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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DVÆRGEN (Vidal Raski/DK, USA 1973)


"I need another teddy bear."

Dværgen (Das Haus der verlorenen Mädchen) ~ USA/DK 1973
Directed By: Vidal Raski

Der ehemalige Revuestar Lila Lash (Clara Keller) und ihr zwergenwüchsiger, deformierter Sohn Olaf (Torben Bille) betreiben eine heruntergekommene Pension in East London. Niemand weiß, was sich unter ihrem Dach abspielt: Auf dem Söller gibt es nämlich einen verschlossenen Raum mit drei nackten, forciert heroinsüchtig gemachten Sexsklavinnen (Jeanette Marsden, Lisbeth Olsen, Jane Cutter), die ihrer pervers veranlagten Freier harren. Um den Laden auf Trab zu halten, muss Olaf immer wieder neuen Stoff besorgen, den er von einem Spielwarenhändler (Werner Hedman) erhält. Als das Ehepärchen Mary (Anne Sparrow) und Peter (Tony Eades) in die Pension einzieht, droht der Laden aufzufliegen. Zeit für Lila und Olaf, den Gatten in die Wüse und das Frauchen auf den Dachboden zu schicken...

Ein ebenso poetischer wie widerlicher kleiner Exploiter, der eigentlich weitaus mehr Unheil verspricht als seine doch recht ambitionierte Umsetzung letztlich zu halten vermag. Bis auf zwei ziemlich unmotiviert eingeflochtene HC-Sequenzen gibt es dann eigentlich auch wenig bis nichts, was das Auge beleidigen könnte - es sei denn, man empfindet die Denunziation körperbehinderter Menschen als Untergang des Abendlandes. Torben Bille, der den titelgebenden Zwerg mit einer Extraportion Widerwärtigkeit personifiziert, dürfte allerdings kaum zu seiner lustvollen Parade gezwungen worden sein, insofern ist soweit alles in Butter. Klar ist "Dværgen" oberflächlich betrachtet zu großen Teilen doof und spekulativ, wenn die ihrem früheren Ruhm nachtrauernde, besoffene Lila Lash jedoch ihre Gesangsnummern vollzieht, dann ist das eine nicht nur klare, sondern vor allem gelungene Verbeugung vor den Hag-Horror-Filmen der vorvergangenen Dekade. Außerdem muss man das verlotterte Ambiente des Films bloß als abseitig humoristisch wahrnehmen, was insbeondere unter Verwendung der originären Münchener Synchronfassung mit Wolfgang Hesse als Zwerg und Marianne Wischmann als Lila Lash gar niccht so schwer fällt, und schon hat man rund um Einwegspritzen, Peitschenhiebe, Vergewaltigung und zweckentfremdete Gehstöcke eine Menge zu staunen und zu lachen.

6/10

Vidal Raski Exploitation Trash London Heroin


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THE INTRUDER (Roger Corman/USA 1962)


"It wasn't all my fault!"

The Intruder (Weißer Terror) ~ USA 1962
Directed By: Roger Corman

Caxton, eine ordinäre Südstaaten-Kleinstadt. In weißem Leinenanzug, ein gewinnendes Lächeln auf dem Gesicht, steigt er aus dem Bus: Der für irgendeine rassistische Organisation auf Meinungsfang gehende Lobbyist Adam Cramer (William Shatner). Warum ausgerechnet in Caxton? Weil hier am nächsten Tag der erste integrative Schulgang mit schwarzen und weißen Jugendlichen stattfinden soll. Cramer nutzt die ohnehin brodelnde Atmosphäre aus, seine von Hass und Rassismus wimmelnde Tresenrhetorik unter das bidlungsferne Volk zu streuen; Verbrüderungen mit dem örtlichen Großrancher (Robert Emhardt) sowie den lokalen Kapuzenmännern inbegriffen. Erst als sich Cramers intrigante Hasstiraden derart hochschaukeln, dass sie fast einen unschuldigen Jungen (Charles Barnes) das Leben kosten, begreifen die Menschen, welchem Scharlatan sie da aufgesessen sind.

