet jedoch nicht zuletzt die frischgebackene Ehe mit ihrem Mann Sonny Webster (Beau Bridges), sondern auch ihre Familie und nicht zuletzt die altbacken-verschlafene Harmonie im Ort...

Klassenkampf ist immer gut, Arbeitskampf auch. Dass es bei den Amis immer ein bisschen länger dauert, bis sie den Mund auftun - schließlich assoziiert speziell der gemeine Südstaaten-Bildungsferne den Gang in die Gewerkschaft schon unwillkürlich mit einer Mitgliedschaft im Negerschwuchtelitzigemanzenkommiclub - ist ein alter Hut. 1979 war es das noch nicht ganz so sehr, weshalb "Norma Rae" gemeinsam mit den anderen Gewerkschaftsporträts dieser Zeit (Jewisons "F.I.S.T." etwa zeigte parallel dazu die korrumpierenden Schattenseiten jenes Milieus) auch einen nach wie vor sehenswerten Film darstellt. Als einer der weit links außen platzierten Filmemacher Hollywoods packte Ritt des öfteren Themen von unbequemem Aroma an, unterminierte Vorurteile und machte seinen unbestechlichen Blick für Charakterstudien publik. Ja, und Sally Field ist wirklich mal 'ne tolle Schauspielerin (gewesen), wenngleich sie sich heute hier und da gern verheizt und naturgemäß alles andere als feurig daherkommt.

8/10

Martin Ritt Arbeitskampf Gewerkschaft Südstaaten Alabama Ehe Freundschaft


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THE PRIVATE LIFE OF SHERLOCK HOLMES (Billy Wilder/UK 1970)


"We all have occasional failures. Fortunately, Dr. Watson never writes about mine."

The Private Life Of Sherlock Holmes (Das Privatleben des Sherlock Holmes) ~ UK 1970
Directed By: Billy Wilder

Fünfzig Jahre nach Dr. Watsons (Colin Blakely) Tode wird eine Kiste mit geheimen Memorabilia von Sherlock Holmes' (Robert Stephens) Busenfreund geöffnet. Darin finden sich unter anderem Aufzeichnungen über zwei bislang unbekannte Fälle des Meisterdetektivs: Im ersten soll er als Vater für das geplante Baby einer russischen Ballettdiva (Tamara Tourmanova) herhalten, wiegelt jedoch ab mit der Begründung, er und Watson seien ein schwules Paar, im zweiten lässt sich Watson von einer kaiserlichen Spionin (Geneviève Page) hereinlegen, die zur großen, unerfüllten Liebe seines Lebens avanciert.

Einer der weniger beleumundeten Filme Billy Wilders, wohl nicht ganz zu Unrecht. Mit der kleinen Episode um Holmes' erotische Ausflucht stark und witzig beginnend, fällt er mit der zweiten, erzählzeitlich wesentlich ausführlicher dargebrachten Geschichte um die von Holmes' undurchsichtigem Bruder Mycroft (Christopher Lee) überwachte Konstruktion eines Unterseebootes jedoch etwas ab. Besonders Colin Blakely als Watson, in der deutschen Synchronfassung vorzüglich vertont von Harald Juhnke, macht den Film jedoch immer wieder sehenswert, da er das humorige Potenzial des gepflegt-grotesken Szenarios zu schüren versteht. Die Szenen, in denen er, als Hahn im Korb der schnieken russischen Tänzerinnenm Holmes' vorherigen "Verrat" am eigenen Leibe zu spüren bekommt und ihn später erbost zur Rede stellt, beinhalten große Wilder/Diamond-Eleganzia. Danach wird es vergleichsweise konventionell und ein im Grunde "typischer" Holmes-Fall mit eher zurückhaltender Komik steht an. Wilders visuelle Pflege der viktorianischen Ära ist erwartungsgemäß natürlich von größter Sorgfalt und höchst vergnüglich, Christopher Challis' weichzeichnende Kamera passt sich ihr zudem hervorragend an. So ist "The Private Life Of Sherlock Holmes" insgesamt betrachtet vor allem ein visueller Genuss; zu seinem völligen Gelingen hätte ich mir jedoch gewünscht, dass der Film das Versprechen der ersten dreißig Minuten weiter einhält.

