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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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TIME AFTER TIME (Nicholas Meyer/USA 1979)


"Ninety years ago I was a freak. Today I'm an amateur."

Time After Time (Flucht in die Zukunft) ~ USA 1979
Directed By: Nicholas Meyer

Ausgerechnet an jenem Abend des Jahres 1893, an dem der Autor H.G. Wells (Malcolm McDowell) seinen Freunden die von ihm entwickelte Zeitmaschine vorstellen und zu seiner ersten Reise in die Zukunft mit ihr antreten will, entpuppt sich sein Kamerad Stevenson (David Warner) als der berüchtigte Jack The Ripper. Stevenson entführt die Zeitmaschine und reist mit ihr ins Jahr 1979, versäumt jedoch, den Schlüssel abzuziehen, so dass das Gerät kurz darauf wieder bei Wells auftaucht. Dieser zögert nicht lang und jagt Stevenson, der seinem unseligen Treiben in der Zukunft weiter nachgeht, durch die Zeit hinterher. Dort verliebt sich Wells in die putzige Bankkassiererin Amy (Mary Steenburgen), kann jedoch nicht verhindern, dass sie in die Affäre um den Serienmörder hineingezogen wird.

"Time After Time" hat ein bisschen was von einem 'happening movie', verbindet er doch etliche vergangene und künftige Motive, Einflüsse und Lebensereignisse der beteiligten Kreativgewaltigen, so dass ein ganzes Netz von Querverbindungen entsteht. Am nachhaltigsten dürfte wohl die Tatsache in Erinnerung bleiben, dass sich das spätere Ehepaar McDowell und Steenburgen am Set kennen und lieben gelernt hat, was zu einer - zumindest in bescheidenem Rahmen - legendär gewordenen Chemie zwischen den beiden geführt hat. Ansonsten ist "Time After Time" ein recht netter, sorgfältig hergestellter Genrebeitrag, der sich um ein ausgeglichenes Verhältnis von Humor und Spannung bemüht, jedoch die typisch biedere Inszenatorik und vor allem den gepflegt moderat gehaltenen Schreibstil seines Regisseurs und Autors Meyer, der später immerhin an der Herstellung der drei besten "Star-Trek"-Filme beteiligt war, nicht verhehlen kann.

7/10

Nicholas Meyer H.G. Wells Zeitreise London San Francisco period piece Victorian Age Jack The Ripper Serienmord


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TALES FROM THE CRYPT (Freddie Francis/UK, USA 1972)


"Who's next? Perhaps... YOU?"

Tales From The Crypt (Geschichten aus der Gruft) ~ UK/USA 1972
Directed By: Freddie Francis

Fünf Personen verlaufen sich ohne zunächst erkennbaren Grund in die Katakomben Heinrichs VIII. In einem separierten Raum sitzen sie urplötzlich in einer Art Gerichtsgewölbe, wo ihnen ein mysteriöser Alter (Ralph Richardson) ihre jeweils schlimmsten Geheimbedürfnisse vor Augen führt: Joanne (Joan Collins) plant, ihren Mann (Martin Boddey) aus dem Weg zu räumen, um dessen Lebensversicherung zu kassieren. Sie ahnt nicht, dass die göttliche Gerechtigkeit bereits im heimischen Garten lauert - in der Person eines als Weihnachtsmann verkleideten Irren (Oliver MacGreevy). / Carl (Ian Hendry) will Frau (Susan Denny) und Kinder (Paul Clere, Sharon Clere) zugunsten einer jüngeren Geliebten (Angela Grant) verlassen und mit dieser in ein neues Leben verschwinden. Auf dem Weg dahin hat er einen verhängnisvollen Unfall, der ihn erst nach zwei Jahren zurückkehren lässt. / Dem arroganten Dandy James Elliott (Robin Phillips) ist sein verwitweter Nachbar Grimsdyke (Peter Cushing) ein Dorn im Auge. Der alte Kauz ist vielleicht nicht der gepflegteste Bewohner der Straße, aber überaus kinder- und hundelieb. Durch einige Intrigen treibt Elliott Grimsdyke am Valentinstag in den Selbstmord. Genau ein Jahr später erhält der junge Mann unerwarteten Besuch. / Nachdem sich der Bankier Ralph Jason (Richard Greene) verspekuliert hat, ist er pleite. Seine Frau Enid (Barbara Murray) nutzt eine alte orientalische Figur, die die Erfüllung dreier Wünsche verspricht, um alles wieder ins Lot zu rücken. Doch die korrekte Formulierung jener Wünsche erweist sich als von tückischer Exaktheit besetzt. / Der Offiziersveteran Rogers (Nigel Patrick) lässt sich mit seinem Schäferhund Shane für die Leitung eines Blindenheims einstellen. Er bereichert sich auf Kosten der scheinbar hilflosen Patienten, bis einer von ihnen (George Herbert) eines grausamen Erfrierungstodes stirbt. Das lassen sich seine Freunde nicht gefallen...