Eine von Cormans besten Regiearbeiten, bestimmt seine beste abseits des Phantastischen Films, mit Sicherheit seine respektabelste. Zu seinem Entstehungszeitpunkt dürfte der vor Ort gedrehte Film bei manchen Herrschaften wie eine Bombe eingeschlagen sein. Eine solch schonungslose Konfrontation mit gegenwärtig bestehenden Zuständen war in den USA zu diesem Zeitpunkt jedenfalls alles andere als Usus. "The Intruder" ist ein ultraliberales Plädoyer für selbstbestimtes Denken und eine ernstgemeinte Warnung davor, breit grinsenden Seelenverkäufern auf den Leim zu gehen. William Shatner als Geisteshaltungsnepper ist in der großartigsten Vorstellung seiner gesamten Karriere zu sehen und lässt darüberhinaus bedauern, dass er irgendwann auf die Captain-Kirk-Schiene festgenagelt wurde und davon nie mehr losgekommen ist. Sein diffiziles Porträt eines noch nicht einmal ernstlich satanischen Opportunisten, eines Klinkenputzers, der für das wahre Böse lediglich auf Seelenfang geht um die Dinge sich schließlich verselbstständigen zu lassen, ist einfach nur beeindruckend. Leider versagt der Film sich durch die letzten fünf kompromissbereiten weichgespülten Minuten seinen endgültigen Status als restloses Meisterwerk: Der ungeschlachte, pomadige Leo Gordon kommt daher und rettet mit seiner proletarischen Sprache Lynchopfer, Tag und Herz der Stadt. Ein fast schon grotesk unpassender Abschluss. Ohne ihn, mit einem konsequent finsteren Ende, hätte die Wucht von "The Intruder" einen bis heute vorhaltenden Nachhall entsendet. Schade um dieses i-Tüpfelchen.

9/10

Roger Corman Independent Südstaaten Rassismus Ku-Klux-Klan


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LE FOTO PROIBITE DI UNA SIGNORA PER BENE (Luciano Ercoli/E, I 1970)


Zitat entfällt.

Le Foto Proibite Di Una Signora Per Bene (Frauen bis zum Wahnsinn gequält) ~ E/I 1970
Directed By: Luciano Ercoli

Eines Abends nimmt ein mysteriöser Fremder (Simón Andreu) Kontakt zu Minou (Dagmar Lassander), Gattin des hoch verschuldeten Unternehmers Peter (Pier Palo Capponi), auf. Der Fremde behauptet, Peter habe einen Mord begangen und Minou müsse ihm nun zu Willen sein, wenn ihr Ehemann nicht an die Polizei verpfiffen werden solle. Der Erpresser nutzt Minous Angst schamlos aus und treibt sie zu auch psychisch grenzwertigen S/M-Spielchen. Zunächst offenbart Minou sich nur ihrer lockerlebigen Freundin Dominique (Susan Scott). Als sie später auch Peter von dem Erpresser berichtet, tut der ihre Geschichte, ebenso wie die ermittelnden Polizisten, als überspannte Fantasien ab. Doch der Dunkelmann lässt nicht locker...

Der in solcherlei Filmen geschulte Chronist (diverse Castle- und Hammer-Produktionen der vorvergangenen Dekade leisteten dazu ihr Übriges) weiß direkt von Beginn an, in welche Richtung der Hase läuft. Und tatsächlich behält man am Ende Recht, wenngleich ich die laszive, sich am Ende als Retterin entpuppende Susan Scott auch auf der dunklen Seite der Macht vermutet hätte, mehreren falsch gelegten Fährten Ercolis sei Dank. So kann man sich aber wenigstens auf das Spätsechziger-Ambiente des Films einlassen, das von Ennio Morricones groovender Musik getragen wird. Die Leute qualmen und saufen bei jeder Gelegenheit, als gäbe es kein Morgen. Man muss angesichts all des Whiskeyflusses (statt des obligatorischen Kulissendrinks JB gibt es hier ausnahmsweise mal Chivas) rückblickend vermuten, dass jedermann zu dieser Zeit permanent einen gepflegten Dauerpegel vor sich her schob. Die Damen tragen zu gesellschaftlichen Anlässen lustige Hochperrücken und in der Disco wurden auf Kommando die lustigsten Verrenkungen vollführt ohne sich zu schämen. Warum auch, machten ja schließlich alle. Der zwingende Ära-Chic des Films passt nun vielleicht nicht unbedingt zu seiner - zudem schwer unlogisch konstruierten - Kriminalgeschichte, aber was soll's. Die genannten Oberflächenfaktoren bieten leicht gehobenes, angenehm frivoles Entertainment, dessen Conclusio nichts weniger als ein erfrischendes Plädoyer für die freie Liebe bereithält. Na also doch.