7/10

Billy Wilder Sherlock Holmes Victorian Age London Schottland Loch Ness Kokain femme fatale


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THE POSTMAN ALWAYS RINGS TWICE (Tay Garnett/USA 1946)


"With my brains and your looks, we could go places."

The Postman Always Rings Twice (Im Netz der Leidenschaft) ~ USA 1946
Directed By: Tay Garnett

Der Tagelöhner und Vagabund Frank (John Garfield) kommt eines Tages zum kleinen Highway-Diner "Twin Oaks", das von dem alternden Nick (Cecil Kellaway) und seiner schönen jungen Frau Cora (Lana Turner) bewirtschaftet wird. Frank verfällt Cora gleich, als er sie zum ersten Mal erblickt. Fortan kommen die beiden nicht mehr voneinander los und scheint Nick nicht schon blind für ihre Liaison, forciert er diese sogar regelrecht. Irgendwann erwächst aus einer unbedachten Bemerkung Franks der Plan, Nick zu ermorden, um freie Bahn zu haben und sein Restaurant zu erben. Erst der zweite Mordversuch gelingt, aber schon nach dem ersten heftet sich der karrieresüchtige Staatsanwalt Sackett (Leon Ames) an Franks und Coras Fersen. Nur die Verschlagenheit des Anwalts Keats (Hume Cronyn) rettet das Paar vor der Verurteilung; am Ende jedoch erwartet es die göttliche Gerechtigkeit.

Nachdem Luchino Visconti Cains Roman mit seinem "Ossessione" bereits zwei Jahre zuvor adaptiert hatte, allerdings ohne sich aus Übersee die Genehmigung von Verlag und Autor einzuholen, erfolgte mit "The Postman Always Rings Twice" die erste offizielle Verfilmung vor der eigenen Haustür. Für alle Beteiligten bildete der schwitzig-schwüle Film den jeweils größten Karrierehöhepunkt, für Tay Garnett, John Garfield und Lana Turner, deren Rollenimage hernach komplett festgelagt war auf den rauen Outlaw respektive die ebenso erotische wie berechnende Blondine. Cains Geschichte schließlich besitzt als archetypischer, ikonographischer film noir bis heute Gültigkeit und Bestand: Das amoralische Paar, getrieben von triebhafter Verlotterung, blanker Körperlichkeit und der bloßen Gier auf- und nacheinander, das sich am Ende liebt und hasst und misstraut - vor allem aber verdient, die harten Kontrast Kaliforniens vom lichten Wüstentag bis hin zur finstersten Nacht, in der die bösen Pläne unerkannt im Schatten reifen können. Dann der obligatorische, schmierige Erpresser, der am lüsternen Leid des armen Betrügerpaars seinen Schnitt zu machen versucht, schließlich das von Korruption durchsetzte Rechtssystem, in dem noch jeder Klüngel erfolgreich ist und sich für irgendwen rentiert.
Garnetss Film hat all das und mehr.

9/10

Tay Garnett James M. Cain Kalifornien amour fou femme fatale film noir Courtroom


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THE LOST MOMENT (Martin Gabel/USA 1947)


"I never sleep. I hear every sound in this house."

The Lost Moment (Briefe aus dem Jenseits) ~ USA 1947
Directed By: Martin Gabel

Der New Yorker Verleger Lewis Venable (Robert Cummings) bemüht sich um das literarische Erbe des romantischen Dichters Jeffrey Ashton, der Mitte des 19. Jahrhunderts unter ungeklärten Umständen verschwunden ist. Jener Poet hatte offenbar einen regen Briefwechsel mit seiner damaligen Geliebten, der venezianischen Edeldame Juliana Bodereau (Agnes Moorehead). Mittlerweile steinalt lebt diese mitsamt ihrer jungen Nichte Tina (Susan Hayward) noch immer in dem einst prächtigen, zusehends verfallendem Herrenhaus in der Lagunenstadt. Um an die Briefe Ashtons zu gelangen, gibt sich Venable als Autor aus, der die Atmosphäre des Hauses benötige, um sein neuestes Werk zu vollenden. Dabei macht er sowohl die Bekanntschaft der uralten Juliana als auch die Tinas, die, eigentlich eine reservierte und kühle Frau, nächtens bizarre Regressionen durchlebt, während derer sie sich als ihre eigene, Jeffrey Ashton hinterherschmachtende Tante in jungen Jahren wähnt. Zunehmend von Tina fasziniert, sieht sich Venable bald mit der Entscheidung konfrontiert, seiner Liebe zu der hilfebedürftigen Schönheit stattzugeben, oder mit Ashtons Briefen das Weite zu suchen...

