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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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JEZEBEL (William Wyler/USA 1938)


"Maybe I love her most when she's meanest, because I know that's when she's lovin' most."

Jezebel ~ USA 1938
Directed By: William Wyler

New Orleans, 1852: Nachdem die renitente Großbürgerstochter Julie Marsden (Bette Davis) ihn aufgrund ihrer kindischen Eskapaden einmal zuoft in der Öffentlichkeit brüskiert hat, geht der Bankier Preston Dillard (Henry Fonda) und kommt erst ein Jahr später zurück - verheiratet mit der "Yankee-Braut" Amy (Margaret Lindsay). Julie, die ihr aufsässiges Verhalten gleich nach Prestons Abreise zutiefst bereut und sich über all die Monate für ihn aufgespart hat, ist zutiefst verletzt und beginnt sogleich wieder zu intrigieren. Ihre Verleumdungen kosten das Leben eines Freundes (George Brent), der im Duell erschossen wird, derweil Preston versucht, der unter einer Gelbfieber-Epidemie leidenden Stadt hilfreich beizustehen. Als auch er erkrankt, sieht Julie in seiner selbstlosen Pflege ihre letzte Chance, die begangenen Sünden wieder gutzumachen.

So liebten Publikum und Kritik Bette Davis; wenn sie einen ganzen Film an sich riss und ihn vollkommen beherrschte, wenn sie die Illusion von physischer Schönheit schuf allein durch ihr weibliches Auftreten, wenn sie wankte zwischen Gutherzigkeit und feurigem Wahn. Die biblische Jezebel oder Isebel, die Frau König Ahabs, gilt im alttestamentarischen Bedeutungsfeld als Sinnbild einer bösen Furie und zänkischen Xanthippe, die ihr Leben ganz dem Schmieden und Umsetzen übler Ränke widmet. Ganz so schlimm ist Julie Marsden vielleicht doch nicht - sie wäre wohl eher dem klassischen literarischen Figurenarsenal der "missratenen Tochter" zuzuordnen, die sich bewusst oder unbewusst der Akzeptanz bürgerlicher Traditionen verweigert, die ihre Ziele deutlich leidenschaftlicher verfolgt als Zeitgenossinnen und die aktiven Feminismus in die widerspenstige Vergangenheit transponiert. Julies endgültiges Unglück beginnt damit, dass sie ein rotes Ballkleid trägt, wo unverheirateten Damen lediglich die weiße Entsprechung gestattet ist. Ein ungeschriebenes Südstaatengesetz, das sie ganz bewusst bricht, dessen unangenehme Konsequenzen in Form gesellschaftlicher Ächtung sie dann aber doch nicht tragen mag und damit ihre Haltlosigkeit beweist. Erst ein Jahr und diverse mehr oder weniger eminente faux-pas später ist die Zeit zur Sühne reif. Dieses wunderhübsch blumige Frauen- und Sittenporträt war ein Geschenk für Regisseur und Hauptdarstellerin - und wie wohlfeil wussten sie es für ihre Zwecke zu nutzen... isebelitisch!

8/10

William Wyler Südstaaten New Orleans Louisiana Familie Sittengemälde based on play John Huston


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JET PILOT (Josef von Sternberg/USA 1957)


"Oh, Palm Springs..."

Jet Pilot (Düsenjäger) ~ USA 1957
Directed By: Josef von Sternberg

In Alaska erhält der Airforce-Offizier Jim Shannon (John Wayne) "Besuch" von der über die Beringsee entkommenen Pilotin Anna Marladovna (Janet Leigh). Der aufreizenden Art der schönen Russin kann sich Shannon nur schwer entziehen. Um die drohende Ausweisung Annas zu verhindern, heiratet er sie vom Fleck weg. Dann jedoch erfährt er, dass Anna in Wahrheit eine gegnerische Spionin ist, die ihm militärische Geheimnisse über die US-Luftwaffe entlocken sollte. Scheinbar aus Liebe flüchtet er nun mit der von der Inhaftierung bedrohten Anna in die UdSSR, wo er tatsächlich selbst als Spion tätig wird. Mithilfe einer Wahrheitsdroge versuchen die Russen, Shannon auszuquetschen. Als Anna endlich ihre Liebe zu Shannon eingestehen kann, befreit sie ihn in letzter Sekunde und fliegt mit ihm zurück in die USA - diesmal endgültig.

