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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE HOUSE ON CARROLL STREET (Peter Yates/USA 1988)


"That's not where I need it."

The House On Carroll Street (Das Haus in der Carroll Street) ~ USA 1988
Directed By: Peter Yates

Zur Zeit des McCarthyismus wird die engagierte Journalistin Emily Crane (Kelly McGillis) zu einer HUAC-Anhörung zitiert, weigert sich jedoch, auszusagen. Daraufhin verliert sie ihren Job und nimmt kurzfristig eine Stelle als Vorleserin für die alte Miss Venable (Jessica Tandy) an, derweil sie vom FBI-Mitarbeiter Cochran (Jeff Daniels) beschattet wird. Im an Miss Venables Garten angrenzenden Grundstück bemerkt Emily schließlich mysteriöse Vorgänge. Gesetzte Herren verschiedener Nationalität gehen dort ein und aus und ein dort tätiger, junger Dolmetscher (Christopher Buchholz) bekommt es mit der Angst. Als der junge Mann von Anzugträgern mit einem Messer angegriffen wird und in Emilys Armen stirbt, ist ihr klar, dass es sich um eine Verschwörung ersten Ranges handelt, der sie da auf der Spur ist. Und tatsächlich: Der vor antikommunistischer Gesinnung überbordernde Congressman Salwen (Mandy Patinkin) holt NS-Kriegsverbrecher ins Land und stattet sie mit neuen Identitäten aus. Zusammen mit Cochran geht Emily gegen Salwen und seine Schergen vor.

Mit einem der wenigen US-Politthriller, die sich infolge ihrer "hehren Gesinnung" auch auf späten DDR-Leinwänden gut machten, ist Peter Yates in seiner kreativen Hochzeit ein weiterer ordentlicher Film gelungen, der sich ein wenig in der Tradition hitchcockscher Spannungsdramen findet um starke Frauengestalten, die ein Mysterium zu durchdringen haben und dabei in höchste Lebensgefahr geraten. Vor allem "Notorious", in dem es ja ebenfalls um herausgeschleuste Nazis geht, schießt einem unweigerlich durch den Kopf, aber auch "Spellbound" oder "Rebecca". Somit ist Yates weithin unauffällig inszenierter, auf ein gediegenes Äußeres Wert legender Krimi vor allem ein Geschenk für die ehedem kantige Kelly McGillis, die hier eine ihrer schönsten Rollen kredenzt bekam. Jeff Daniels als unvermeidlicher männlicher Gegenpart hat eigentlich bloß die Aufgabe, Emilys besonders im Rahmen jener Zeit unabhängige Femininität auszuloten und ihr auch eine erotische Identität zu verleihen. Wie so oft spielt Daniels die Rolle des eher im Hintergrund befindlichen Unterstützers. Toll ist auch Mandy Patinkin als gefährlich-diabolischer McCarthy-Rädelsführer, dessen Patriotismus groteske Formen annimmt. Sein hübsch grelles Ende im Showdown enthebt "The House On Carroll Street" allerdings jedweden Restes von zuvor schwerlich geschürter Ernsthaftigkeit.

7/10

Peter Yates New York period piece FBI McCarthy-Ära Nationalsozialismus Verschwörung


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WHAT BECOMES OF THE BROKEN HEARTED? (Ian Mune/NZ 1999)


"I've had enough."

What Becomes Of The Broken Hearted? ~ NZ 1999
Directed By: Ian Mune

Fünf Jahre nach der Trennung von seiner Ex-Frau Beth (Rena Owen) hat sich für Jake "The Muss" Heke (Temuera Morrison) nicht allzuviel geändert. Er hat zwar eine neue Freundin (Edna Stirling), doch diese Beziehung bleibt eher schwebend und vorsichtig. Suff und Schlägereien gehören für Jake nach wie vor zur Tagesordnung. Als jedoch sein Sohn Nig (Julian Arahanga) infolge eines Gang-Anschlages stirbt, beginnt für ihn ein langsamer Prozess des Umdenkens, der sich forciert beschleunigt, als Jakes Zweitältester Sonny (Clint Eruera) den Tod seines Bruders aufklären möchte und sich mit dessen früherer Freundin (Nancy Brunning) mitten in die Höhle des Löwen begibt. Für Jake heißt es nun, ein drittes Kind vor gewaltsamem Sterben zu bewahren, doch dazu muss erst seine eigene Persönlichkeit reifen.