Ein vergessenes, kleines Kunstwerk der Schauerromantik, einst vom Produzenten Walter Wanger als Vehikel für seine von ihm heißbegehrte Muse Susan Hayward vom Stapel gelassen, die mit dem Ergebnis jedoch wohl nicht ganz zufrieden war. Der Publikumsandrang hielt sich denn auch in überschaubaren Grenzen, "The Lost Moment", eine der ersten Henry James-Adaptionen, stieß auf weitflächige Ablehnung und Unverständnis. Für Martin Gabel, der hier und da immer wieder als Film- und TV-Schauspieler in Erscheinung getreten ist, blieb es die einzige Regiearbeit. Ein Jammer, denn seine Fähigkeit zu gezielter Evokation von Atmosphäre ist nicht von der Hand zu weisen. Venedig als Schauplatz der Handlung ist angesichts der zumeist im und um das Haus Bodereau angesiedelten Atelier-Aufnahmen reine Makulatur und lediglich der Konstruktion der Vorlage geschuldet; die Ahnung allerdings, dass Venedig hinter und vor allem unter seinen alten Mauern längst vergessene Mysterien und Geheimnisse birgt, ist und bleibt omnipräsent. An der Beleuchtung hätte man hier und da feilen können, ein nächtlicher Erkundungsgang Venables durch das unüberschaubare Haus, der dazu dient, den Ursprung ferner Pianoklänge ausfindig zu machen, verschenkt Wanger indem er ihn von der Dunkelheit verschlucken lässt. Dennoch bleibt ein beachtliches Werk, an dem James-Anhänger trotz mancher Änderungen ihre Freude haben werden.

8/10

Martin Gabel Venedig Literatur Henry James


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GROSSE FREIHEIT NR. 7 (Helmut Käutner/D 1944)


"Es gibt nichts, was ein Mann nicht vergessen kann... wenn er ein Mann ist!"

Große Freiheit Nr. 7 ~ D 1944
Directed By: Helmut Käutner

Weil er sich zeitlebens für seinen nichtsnutzigen Bruder Jan (Kurt Wieschala) aufgerieben hat, muss Seemann Hannes Kröger (Hans Albers) sich als Unterhaltungssänger im 'Hippodrom' auf St. Pauli seine Moneten zusammenverdienen, statt zur See zu fahren. Als Jan stirbt, erfüllt Hannes ihm seinen letzten Wunsch und kümmert sich um Jans frühere Liebschaft Gisa (Ilse Werner), die er mit nach Hamburg nimmt. Hannes verliebt sich in das zarte Mädchen, ist jedoch unfähig, ihr seine Gefühle in romantischer Weise zu vermitteln. Stattdessen verguckt sich Gisa in den Hafenarbeiter Willem (Hans Söhnker), der ihr nach allen Regeln der Kunst den Hof macht. Hannes ist am Boden zerstört, fasst jedoch nun endlich wieder das Herz, anzumustern.

Wunderschöner Terra-Farbfilm, dessen durchaus akkurate Milieuschilderung des Paulier Nachtlebens Goebbels so sehr auf die Palme brachte, dass seine Aufführung im großdeutschen Reich, mit Ausnahme des Protektorats Böhmen und Mähren, wo er zu weiten Teilen auch entstanden ist, untersagt wurde. Keine aufrechten Helden, kein Propaganda-Potential - nur eine realistisch erzählte Dreiecksgeschichte, aus der ausgerechnet der Protagonist (der ursprünglich Johnny heißen sollte, auf Goebbels' Insistieren hin jedoch zu 'Hannes' umgetauft werden musste) als Verlierer hervorgeht. Das hatte keinerlei sozialrelevante Funktion für den NS-Apparat und brauchte daher auch keine Popularität.
Die autoromantisierende Zeichnung des Hamburger Hafen-Milieus, der nächtlichen Glitzerwelt, der schäbigen Huren und Alleinunterhalter, besoffener Matrosen und altkluger Weltenbummler ist stilbildend für alles, was danach noch fürs Kino über St. Pauli gemacht wurde. Und Albers wird nach wie vor und wohl auch auf ewig mit dem "blonden Hans" assoziiert.
Echtes, relevantes deutsches Kulturgut.