7/10

Luciano Ercoli Ehe Madness Freundschaft Sleaze


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THE VETERAN (Matthew Hope/UK 2011)


"Fear is justification, fear is control, fear is money."

The Veteran ~ UK 2011
Directed By: Matthew Hope

Kaum wieder in seinem alten Südlondoner Viertel angekommen, hat der frischgebackene Irak- und Afghanistan-Veteran Robert Miller (Toby Kebbell) keinerlei Zeit, seinen Kriegstraumata zu begegnen: Sein Nachbar Fahad (Ivanno Jeremiah) klagt über die brutale Regentschaft des Ghettobarons Jones (Ashley Thomas), derweil Miller von einer Regierungsorganisation angeworben wird, in London befindliche, salafistische Terrorzellen auszukundschaften. Als er feststellt, dass er nur ein winziges Zahnrädchen in einem international operierenden Industriegefüge war und ist, greift Miller zur Waffe...

Durchaus interessante Melange aus "Taxi Driver", "The Exterminator", "Harry Brown" und den Verschwörungs-/Paranoia-Thrillern der Siebziger - freilich im postmodernen Gewand der neuen britischen Welle.. Toby Kebbell als ebenso kompromissloser wie psychisch angegriffener Kriegsmassenmörder findet im heimischen Londoner Tagesgeschäft keinen rechten Halt mehr; die Suche nach Alltagsberufen verläuft erfolglos, stattdessen lässt er sich von einer nicht näher definierten Organisation anwerben, um in deren Weisung die Undercover-Agentin Alayna (Adi Bielski) loszueisen und herauszufinden, wie und wo die islamistische Weltbedrohung in London operiert. Damit nicht genug, geht sein Sozialbauviertel immer mehr vor die Hunde: Der Dealer Jones rekrutiert pausenlos Ghettokids um seine Privatarmee zu stärken. In Millers längst von omipräsenter Gewalt okkupiertem Weltverstehen verschmelzen diese beiden Zustände zu einem Korridor des Amoklaufs, der endgültig entfesselt wird, als er die Wahrheit über die moderne globale Kriegsführung erfahren und seine heimliche Liebe Alayna ebenso wie seinen Freund Farad an dessen Wirren verlieren muss. Sein Aufbegehren ist jedoch nur von kurzer Prägnanz und von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Besonders das Finale von "The Veteran" weiß nach manchem narrativen Irrläufer mit seiner kompromisslosen Desillusioniertheit zu beeindrucken, das dann auch nicht mehr die Fantasie zur metarealen Überhöhung aufbringt wie es seine Ahnherren, die Rächerfilme von vor dreißig, vierzig Jahren vermochten. Heute ist keine Zeit mehr für Helden, und mögen sie noch so wahnhaft sein. Heute endet das Aufbegehren des Individuums mit dem Blick in den Lauf einer Handfeuerwaffe, gehalten von einem Zwölfjährigen. Bang, you're dead.

7/10

Terrorismus Verschwörung Matthew Hope London Slum Spionage Rache


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ROAD TO PERDITION (Sam Mendes/USA 2002)


"I'm glad it's you."

Road To Perdition ~ USA 2002
Directed By: Sam Mendes

Im Winter 1931 gerät Michael Sullivan (Tom Hanks), Auftragskiller für die irische Mafia, in Konflikt mit seinem Boss und Ziehvater John Rooney (Paul Newman). Dessen leiblicher Sohn Connor (Daniel Craig), ein gieriger Soziopath, Neider und Alkoholiker, entfesselt eine Intrige gegen Sullivan und ermordet dessen Frau (Jennifer Jason Leigh) und jüngsten Sohn (Liam Aiken). Sullivan flüchtet mit seinem Ältesten, Michael Jr. (Tyler Hoechlin), und setzt, Rache schwörend, das gesamte Syndikat bis hinein in die Machthallen Capones in Chicago unter Druck, indem er Teile von deren Einnahmen und Finanzbücher stiehlt. Sullivan will Connor Rooneys Tod um jeden Preis und geht dafür über Leichen.