Bei weitem nicht so wuchtig und wichtig wie der massive "Once Were Warriors", bietet dessen Sequel "What Becomes Of The Broken Hearted?" immerhin eine willkommene Chance für den wunderbaren Temuera Morrison, seinem Charakter des "Jake The Muss" neue Nuancen abzuringen. Wo "Once Were Warriors" immer auch ein wenig liebäugelte mit der eruptiven Gewalt, die von Jake ausging, macht Munes Fortsetzung sogleich klar, dass dieser Weg nun endgültig nicht mehr gefragt ist. Seine alten Freunde sind weg, wohl auch,- man darf ein wenig in den nerdigen Filmorkus hineinspekulieren-, wegen Jakes selbstjustizialer Aktion gegen "Onkel" Bully im Vorgänger. Und es geht noch weiter abwärts. In seinem Stammlokal bekommt er Hausverbot, weil er die Einrichtung einmal zu häufig demoliert hat, seine neue Freundin kehrt ihm gleich nach dem ersten Anflug von Beziehungsgewalt konsequent den Rücken zu. Dafür kommen neue, vernünftigere Kumpels des Weges, die Jake deutliche Alternativen aufzeigen ohne sich missverständlich zu geben und ihm auf seinem weiteren Weg helfen.
Die parallel dazu erzählte Geschichte um Sonny Heke und seine detektivischen Ausflüge ins Banden-(Un-)Wesen von Wellington fält dagegen rapide ab. Nicht nur, dass man gleich zu Beginn den Eindruck erhält, diesem in "Once Were Warriors" noch völlig unerwähnt gebliebene Kind der Hekes käme eine dramaturgische Alibifunktion zu; die Ganggeschichte wird zudem eher ungelenk und betont spannungslos dargeboten.
Wenn er leise Töne anschlägt, ist Munes Film am stärksten, gerade weil darin die Weiterentwicklung des Vorgängers am Deutlichsten wird. Für Liebhaber von "Once Were Warriors" somit gewissermaßen unerlässlich; als eigenständiges Werk allerdings wohl ebensogut zu vernachlässigen.

6/10

Ian Mune Alan Duff Sequel Neuseeland Wellington Slum Gangs Maori


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MAN ON THE MOON (Miloš Forman/USA, UK, D, J 1999


"Kaufman, did you come here to wrestle or act like an ass?"

Man On The Moon (Der Mondmann) ~ USA/UK/D/J 1999
Directed By: Miloš Forman

Der Komiker Andy Kaufman (Jim Carrey) entwickelt sich im Laufe seiner wechselhaften Karriere zu einem enfant terrible des amerikanischen Showbiz. Er inszeniert nahezu sein komplettes Leben als einen großen Performance-Akt, verunsichert Fans und Gegner mit scheinbar authentischen, hinterrücks jedoch von langer Hand einstudierten Kabinettstückchen. Zu seinen Coups gehört unter anderem die Erfindung eines schmierigen alter ego namens Tony Clifton, das 'Mixed Wrestling', bei dem Andy ausschließlich gegen Frauen antritt sowie diverse formatsprengende Auftritte in TV-Shows.