9/10

Helmut Käutner Hamburg St. Pauli Kiez Hafen Musik


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THE PRINCESS BRIDE (Rob Reiner/USA 1987)


"This being our first try, I'll use the lowest setting."

The Princess Bride (Die Braut des Prinzen) ~ USA 1987
Directed By: Rob Reiner

Ein Junge (Fred Savage) bekommt von seinem Opa (Peter Falk) das Buch von der "Braut des Prinzen" am Krankenbett vorgelesen, obschon er Märchen eigentlich langweilig und blöd findet. In der Geschichte wird das Liebespaar Buttercup (Robin Wright) und Westley (Cary Elwes) getrennt. Während Buttercup, im Glauben, Westley sei tot, auf die Heirat mit dem schmierigen Prinzem Humperdinck (Chris Sarandon) wartet, wird sie von dem kriegstreibenden Gauner Vizzini (Wallace Shawn) und seinen Partnern Inigo Montoya (Mandy Patinkin) und Fezzik (André the Giant) entführt. Doch Westley lebt und kehrt als maskierter Korsar zurück, um Buttercup zu befreien und wieder zu der Seinen zu machen.

Rob Reiners Film erfreut sich ja ungebrochener Beliebtheit, wie seine konstante Listung in der imdb-Top-250 beweist. Wohl zu Recht, denn der Ansatz, einem potenziellen Kinderfilm eine Metaebene zu verleihen, die einerseits über Wesenhaftigkeit und Status klassischer Märchen und Sagen in der hedonistischen Yuppie-Ära der Achtziger Auskunft gibt und andererseits mit spitzfindiger Komik auch gesetzte Herrschaften zum Schmunzeln bringt, geht perfekt auf. Ohne die übertriebene Effekte-Zauberei eines George Lucas, der fast zeitgleich mit "Willow" einen nicht unähnlichen, jedoch wesentlich oberflächlicheren Film vom Stapel ließ, erfrischt "The Princess Bride" mit den ebenso luziden wie bewährten Mitteln des klassischen hollywood'schen Abenteuerkinos immer wieder aufs Neue Herz und Hirn.

9/10

Rob Reiner Märchen Magie Satire Kinderfilm Riese


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THE FRONT (Martin Ritt/USA 1976)


"A writer looks for trouble."- "No, wrong. A lunatic looks for trouble."

The Front (Der Strohmann) ~ USA 1976
Directed By: Martin Ritt

Weil er in den Fünfzigern auf der Schwarzen Liste des HUAC landet, bittet der TV-Autor Alfred Miller (Michael Murphy) seinen Kumpel Howard Prince (Woody Allen), einen stets kurz vor der Pleite stehenden, unbedarften Kneipier und Buchmacher, die von Miller geschrieben Scripts gegen einen fairen Obolus unter seinem Namen weiterzuleiten. Der Plan funktioniert und bald darauf lassen sich zwei weitere Berufsgenossen Millers (Lloyd Gough, David Margulies) von Howard repräsentieren. Howard wird ein Star der Branche, verdient gutes Geld, bekommt eine bezaubernde Freundin (Andrea Marcovicci) - und zieht prompt die Aufmerksamkeit des HUAC auf sich. Dieses bringt zugleich unbarmherzig die Karriere des einstmals beliebten TV-Darstellers Hecky Brown (Zero Mostel) zu Fall. Als Howard schließlich selbst vor dem HUAC aussagen soll, bleibt ihm nurmehr die Wahl zwischen Verrat und Integrität...

