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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE CONQUEROR (Dick Powell/USA 1956)


"Dance for me, Tatar woman."

The Conqueror (Der Eroberer) ~ USA 1956
Directed By: Dick Powell

Der mongolische Stammesführer Temujin (John Wayne), der dereinst als Dschingis Khan in die Geschichte eingen wird, raubt die Tatarentochter Bortai (Susan Hayward), deren Vater Kumlek (Ted de Corsia) einst Temujins Vater ermordete. Dennoch will er Bortai zur Frau, koste es was es wolle. Zugleich will Temujin endlich Rache an den Tataren und entspinnt eine Fehde gegen sie, in die er auch den Chinesen Wang Khan (Thomas Gomez) einbezieht. Doch Temujin gerät in die Fänge seiner Feinde, aus denen Bortai, die ihrer heimlichen Liebe zu ihm endlich stattgibt, ihn wieder befreit. In einem einzigen großen Schachzug eignet er sich das Reich Wang Khans an und führt seine und dessen Armee siegreich gegen die Tataren.

In inhaltlicher Hinsicht nicht nur vollkommen banal, sondern nachgerade haarsträubend, ist "The Conqueror" einer der merkwürdigsten Filme aus Duke Waynes mittlerer Schaffensphase. Als letzte Filmproduktion des Millionärs Howard Hughes sowie Prestige- und immenses Risikoprojekt für die RKO erwarb sich "The Conqueror" vor allem den Ruf eines "Mörderfilms": Der Wüstendrehort in Utah lag nämlich genau in der Windrichtung eines Atombombentestgebiets im Nachbarstaat Nevada und wurde unentwegt von den stark radioaktiv verseuchten Staub- und Sandstürmen just durchgeführter Bombentests heimgesucht. Dies hatte mittelbar zur Folge, dass mit über einem Drittel aller an der Produktion beteiligten Darsteller und Stabsmitglieder ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Mitarbeiter an Leukämie und anderen strahlungsbegünstigten Krebsarten verstorben ist, darunter Wayne, Susan Hayward, Pedro Armendáriz, Agnes Moorehead und der Regisseur Dick Powell, in erster Linie eigentlich selbst Akteur. Nachweislich hatte dieser für Nachdrehs in Culver City sogar tonnenweise von dem vor Ort lagernden Sandstaub ins Atelier bringen lassen - um möglichst authentische Bilder zu erhalten. Ungeachtet der bösen Ironie, dass ausgerechnet der eherne Anti-Kommunist Wayne durch dem Kalten Krieg geschuldete A-Waffen-Experimente das Zeitliche segnen musste, ist "The Conqueror" lupenreiner Camp, ein Beispiel teurer, verschleuderter Logistik und ein weiterer Beweis der unbestechlichen Unfähigkeit Howard Hughes', Filme auch nur halbwegs gewinnbringend zu produzieren. Dennoch ist er gerade in seinem stolzen, verschwenderischen, kurzsichtigen Versagen sowie als das, was er eben über die Dekaden zu symbolisieren begann, sehr sehenswert.

5/10

Dick Powell Howard Hughes Dschingis Khan Mongolei period piece Camp


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GRAND HOTEL (Edmund Goulding/USA 1932)


"Grand Hotel... always the same. People come, people go. Nothing ever happens."