Nachdem die Band R.E.M. bereits auf ihrem 92er-Album "Automatic For The People" den Song "Man On The Moon" über die wundersamen Medienmanipulationen des 1984 mit nur 35 Jahren verstorbenen Comedian Andy Kaufman veröffentlicht hatten, wurde später ein gleichnamiges Script daraus und ein idealer Stoff für Miloš Forman, der sich mit mehreren Vorgängerfilmen bereits als wie gespuckt für den Stoff empfohlen hatte. Zum einen wären da seine bisherigen zwei Biopics über kontroverse Charaktere, nämlich Mozart bzw. Salieri und Larry Flynt, zum anderen liebt Forman seine abseitigen Helden wie kein Zweiter und stilisiert sie, gerade wegen ihrer häufig bizarren Biographien, zu Genies und Göttern ihrer Zunft. Sein Irrenhausinsasse R.P. McMurphy war ein Märtyrer der Geistesentfaltung, Coalhouse Walker (Howard E. Rollins Jr.) in "Ragtime" ein amerikanischer Michael Kohlhaas, Mozart das größte musikalische Genie aller Zeiten, der Pornoverleger Larry Flynt ein wichtige Vorreiter für Meinungs- und Pressefreiheit. Andy Kaufman schließlich, dieses wandelnde Mysterium des Showbiz, erhält von und durch Forman ein weiteres Helden-Manifest. Auffällig, bei allen (nicht nur Besetzungs-)Analogien zu den "Vorgängerfilmen" ist hier jedoch, wie verständnis- und liebevoll Forman mit Kaufmans Person umgeht. Dessen mitunter höchst alberne Eskapaden werden tatsächlich als brillante showacts gefeiert und sein langer Krebstod, der, da kann man sich bis heute nicht ganz ganz sicher sein, möglicherweise auch bloß eine weitere von Andy Kaufmans legendären Publikumsverunsicherungen bildete, wird mit einer zusätzlichen Portion Empathie und Melancholie geschildert. Formans ganze Brillanz zeigt sich in einer späten Einstellungs-Überleitung zwischen Andys gequält lachendem Gesicht, als er erkennen muss, dass auch seine letzte Hoffnung in Form einer philippinischen Blitzheiltherapie wie das Allermeiste in seinem Leben bloß ein einziger, großer Nepp ist und seinem bleichen, entspannten Totengesicht im Sarg. Bravourös.

9/10

Miloš Forman Biopic period piece Fernsehen Krebs Stand-Up-Comedian


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THE PEOPLE VS. LARRY FLYNT (Miloš Forman/USA 1996)


"I oughta move somewhere where perverts are welcome."

The People Vs. Larry Flynt (Larry Flynt - Die nackte Wahrheit) ~ USA 1996
Directed By: Miloš Forman

Der Aufstieg des amerikanischen Printpornozaren Larry Flynt (Woody Harrelson) vom kleinen Nacktbarbetreiber bis hin zum Chef des nach 'Playboy' und 'Penthouse' dritten großen Nacktmagazins der westlichen Hemisphäre, des 'Hustler'. Immer wieder muss sich Flynt wegen offensiver Gags, Berichte und Cartoons in seiner Zeitschrift vor Gericht verantworten, wobei ihm sein Anwalt Alan Isaacman (Edward Norton) stets eine große Hilfe ist. Weniger erfolgreich als vor Justitia verläuft Flynts Ehe mit der Ex-Stripperin Althea (Courtney Love): Nachdem Larry von einem unbekannten Fanatiker (Jan Triska) angeschossen wird und fortan hüftabwärts gelähmt ist, wird er extrem opiatabhängig, wobei die labile Althea mitzieht. Im Gegensatz zu Larry bewältigt sie jedoch nie den Ausstieg aus der Sucht, erkrankt an HIV und stirbt 1987.