"Jet Pilot", wie "The Conqueror" von Howard Hughes produziert und auch betreffs seiner Schilderung einer anscheinend unmöglichen Liebesbeziehung dem Zweitgenannten nicht unähnlich, kam erst mit einer Verspätung von rund acht Jahren in die Kinos. Dafür gab es mehrere Gründe: Der politische Stoff um eine Ost-West-Liebe schien trotz längerer Hollywood-Tradition urplötzlich zu brisant, um Thema eines einfachen Unterhaltungsfilms zu sein; Howard Hughes dokterte noch lange nach Josef von Sternbergs Einsatz an dem Film herum und fügte immer wieder Szenen und Details hinzu, um "Jet Pilot" 'technically up to date' zu halten. Letztlich erwiesen sich alle diese Maßnahmen als fruchtlos. Lange nach Hughes' Weggang von der RKO kaufte die Universal die Aufführungsrechte für "Jet Pilot" und brachte ihn doch noch auf die Leinwand, unter genau jenen Vorzeichen, die Hughes stets zu vermeiden suchte: Er wirkte nunmehr nämlich veraltet, in der Fliegerei gab es längst neue Innovationen und dass Duke plötzlich in einem Film deutlich jüngerer aussah als noch im letzten davor, kam den Leuten spanisch vor. Ganz hübsch misogyn indes der Gedanke, dass politische Überzeugung niemals gegen die Natur der Weiblichkeit ankommen kann: Janet Leigh zieht am Ende Nylons, Steaks und John Wayne Planwirtschaft, Kreml und Stalin vor. Esc lebt sich "drüben" vielleicht nicht so idealistisch, aber doch deutlich bequemer. Nun, was man Lubitsch und Wilder verzeiht, kann man auch einem Duke Wayne nachsehen, meine ich.

6/10

Josef von Sternberg Jules Furthman Howard Hughes Fliegerei Kalter Krieg Don Siegel


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THE CONQUEROR (Dick Powell/USA 1956)


"Dance for me, Tatar woman."

The Conqueror (Der Eroberer) ~ USA 1956
Directed By: Dick Powell

Der mongolische Stammesführer Temujin (John Wayne), der dereinst als Dschingis Khan in die Geschichte eingen wird, raubt die Tatarentochter Bortai (Susan Hayward), deren Vater Kumlek (Ted de Corsia) einst Temujins Vater ermordete. Dennoch will er Bortai zur Frau, koste es was es wolle. Zugleich will Temujin endlich Rache an den Tataren und entspinnt eine Fehde gegen sie, in die er auch den Chinesen Wang Khan (Thomas Gomez) einbezieht. Doch Temujin gerät in die Fänge seiner Feinde, aus denen Bortai, die ihrer heimlichen Liebe zu ihm endlich stattgibt, ihn wieder befreit. In einem einzigen großen Schachzug eignet er sich das Reich Wang Khans an und führt seine und dessen Armee siegreich gegen die Tataren.

In inhaltlicher Hinsicht nicht nur vollkommen banal, sondern nachgerade haarsträubend, ist "The Conqueror" einer der merkwürdigsten Filme aus Duke Waynes mittlerer Schaffensphase. Als letzte Filmproduktion des Millionärs Howard Hughes sowie Prestige- und immenses Risikoprojekt für die RKO erwarb sich "The Conqueror" vor allem den Ruf eines "Mörderfilms": Der Wüstendrehort in Utah lag nämlich genau in der Windrichtung eines Atombombentestgebiets im Nachbarstaat Nevada und wurde unentwegt von den stark radioaktiv verseuchten Staub- und Sandstürmen just durchgeführter Bombentests heimgesucht. Dies hatte mittelbar zur Folge, dass mit über einem Drittel aller an der Produktion beteiligten Darsteller und Stabsmitglieder ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Mitarbeiter an Leukämie und anderen strahlungsbegünstigten Krebsarten verstorben ist, darunter Wayne, Susan Hayward, Pedro Armendáriz, Agnes Moorehead und der Regisseur Dick Powell, in erster Linie eigentlich selbst Akteur. Nachweislich hatte dieser für Nachdrehs in Culver City sogar tonnenweise von dem vor Ort lagernden Sandstaub ins Atelier bringen lassen - um möglichst authentische Bilder zu erhalten. Ungeachtet der bösen Ironie, dass ausgerechnet der eherne Anti-Kommunist Wayne durch dem Kalten Krieg geschuldete A-Waffen-Experimente das Zeitliche segnen musste, ist "The Conqueror" lupenreiner Camp, ein Beispiel teurer, verschleuderter Logistik und ein weiterer Beweis der unbestechlichen Unfähigkeit Howard Hughes', Filme auch nur halbwegs gewinnbringend zu produzieren. Dennoch ist er gerade in seinem stolzen, verschwenderischen, kurzsichtigen Versagen sowie als das, was er eben über die Dekaden zu symbolisieren begann, sehr sehenswert.