Grand Hotel (Menschen im Hotel) ~ USA 1932
Directed By: Edmund Goulding

Im Grand Hotel Berlin laufen binnen 48 Stunden mehrere Schicksale ineinander: Die stark depressive Ballett-Diva Grusinskaya (Greta Garbo) leidet unter Vereinsamung und steckt in einer schweren Schaffenskrise, bis sie den verarmten Blaublütigen Gaigern (John Barrymore) kennenlernt und sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Der gutherzige Baron seinerseits versucht, sich als Hoteldieb zu sanieren und will der 'Gru' eine Perlenkette stehlen - ein Plan, den er flugs drangibt als er sein "Opfer" näher kennenlernt. Den Großindustriellen Preysing (Wallace Beery) plagt derweil der drohende Konkurs seines Unternehmens. Um auf andere Gedanken zu kommen, setzt er sich ein Tête-à-tête mit seiner hübschen Stenotypistin Fräulein Flamm (Joan Crawford) in den Kopf, die sich ihrerseits in Baron Gaigern verguckt. Der alternde, todkrank diagnostizierte Buchhalter Otto Kringelein (Lionel Barrymore) schließlich, einer von Preysings vielen Angestellten, nimmt sich vor, in seinen letzten Lebenswochen nochmal richtig die Puppen tanzen zu lassen und lernt über die Vorzüge von Freundschaft, Champagner, Tango und Baccarat die wahre Lebensfreude schätzen.

Der Urvater des klassischen Ensemblefilms, der bis heute immer wieder schöne Sprösslinge hervorbringt und, wie sich anhand "Grand Hotel" recht gut studieren lässt, seine Grundform nur unwesentlich variiert hat - außer vielleicht mit der Einschränkung, dass spätere Meister wie Altman ihn noch wesentlich komplexer und ausführlicher gestalteten.
Das inhaltliche Konzept ist so einfach wie brillant: Mehrere Vitae begegnen sich, kollidieren miteinander, laufen fortan parallel oder brechen wieder auseinander, alles binnen einer streng gesetzten Orts- und Zeiteinheit. Die ursprüngliche Idee zu "Grand Hotel" stammt von Vicki Baum, die es als "Menschen im Hotel" 1929 mit dem Untertitel "Kolportageroman mit Hintergründen" als ein Porträt eines Edelhorts inmitten der Weimarer Republik veröffentlichte. William A. Drake machte daraus flugs ein Theaterstück, das schließlich in Form dieser schon damals gefeierten MGM-Produktion adaptiert wurde und nicht nur nochmals Baums Buch, sondern auch dem Motiv des Touristenhorts mit wechselnden Gesichtern und Geschichten Bahn brach. Es lässt sich mutmaßen, dass ohne den massenkulturellen Hattrick bestehend aus Roman, Stück und Buch (später kam noch ein Musical hinzu) der Ensemblefilm (und spätere TV-Serien-Ableger) nicht das wären, was sie heute sind. Gouldings Film ist ein Meisterwerk des gesellschaftskritischen Kinos, das Vicki Baums Vorlage vor allem aufgrund seiner Zeitnähe so adäquat einfangen konnte. Nur Monate später, als Berlin zusammen mit dem Rest der vormaligen Republik schleichend im braunen Sumpf versank, hätten die Entstehung des Films und natürlich das Resultat selbst einen schalen Beigeschmack erhalten. So ist der Nachwelt ein bei allem Zeitkolorit zeitloses Stück Hollywood erhalten geblieben, das aufzeigt wie weit Inszenierung, Dramaturgie und Schauspiel bereits in den jungen Tagen des Tonfilms bereits gediehen waren.

10/10

Edmund Goulding Berlin Hotel Ensemblefilm Vicki Baum based on play Best Picture


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MIDNIGHT (Mitchell Leisen/USA 1939)


"Come on, everybody do la conga."

Midnight (Enthüllung nach Mitternacht) ~ USA 1939
Directed By: Mitchell Leisen

Völlig abgebrannt kommt die Sängerin Eve Peabody (Claudette Colbert) mit dem Zug aus Monte Carlo in Paris an - und hat das große Glück, am Bahnhof den charmanten Taxifahrer Tibor Czerny (Don Ameche) kennenzulernen, der sie auf Kredit zu sämtlichen relevanten Vorstellungsadressen fährt - umsonst. Dass es außerdem heftig zwischen den beiden funkt, ignoriert Eve vorsorglich, sie ist endlich einmal auf der Suche nach einer "guten Partie". Als Eve sich unrechtmäßig Zutritt zu einer versnobten Kammermusik-Soirée verschafft, iavanciert sie als selbsternannte "Baronin Czerny" prompt zum Mitglied der feinen Pariser Gesellschaft. Besonders der junge Playboy Picot (Francis Lederer) wirft ein Auge auf sie. Dies wiederum kommt dem alternden Millionär Flammarion (John Barrymore) sehr zupass, dessen junge Frau (Mary Astor) bis dato Picots heimliches Liebchen war. Darum tut er alles dafür, um Eve mit Picot zu verkuppeln. Doch Czerny und die wahre Liebe lassen sich nicht einfach abspeisen.