Der vierte Amicus-Episodenhorror, erneut unter der bewährten Ägide Freddie Francis' entstanden, knöpfte sich fünf Geschichten vor, die bereits jeweils in den klassischen E.C.-Serien "Tales From The Crypt" und "Vault Of Horror" in den Fünfzigern abgedruckt worden waren. Dabei handelte es sich um grauslige, aber dabei stets höchst moralisch gefärbte Storys, in denen ein besonders verworfener, arroganter oder schlicht unbedachter Charakter mit den schlimmen Folgen seines Tuns konfrontiert wird. Jede der fünf Episoden, derer man in "Tales From The Crypt" ansichtig wird, hat bereits in antizipatorischer Hinsicht verspielt und wird vom 'Crypt Keeper', der stets auf der Suche nach neuen Höllenkolonisten ist, gleich vorab seinem jenseitigen Urteil überantwortet. Wie in den alten Grusel-Omnibussen gewohnt, unterscheidet sich die Qualität der einzelnen Segmente je nach persönlicher, subjektiver Bedürfnislage sowie nach der jeweiligen Motiviertheit. Im Falle "Tales From The Crypt" sollte diese Segregation allerdings höchstens marginal ausfallen, da alle fünf Geschichten durchaus hübsch ausgedacht sind und sich zu einem homogenen Gesamtbild fügen, ein paar dumme Logikfehler außen vor gelassen. Besonders rührend die zentral angesiedelte Geschichte "Poetic Justice", in der der noch nicht lang verwitwete Peter Cushing, damals depressiv und suizidal, im Prinzip sich selbst spielt und sich auf so schamlose Weise verbrämt finden muss.

8/10

Freddie Francis Amicus Episodenfilm Comic E.C. London


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THE OUTFIT (John Flynn/USA 1973)


"Can we make a deal?" - "No. Not this time."

The Outfit (Revolte in der Unterwelt) ~ USA 1973
Directed By: John Flynn

Der just aus dem Knast entlassene Earl Macklin (Robert Duvall) erfährt, dass der Syndikatsboss Mailer (Robert Ryan) seinen Bruder Ed (Edward Ness) erschießen ließ, um einen dereinst von Earl, Ed und Jack Cody (Joe Don Baker) begangenen Überfall auf eine von Mailers Geldwäschereien zu sühnen. Auch auf Earl und Jack werden Anschläge verübt, doch sie können sie abwehren. Zusammen mit Earls Freundin Bett (Karen Black) fangen Earl und Jack einen Kleinkrieg mit Mailer an, überfallen dessen Spielbanken und Gelddepots und lassen ihn bluten, mit dem Ziel, eine Viertelmillion Dollar 'Schadenersatz' für Eds Ermordung zu bezahlen. Doch Mailer lässt sich nicht erpressen und so schraubt sich die Gewaltspirale höher und höher.