Sam Mendes' zweiter Film, die Verfilmung einer DC-Graphic-Novel, ähnelt im Hinblick auf seine Qualitäten und Nachlässigkeiten dem Vorgängerwerk "American Beauty". Wiederum sind Zurückhaltung und Reserviertheit des Briten deutlich zu spüren, der sich förmlich zu mühen scheint, allzu emotionale Elemente aus seiner Arbeit auszuklammern und das Hauptaugenmerk stattdessen auf die formale Kraft des Werkes zu legen. In diesem Punkt sind sich der Film und Max Allan Collins' Comic nicht einmal unähnlich. Den Bruch stellt erwartungsgemäß Tom Hanks dar. Der Michael Sullivan der Vorlage ist eine gefürchtete mörderische Naturgewalt, deren Entfesselung in etwa der Ankunft eines apokalyptischen Reiters gleichkommt. Dieses Element versucht der Film, hinüberzuretten, gestattet sich dann aber doch eine gewisse Weichzeichnung von Hanks' Charakter und Spiel. Die schonungslose Härte und Konsequenz der Graphic Novel wandelt sich - ganz offensichtlich zu Hanks' "professionellen Gunsten" - in eine differenzierte, hier und da sogar durch augenzwinkernde Intermezzi aufgelockerte Vater-Sohn-Geschichte und lässt einen Schuss "Paper-Moon"-Romantik in das Geschehen einfließen. Dem gegenüber stehen Weltklasse-Momente wie die nächtliche, regennasse Exekutierung des alten Rooney (ein abschließendes Geschenk für Paul Newman und sein letztes Geschenk an die Welt) und seiner Gorillas: Mendes lässt irgendwo aus dem dunklen, unfokussierten Hintergrund heraus Sullivans Thompson aufblitzen wie ein höllisches Fanal, derweil Rooney ohne ein Augenzwinkern seinen stillen Frieden mit Gott machen kann. Hätte "Road To Perdition" die ebenso denkwürdige wie gewalttätige Poesie dieser einen Szene auf seine Gesamtausführung projiziert, er wäre wahrscheinlich ein Meisterwerk geworden. So reicht es immerhin noch für ein unterhaltsames Gangsterpiece und auch eine - leider - vertane Chance.

7/10

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MADHOUSE (Jim Clark/UK 1974)


"Now I must play the final scene: the death of Dr Death!"

Madhouse (Das Schreckenshaus des Dr. Death) ~ UK 1974
Directed By: Jim Clark

Zwölf Jahre nachdem der einst gefeierte Horrorfilmstar Paul Toombes (Vincent Price) mutmaßlich den Mord an seiner Verlobten (Julie Crosthwaite) begangen hat und in der Folge in einem Sanatorium untergebracht werden musste, bietet sich ihm die Chance der Rückkehr zu früherem Ruhm: Der Produzent Quayle (Robert Quarry) holt ihn via Toombes' alten Freund und Agenten Herbert Flay (Peter Cushing) nach England, um dort Toombes frühere Erfolgsrolle des 'Dr. Death' mittels eines TV-Serials zu reanimieren. Toombes ist kaum auf der Insel angekommen, da geschehen bereits die ersten, grausamen Morde: Macht sich die Figur des Dr. Death erneut selbstständig?