Von Billy Wilder und Charles Brackett geschrieben, inszenierte Leisen eine der prachtvollsten Screwball Comedies der dreißiger Jahre, die vielleicht nicht das irrwitzige Tempo eines Hawks-Films vorweisen konnte, dafür aber den fein perlenden, champagneresken Dialoghumor seiner brillanten Ersinner, den zu visualisieren Leisen absolut adäquat verstand. Dabei hilft ihm natürlich primär die wundervolle Claudette Colbert, die mit ihren großen, fröhlichen Strahleaugen ohnehin das Idealbild einer 'screwball actress' vorstellte und bei nahezu allen großen Komödien-Regisseuren jener Jahre, darunter Capra, Lubitsch und Preston Sturges, mindestens einmal reüssierte. "Midnight" könnte dabei durchaus meinen Verdacht erregen, ihr schönster Film zu sein; um ganz sicher zu gehen, müsste ich mir aber alle nochmal zeitnah anschauen. Zumindest in diesem Moment wäre ich jedoch relativ überzeugt davon. Don Ameche, den unsere Generation vornehmlich aus seinen tollen Seniorenrollen in den Achtzigern kennt und der zwischen 49 und 83, als er von John Landis für "Trading Places" reaktiviert wurde, in fünf Filmen auftrat, als vitalen Jungspund von dreißig Lenzen zu erleben, hat zudem etwas für sich. Von John Barrymore gar nicht zu reden.
In "Mein Kino" moniert Hellmuth Karasek das romantische Happy End des Film und mutmaßt, dass es ein Zugeständnis Wilders und Bracketts an Anstand und Sitte wäre. Ich bin nicht bereit, dem zu folgen. Mit einem anderen Ende hätte "Midnight" keinesfalls an Bissgkeit, sondern bvestenfalls an Zynismus hinzugewonnen. Und dieser passt nicht zu ihm, überhaupt nicht.

9/10

Mitchell Leisen Billy Wilder Screwball Paris Taxi


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TIME AFTER TIME (Nicholas Meyer/USA 1979)


"Ninety years ago I was a freak. Today I'm an amateur."

Time After Time (Flucht in die Zukunft) ~ USA 1979
Directed By: Nicholas Meyer

Ausgerechnet an jenem Abend des Jahres 1893, an dem der Autor H.G. Wells (Malcolm McDowell) seinen Freunden die von ihm entwickelte Zeitmaschine vorstellen und zu seiner ersten Reise in die Zukunft mit ihr antreten will, entpuppt sich sein Kamerad Stevenson (David Warner) als der berüchtigte Jack The Ripper. Stevenson entführt die Zeitmaschine und reist mit ihr ins Jahr 1979, versäumt jedoch, den Schlüssel abzuziehen, so dass das Gerät kurz darauf wieder bei Wells auftaucht. Dieser zögert nicht lang und jagt Stevenson, der seinem unseligen Treiben in der Zukunft weiter nachgeht, durch die Zeit hinterher. Dort verliebt sich Wells in die putzige Bankkassiererin Amy (Mary Steenburgen), kann jedoch nicht verhindern, dass sie in die Affäre um den Serienmörder hineingezogen wird.