Hervorragender Gangsterfilm von dem damals noch recht frischen John Flynn. In Teilen analog konstruiert zu Boormans "Point Blank" und Peckinpahs "The Getaway" versagt sich "The Outfit" allerdings jedwede inszenatorische Extravaganz und zieht seine Sache visuell straight bis zum Ende durch. Nichts scheint überflüssig, überdehnend oder dem Vorwurf des Ballasts aussetzbar; wenngleich kleine Nebenepisödchen wie ein kurzer, letzten Endes harmloser Konflikt mit zwei Brüdern (Richard Jaeckel, Bill McKinney) und der notgeilen Frau (Sheree North) des Einen, sich durchaus eingeflochten finden. Da sie aber eine letztlich unterstützende Wiorkung haben, sind sie auch kaum fehl am Platz. Seine atmosphärische und visuelle Härte verbucht "The Outfit" als wesensimmanent, das heißt, sie wirkt nie übertrieben oder aufgesetzt. Wer nicht unbedingt umgelegt werden muss, den lässt man laufen, wer es derweil verdient, der bekommt's auch ohne zu zögern. Das ungewöhnliche Buddy-Paar Duvall und Baker harmoniert bestens und mit Elisha Cook und Timothy Carey in Nebenrollen spendiert uns Flynn gleich ein doppeltes Wiedersehen mit zwei alten Noir-Veteranen. Kool thing.

9/10

John Flynn Mafia Rache Donald E. Westlake Kalifornien


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NORTHWEST PASSAGE (King Vidor/USA 1940)


"I'll see you at sundown, Harvard."

Northwest Passage (Nordwest-Passage) ~ USA 1940
Directed By: King Vidor

New Hampshire, 1759: Nachdem sie einen Krach mit dem örtlichen Magistraten (Montagu Love) vom Zaun gebrochen haben, müssen derstudierte Nachwuchskünstler Langdon Towne (Robert Young) und sein versoffener Kumpel Hunk Marriner (Walter Brennan) aus Portsmouth fliehen. Eher unfreiwillig schließen sie sich einer Gruppe britischer 'Rangers' an, tapferer Waldläufer mit unbedingtem Gehorsam zu ihrem Obersten, Major Rogers (Spencer Tracy). Rogers schätzt insbesondere Langdons graphische Talente und so erklärt er ihn zum Kartenzeichner. Als sie bereits unterwegs sind auf einer längeren Mission, erläutert Rogers seinen Männern das Ziel: Das hinter der kanadischen Grenze gelegene Dorf St. Francis ist von marodierenden Abenaki-Indianern eingenommen worden, die dort grausam hausen. Ziel der Rangers ist es, St. Francis zu befreien und sämtliche dort befindlichen Abenaki als abschreckendes Beispiel zu töten. Nach vollführtem Auftrag, während dessen Langdon schwer verletzt wird, erweist sich der lange Rückweg als schwerster Teil der Reise...

Neben dem Unabhängigkeitskrieg gab auch das klassisch-historische Sujet des French-/Indian War, eines Ausläufers und durch Literatur und Kultur sehr populär gewordenen Nebenschauplatzes des Siebenjährigen Krieges, um die späten dreißiger und vierziger Jahre in Hollywood Anlass zu einigen prestigeträchtigen Großproduktionen, die ich persönlich gern als "Dreispitz-Western" zu bezeichnen pflege. Stets in bestechendem Drei-Streifen-Technicolor gedreht und jeder für sich noch heute eine formidable Augenweide, eröffnete dieser inoffizielle kleine Zyklus mit Fords "Drums Along The Mohawk" (Fox), setzte sich mit "Northwest Passage" (MGM) fort und fand seinen vorläufigen Abschluss in DeMilles "Unconquered" (Paramount).
King Vidors Film, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Kenneth Roberts, trägt den heute kaum mehr verwendeten Untertitel "Book I - Rogers' Rangers', der darauf hinwies, dass "Northwest Passage" ursprünglich als zwei- oder mehrteiliges Epos angelegt war. Tatsächlich spielt die nominelle Nordwestpassage im vorliegenden Film bestenfalls eine höchst untergeordnete Rolle; es wird angedeutet, dass sie dereinst noch zu expedieren sei und eine wichtige Rolle bei der Befriedung der Indianerstämme und dem strömenden SIedler-Zuzug spielen werde. Am Ende brechen Rogers (der durch die Schlusseinstellung zu einem amerikanischen Mythos stilisiert wird) und seine Männer auf, um die Nordwest-Passage abzulaufen und zu kartographieren, freilich ohne Langdon Towne, den es mit seiner Braut (Ruth Hussey) in die Alte Welt zieht. Ein weiterer Hinweis auf eine mögliche Fortsetzung, die leider nie realisiert wurde. "Northwest Passage" floppte nämlich in den Kinos und konnte seine kostenintensive Herstellungkaum rechtfertigen. Warum, das kann heuer nurmehr gemutmaßt werden. Zwar weist er einerseits die bezaubernde Unschuld und die jungenhafte Abenteuerlust vor, die Genrefilme aus Hollywood um diese Zeit eint, dennoch ist er in Teilen erstaunlich naturalistisch und vielleicht dem einen oder anderen sauer aufgestoßen: Es wird kein Hehl daraus gemacht, in welch systematischer Weise die Rangers im Zuge ihrer Vergeltungsaktion die Abenaki überfielen, einkesselten und abschlachteten und wie zermürbend ihre Rückreise unter der steten Todesangst vor den nachrückenden französischen Verfolgern, ausfällt. Einige der Jäger verfallen dem Wahnsinn, verzehrender Hunger und Erschöpfung machen sich breit. Selbst Walter Brennan, stets gern als comic relief im Genrefilm eingesetzt, hat zwar zwei, drei Gags - das war's aber auch. Zudem fehlte dem eher kompakten, für die Rolle des rustikalen Rober Rogers durchaus idealen Spencer Tracy möglicherweise die elegante Strahlkraft eines Gary Cooper oder Errol Flynn. Wirklich sehr schade, dass da nicht mehr gekommen ist.