Ähnlich wie bereits in "One Flew Over The Cuckoo's Nest" bewältigt Miloš Forman auch in "The People Vs. Larry Flynt" die Gratwanderung zwischen Tragödie und Humor geradezu schwebend. Momente von grandioser Komik, etwa, wenn Flynt den Gerichten mittels demonstrativer Respektlosigkeit in Bekleidung und Gestus seine Missachtung präsentiert (besonders jener Prozess, welcher der Anklage folgt, die ihn dazu zwingen soll, die Quellen obskurer Videobänder preiszugeben, wäre hier zu nennen) wechseln sich ab mit solchen heftiger Dramatik, etwa, wenn der durch Drogen und Promiskuität hervorgerufene Verfall Altheas wieder ins Zentrum rückt. Courtney Love als Flynts ewige Muse und Liebe ist ganz wunderbar, nicht zuletzt, da ihre eigene Biographie kaum minder erodierend verläuft. Es ist schon herzzerreißend zu sehen, wie Flynt nach Überwindung seiner tiefen inneren Krise weiter zu Althea steht, obschon ihr längst nicht mehr zu helfen ist. Umso ergreifender ihre Todesszene.

9/10

Miloš Forman Journalismus Courtroom Biopic Drogen AIDS Heroin period piece Oliver Stone


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SAVAGES (Oliver Stone/USA 2012)


"Let me tell you something. Tijuana is coming here. It's chasing us."

Savages ~ USA 2012
Directed By: Oliver Stone

Der Kriegsveteran Chon (Taylor Kitsch), der Neohippie Ben (Aaron Johnson) und ihre Freundin O (Blake Lively) leben nicht nur eine funktionable Ménage-à-trois, sie haben von Kalifornien aus auch noch den größten und erfolgreichsten Marihuana-Handel der USA aufgezogen. Von jenseits der mexikanischen Grenze werden sie derweil schon länger eifersüchtig von der brutalen Drogen-Baroness Elena Sanchez (Salma Hayek) beäugt. Als sie eines Tages Chon und Ben nötigt, ihr ihre Zuchtgeheimnisse und ihre Vertriebswege zu übergeben, diese sich jedoch weigern, lässt Elena O entführen. Für den harten Chon eine unhaltbare Verhandlungsmethode. So greifen die einst pazifistischen, idealistischen Kiffer zu denselben Methoden wie Elena, um sich gegen sie zur Wehr zu setzen.

Den ganz großen, lässigen Wahnsinn früherer Arbeiten bringt Stone schon seit längerem nicht mehr auf, aber "Savages" ist nach all der Gepflegtheit der letzten Jahre zumindest wieder ein ordentlicher Schritt in die "richtige" Richtung. Ein Hauch von "Scarface", den Stone ja vor knapp dreißig Jahren gescriptet hat, durchweht "Savages", diesmal zwar ohne Yeyo, dafür jedoch mit Stones persönlichem, ewigem Leib-und Magen-Rauschmittel Nummer Eins: Cannabis. So zeichnet er seine Protagonistentrio denn auch tatsächlich als strahlende amerikanische Underground-Helden; ganz ohne Gewalt und voller Idealismus haben sie ihren großen, kleinen Haschvertrieb aufgezogen, verkloppen Traumgras mit 33 Prozent THC-Gehalt, lieben jede ihrer Pflanzen wie ein Baby und kiffen natürlich selbst weg, was das Lungenvolumen hergibt. Zu ihrem Kundenstamm gehören unter anderem diverse Krebskranke, denen ihr Stoff ein leidensfreieres Leben ermöglicht und einen Großteil des Erlöses stecken sie in eigens aufgezogene Entwicklungshilfeprojekte in Drittweltländern. Dazu sehen sie auch noch verdammt gut aus und vögeln sich mit Verve zu dritt durch ihren luxuriösen Alltag. Mitten in dieses paradiesische Pot-Utopia platzen dann die bösen Cholos unter Führung von Salma Hayek und Bencio Del Toro in seiner denkwürdigsten Rolle seit Langem als sadistischer Psychokiller Lado. Doch das, womit sie nicht rechnen, passiert: Ben und Chon erweisen sich als ebenso gewieft und, infolge von Bens Kriegstrauma, das den sonst so friedliebenden Ben rasch mitzieht, sogar ebenso gewaltbereit. Stone zieht diese im Prinzip simple Geschichte, die auch von Unschuldsverlust und Gewaltkausalitäten berichtet, als ebenso poppig-bunte wie blutige Gangsterstory mit kleinen Sleaze-Injektionen auf, nimmt sich durch einen großzügigen erzählzeitlichen Rahmen viel Zeit für charakterliche Ausarbeitung und hält am Ende sogar zwei mögliche Enden bereit, von denen sich paradoxerweise das dramatische erste als deutlich "happier" herausstellt. So ist "Savages" doch etwas unbequemer als es zunächst den Anschein macht und, wenngleich sich, wie bereits erwähnt, der frühere Stone nicht gänzlich reanimiert findet, eine recht erfreuliche Angelegenheit.