"Time After Time" hat ein bisschen was von einem 'happening movie', verbindet er doch etliche vergangene und künftige Motive, Einflüsse und Lebensereignisse der beteiligten Kreativgewaltigen, so dass ein ganzes Netz von Querverbindungen entsteht. Am nachhaltigsten dürfte wohl die Tatsache in Erinnerung bleiben, dass sich das spätere Ehepaar McDowell und Steenburgen am Set kennen und lieben gelernt hat, was zu einer - zumindest in bescheidenem Rahmen - legendär gewordenen Chemie zwischen den beiden geführt hat. Ansonsten ist "Time After Time" ein recht netter, sorgfältig hergestellter Genrebeitrag, der sich um ein ausgeglichenes Verhältnis von Humor und Spannung bemüht, jedoch die typisch biedere Inszenatorik und vor allem den gepflegt moderat gehaltenen Schreibstil seines Regisseurs und Autors Meyer, der später immerhin an der Herstellung der drei besten "Star-Trek"-Filme beteiligt war, nicht verhehlen kann.

7/10

Nicholas Meyer H.G. Wells Zeitreise London San Francisco period piece Victorian Age Jack The Ripper Serienmord


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SHIP OF FOOLS (Stanley Kramer/USA 1965)


"I think you're a sawed-off intellectual."

Ship Of Fools (Das Narrenschiff) ~ USA 1965
Directed By: Stanley Kramer

Im Frühjahr 33 fährt ein Passagierschiff von Vera Cruz in Mexico nach Bremerhaven. In der 1. Klasse reist eine bunt zusammengewürfelte Gruppe internationaler Passagiere, während auf dem Zwischendeck Hunderte von spanischen Arbeitern untergebracht werden, die von der Zuckerrohrernte auf Kuba zurück nach Teneriffa schippern. Unter den Reisegästen befinden sich neben einer spanischen Flamencogruppe, deren Tänzerinnen gegen Entgelt auch andere Bedürfnisse erfüllen, der herzkranke Schiffsarzt Schumann (Oskar Werner), eine medikamentensüchtige spanische Adlige (Simone Signoret), in die sich Schumann verliebt, der jüdische Schmuckhändler Löwenthal (Heinz Rühmann), der zwergenwüchsige Philanthrop Glocken (Michael Dunn), der offen nazistischer Redakteur Rieber (José Ferrer), das beziehungskranke Pärchen David (George Segal) und Jenny (Elizabeth Ashley), die verbrauchte Einzelgängerin Mary Treadwell (Vivien Leigh), der alkoholkranke Baseballspieler Tenny (Lee Marvin), der in Scheidung lebende Identitätskrisler Freytag (Alf Kjellin) sowie der liebeskranke Johann (Charles De Vries), der einer der spanischen Huren (BarBara Luna) nachstellt.

Katherine Anne Porters Roman "Ship Of Fools" war zu seiner Zeit ein vielgelesenes, -beachtetes und -gepriesenes Stück Literatur, dessen Kinoadaption ein bombensicheres Geschäft versprach. Produzent und Regisseur Stanley Kramer machte daraus einen edlen Qualitätsfilm, hinter dessen Realisierung sich ausschließlich ausgesprochene Könner verbargen. Da ein Werk unter solcher Prämisse kaum scheitern kann, ist das schlussendliche Resultat natürlich brillant, aber gleichermaßen überraschungslos. "Ship Of Fools" präsentiert sich als ein schöner, gepflegter Ensemblefilm, dessen latente Ironie vielleicht eine Spur zu subtil und hinter der historisch-intellektuell verpflichtenden Entrüstung, die das allgegenwärtige Sujet der angehenden NSDAP-Regierung im Reich förmlich bedingt, zurückbleibt. Kaum auszudenken, was ein bissiger Regisseur wie Altman aus dem Stoff herausgeholt hätte. Hypothetischer Schmarren. Was "Ship Of Fools" hat und mitbringt, ist völlig hinreichend: Sternstunden großartigen Schauspiels, hervorgebracht von einer illustren, nachträglich förmlich ekletizistisch anmutenden Besetzung: So tritt die rund fünfzigjährige Vivien Leigh, der man ihre Schönheit noch immer ansieht und die unter schweren Depressionen, deren Therapieversuchen und körperlichen Gebrechen litt, in ihrem letzten Film auf, so spielt der ewige Nicht-Migrant Rühmann einen gutgläubigen Juden und schmettert José Ferrer deutsche Schlager, so ist ein sozial verfemter Liliputaner (Dunn) der literarische Dompteur des Narrenschiffs, so tritt Lee Marvin überaus respektabel aus dem Genrefilm heraus, so symbolisiert ein armer, seines einzigen Werkzeugs entledigter Holzschnitzer (David Renard) den wahren menschlichen Großmut und so gibt der große Exzentriker Oskar Werner eine weitere Kostprobe seines phantastischen Könnens. Wenn das nichts ist...