5/10

Dick Powell Howard Hughes Dschingis Khan Mongolei period piece Camp


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COLLATERAL DAMAGE (Andrew Davis/USA 2002)


"Collateral damage? I'll show you collateral damage!"

Collateral Damage ~ USA 2002
Directed By: Andrew Davis

Frau (Lindsay Frost) und Sohn (Ethan Dampf) des tapferen Feuerwehrmannes Gordy Brewer (Arnold Schwarzenegger) werden zu Opfern eines Anschlags des kolumbianischen Terroristen Claudio Perrini, genannt 'El Lobo' (Cliff Curtis). Ihre Tode bezeichnet man leichtfertig als "Kolletaralschaden", Polizei und Geheimdienste sind machtlos gegen die phantomhaft operierende Guerilla. Doch Brewer hat das Gesicht des Drahtziehers gesehen. Auf eigene Faust reist er nach Kolumbien und startet einen Ein-Mann-Krieg gegen Perrini und sein Netzwerk. Schließlich kann Brewer jedoch gefangen genommenen werden, weil er dieselbe Tragödie verhindern will, die seiner Familie widerfahren ist. Mithilfe von Perrinis sympathischer Frau Selena (Francesca Neri) kann er freikommen und zusammen mit ihr in die Staaten entkommen, kurz nachdem die CIA das Partisanendorf dem Erdboden gleichgemacht hat. Perrini plant derweil bereits den nächsten Anschlag in Washington D.C.. Brewer weiß nicht, dass er selbst als Strohmann für die Terroristen missbraucht wurde und Perrini eigentlich nur die eine Hälfte von 'El Lobo' personifiziert...

Mit der Gnade der verstrichenen Jahre als Bonus erweist sich "Collateral Damage" als doch gar kein so mieser Film, als den ihn die meisten Leute, darunter auch ich selbst, damals abtaten. Die in obligatorischem Zusammenhang mit dem zeitgenössischen globalen Geschehen stehende Empörung über die Verwurstung des Themas 'Terrorismus' in einem Genrefilm (!) mit Arnold Schwarzenegger (!!) war ganz einfach Ehrensache. Wenn Arnie gegen Aliens, Mars-Diktatoren, Luzifer oder die Klonmafia antrat, dann war das stets völlig in Ordnung, hier aber ging es urplötzlich um überaus reale Belange in einem schlichten Unterhaltungsfilm, der darüber hinaus eine merkwürdig schwammige Position gegenüber der US-Interventionspolitik in Lateinamerika einnahm. So etwas ging a priori nicht in Ordnung und eine selbst nur halbwegs entgegenkommende Rehabilitierung des Films blieb bis heute aus. "Collateral Damage" hat nie den Fun-Event-Charakter der allermeisten anderen Arnie-Produktionen aufbauen können und fristet als Konserve in den meisten Regalen ein stiefmütterliches Dasein. Zu Unrecht. "Collateral Damage" ist ein durchaus fix inszenierter, spannender Film mit guten Darstellern, dessen kümmerliche politische Irrelevanz ohnehin ausgeblendet gehört. Der Gewaltfreak freut sich über zwei, drei denkwürdig fiese Höhepunkte und der kleine Twist gegen Ende ist durchaus gelungen.
Der Ansatz allerdings, Schwarzenegger einen Allerweltsmenschen geben zu lassen, der erst aufgrund seiner privaten Rachemission über sich hinauswächst, ist zu diskutieren. Der über Jahrzehnte hinweg mühevoll selbstkonstruierten Typographie seines medialen alter ego geht dieser Versuch natürlich völlig zuwider. Arnold Schwarzenegger als vulnerabler Gemütsmensch, der am Ende doch wieder nur Arnold Schwarzenegger ist - die Berechtigung dieses unnützen dramaturgischen Umwegs verläuft recht schnell im Sande. Mit Harrison Ford oder Russell Crowe in dem entsprechenden Part wäre das Ganze vermutlich deutlich 'glaubwürdiger' (falls diese Attribuierung hier überhaupt benutzt werden darf) ausgefallen. Der eigentliche Grund, warum sich "Collateral Damage" das Wasser abgräbt, liegt rückblickend also weniger in seinen redundanten Aussagen, denn vielmehr in dem verzweifelten, leider unerfüllbaren Wunsch nach professioneller Differenzierung. Danach noch schnell ein "Döminejde" und ab ging's ins kalifornische Kabinett, wiederum die allergrößte Fehlbesetzung der Steirischen Eiche.