8/10

Oliver Stone Drogen Marihuana Kalifornien Mexiko Freundschaft Kidnapping Rache D.C.


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THE MOON IS BLUE (Otto Preminger/USA 1953)


"Don't you find I have a certain weird charm?"

The Moon Is Blue (Wolken sind überall) ~ USA 1953
Directed By: Otto Preminger

Nach Büroschluss lernt der Architekt Don Gresham (William Holden) im Empire State Building die hübsche Patty (Maggie McNamara) kennen. Die extrovertierte, witzige junge Frau gefällt ihm sogleich und so legt er es darauf an, sie womöglich zu einer Liebesnacht zu bewegen. Doch Patty macht Don unmissverständlich klar, dass sie sich für ihren zukünftigen Ehemann auspart, dessen Typus Don zudem kaum entspräche. Dennoch kommt sie mit in sein Appartment, wo sie bald Bekanntschaft mit Dons benachbarter Ex-Verlobten Cynthia (Dawn Addams) und deren lebenslustigem Vater (David Niven) schließt. Der folgende, turbulente Abend setzt sich am Folgetag mit einem neuen Liebespaar fort.

Gemäß der aus der Mode geratenen Studiopraxis früherer Jahrzehnte inszenierte Preminger parallel eine amerikanische und eine deutschsprachige Version des Herbert-Stücks, zweitere unter dem Titel "Die Jungfrau auf dem Dach" mit Hardy Krüger und Johanna Marz, die sich in der Finalszene dann witzigerweise "begegnen". Leider ist gegenwärtig lediglich "The Moon Is Blue" verfügbar, der als eine weitgehend "typgerechte", romantische Komödie seiner Zeit etwas angestaubt wirkt. Das um selbstbestimmte, weibliche Sexualität kreisende Sujet, in dem von Verführung und Defloration die Rede ist, sorgte damals für einigen Wirbel, entpuppt sich jedoch als tatsächlich eher bieder. Maggie McNamara ist nämlich keinesfalls so autoritärfeministisch, wie es zunächst vielleicht den Anschein macht; sie reizt ihre zwei Galane vornehmlich deshalb, weil sie hervorragende hausfrauliche Qualitäten an den Tag legt, gut und gerne kocht, nähen, putzen und aufräumen kann und jedes leergetrunkene Glas sofort wieder auffüllt. Mit der vielerorts vernehmbaren, emanzipatorischen Launigkeit des Films ist es ergo nicht sonderlich weit gediehen. Dafür unterhält er nett, es wird viel Whiskey gesoffen und wer William Holden mag, ist bei "The Moon Is Blue" sowieso gut aufgehoben. Wesentlich mehr lässt sich zu dieser plüschigen Komödie meinerseits jedoch kaum festhalten.

7/10

Otto Preminger New York based on play F. Hugh Herbert Nacht Alkohol


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POLISSE (Maïwenn/F 2011)


Zitat entfällt.