Ganz offensichtlich arrangiert und (um-)geschrieben als Hommage an den wunderbaren Vincent Price gibt es im Film diverse Szenen und Ausschnitte von dessen in den Jahren zuvor für die AIP gefertigten Filme, primär natürlich Diverses aus Cormans Poe-Verfilmungen. Wie diese dabei mitunter formatbeschnitten und entfärbt dargeboten werden, ist mitunter schrecklicher als das Mordgeschehen im Film und lässt einen dankbar dafür sein, wie heute, rund vierzig Jahre später, Filme daheim betrachtet werden können. Doch das nur nebenbei. Die strikt un-übernatürliche Geschichte von "Madhouse", die als Auflösung eine recht schlicht gehaltene (und lange zuvor erahnbare) Serienmord-Kette aus Gier sowie Rach- und Eifersucht bereithält, wird im Gegensatz zu denen der kaum verhohlenen Vorbilder "Theatre Of Blood" und den "Dr. Phibes"-Filmen recht unspektakulär und wenig aufregend dargeboten. Erst die schön eklige Finalszene lässt die längst zuvor herbeigesehnte Horrorstimmung aufkommen; Prices "Dr. Death"-Maske zählt darüberhinaus zu den großen späten Highlights seiner Karriere. Etwas albern indes, wie sportiv man ihre Stuntmen die Aktionsszenen der alternden Gentlemen Price und Cushing darstellen ließ. Aber gut, damit lässt sich auch noch leben.

6/10

Jim Clark Film im Film Amicus England Hommage Freundschaft Serienmord Slasher


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KILLER JOE (William Friedkin/USA 2011)


"No, he was not all right. He set his genitals on fire."

Killer Joe ~ USA 2011
Directed By: William Friedkin

Chris (Emile Hirsch), Sohn des dümmlichen Trailerpark-Bewohners Ansel Smith (Thomas Haden Church), sitzt in der Scheiße. Er hat beim örtlichen Paten (Mark Macauley) einen ganzen Berg Schulden und weiß nicht, wie er diesen begleichen soll. Als Chris in seiner Verzweiflung den nebenbei als Berufskiller tätigen Cop Joe Cooper (Matthew McConaughey) anheuert, um seine heruntergekommene Mutter zu ermorden und so deren Lebensversicherung einzustreichen, ahnt er nicht, dass sein schlecht ausgearbeiteter Plan in Kürze für einigen familiären Trubel sorgen wird. Als "Sicherheit" für seine womöglich nicht bezahlte Rechnung hat sich Joe nämlich Chris' leicht unterbelichtete Schwester Dottie (Juno Temple) ausersehen - die sein Spiel sogar willfährig mitspielt.

Ich habe mich doch sehr gefreut auf Friedkins neuen Film - nur, um fürs Erste doch recht bitter enttäuscht zu werden. Im Stillen hatte ich gehofft, dass er aus dieser ebenso bärbeißigen wie abseitigen, im südstaatlichen White-Trash-Milieu angesiedelten Story etwas mehr herausholen würde als irgendein x-beliebiger Tarantino-Epigone. Bewerkstelligt hat er es am Ende jedoch nur in bestenfalls halbseitig zufriedenstellender Weise, zumindest, insofern man "Killer Joe" als mehr denn eine bloße Regieleistung zu betrachten geneigt ist. Geschwätzige, asoziale whiteys als Symbol für Amerikas gewaltige Bevölkerungsproblemkomplexe heranzuziehen, ist eine Idee, die in etwa so frisch ist wie ein fünf Jahre alter, stinkender Limburger mit pittoreskem Grünschimmel. Jenem ausgehöhlten Personal dann auch noch die übliche, substanzlose Dummparliererei in den Mund zu legen, zeugt nicht eben von stilistischer Sensibilität.
Allerdings muss man einräumen, dass Friedkins Inszenierung bravourös ist und in keinem Verhältnis steht zu dem wie bereits im Falle von "Bug" von Tracy Letts bearbeiteten Stück. Der Stoff selbst ist es, der sich überschätzt und aufbläht, sich dabei jedoch uninteressant ausnimmt und letzten Endes versagt. Er hat einen Regisseur dieses Formats nicht verdient. Welchen Narren andererseits Friedkin an Tracy Letts' Schreiberei gefressen hat, begreife ich nicht recht. Er wird etwas daran oder auch darin finden, dass sich mir nicht erschließen will. Mein Problem, möglicherweise.

5/10

William Friedkin Profikiller White Trash Südstaaten Louisiana based on play Schwarze Komödie Satire


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CAT CHASER (Abel Ferrara/USA 1989)


"I don't talk to the cleaning staff."