8/10

Stanley Kramer Katherine Anne Porter Nationalsozialismus Faschismus Seefahrt Schiff Ensemblefilm period piece Atlantik Alkohol


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DESIRE (Frank Borzage/USA 1936)


"May I introduce my husband?"

Desire (Sehnsucht) ~ USA 1936
Directed By: Frank Borzage

Nachdem sie eine in Paris geraubte Perlenkette an der spanischen Grenze unbemerkt in der Jackettasche des ahnungslosen Detroiter Touristen Tom Bradley (Gary Cooper) verschwinden lässt, versucht die gewiefte Diebin Madeleine de Beaupre (Marlene Dietrich), des edlen Stücks mit allerlei Tricks wieder habhaft zu werden. Dabei verlieben sich die schöne Europäerin und der etwas rustikale amerikaner heftigst ineinander, ganz zum Unwillen von Madeleines zwei Spießgesellen Carlos (John Halliday) und Tante Olga (Zeffie Tilbury)...

Mit "Desire", so sagt man vielerorts, sei Marlene Dietrich höchst erfolgreich ent-sternbergt worden. Nachdem sie sich auch privat von ihrem exzentrischen Karrierebereiter getrennt hatte, wechselte sie, freilich weiterhin beständig unter dem Banner der Paramount, kurzfristig zu Ernst Lubitsch, der "Desire" produzierte und danach "Angel" mit ihr drehte. "Desire" ist ein erster Schritt weg von jenem kühl-unnahbaren Image, mit dem die Dietrich sich in Hollywood eingeführt hatte. Hier zeigt sie auch eine komische Seite, darf viel lächeln und nach einem starken Auftritt als kriminelles Ass ihre Geschicke von Gary Cooper lenken, sich von ihm domestizieren lassen und mit ihm am Ende, brav, geläutert und rehabilitiert, vom mondänen Europa in den vergleichsweise schäbigen Ehehafen von Motor City überwechseln. Die Dietrich wurde weicher, irdischer und greifbarer und erschloss sich somit auf geschickte Weise auch den ganz humanenen Begehrlichkeiten des eher gesetzten männlichen Publikums. Und wieder fällt sie, wie einst in "Morocco", für den hochgewachsenen Cooper, der ursprünglich wegen ihrer Allüren nie mehr mit ihr zusammenarbeiten wollte. Für Lubitsch und Borzage brach er diese Maxime, was sich, für sämtliche Beteiligten, als überaus lohnend erwies!

8/10

Frank Borzage Ernst Lubitsch Frankreich Paris Spanien Heist Screwball Pyrenäen


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THE UNINVITED (Lewis Allen/USA 1944)


"That's the dawn breeze..."