Polisse (Poliezei) ~ F 2011
Directed By: Maïwenn

Die Auftragsphotographin Melissa (Maïwenn) begleitet einige Monate lang die Abteilung Kinder- und Jugendschutz der Pariser Polizei. Was sie hier zu sehen und hören bekommt, verschlägt ihr nicht selten die Sprache. Ebenso bewegend sind jedoch die Strategien der höchst unterschiedlichen Polizistinnen und Polizisten, mit ihrem Arbeitsalltag umzugehen und fertigzuwerden.

Nicht ganz unkritisch hat man diese dritte Regiearbeit von Maïwenn Le Besco (die ihren Nachnamen, aus welchen Gründen auch immer, stets unterschlagen wissen möchte) beäugt: Allzu populistisch sei ihre Herangehensweise gewesen, die die mitunter schwer täterverachtende, emotionale Polizeiarbeit teils zu glorifizieren scheint und impulsiv bis gewalttätig agierende Staatsdiener zu Helden deklariert. Nun, dem ist zu entgegnen, dass harte, emotional affizierende Polizeifilme sich seit jeher kontroversen Diskursen auszusetzen haben und nicht unbedingt stets als Meinungsmale ihrer Urheber zu werten sind. Zuallererst einmal ist "Polisse" nämlich ein guter Ensemblefilm, der sicherlich Anlass zur Kritik bietet, die ich aber weniger in seiner Mentalität als in formalen Streitpunkten suchen würde. Das Thema und der Umgang finden sich hinreichend sensibel und packend dargestellt, werden trotz aller visuellen Dezenz möglicherweise bei manch einem Erträglichkeitsgrenzen ausloten, zumal der Film gleich zu Beginn bereits verbal in medias res geht. Soweit alles im oberen grünen Bereich. Ansonsten: Maïwenn sieht gut aus, und sie weiß es auch. Oder sie weiß es nicht, oder will es nicht wissen, oder möchte es möglichst oft hören, denn ihre Art, sich selbst zu inszenieren, einerseits hintergründig und zurückhaltend, andererseits jedoch durchaus zentriert und sich wichtig nehmend, lässt darauf schließen. Seit Eastwood habe ich keine(n) FilmemacherIn mehr erlebt, der sich selbst auf eine dermaßen narzisstische Weise ablichtet. Außerdem erscheint mir der wackelige Digicam-Stil einmal mehr als manieristisch. Er ordnet sich zwar weithin der Dramaturgie unter, bleibt aber dennoch omnipräsent. NachwuchsregisseurInnenen scheinen dem Irrglauben zu unterliegen, diese Wahl der Form sei ein Signal für Innovation und Frische. Nö. Trotzdem, "Polisse" ist sehr sehenswert und eine Zier für sein Genre.

8/10

Maïwenn Paris Pädophilie Ensemblefilm


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EYEWITNESS (Peter Yates/USA 1981)


"Whoever killed Long is a hero in my book."

Eyewitness (Der Augenzeuge) ~ USA 1981
Directed By: Peter Yates

Der Vietnamveteran und Hausmeister Daryll Deever (William Hurt) wittert die Chance, endlich seine von ihm seit Langem angehimmelte Lieblings-TV-Journalistin Tony Skolow (Sigourney Weaver) kennenzulernen, indem er ihr vorgaukelt, er wüsste mehr als die Polizei über den soeben passierten Mord an seinem Arbeitsplatz. Ein Asiate namens Long (Chao Li Chi), der seine Finger in teils dunkelsten Geschäften hatte, ist umgebracht worden. Tatsächlich hat Daryll bestenfalls eine Ahnung, wer hinter der Gewalttat stecken könnte; nämlich sein alter Kumpel Aldo (James Woods). Als seine Beziehung zu Tony, die aus reichem jüdischen Elternhaus stammt und eigentlich mit dem zwielichtigen Joseph (Christopher Plummer) liiert ist, sich nach und nach vertieft, ahnt der im siebten Himmel Schwebende nicht, dass er sich in tödliche Gefahr begibt.