6/10

Andrew Davis Terrorismus Kolumbien Rache Los Angeles Washington D.C.


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DECONSTRUCTING HARRY (Woody Allen/USA 1997)


"You have no values. With you its all nihilism, cynicism, sarcasm and orgasm."

Deconstructing Harry (Harry außer sich) ~ USA 1997
Directed By: Woody Allen

Der New Yorker Autor Harry Block (Woody Allen), ein versoffener und promisker Agnostiker, dessen literarische Figuren stets Projektionen seiner eigenen Lebensrealität darstellen, steckt in einer tiefen Schaffenskrise. Nicht nur, dass die Frauen seines Lebens ihm plötzlich in geballter Front vorwerfen, er habe sie stets völlig verzerrt porträtiert, heiratet seine letzte große Liebe Fay (Elisabeth Shue) auch noch Harrys alten Freund Larry (Billy Crystal). Zudem steht eine Universitätsehrung bevor, zu der anscheinend niemand Harry begleiten will. Um nicht allein nach Neuengland fahren zu müssen, engagiert Harry flugs die Prostituierte Cookie (Hazelle Goodman), packt seinen hypochondrischen Freund Richard (Bob Balaban) ein und entführt seinen neunjährigen, bei seiner Ex-Frau Joan (Kirstie Alley) lebenden Sohn Hilly (Eric Lloyd).

Gut, die wahrscheinlich einzigen drei Dinge, die "Deconstructing Harry" deutlich vom Gros des sonstigen allen'schen Filmkosmos abheben, sind die Tatsachen, dass der von Woody Allen interpretierte Protagonist hier große Mengen Whiskey trinkt, dass in nahezu jeder Dialogzeile ein Vierbuchstabenwort auftaucht (was, wie man vielleicht weiß, bei Allen sogar höchst ungewöhnlich ist) sowie dass es einige längere Szenen gibt, in der der Künstler notlos beim Autofahren zu sehen ist. Ansonsten gibt es das im Prinzip Übliche: Der intellektuelle, jüdische Künstler hadert mit seinen ethnischen Wurzeln, mit seinem Unglauben, seiner Hypochondrie, mit den Frauen und vor allem sich selbst. Seltsam, dass Allen zunächst unbedingt einen anderen Darsteller als sich selbst für die Titelfigur haben wollte. Vielleicht mochte er nicht länger mit dem im Grunde neuerlich repetierten Charakter des Stadtneurotikers identifiziert werden. Dabei sorgt der irrwitzige Sarkasmus, mit dem Allen hier zu Werke geht, Bergman referiert, sein Ensemble durch die diversen, pseudoliterarischen Episödchen peitscht sowie seine dialogischen Feuerwerke abbrennt, dafür, dass "Deconstructing Harry" zu den komischen Meisterstücken seines Regisseurs zählt. Herrlichst.

10/10

Woody Allen New York Autor Literatur Hölle ethnics Satan


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DINNER AT EIGHT (George Cukor/USA 1933)


"I'm going to be a lady if it kills me!"