The Uninvited (Der unheimliche Gast) ~ USA 1944
Directed By: Lewis Allen

Der Londoner Komponist Roderick Fitzgerald (Ray Milland) und seine Schwester Pamela (Ruth Hussey) kaufen zu einem Spottpreis ein malerisch gelegenes Haus über der Steilküste Cornwalls. Wie sie bald erfahren, soll es in 'Windward House' umgehen und tatsächlich: Nächtliche Klagelaute dringen stets kurz vor der Morgendämmerung durchs Haus; das Atelier im Obergeschoss ist allenthalben eiskalt, Kerzen werden mirnichts dirnichts ausgelöscht und zu allem Überfluss lässt sich hier und da eine schemenhafte, nebulöse Frauengestalt blicken. Auf die junge Stella (Gail Russell), Enkelin des vormaligen Besitzers (Donald Crisp) und Tochter der einst von den Klippen gestürzten Mary Meredith, übt Windward House eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Eine nächtliche Séance beweist: Der Spuk ist nicht eingebildet! Doch was will der Geist eigentlich? Und welche Rolle spielt die seltsame Amateur-Psychologin Miss Holloway (Cornelia Otis Skinner) bei alldem?

Ein innerhalb des klassischen Horrorfilms immens wichtiges Werk, sozusagen der Urahn aller Haunted-House- und Ghost-Movies, von dem das gesamte spätere Subgenre bis heute zehren wird und dem insbesondere wesentliche Marksteine von "The Haunting" bis "The Exorcist" sehr viel zu verdanken haben. Trotz seines stolzen Alters und seiner durchaus gemächlichen, braven Narration gibt es noch immer manch schönen, Gänsehaut evozierenden Moment in "The Uninvited", wofür besonders die tadellose audiovisuelle Gestaltung der Spuksequenzen sorgt. Als nachträglich etwas unwegsam erweist sich die von Ray Milland etwas überkernig ausgestaltete Figur des Roderick Fitzgerald, der seine coole Contenance nie verliert und stets Herr der Lage bleibt, wo selbst gestandene Parapsycholgen sich in die Hosen schissen. Ein wenig gute, ehrliche Angst gehört zum wahren Menschsein einfach dazu. Auch sonst hätte Allen wohl daran getan, auf die eine oder andere Dehnung seines Film zu verzichten, dem eine Viertelstunde Straffung sicherlich gut bekommen wäre. Da es sich jedoch um sein Erstlingswerk handelt, das sich bei aller Kritik bestimmt immer noch mustergültig für ein Debüt ausnimmt, mag man jedoch ein Nachsehen mit ihm haben.

8/10

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SAMSON AND DELILAH (Cecil B. DeMille/USA 1949)


"He was not captured by force of arms, but by their softness."

Samson And Delilah (Samson und Delilah) ~ USA 1949
Directed By: Cecil B. DeMille

Der bärenstarke Nasiräer Samson (Victor Mature) ist den tyrannischen Philistern ein Dorn im Auge: Kaum, dass diese mal wieder irgendeinen alten oder verkrüppelten Hebräer triezen - eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen - ist auch schon Samson zur Stelle und wichst ihnen gehörig die Klumpen. Dass Samson die schöne Philisterin Semadar (Angela Lansbury) freit, wird ihm zähneknirschend gestattet, nachdem er einen Löwen mit bloßen Händen erwürgt. Semadars jüngerer Schwester Delilah (Hedy Lamarr), die ihrerseits ein Auge auf Samson geworfen hat, passt das jedoch gar nicht. Mittels eines intriganten Plans verhindert sie die Eheschließung des Muskelmannes mit Semadar und akzeptiert sogar deren Tod. Als sie merkt, dass Samson sich trotz allem nicht für sie interessiert, biedert sich Delilah dem Philisterkönig Saran (George Sanders) an, um sich wenigstens an dem Objekt ihrer Begierde rächen zu können. Nachdem sie Samson zum Verrat an seinem eigenen Volk treibt, ihm symbolisch seine Körperkraft durch den Verlust seines Haupthaars nimmt und dafür sorgt, dass seine Feinde ihn blenden können, opfert sie sie sich am Ende für ihn, als Samson, wieder bei Kräften, im Alleingang den Tempel des heidnischen Gottes Dagon auseinandernimmt.

Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde jedes Jahr pünktlich zur Mittsommernacht in meinem imaginären Freiluftkino ein triple feature bestehend aus King Vidors "Duel In The Sun", Hawks "Land Of The Pharaohs" und "Samson And Delilah" zeigen, dazu ein Dutzend Tempeltänzerinnen engagieren und Rotwein aus goldenen Kelchen reichen. Welches dieser drei Meisterwerke des goldenen Hollywood-Camp das schönste, weil verworfenste ist, kann man gar nicht sagen. In jedem genannten Film regieren Wolllust, körperliche Habgier und rücksichtsloser Sex vor gleißender Technicolor-Sonne; beben die juwelengefassten Dekolletés und ahnt der Zuschauer, dass die jeweils gezeigte Leinwand-Diva (ob Jennifer Jones, Joan Collins oder die Lamarr) die größte Schlampe der ganzen Weltgeschichte sein muss, die mit Brüsten versehene Personifizierung des Sündenfalls, die Schlange mit der flotten Zunge!
Cecil B. DeMille - das ist das Schöne an all seinen Filmen - konnte so, wie er wollte. Und er wollte eine Menge. Sein Hang zur gewaltigen Bibeladaption nahm im Laufe seiner Karriere immer groteskere Formen an, bis seine private Bigotterie soweit ging, dass sein Finalepos "The Ten Commamdments" sich als nichts anderes darbot denn als die Zelluloidform des vom Volk Israel gegossenen Goldkalbs. "Samson And Delilah" zeichnet diesen Weg bereits vor; er ist teuer, großkotzig und auf beklatschenswerte Art trashig; hat mit Victor Mature einen meiner Lieblingsschauspieler der Vierziger vorzuweisen und bietet mit Hedy Lamarr, die sechzehn Jahre zuvor im zarten Alter von 19 für einen handfesten Skandal gesorgt hatte, weil sie noch unter dem Namen Hedy Kiesler im österreichisch-ungarischen Film "Ekstase" eine ausgedehnte Nacktszene präsentierte, einen wahrlich steilen Zahn auf. Der liebe Gott indes präsentiert sich einmal mehr in der Menschheitsgeschichte als böser Gott, wenn er Samson unter Donner und Blitzschlag die Macht verleiht, bloß mit dem Unterkieferknochen eines Esels bewaffnet über tausend Philister-Soldaten die Schädel einzuschlagen. Aber so ist die Bibel: Ein Fanal des Blutes und der verhinderten Geilheit! Wie DeMilles grandioses Epos hier.

9/10

Cecil B. DeMille Bibel period piece Camp Sandalenfilm amour fou femme fatale


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OPERATION PACIFIC (George Waggner/USA 1951)


"Take her down!"

Operation Pacific (Unternehmen Seeadler) ~ USA 1951
Directed By: George Waggner

Die 'USS Thunderfish', ein Torpedo-U-Boot der Navy, kreuzt zwischen kräftezehrenden Einsätzen und seinem Heimathafen Pearl Harbor hin und her. Für den Kommandanten Duke Gifford (John Wayne) ein Spießrutenlauf aus privaten und militärgefechtlichen Wogen: In Hawaii wartet seine ihn immer noch liebende Exfrau Mary Stuart (Patricia Neal), während er es auf See mit defekten Torpedos und dem Tode seines besten Freundes Pop (Ward Bond) zu tun bekommt. Am Ende fügt sich freilich alles zum Besten.