"Eyewitness" schlägt Winkelhaken wie ein Karnickel auf der Flucht, bald romantische Liebesgeschichte, bald whodunit, dann die alttypisch hitchcock'sche Mär vom unschuldig Verfolgten, dann wieder Politthriller mit undurchsichtiger Ausprägung. Von allem ein bisschen, aber nichts so ganz. Interessant wird der Film stets dann, wenn er sich Zeit nimmt, Impressionen der Stadt zeigt; wenn Yates gerade mal nicht seiner - ihn offensichtlich selbst nur sekundär tangierenden - Story hinterherzuhecheln braucht und maqßvoll inszeniert. Die zig falsch gelegten Storyfährten interessieren bald auch den Zuschauer kaum mehr und wenn am Ende der Showdown vor ungewöhnlicher Kulisse abgespielt wird, dann ist es einem eigentlich längst egal, wer, warum und weshalb. Dass dabei gute Leute wie Christopher Plummer und Kenneth McMillan faktisch verheizt werden, beäugt man stattdessen mit einigem Bedauern. Immerhin: Die enervierende Szene um Deevers vergifteten und daher tollwütigen Hund Ralph war recht packend. Sauber dressiert, der hübsche Kerl.

6/10

Peter Yates New York Journalismus


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FIGHT CLUB (David Fincher/USA, D 1999)


"Go ahead, Cornelius, you can cry."

Fight Club ~ USA/D 1999
Directed By: David Fincher

Ein bei einer Autofirma angestellter, junger Mann (Edward Norton), der feststellen muss, ob Unfälle mit den hauseigenen Produkten regresspflichtig gemacht werden können, ist über seine Einsamkeit hinaus schlaflos geworden. Um wieder fühlen zu können, geht er als "Elendstourist" zu diversen Selbsthilfegruppen. Als er sich jedoch in die "unkonventionelle", ihm jedoch durchaus ähnliche Marla Singer (Helena Bonham Carter) verliebt, die so gar nicht seinem klassischen Beuteschema entspricht, entwickelt der junge Mann eine ausgeprägte Schizophrenie, die in einer Persönlichkeitsspaltung mündet: Sein anderes, neues Ich, Tyler Durden (Brad Pitt) kann alles, was er selbst nicht kann, er ist ein Anarchist, der den Ist-Zustand der Welt verabscheut und mit der Hilfe seines braven alter ego die Revolution anbahnt. Zunächst wird ein im Untergrund operierender Faustkampfclub gegründet, aus dem sich dann später eine Revolutionsarmee speist, die etwas ganz besonders Schönes plant.

Palahniuks Buch habe ich noch immer nicht gelesen und werde dies wahrscheinlich auch nie nachholen, weil ich Finchers absolut meisterhaftes Filmmonster durch nichts mehr angekratzt wissen möchte.
"Fight Club" subsumiert die Krise einer immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe: Der des männlichen, angestellten, gutverdienenden, weißen, abendländischen Frühdreißigers. Überarbeiteter Anzugträger, sich mit Statussymbolen jedweder Konsumsparte ausstaffierend, dabei todunglücklich, einsam und gefangen, das für eine Person viel zu große Wohnblock-Apartment gesäumt mit Ikea-Waren, stets mit Zivilisationskrankheiten von Insomnie über Hypertonie bis hin zu Depressionen und Burn-Out kämpfend. Ein klein wenig Fight-Club-Edward-Norton steckt wohl in "uns" allen und dagegen können wir uns vermutlich auch gar nicht wehren. Die Geschichte entwickelt diesen Ist-Zustand mit einem unvergleichlichen, genießerischen Selbsthass und Selbstekel, fernab jedweden Mitleids und mit einem solch überbordernden Zynismus, wie es kein anderes Werk zustande bringt und zehrt daher auch vierzehn Jahre und mehrere internationale Kriege später noch immer von ungebrochener Aktualität. Brad Pitt als anarchistisches Wunsch-Ich zu besetzen, derweil er im Prinzip bloß seinen "12 Monkeys"-Part repetiert, ist ein weiterer großer Schachzug dieser in jeder Hinsicht perfekt ausgearbeiteten Milieumeditation, die sich selbst nicht davor scheut, das hochfinanzielle Chaos zu predigen und deren wunderbar romantisches Schlussbild bitteschön nicht als Armageddon missverstanden werden will, sondern als durchaus probate Rettungsoption. Ich hatte danach, wie immer kurz nach dem Film, verdammt viel Lust, mich in eine Kneipe zu setzen und mir mit Karacho selbst in die Fresse zu hauen, war dann aber doch mal wieder zu feige. Ich brauche wohl erst noch meinen Tyler Durden.