Dinner At Eight (Dinner um Acht) ~ USA 1933
Directed By: George Cukor

Die Reeder-Gattin Millicent Jordan (Billie Burke) plant ein kostspieliges Freitagabend-Diner, zu dem eine erlesene Gesellschaft eingeladen werden soll. Es weilt nämlich zur Zeit das Ehepaar Ferncliffe aus England in Manhattan, Reichenprominenz von höchsten Gnaden, mit deren Erscheinen sich die gute Millicent vor den übrigen Gästen rühmen möchte. Dabei haben die Geladenen und Gäste ganz andere Sorgen, allen voran Millicents Mann Oliver (Lionel Barrymore), dessen Reederei im Zuge der Depression von der Insolvenz bedroht ist. Als böser Strippenzieher im Hintergrund lauert bereits der feiste Emporkömmling und Finanzgeier Dan Packard (Wallace Beery) auf Jordans Unternehmen, der ein paar Strohmänner für entsprechende Aktieneinkäufe bereithält. Packards Frau Kitty (Jean Harlow), ein verwöhntes Neureichenblondchen mit proletarischen Wurzeln, unterhält derweil eine feurige Affäre mit dem notorischen Schürzenjäger Dr. Talbot (Edmund Lowe) und streitet sich nahezu ohne Unterlass und auf übelste Weise mit ihrem bulligen Gatten. Die alternde, ebenso voluminöse wie trinkfeste Theaterdiva Carlotta Vance (Marie Dressler) hat derweil ein mäßig schlechtes Gewissen, weil sie aus Geldnot das Aktienpaket ihres alten Freundes Jordan verscheuert hat. Nach dem arbeitslosen, verarmten und dem Alkohol verfallene Stummfilmstar Larry Renault (John Barrymore) kräht indes kein Hahn mehr - mit Ausnahme von Jordans neunzehnjähriger Tochter Paula (Madge Evans), die sich unsterblich in den sehr viel älteren, suizidalen Galan verliebt hat und für ihn ihren gleichaltrigen Verlobten (Phillips Holmes) sitzen lassen will...

Wie man etwas bereits Makelloses nochmals perfektioniert, demonstrierte die MGM nur ein Jahr nach "Grand Hotel" mit "Dinner At Eight": Das Basiskonzept blieb bestehen - ein umfassendes Starpersonal begegnet sich in wechselnden Konstellationen, zerfleischt und liebt sich, erhält Erleuchtung und Verständnis, wird erwachsen oder geht drauf. Weil man ein Gewinnerteam nicht ändern soll, begegnet man gleich vier Darstellern aus "Grand Hotel" wieder (den Barrymore-Brüdern, Wallace Beery und Jean Hersholt), die ihre Kunst hier nochmal in gleichwertiger Form vorstellen. Hinzu kommen 'neue' Gesichter wie das der faktisch den kompletten Film beherrschenden, wahrlich phantastischen Marie Dressler oder das von Billie Burke. John Barrymores Figur überbietet den vormaligen Baron nochmal um ein ganzes Pfund an Tragik und hier wie dort muss er das Zeitliche segnen, diesmal allerdings durch eigene Hand und in perfekt inszenierter Abgangspose. Dreierlei wertet "Dinner At Eight" letztlich nochmals um Nuancen gegenüber seinem 'Vorgänger-Modell' auf: der Verzicht auf die große Pose, wie sie vor allem die Garbo in "Grand Hotel" personifizierte, der Entschluss, den Satirefaktor deutlich anzuheben und das Stück somit noch deutlich sozialrelevanter zu gestalten und schließlich der Einsatz eines - damals freilich noch eher unbeleckten - Regiegenies, eines der brillantesten Köpfe in sechs Jahrzehnten Filmgeschichte und, wie sich anhand "Dinner At Eight" bereits überdeutlich ablesen lässt, eines Meisters der Gesellschaftskomödie. Optimal fügen sich nach und nach die Szenen aneinander, ergeben ein bis ins Letzte stimmiges Kaleidoskop, bis hin zum großen Gesamtbild, über dessen klimaktisches Finale hinaus man den Film noch lange im Kopf behält.

10/10

George Cukor New York Ensemblefilm Satire based on play Great Depression Alkohol Stummfilmstar Essen


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GRAND HOTEL (Edmund Goulding/USA 1932)


"Grand Hotel... always the same. People come, people go. Nothing ever happens."