Ein gutgelaunter Actionfilm, in dem Duke ausnahmsweise auch mal vor der Kamera Duke heißen durfte. Wenngleich der Pazifikkrieg im historischen Mittelpunkt von "Operation Pacific" steht, so ist Waggners Film wohl einer jener thematisch verbandelten Werke Waynes, das das ohnehin stets unbequeme Präfix "Anti-" gleich komplett ausspart und nichtmal in den Verdacht einer kritischen Auseinandersetzung mit seinem Sujet gerät. Krieg und Sterben finden sich hier als erhebendes Männerabenteuer, das einen echten Seemann nicht erschüttern kann. Ins Grübeln kommt hier garantiert niemand, weder vor noch auf der Leinwand. Die Thunderfish-Besatzung feiert die Landurlaube auf Oahu als ausgelassene Trinkgelage, was sie wegen nächtlicher Ruhestörung auch schonmal ins örtliche Militärgefängnis bringt, aus dem ihr väterlicher Lt.-Commander sie natürlich mittels geschickter Schliche wieder befreit (übrigens eine wunderbar witzige Szene, die jeder Komödie Ehre machte). Auch sonst hat man eine Menge Spaß beim Torpedieren und Versenken immenser (freilich stets anonym gehaltener) japanischer Flottenteile. Und weil Duke so ein unverbesserlicher Haudegen ist, der aus seinen charakterlichen Fehlern sowieso nicht lernt, bekommt er am Ende auch seine (leicht masochistisch veranlagte) Frau zurück. All dieses furchtbar naive Trara ändert allerdings nichts daran, dass Waggner einen durchaus schönen, altbackenen und dem reinen Entertainment verpflichteten Film zuwege gebracht hat, der zumindest gewisse Rezipientenschichten auch heute noch zu erfreuen versteht.

8/10

George Waggner WWII Pazifikkrieg Pazifik U-Boot Militär Hawaii


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BLOOD ALLEY (William A. Wellman/USA 1955)


"This ain't my China anymore."

Blood Alley (Der gelbe Strom) ~ USA 1955
Directed By: William A. Wellman

Der in einem rotchinesischen Gefängnis einsitzende US-Schipperer Tom Wilder (John Wayne) kennt die Küsten Südostasiens hinauf und hinab besser als seine Westentasche. Darum wird er mittels eines geschickten Manövers auch von der schönen Arzttochter Cathy Grainger (Lauren Bacall) aus dem Bau befreit: Er soll der etwa 200-köpfigen Bevölkerung eines kleinen chinesischen Küstendorfes helfen, auf einem alten Raddampfer nach Hong Kong zu entfliehen. Wenngleich das Unternehmen von Anfang an als wahnwitzig gestaltet, ist Wilder bald Feuer und Flamme für seinen neuen alten Kahn und die Leben der 200 Seelen in seiner Verantwortung.

In direkter Folge von "The Sea Chase" noch ein weiteres Seeabenteuer mit Duke als meersalzgegerbtem Kapitän, dem Wasser, Algen und Planken über alles gehen, der sich dann gegen Ende aber doch einer etwas zarteren Liebe ergibt. In "Blood Alley", der in ideologischer Hinsicht ganz nach Waynes Geschmack war, hatte der reaktionäre "Kunstleder-Cowboy" allerlei Gelegenheit, antikommunistische Propaganda zu machen: Die Maos dieses Teils der Welt mit ihrer rückhaltlosen Indoktrination und ihren nach allen Nachbarschaften hin grapschenden Krakenarmen waren Duke schon damals ein immenser Dorn im rechten Auge. Dass die etwas ins Hintertreffen geratende asiatische Provinzbevölkerung allerdings einen starken, westlichen Arm braucht, um sich aus ebenjener roten Umklammerung zu befreien, daran ließ "Blood Alley" keinen Zweifel. Dennoch ganz erstaunlich, wie sich zwei so kurz hintereinander entstandene Filme wie "The Sea Chase" und "Blood Alley" unterscheiden können: Wo ersterer noch ungebrochen die Romantizismen des Golden Age of Hollywood zelebriert, gibt sich zweiterer eher progressiv: In punkto Visualität und äußerer Gestaltung deutet "Blood Alley" mehr in Richtung Moderne; Robert Wises elf Jahre später gemachter "The Sand Pebbles" etwa steht ihm wesentlich näher als sein mit demselben Hauptdarsteller angefertigtes, unmittelbares "Vorgängermodell".

7/10

William A. Welmman John Wayne China Hong Kong Seefahrt Flucht





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