8/10

King Vidor Siebenjähriger Krieg period piece Freundschaft Flucht Kanada New Hampshire French-/Indian War Kenneth Roberts


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SHIP OF FOOLS (Stanley Kramer/USA 1965)


"I think you're a sawed-off intellectual."

Ship Of Fools (Das Narrenschiff) ~ USA 1965
Directed By: Stanley Kramer

Im Frühjahr 33 fährt ein Passagierschiff von Vera Cruz in Mexico nach Bremerhaven. In der 1. Klasse reist eine bunt zusammengewürfelte Gruppe internationaler Passagiere, während auf dem Zwischendeck Hunderte von spanischen Arbeitern untergebracht werden, die von der Zuckerrohrernte auf Kuba zurück nach Teneriffa schippern. Unter den Reisegästen befinden sich neben einer spanischen Flamencogruppe, deren Tänzerinnen gegen Entgelt auch andere Bedürfnisse erfüllen, der herzkranke Schiffsarzt Schumann (Oskar Werner), eine medikamentensüchtige spanische Adlige (Simone Signoret), in die sich Schumann verliebt, der jüdische Schmuckhändler Löwenthal (Heinz Rühmann), der zwergenwüchsige Philanthrop Glocken (Michael Dunn), der offen nazistischer Redakteur Rieber (José Ferrer), das beziehungskranke Pärchen David (George Segal) und Jenny (Elizabeth Ashley), die verbrauchte Einzelgängerin Mary Treadwell (Vivien Leigh), der alkoholkranke Baseballspieler Tenny (Lee Marvin), der in Scheidung lebende Identitätskrisler Freytag (Alf Kjellin) sowie der liebeskranke Johann (Charles De Vries), der einer der spanischen Huren (BarBara Luna) nachstellt.