Grand Hotel (Menschen im Hotel) ~ USA 1932
Directed By: Edmund Goulding

Im Grand Hotel Berlin laufen binnen 48 Stunden mehrere Schicksale ineinander: Die stark depressive Ballett-Diva Grusinskaya (Greta Garbo) leidet unter Vereinsamung und steckt in einer schweren Schaffenskrise, bis sie den verarmten Blaublütigen Gaigern (John Barrymore) kennenlernt und sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Der gutherzige Baron seinerseits versucht, sich als Hoteldieb zu sanieren und will der 'Gru' eine Perlenkette stehlen - ein Plan, den er flugs drangibt als er sein "Opfer" näher kennenlernt. Den Großindustriellen Preysing (Wallace Beery) plagt derweil der drohende Konkurs seines Unternehmens. Um auf andere Gedanken zu kommen, setzt er sich ein Tête-à-tête mit seiner hübschen Stenotypistin Fräulein Flamm (Joan Crawford) in den Kopf, die sich ihrerseits in Baron Gaigern verguckt. Der alternde, todkrank diagnostizierte Buchhalter Otto Kringelein (Lionel Barrymore) schließlich, einer von Preysings vielen Angestellten, nimmt sich vor, in seinen letzten Lebenswochen nochmal richtig die Puppen tanzen zu lassen und lernt über die Vorzüge von Freundschaft, Champagner, Tango und Baccarat die wahre Lebensfreude schätzen.

Der Urvater des klassischen Ensemblefilms, der bis heute immer wieder schöne Sprösslinge hervorbringt und, wie sich anhand "Grand Hotel" recht gut studieren lässt, seine Grundform nur unwesentlich variiert hat - außer vielleicht mit der Einschränkung, dass spätere Meister wie Altman ihn noch wesentlich komplexer und ausführlicher gestalteten.
Das inhaltliche Konzept ist so einfach wie brillant: Mehrere Vitae begegnen sich, kollidieren miteinander, laufen fortan parallel oder brechen wieder auseinander, alles binnen einer streng gesetzten Orts- und Zeiteinheit. Die ursprüngliche Idee zu "Grand Hotel" stammt von Vicki Baum, die es als "Menschen im Hotel" 1929 mit dem Untertitel "Kolportageroman mit Hintergründen" als ein Porträt eines Edelhorts inmitten der Weimarer Republik veröffentlichte. William A. Drake machte daraus flugs ein Theaterstück, das schließlich in Form dieser schon damals gefeierten MGM-Produktion adaptiert wurde und nicht nur nochmals Baums Buch, sondern auch dem Motiv des Touristenhorts mit wechselnden Gesichtern und Geschichten Bahn brach. Es lässt sich mutmaßen, dass ohne den massenkulturellen Hattrick bestehend aus Roman, Stück und Buch (später kam noch ein Musical hinzu) der Ensemblefilm (und spätere TV-Serien-Ableger) nicht das wären, was sie heute sind. Gouldings Film ist ein Meisterwerk des gesellschaftskritischen Kinos, das Vicki Baums Vorlage vor allem aufgrund seiner Zeitnähe so adäquat einfangen konnte. Nur Monate später, als Berlin zusammen mit dem Rest der vormaligen Republik schleichend im braunen Sumpf versank, hätten die Entstehung des Films und natürlich das Resultat selbst einen schalen Beigeschmack erhalten. So ist der Nachwelt ein bei allem Zeitkolorit zeitloses Stück Hollywood erhalten geblieben, das aufzeigt wie weit Inszenierung, Dramaturgie und Schauspiel bereits in den jungen Tagen des Tonfilms bereits gediehen waren.

10/10

Edmund Goulding Berlin Hotel Ensemblefilm Vicki Baum based on play Best Picture


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THE BAD AND THE BEAUTIFUL (Vincente Minnelli/USA 1952)


"If you dream, dream big."