Jeder Film, der über die unfassbaren Praktiken des HUAC entstanden ist oder dereinst noch entstehen soll, ist a priori von eminenter Bedeutung. Wenn daraus noch eine so gallige, erstklassige Dramödie wie "The Front" entsteht, dann ergänzen sich Pflicht und Kür zu einer ebenso aufwühlenden wie hervorragenden Einheit. Etliche ehemals "schwarzgelistete" Künstler, darunter Martin Ritt, der Autor Walter Bernstein und der bewegend agierende Zero Mostel wirkten an der Entstehung dieses filmischen Sägemessers mit, ohne sich im Nachspann die verspätete Ehre zu versagen, ihre einstige Involvierung in "unamerikanische Umtriebe" schriftlich zu Protokoll bzw. das Datum ihrer Listung bekanntzugeben. Bernstein macht dabei keinen Hehl daraus, dass etliche der geschäftsverbannten Künstler tatsächlich Kommunisten oder zumindest Sympathisanten waren, derweil andere vielleicht einmal bei einer Demo oder Kundgebung aufkreuzten und deswegen zu Denunziationen gezwungen wurden. "The Front" beschönigt nichts und verschweigt ebensowenig. Manch einen Gelisteten trieb das unausgesprochene Berufsverbot in den verzweifelten Freitod, andere in Depression und Isolation. Wie hier unter Senator McCarthy das so fanfarisch herausposaunte "Recht auf freie Meinungsäußerung" mit Füßen getreten wurde in einem Land, dass sich seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung rühmt wie kein anderes, das ist noch immer von Schaudern machender Doppelmoral. Und selten so sehenswert wie in diesem Fall.

10/10

Martin Ritt McCarthy-Ära New York Freundschaft Satire period piece Fernsehen


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LENNY (Bob Fosse/USA 1974)


"l'm not anti-Christ or anti-religion, l just think it's encouraging that people are leaving the Church and going back to God."

Lenny ~ USA 1974
Directed By: Bob Fosse

In Rückblenden und via Interviews mit seiner Ex-Frau Honey (Valerie Perrine), seine Agenten Artie Silver (Stanley Beck) und seiner Mutter (Jan Miner) wird die kurze und wechselhafte Karriere des Stand-Up-Komikers Lenny Bruce (Dustin Hoffman) nachgezeichnet: Von seinen ersten bescheidenen Erfolgen als braver Schmalspurkomödiant über seine weitere Karriere als enfant terrible der Jazz- und Nachtclubs, das mit obszönen Worthülsen Zensur und Staat zu puterroten Zornesausbrüchen trieb bis hin zu Auftrittsverboten und der unvermeidlichen Überdosis Heroin, die sein Leben traurig besiegelte.

In meisterhaftem Schwarzweiß photographiert präsentierte sich "Lenny" seiner Zeit selbst für New-Hollywood-Verhältnisse als recht unbequemes Biopic. Immerhin ist sein Impact bis heute spürbar; spätere "Nachzügler" von Formans "Larry Flynt" bis Mangolds "Walk The Line" zeigten sich von seiner Spezifik, die Vita einer betont unbequemen Persönlichkeit mit seinen Höhen und Tiefen zu skizzieren, beeinflusst - wenngleich die Idee mit dem fiktiven Interviewer zunächst Fosse respektive dem Autor Julian Barry vorbehalten blieb. Im Falle Lenny Bruce war jene Biographisierung im Film jedoch ohnehin nicht bloß wichtig, sondern für sein kulturelles Ambiente nahezu obligatorisch. Der altehrwürdigen, oftmals jüdischstämmigen Komikerkaste rund um Henny Youngman und Milton Berle bedeutete Lenny Bruce Zäsur: Er brachte gefürchtete Vierbuchstaben-Wörter nicht nur bewusst in seinem Repertoire unter, sondern strickte ganze Shows um sie herum; bei ihm ging es bereits um 'tits' und 'cocksucking', als der prüde US-Puritaner solcherlei Vokabular noch nichtmal unter Androhung der Todesstrafe in den mund genommen hätte, freilich stets unter unsubtiler Verweisung darauf, dass die wahre humane Perversion in Rassismus, Bigotterie und Militärintervention zu suchen sei. Sein unermüdlicher Kampf gegen das Establishment kostete ihn schließlich seine Karriere und, über sich anschließende Pfade, auch sein Leben, nicht ohne Nachfahren wie Richard Pryor oder George Carlin ein reich- und nachhaltiges Erbe hinterlassen zu haben. Dustin Hoffman macht seine Interpretation dieses diffizilen Charakters zu einem darstellerischen Kraftakt, der eine seiner großartigsten Leistungen bereithält. Ebenso wie "Lenny" vielleicht Bob Fosses größter Film ist.