Katherine Anne Porters Roman "Ship Of Fools" war zu seiner Zeit ein vielgelesenes, -beachtetes und -gepriesenes Stück Literatur, dessen Kinoadaption ein bombensicheres Geschäft versprach. Produzent und Regisseur Stanley Kramer machte daraus einen edlen Qualitätsfilm, hinter dessen Realisierung sich ausschließlich ausgesprochene Könner verbargen. Da ein Werk unter solcher Prämisse kaum scheitern kann, ist das schlussendliche Resultat natürlich brillant, aber gleichermaßen überraschungslos. "Ship Of Fools" präsentiert sich als ein schöner, gepflegter Ensemblefilm, dessen latente Ironie vielleicht eine Spur zu subtil und hinter der historisch-intellektuell verpflichtenden Entrüstung, die das allgegenwärtige Sujet der angehenden NSDAP-Regierung im Reich förmlich bedingt, zurückbleibt. Kaum auszudenken, was ein bissiger Regisseur wie Altman aus dem Stoff herausgeholt hätte. Hypothetischer Schmarren. Was "Ship Of Fools" hat und mitbringt, ist völlig hinreichend: Sternstunden großartigen Schauspiels, hervorgebracht von einer illustren, nachträglich förmlich ekletizistisch anmutenden Besetzung: So tritt die rund fünfzigjährige Vivien Leigh, der man ihre Schönheit noch immer ansieht und die unter schweren Depressionen, deren Therapieversuchen und körperlichen Gebrechen litt, in ihrem letzten Film auf, so spielt der ewige Nicht-Migrant Rühmann einen gutgläubigen Juden und schmettert José Ferrer deutsche Schlager, so ist ein sozial verfemter Liliputaner (Dunn) der literarische Dompteur des Narrenschiffs, so tritt Lee Marvin überaus respektabel aus dem Genrefilm heraus, so symbolisiert ein armer, seines einzigen Werkzeugs entledigter Holzschnitzer (David Renard) den wahren menschlichen Großmut und so gibt der große Exzentriker Oskar Werner eine weitere Kostprobe seines phantastischen Könnens. Wenn das nichts ist...

8/10

Stanley Kramer Katherine Anne Porter Nationalsozialismus Faschismus Seefahrt Schiff Ensemblefilm period piece Atlantik Alkohol


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THE RED BADGE OF COURAGE (John Huston/USA 1951)


"Lordy, what a fight! And I got shot!"

The Red Badge Of Courage (Die rote Tapferkeitsmedaille) ~ USA 1951
Directed By: John Huston

Nach Wochen des ermüdenden Marschierens und Exerzierens ist es endlich so weit: Der Nachwuchsinfanterist Henry Fleming (Audie Murphy) zieht für die Union in seine erste Schlacht. Doch je näher das Scharmützel mit den Rebellen rückt, desto panischer wird Fleming und tatsächlich ergreift er in der Stunde der Bewährung das Hasenpanier, freilich unbemerkt von seinen Mitkämpfern. Um sein schlechtes Gewissen zu erleichtern, müht sich Fleming von nun an, aufrecht und in vorderster Front dabei zu sein, was ihm schon bald den Ruf eines Helden zuteil werden lässt.

Basierend auf Stephen Cranes gleichnamigem Romanklassiker - der Titel bezeichnet die blutenden Wunden und Narben, die sich der kämpfende Soldat auf dem Schlachtfeld zuzieht - fertigte Huston einen seiner künstlerisch relevantesten Filme, der die Tradition des großen Antikriegsepos "All Quiet On The Western Front" aufgreift: Ein Junge, noch grün hinter den Ohren, verliert ganz flugs seinen anfänglichen Enthusiasmus, als er mit dem wahren Schrecken der Bestie Krieg, mit Gewalt und Tod konfrontiert wird. Dann jedoch findet er sich wieder, tilgt Flucht und Lüge durch Einsatz und reift so zu einem Mann, der, im Zeichen eines Bruderkriegs, in wenigen Tagen durch das bizarre Zerrbild eines eigentlich jahrelangen Entwicklungsprozesses geht. Dass die Rolle dieses Bemitleidenswerten ausagerechnet vom höchstdekorierten US-Soldaten des Zweiten Weltkriegs, nämlich Audie Murphy, gespielt wird, zeugt von dem bitteren Sarkasmus, der "The Red Badge Of Courage" geleitet.
Hustons Film wurde keine erfreuliche Behandlung zuteil. Die MGM kürzte ihn mehrfach (die Mutmaßungen um die zeitlice Länge des entfernten Materials reichen von zwanzig bis hin zu fünfzig Minuten) infolge mieser Previews und unterlegte die Off-Stimme James Whitmores, der Originalzitate aus Cranes Buch einsprach. Huston, der die ursprüngliche Fassung des selbst in dieser Form immer noch meisterlichen Filmes als sein bestes Werk betrachtete, zeigte sich jener unflätigen, kunstfeindlichen Behandlung gegenüber erstaunlich wenig interessiert - was natürlich zu ihm passte. Wie stets in sich ruhend, verzichtete er darauf, sich einem Orson Welles gleich zum Don Quichote der Hollywood-Regisseure aufzuschwingen, der gegen die Studiomühlen antritt. Vergebene Liebesmüh'. Wenngleich Huston und Audie Murphy sich später noch darum bemühten, eine Rekonstruktion des Originals anzustreben, kam eine solche bis heute nicht zustande. Das entfernte Material existiert angeblich nicht mehr. Eines der großen (Kunst-)Verbrechen der Tinseltown-Historie.