Cat Chaser (Short Run - Hexenkessel Miami) ~ USA 1989
Directed By: Abel Ferrara

George Moran (Peter Weller), der einst für die CIA im Bürgerkrieg in der Dominikanischen Republik mitinterveniert hat, ist nun Besitzer eines kleinen, aber sauberen Hotels an der Strandzeile von Miami Beach. Da begegnet ihm seine Vergangenheit wieder in Form des "Ex-Berufskollegen" Tyner (Frederic Forrest), der sich in Morans Hotel einmietet. Moran erinnert sich an ein Mädchen, das ihm einst während der Krise geholfen hat und das er nun wiederfinden möchte. An dessen Stelle begegnet er in Santo Domingo jedoch seiner Ex-Flamme Mary (Kelly McGillis) wieder, die jetzt mit dem schwerreichen Ex-Geheimpolizeichef der DomRep, Andres DeBoya (Tomas Milian), verheiratet ist. Mary, die Moran immer noch liebt, beabsichtigt, sich von DeBoya zu trennen, was dieser nur sehr ungehalten aufnimmt. Und dann ist da noch der alternde Schnüffler Scully (Charles Durning), der seine Rente mit DeBoyas Moneten aufzupolieren plant...

Abel Ferrara selbst hasst "Cat Chaser", weil er während der Herstellung mit dem Produzenten Peter Davis aneinandergerasselt ist, worauf dieser dem Regisseur die Verantwortung über den Endschnitt entzog. Der fertige Film, so Ferrara, sei nicht (mehr) seiner und er hätte ihn gern noch einmal gemacht. Zudem sei er mit der angeblich exponierten Freizügigkeit Kelly McGillis' nicht klargekommen (die nach eigenem Bekunden ihrerseits wiederum die Arbeit mit dem Regisseur hasste) - nachzulesen im Interviewbuch "Dark Stars".
Dominik Graf lobt die Leonard-Verfilmung in seiner Essay-Sammlung "Schläft ein Lied in allen Dingen" derweil über den grünen Klee, bezeichnet sie gar als Meisterwerk und schiebt Ferraras ihm unverständliche Unzufriedenheit mit "Cat Chaser" der ohnehin etwas eigenwilligen Art des Regisseurs zu, sich zu gewissen Dingen zu äußern sowie dem etwas merkwürdigen, wenngleich typischen Erzpuritanismus jener Generation italoamarikanischer New Yorker Filmemacher. Meine Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Als Leonard-Verfilmung verzeichnet "Cat Chaser" das nötige, schwülwarme Flair der Kriminalromanze in schwarz, angesiedelt unter den Palmen Floridas. Aus dieser Warte ist alles in bester Ordnung. Auch als misskomponiert würde ich den Film nicht mit Fug und recht bezeichnen wollen, da Ferraras Stil immer auch von bewussten Brüchen und Wechseln zehrt. Man muss ihm also schlicht glauben, wenn er aus den angegebenen Gründen nicht zu "Cat Chaser" stehen möchte. Dass ein Regisseur sein Werk a posteriori negiert, muss ja aber nicht a priori bedeuten, dass es misslungen ist. Wer auch immer "Cat Chaser" am Ende "zurecht"montiert hat (angegeben ist nach wie vor Ferraras Hauscutter Anthony Redman), der hat einen absolut trefflichen Job getan. Wohl kein Film, der es einem gerade leicht macht, aber einer, der die Beschäftigung mit sich reich entlohnen kann.

8/10

Abel Ferrara Elmore Leonard Dominikanische Republik Karibik amour fou neo noir Miami


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SIN CITY RECUT (Robert Rodriguez, Frank Miller/USA 2005)


"Aim careful, and look the devil in the eye."