10*/10

David Fincher Chuck Palahniuk Satire Groteske Terrorismus Faustkampf Verschwörung Insomnie Madness Apokalypse Krebs Persönlichkeitsstörung


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TO ROME WITH LOVE (Woody Allen/USA, I, E 2012)


"Let me tell you, and I'm experienced: it's better to be rich and famous than to be poor and unknown."

To Rome With Love ~ USA/I/E 2012
Directed By: Woody Allen

Vier lustige Anekdoten aus und in Rom: Der Architekturstudent Jack (Jesse Eisenberg) verliebt sich in die wankelmütige Freundin (Ellen Page) seiner Freundin (Greta Gerwig), wobei ihm als geisterhafter Ratgeber ständig ein gealtertes Pendant (Alec Baldwin) die Situation redet; der Angestellte und Familienvater Leopoldo (Roberto Benigni) erlebt die Höhen und Tiefen urplötzlichen medialen Ruhmes; der retirierte Opernregisseur Jerry (Woody Allen) überredet den künftigen Schwiegervater (Fabio Armiliato) seiner Tochter (Alison Pill), Tenor zu werden - unter etwas seltsamen Konditionen -; das Jungehepaar Antonio (Alessandro Tiberi) und Milly (Alessandra Mastronardi) entschließt sich nach einem jeweils turbulenten amourösen Abenteuer, zurück in die Sicherheit der Provinz zu ziehen.

Und weiter führt Woody Allens Streifzug durch die Metropolen der alten Welt, nach bereits viermaliger Zwischenstation in London und jeweils einmaliger in Barcelona und Paris. Diesmal geht die Reise also nach Rom und wieder wirkt sich der luftige Lebensstil Südeuropas als überaus vitalisierend für die Lebensgeister Allens, dessen intellektueller Schneid nicht mehr ganz so rasiermesserscharf zu sein scheint wie dereinst, der aber immer noch ganz lustige und vor allem grundtypische Geschichtchen ersinnt um Liebe und Laster, Wohl und Wehe von Beziehungen und die Unpraktikabilität der Psychoanalyse. Penélope Cruz ist als dralle Upper-Class-Hure unwiderstehlich, man möchte nur noch sein Gesicht in ihrem Dekolleté vergraben und darin ersticken. Eisenberg und Baldwin nerven geflissentlich, wenngleich ich mit ersterem nach dem widerwärtigen "Zombieland" langsam aber sicher meinen Frieden machen kann. Die beste Episode hat der Almeister indes sich selbst und seiner langjährigen Kollegin Judy Davis spendiert, wenngleich angesichts der deutschen Fassung Entsetzen meinen Leib durchfuhr: Nach vierzig Jahren hat Wolfgang Draeger offenbar als hiesige Stimme der Ikone abgedankt. Damit endet eine elementare Episode deutscher Synchronisationskunst.

8/10

Woody Allen Rom Ensemblefilm





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