9/10

John Huston Sezessionskrieg Stephen Crane Militär Coming of Age period piece Historie


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ACROSS THE PACIFIC (John Huston/USA 1942)


"Mine's bigger than yours."

Across The Pacific (Abenteuer in Panama) ~ USA 1942
Directed By: John Huston

Zum Schein lässt sich der Agent Rick Leland (Humphrey Bogart) unehrenhaft aus der Armee entlassen und signalisiert den Wunsch, zu den Japanern überzulaufen. An Bord eines japanischen Kreuzers, der über den Panamakanal von der Ost- zur Westküste der USA übersetzt, lernt er neben der netten Alberta (Mary Astor) auch den asiaphilen Dr. Lorenz (Sidney Greenstreet) kennen und freundet sich mit ihm an. Bald zeigt der vermeintliche Soziologe Lorenz sein wahres Gesicht: Er stiftet Rick an, ihm gegen Bezahlung den Lageplan eines panamaischen Militärflughafens zu verschaffen. Auf der Plantage von Albertas Vater hat Lorenz zudem eine geheime Startbahn für einen japanischen Bomber errichtet, der den Panamakanal als Schiffspassage für die Navy unbrauchbar machen soll.

Über böse Fu-Manchus, dicke Verräter und Pistolen als Penisersatz: Seinen dritten Langfilm, besetzt mit drei Hauptdarstellern aus seinem Erstling "The Maltese Falcon" in ähnlichen Parts (außer Mary Astor, die diesmal brav ist und Bogeys Freundin bleiben darf), konnte John Huston nicht mehr ganz fertigstellen, weil er kurz vor Drehschluss einberufen wurde, um Dokumentarfilme für die Army zu machen. Der Routinier Vincent Sherman beendete den chronologisch abgefilmten "Across The Pacific" und hatte somit immerhin die Ehre, Bogeys denkwürdigen Einsatz am MG, mit dem er die Bösewichte schlussendlich samt und sonders lahmlegt, auf Zelluloid zu bannen. Ein charmanter Reißer, der Bogarts neues Heldenimage festigte, war das erstklassige Resultat. Die ursprüngliche Story sah Oahu als Zielobjekt für die Verschwörer vor, was der tatsächliche Überfall der Japaner am 7. Dezember 41 zunichte machte: Die tatsächliche Realität hatte die filmische einmal mehr überholt; Bogey konnte Pearl Harbor nun nicht mehr retten.

8/10

John Huston Vincent Sherman WWII Panama New York Militär Verschwörung Pazifikkrieg


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DESIRE (Frank Borzage/USA 1936)


"May I introduce my husband?"

Desire (Sehnsucht) ~ USA 1936
Directed By: Frank Borzage

Nachdem sie eine in Paris geraubte Perlenkette an der spanischen Grenze unbemerkt in der Jackettasche des ahnungslosen Detroiter Touristen Tom Bradley (Gary Cooper) verschwinden lässt, versucht die gewiefte Diebin Madeleine de Beaupre (Marlene Dietrich), des edlen Stücks mit allerlei Tricks wieder habhaft zu werden. Dabei verlieben sich die schöne Europäerin und der etwas rustikale amerikaner heftigst ineinander, ganz zum Unwillen von Madeleines zwei Spießgesellen Carlos (John Halliday) und Tante Olga (Zeffie Tilbury)...