Sin City Recut ~ USA 2005
Directed By: Robert Rodriguez/Frank Miller

Hauptanlass, mir nun erstmals die für das damalige DVD-Release umgearbeitete Version von "Sin City" anzuschauen, war in der erste Linie die vorhergehende Lektüre von Millers Comic-Reihe. Meine damals empfundenen und geäußerten Eindrücke sind im Wesentlichen gleich geblieben: Der Ehrgeiz, Millers expressionistische Gestaltungskunst medial zu transponieren, zahlt sich aus. "Sin City" sieht noch immer fantastisch aus und es ist ein ästhetischer Hochgenuss, sich insbesondere unkittelbar nach dem Studium der Vorlage die bewegten Bilder das Hirn hinabgleiten zu lassen - wenngleich ein paar gestalterische Brüche (etwa in Form mancher zusätzlicher Einfärbungen) hier und da zu verzeichnen sind, die sich angesichts der andernortigen formalen Strenge etwas manieristisch ausnehmen. Interessanter gestaltet sich da schon die von der Parallelerzählung der Kinofassung abweichende Möglichkeit, die vier Storysegmente so zu betrachten, wie die Printreihe sie ursprünglich vorsah. Zwar purzelt Rodriguez noch immer die Reihenfolge durcheinander ("The Hard Goodbye" und "The Big Fat Kill" gehören vor "That Yellow Bastard"), er "gestattet" dem Zuschauer per einführender Worte jedoch, die Geschichten so zu schauen, wie man mag. Die Chronolgie des Films wird trotz geflissentlich ausgedehnter Spielzeit also kompakter und dazu gar noch gewissermaßen interaktiv. Diese Art der Rezeption funktioniert etwas besser als die vermeintlich geschickte Vermischung der Storys für den Kinocut und wertet Millers und Rodriguez' Anstrengungen sogar noch ein wenig auf. Allerdings bleibe ich dabei: Als postmodernistische Hardboiled-Hommage ist "Sin City" bei aller sonstigen Gekonntheit ebenso plump und dem schalen Gegenwartsgeschmack verhaftet wie Tarantinos und Rodriguez' ewig repetiertes Grindhouse-Gewichse. Aber ich lerne mit der Zeit, damit zu leben. Und das sogar recht gut, wie ich zerknirscht zugeben muss.

8/10

Robert Rodriguez Frank Miller Quentin Tarantino Comic Dark Horse Kannibalismus Hommage neo noir


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SLEUTH (Joseph L. Mankiewicz/UK, USA 1972)


"There's nothing like a little bit of mayhem to cheer one up."

Sleuth (Mord mit kleinen Fehlern) ~ UK/USA 1972
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

Der narzisstische Kriminalautor Andrew Wyke (Laurence Olivier) will sich keinesfalls gefallen lassen, dass der deutlich jüngere, schnieke Friseur Milo Tindle (Michael Caine) ihm so ohne Weiteres seine Frau Marguerite abspenstig macht. Also denkt er sich einen perfiden Racheplan in Form einer bitterbösen Scharade aus, deren Finale Tindle an seine psychischen Grenzen führt. Dieser wiederum kehrt wenige Tage später tief gekränkt zu Wyke zurück und demonstriert seinem erklärten Gegenspieler eindringlich via eines seinerseits erdachten Spiels, wie des einen Freud sehr rasch zu des anderen Leid werden kann.

Ich mag "Sleuth" bei Weitem nicht so sehr wie viele andere geschätzte Zeitgenossen. Schuld daran tragen nicht zuletzt das die filmischen Möglichkeiten eher eingeschränkt nutzende Theatersetting sowie das auf zwei Personen beschränkte aktionistische und rhetorische Antagonistenduell. Jenes entpuppt sich erwartungsgemäß primär als Wett- und Schaulaufen zweier großartiger Akteure, die dann auch in jeweiligen Sternstunden ihres Könnens zu bewundern sind. Mankiewicz, der sich in boshaft aufbereiteten Dialogstücken schon immer am heimischsten fühlte, nutzte "Sleuth" dann auch als Anlass seiner finalen Arbeit, bevor er sich für immerhin noch gut zwanzig Jahre aufs Altenteil zurückzog. Eine sympathische Entscheidung. "Sleuth" nun ist als Filmersatz für einen kriminalistisch angehauchten Theaterabend sicherlich gut gewählt; als exemplarische Zuschaustellung von Mankiewicz' außergewöhnlichen Fähigkeiten würde ich ihn - wiederum im Gegensatz zu manch anderem - aber wohl kaum heranziehen.

7/10

Joseph L. Mankiewicz Anthony Shaffer based on play England Rache Schwarze Komödie





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