10/10

Bob Fosse Stand-Up-Comedian Biopic period piece Drogen Heroin Ehe Scheidung based on play New Hollywood Courtroom Jazz


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THE CRYING GAME (Neil Jordan/UK, J 1992)


"I'm tired and emotional."

The Crying Game ~ UK/J 1992
Directed By: Neil Jordan

Ausgerechnet sein jüngstes Entführungsopfer, der britische Soldat Jody (Forest Whitaker) weckt die verloren geglaubte Menschlichkeit im Herzen des IRA-Soldaten Fergus (Stephen Rea) zu neuem Leben. So bringt er es auch nicht übers Herz, Jody wie beauftragt zu erschießen - stattdessen wird er bei seiner Flucht von einem Panzer seiner eigenen Leute überfahren und getötet. Zuvor hat Jody Fergus noch das Versprechen abgenommen, sich in London um seine Freundin Dil (Jaye Davidson) zu kümmern. Fergus, betrübt von der Entwicklung der Ereignisse, schließt mit seiner Vergangenheit ab und geht nach London, wo er Dil kennenlernt und gleich von ihr verzaubert ist. Umso größer sein Schock, als er feststellen muss, dass Dil in Wahrheit gar keine Frau ist, sondern ein transsexueller Mann ist. Trotz allen Widerwillens kann er sein Beschützerethos jedoch nicht beilegen: Als seine ehemaligen Gesinnungsgenossen wieder bei ihm auftauchen und Dil bedrängen, wird es Zeit für die Offenlegung ein paar unbequemer Wahrheiten...

Wohl dem, der einst das Glück hatte, die Offenbarung des "maskulinen" Geheimnisses von Jaye Davidson nicht vorauszuahnen und vor dem nichtsahnend eine vermeintlich herkömmliche erotische Szene implodierte. Ich ahnte damals tatsächlich nichts von jener Enthüllung und war bis zu diesem Augenblick der Meinung, einem der gewohnten, von mir stets sehr geschätzten IRA-Dramen beizuwohnen. Mit 16 kann man von einem Film kaum mehr aus den Schuhen gekloppt werden und ich kann mich noch heute an den Faustschlag erinnern, den mir der Anblick von Jaye Davidson Gemächt in mein eigenes versetzte.
Später genoss ich dann die Reaktionen ebenso "jungfräulicher" Mitseher bei heimischen VHS-Vorführungen. Immer wieder ein formidabler Spaß. Bis heute dürfte dieser Knalleffekt wohl weithin verflogen sein, schon "Hot Shots! Part Deux" spoilerte ihn ja seinerzeit mit lustigem Vergnügen. In Kenntnis ebenjener Entwicklung ändert sich auch das diskursive Gewicht des Films; es lässt sich über eine latente Homosexualität seitens Fergus' spekulieren, die bei all seinem IRA-Wahnsinn nie zur Auslebung gekommen und deren Aktivierung sozusagen ein Abschiedsgeschenk Jodys ist. Möglicherweise empfindet Fergus auch tatsächlich nur das Mitleid für den Hinterbliebenen, indem er Dil am Ende vor dem Gefängnis bewahrt. Leider verliert der Beginn des Films durch den Einschlag in der zweiten Hälfte und die Entwicklungen im letzten Akt etwas an Intensität. Gerade die bizarre, aus terroristischer Willkür heraus entstehende Freundschaft zwischen Fergus und Jody, von Rea und besonders Whitaker mit grandioser Intensität dargeboten, verleiht "The Crying Game" seine besondere emotionale Zugkraft. Diese verflüchtigt sich gegen Ende unglücklicherweise etwas.

8/10

IRA Nordirland London Neil Jordan Independent Homosexualität Kidnapping Terrorismus





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Funxton

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