Mit "Desire", so sagt man vielerorts, sei Marlene Dietrich höchst erfolgreich ent-sternbergt worden. Nachdem sie sich auch privat von ihrem exzentrischen Karrierebereiter getrennt hatte, wechselte sie, freilich weiterhin beständig unter dem Banner der Paramount, kurzfristig zu Ernst Lubitsch, der "Desire" produzierte und danach "Angel" mit ihr drehte. "Desire" ist ein erster Schritt weg von jenem kühl-unnahbaren Image, mit dem die Dietrich sich in Hollywood eingeführt hatte. Hier zeigt sie auch eine komische Seite, darf viel lächeln und nach einem starken Auftritt als kriminelles Ass ihre Geschicke von Gary Cooper lenken, sich von ihm domestizieren lassen und mit ihm am Ende, brav, geläutert und rehabilitiert, vom mondänen Europa in den vergleichsweise schäbigen Ehehafen von Motor City überwechseln. Die Dietrich wurde weicher, irdischer und greifbarer und erschloss sich somit auf geschickte Weise auch den ganz humanenen Begehrlichkeiten des eher gesetzten männlichen Publikums. Und wieder fällt sie, wie einst in "Morocco", für den hochgewachsenen Cooper, der ursprünglich wegen ihrer Allüren nie mehr mit ihr zusammenarbeiten wollte. Für Lubitsch und Borzage brach er diese Maxime, was sich, für sämtliche Beteiligten, als überaus lohnend erwies!

8/10

Frank Borzage Ernst Lubitsch Frankreich Paris Spanien Heist Screwball Pyrenäen


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THE UNINVITED (Lewis Allen/USA 1944)


"That's the dawn breeze..."

The Uninvited (Der unheimliche Gast) ~ USA 1944
Directed By: Lewis Allen

Der Londoner Komponist Roderick Fitzgerald (Ray Milland) und seine Schwester Pamela (Ruth Hussey) kaufen zu einem Spottpreis ein malerisch gelegenes Haus über der Steilküste Cornwalls. Wie sie bald erfahren, soll es in 'Windward House' umgehen und tatsächlich: Nächtliche Klagelaute dringen stets kurz vor der Morgendämmerung durchs Haus; das Atelier im Obergeschoss ist allenthalben eiskalt, Kerzen werden mirnichts dirnichts ausgelöscht und zu allem Überfluss lässt sich hier und da eine schemenhafte, nebulöse Frauengestalt blicken. Auf die junge Stella (Gail Russell), Enkelin des vormaligen Besitzers (Donald Crisp) und Tochter der einst von den Klippen gestürzten Mary Meredith, übt Windward House eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Eine nächtliche Séance beweist: Der Spuk ist nicht eingebildet! Doch was will der Geist eigentlich? Und welche Rolle spielt die seltsame Amateur-Psychologin Miss Holloway (Cornelia Otis Skinner) bei alldem?

Ein innerhalb des klassischen Horrorfilms immens wichtiges Werk, sozusagen der Urahn aller Haunted-House- und Ghost-Movies, von dem das gesamte spätere Subgenre bis heute zehren wird und dem insbesondere wesentliche Marksteine von "The Haunting" bis "The Exorcist" sehr viel zu verdanken haben. Trotz seines stolzen Alters und seiner durchaus gemächlichen, braven Narration gibt es noch immer manch schönen, Gänsehaut evozierenden Moment in "The Uninvited", wofür besonders die tadellose audiovisuelle Gestaltung der Spuksequenzen sorgt. Als nachträglich etwas unwegsam erweist sich die von Ray Milland etwas überkernig ausgestaltete Figur des Roderick Fitzgerald, der seine coole Contenance nie verliert und stets Herr der Lage bleibt, wo selbst gestandene Parapsycholgen sich in die Hosen schissen. Ein wenig gute, ehrliche Angst gehört zum wahren Menschsein einfach dazu. Auch sonst hätte Allen wohl daran getan, auf die eine oder andere Dehnung seines Film zu verzichten, dem eine Viertelstunde Straffung sicherlich gut bekommen wäre. Da es sich jedoch um sein Erstlingswerk handelt, das sich bei aller Kritik bestimmt immer noch mustergültig für ein Debüt ausnimmt, mag man jedoch ein Nachsehen mit ihm haben.

8/10

Lewis Allen England Cornwall Haus Geister Spuk Sanatorium Dorothy Macardle


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SAMSON AND DELILAH (Cecil B. DeMille/USA 1949)


"He was not captured by force of arms, but by their softness."