The Bad And The Beautiful (Stadt der Illusionen) ~ USA 1952
Directed By: Vincente Minnelli

Verzweifelt versucht der auf dem absteigenden Ast befindliche Hollywood-Produzent Jonathan Shields (Kirk Douglas) drei frühere Mitarbeiter - den Regisseur Fred Amiel (Barry Sullivan), die Star-Aktrice Georgia Lorrison (Lana Turner) und den Scriptautoren James Lee Bartlow (Dick Powell), deren jeweilige Karrieren er einst entscheidend lanciert hat, für sein nächstes Projekt zu gewinnen. Doch alle Drei haben handfeste Gründe, nie wieder mit Shields zusammenzuarbeiten, denn er hat sie nicht nur nach oben gebracht, sondern ihnen allen auch empfindliche private Verletzungen beigebracht, um seinen Willen durchzusetzen.

In episodischer Form, die ambivalente Figur des Albtraumkarrieristen Jonathan Shields jeweils im Zentrum, berichtet "The Bad And The Beautiful" in der zeitgenössisch-modischen Form der Traumfabrik-Nestbeschmutzung vom rücksichtslosen, egomanischen Filmproduzenten, der in Wahrheit bloß eine Höllenangst vor der eigenen Verletzlichkeit und Niederlage hat und darum alles in den Abgrund reißt, bevor er selbst dran glauben muss. Seltsamerweise bringt Jonathan Shields zugleich auch immer die Fähigkeit, respektive den Hang zu umgehend erfolgender Sühne mit; wenn er seinen besten Freund verrät, seine große Liebe im Stich lässt oder scheinbar beiläufig zugibt, dass er Intrigen gegen einen wertgeschätzten Kollegen gesponnen hat. Am Ende, als er zuviel will und bei seiner neuesten Produktion einem renommierten Filmemacher (Ivan Triesault) die Regie entreißt und sich selbst zuspielt, offenbart sich ihm endlich sein zweckloser Egozentrismus im Angesicht der kreativen Niederlage: eine leidenschaftliche Ohrfeige für und Absage an alle Tycoons und Mogule des silver age, die ihren emsigen Filmautoren die Zuständigkeiten beschnitten.
Die berückende Lyrik eines "Sunset Boulevard" erreicht Minnellis Film nicht, er setzt eher auf irdene Trivialität und Klischeebedienung. Das aber versteht er immerhin hervorragend. Ferner beschert er Kirk Douglas eine seiner fünf, sechs größten Performances.

9/10

Vincente Minnelli Hollywood Ensemblefilm Alkohol


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PRAY FOR DEATH (Gordon Hessler/USA 1985)


"What we need now is a black ninja!"

Pray For Death (Die 1000 Augen der Ninja) ~ USA 1985
Directed By: Gordon Hessler

Von seiner Frau Aiko (Donna Kei Benz) überredet, emigriert der Japaner Akira Saito (Shô Kosugi) mit ihr und den zwei Kindern (Kane Kosugi, Shane Kosugi) in die USA, um dort eine neue Existenz zu gründen. Dummerweise geraten die Saitos mitten in einen Konflikt zwischen dem Gangstersyndikat des Mr. Newman (Michael Constantine) und einem korrupten Cop (Matthew Faison). Für Newmans sadistischen Killer Limehouse Willie (James Booth) die Chance, es "den verdammten Schlitzaugen mal richtig zu zeigen". Nachdem Limehouse die Saitos mehrfach attackiert und Aiko trotz diverser Hilferufe seitens Akiras schließlich ermordet, besinnt sich der wütende Witwer auf seine spirituellen Wurzeln. Ein gnadenloser Rachefeldzug ist die blutige Folge.

Nach der Beendigung der "Ninja"-Trilogie für die Cannon versuchte Shô Kosugi, seine Martial-Arts-Fertigkeiten auch unter anderer Produktionsägide zum Erblühen zu bringen. Zumindest der erfahrene B-Regisseur Gordon Hessler vermochte Kosugi mit "Pray For Death" und dem nachfolgenden "Rage Of Honor" zwei den Cannon-Ninjas annähernd gleichwertige Kracher zu bescheren, wobei insbesondere der vorliegende Film hervorzuheben ist. "Pray For Death" steht Kosugis "Meisterwerk" "Revenge Of The Ninja" kaum nach. Erneut stellt die Geschichte zunächst die Hauptanforderung an mündige Erwachsene, sich der Intellektualität und Moralkonzeption eines Dreijährigen zu stellen, diesmal aus der entfesselten Feder James Booth' stammend, der speziell dem von ihm selbst verkörperten, diabolischen Bösewicht einige Extra-Fisimatenten auf das runzlige Kerbholz geschrieben hat.
Leider war ich einmal häufiger auf die alte deutsche VHS angewiesen, die nicht nur gecroppt aufgespielt ist, sondern selbst gegenüber der bereits zensierten US-R-Rated-Fassung nochmal Federn lassen musste. Immer noch einer meiner größten Veröffentlichungswünsche, dass da hierzulande (die Synchronfassung brauche ich aus nostalgischen Gründen unbedingt, sonst hätte ich zumindest die US-DVD) endlich mal was Ordentliches kommt. Bringen doch sonst auch jeden Driss für teuer Geld.