Samson And Delilah (Samson und Delilah) ~ USA 1949
Directed By: Cecil B. DeMille

Der bärenstarke Nasiräer Samson (Victor Mature) ist den tyrannischen Philistern ein Dorn im Auge: Kaum, dass diese mal wieder irgendeinen alten oder verkrüppelten Hebräer triezen - eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen - ist auch schon Samson zur Stelle und wichst ihnen gehörig die Klumpen. Dass Samson die schöne Philisterin Semadar (Angela Lansbury) freit, wird ihm zähneknirschend gestattet, nachdem er einen Löwen mit bloßen Händen erwürgt. Semadars jüngerer Schwester Delilah (Hedy Lamarr), die ihrerseits ein Auge auf Samson geworfen hat, passt das jedoch gar nicht. Mittels eines intriganten Plans verhindert sie die Eheschließung des Muskelmannes mit Semadar und akzeptiert sogar deren Tod. Als sie merkt, dass Samson sich trotz allem nicht für sie interessiert, biedert sich Delilah dem Philisterkönig Saran (George Sanders) an, um sich wenigstens an dem Objekt ihrer Begierde rächen zu können. Nachdem sie Samson zum Verrat an seinem eigenen Volk treibt, ihm symbolisch seine Körperkraft durch den Verlust seines Haupthaars nimmt und dafür sorgt, dass seine Feinde ihn blenden können, opfert sie sie sich am Ende für ihn, als Samson, wieder bei Kräften, im Alleingang den Tempel des heidnischen Gottes Dagon auseinandernimmt.

Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde jedes Jahr pünktlich zur Mittsommernacht in meinem imaginären Freiluftkino ein triple feature bestehend aus King Vidors "Duel In The Sun", Hawks "Land Of The Pharaohs" und "Samson And Delilah" zeigen, dazu ein Dutzend Tempeltänzerinnen engagieren und Rotwein aus goldenen Kelchen reichen. Welches dieser drei Meisterwerke des goldenen Hollywood-Camp das schönste, weil verworfenste ist, kann man gar nicht sagen. In jedem genannten Film regieren Wolllust, körperliche Habgier und rücksichtsloser Sex vor gleißender Technicolor-Sonne; beben die juwelengefassten Dekolletés und ahnt der Zuschauer, dass die jeweils gezeigte Leinwand-Diva (ob Jennifer Jones, Joan Collins oder die Lamarr) die größte Schlampe der ganzen Weltgeschichte sein muss, die mit Brüsten versehene Personifizierung des Sündenfalls, die Schlange mit der flotten Zunge!
Cecil B. DeMille - das ist das Schöne an all seinen Filmen - konnte so, wie er wollte. Und er wollte eine Menge. Sein Hang zur gewaltigen Bibeladaption nahm im Laufe seiner Karriere immer groteskere Formen an, bis seine private Bigotterie soweit ging, dass sein Finalepos "The Ten Commamdments" sich als nichts anderes darbot denn als die Zelluloidform des vom Volk Israel gegossenen Goldkalbs. "Samson And Delilah" zeichnet diesen Weg bereits vor; er ist teuer, großkotzig und auf beklatschenswerte Art trashig; hat mit Victor Mature einen meiner Lieblingsschauspieler der Vierziger vorzuweisen und bietet mit Hedy Lamarr, die sechzehn Jahre zuvor im zarten Alter von 19 für einen handfesten Skandal gesorgt hatte, weil sie noch unter dem Namen Hedy Kiesler im österreichisch-ungarischen Film "Ekstase" eine ausgedehnte Nacktszene präsentierte, einen wahrlich steilen Zahn auf. Der liebe Gott indes präsentiert sich einmal mehr in der Menschheitsgeschichte als böser Gott, wenn er Samson unter Donner und Blitzschlag die Macht verleiht, bloß mit dem Unterkieferknochen eines Esels bewaffnet über tausend Philister-Soldaten die Schädel einzuschlagen. Aber so ist die Bibel: Ein Fanal des Blutes und der verhinderten Geilheit! Wie DeMilles grandioses Epos hier.

9/10

Cecil B. DeMille Bibel period piece Camp Sandalenfilm amour fou femme fatale





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