7/10

Gordon Hessler Japan culture clash Familie Rache Ninja Exploitation Martial Arts Selbstjustiz


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MIDNIGHT (Mitchell Leisen/USA 1939)


"Come on, everybody do la conga."

Midnight (Enthüllung nach Mitternacht) ~ USA 1939
Directed By: Mitchell Leisen

Völlig abgebrannt kommt die Sängerin Eve Peabody (Claudette Colbert) mit dem Zug aus Monte Carlo in Paris an - und hat das große Glück, am Bahnhof den charmanten Taxifahrer Tibor Czerny (Don Ameche) kennenzulernen, der sie auf Kredit zu sämtlichen relevanten Vorstellungsadressen fährt - umsonst. Dass es außerdem heftig zwischen den beiden funkt, ignoriert Eve vorsorglich, sie ist endlich einmal auf der Suche nach einer "guten Partie". Als Eve sich unrechtmäßig Zutritt zu einer versnobten Kammermusik-Soirée verschafft, iavanciert sie als selbsternannte "Baronin Czerny" prompt zum Mitglied der feinen Pariser Gesellschaft. Besonders der junge Playboy Picot (Francis Lederer) wirft ein Auge auf sie. Dies wiederum kommt dem alternden Millionär Flammarion (John Barrymore) sehr zupass, dessen junge Frau (Mary Astor) bis dato Picots heimliches Liebchen war. Darum tut er alles dafür, um Eve mit Picot zu verkuppeln. Doch Czerny und die wahre Liebe lassen sich nicht einfach abspeisen.

Von Billy Wilder und Charles Brackett geschrieben, inszenierte Leisen eine der prachtvollsten Screwball Comedies der dreißiger Jahre, die vielleicht nicht das irrwitzige Tempo eines Hawks-Films vorweisen konnte, dafür aber den fein perlenden, champagneresken Dialoghumor seiner brillanten Ersinner, den zu visualisieren Leisen absolut adäquat verstand. Dabei hilft ihm natürlich primär die wundervolle Claudette Colbert, die mit ihren großen, fröhlichen Strahleaugen ohnehin das Idealbild einer 'screwball actress' vorstellte und bei nahezu allen großen Komödien-Regisseuren jener Jahre, darunter Capra, Lubitsch und Preston Sturges, mindestens einmal reüssierte. "Midnight" könnte dabei durchaus meinen Verdacht erregen, ihr schönster Film zu sein; um ganz sicher zu gehen, müsste ich mir aber alle nochmal zeitnah anschauen. Zumindest in diesem Moment wäre ich jedoch relativ überzeugt davon. Don Ameche, den unsere Generation vornehmlich aus seinen tollen Seniorenrollen in den Achtzigern kennt und der zwischen 49 und 83, als er von John Landis für "Trading Places" reaktiviert wurde, in fünf Filmen auftrat, als vitalen Jungspund von dreißig Lenzen zu erleben, hat zudem etwas für sich. Von John Barrymore gar nicht zu reden.
In "Mein Kino" moniert Hellmuth Karasek das romantische Happy End des Film und mutmaßt, dass es ein Zugeständnis Wilders und Bracketts an Anstand und Sitte wäre. Ich bin nicht bereit, dem zu folgen. Mit einem anderen Ende hätte "Midnight" keinesfalls an Bissgkeit, sondern bvestenfalls an Zynismus hinzugewonnen. Und dieser passt nicht zu ihm, überhaupt nicht.

9/10

Mitchell Leisen Billy Wilder Screwball Paris Taxi





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Funxton

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