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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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QUEEN CHRISTINA (Rouben Mamoulian/USA 1933)


"Must we live for the dead?"

Queen Christina (Königin Christine) ~ USA 1933
Directed By: Rouben Mamoulian

Gegen Ende des Dreißigjährige Krieges verliebt sich die bis dahin als Junggesellin lebende schwedische Königin Christina (Greta Garbo) in den spanischen Diplomaten Antonio de la Prada (John Gilbert), der eigentlich nach Nordeuropa gekommen ist, um der Königin vom Heiratswerben Königs Philipp IV. zu künden. Der Romanze wird sowohl von Christinas eifersüchtigem Schatzkanzler Magnus (Ian Keith) als auch vom schwedischen Volk mit offener Abneigung begegnet. Die Königin jedoch ist der Regierungsgeschäfte überdrüssig und dankt ab, um Antonio heiraten und mit ihm nach Spanien gehen zu können. Zuvor jedoch wird dieser noch von Magnus im Fechtduell tödlich verwundet; Christina verlässt Schweden allein.

Der kommerziell erfolgreichste Garbo-Film ist gar kein solches Kitschfeuerwerk, wie man zunächst vielleicht annehmen mag. Tatsächlich lässt das gesamte Projekt sich bereits auf den ersten Blick als eine große Liebeserklärung an 'die Göttliche' identifizieren. Mamoulian setzt ihr ebenmäßiges Antlitz aus allen denkbaren Perspektiven und in allen denkbaren Gemütszuständen in Close-Ups, wobei die Garbo durch ihren stets würdevollen Gesichtsausdruck mehr oder weniger aktiv eifrig an ihrem eigenen Mythos strickt. Herz-Schmerz bei Hofe, das war und ist stets auch ein dankbares Filmsujet, weil es Ausstatter, Kostümschneider und Schauspieler gleichermaßen herausfordert und vor allem von seinen dankbaren Schauwerten lebt. "Queen Christina" nun kommt vergleichsweise intim daher. Er kapriziert sich tatsächlich zu großen Teilen auf die Person der Königin und die sie umtreibende Disparität zwischen National- und Standestreue sowie das menschliche Recht darauf, freies Individuum zu sein. Ihrem Galan John Gilbert ermöglichte die allenthalben mit ihrer Heimkehr drohende Garbo zugleich eine kurze Rückkehr zum hochbudgetierten A-Film, der das Paar bereits während der gemeinsamen Stummfilmjahre geeint hatte und ihm auch eine private Liaison zuteil werden ließ. Der einst populäre, nunmehr jedoch schwer versoffene Gilbert jedoch war zu diesem Zeitpunkt bereits zur persona non grata auf dem MGM-Studiogelände geworden und trotz der Insistierung seiner Geliebten zum baldigen Ableben verdammt.

8/10

Rouben Mamoulian Dreißigjähriger Krieg Historie period piece amour fou Schweden Biopic


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OPERATION ZUCKER (Rainer Kaufmann/D 2012)


"Geh' du mal heim zu deiner Familie..."

Operation Zucker ~ D 2012
Directed By: Rainer Kaufmann

Die beiden Berliner Polizisten Karin Wegemann (Nadja Uhl) und Uwe Hansen (Anatole Taubman) sind einem im großen Stil operierenden Kinderprostitutionsring auf der Spur, der seine Opfer in Osteuropa ankauft und in Deutschland an teuer zahlende "Exklusivkunden" verschachert. Nachdem sie mit Mühe und Not die arrivierte Staatsanwältin Lessing (Senta Berger) auf ihre Seite gezogen haben, gelingen ihnen ein paar kleine Schläge gegen die Organisation, deren Drahtzieher und Mittelsmänner jedoch in so hohen gesellschaftlichen Positionen verkehren, dass ein umfassender Sieg zwangsläufig reine Illusion bleibt.

In der vagen Hoffnung, einen weiteren so brillanten Film zu diesem schwierigen Thema zu sehen zu bekommen wie Dominik Grafs meisterlichen "Das unsichtbare Mädchen" habe ich mir "Operation Zucker" angeschaut, der bei seiner Ausstrahlung vor ein paar Monaten für einige Furore sorgte: Die unzensierte Fassung mitsamt ihrem wesentlich pessimistischeren Ende durfte erst im Nachtprogramm gezeigt werden, was einige Kritiker aus unterschiedlichen Gründen teils lautstark monierten. Diese Debatte entpuppt sich als viel Lärm um wenig: Tatsächlich ist die Art und Weise des sensiblen Anstrichs, den sich Kaufmanns Film mit einigem Narzissmus selbst verleiht, dem Gesamtresultat wenig förderlich. Am Ende bleibt sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht kaum mehr denn ein unetikettierter, profaner "Tatort", in dessen Gestaden "Operation Zucker" gut aufgehoben gewesen wäre. Ich weiß nicht, inwieweit die Fabulierfreude des Films, eine schwerkriminell aktive pädophile Klientel aus Menschenschacherern hinter einer wohlfeil getarnten Geheimloge vom Schlage der Freimaurer auszumachen, als realitätsnah eingestuft werden kann, die Art allerdings, wie er jene Verdachtsmomente verkauft, mit seinem Allerwelts-Hausfrauenpopulismus sagte mir wenig zu. Als Kriminalfilm ist "Operation Zucker" gelungen, weil spannend, involvierend und von der Berger großartig gespielt; als ernstzunehmend-kritische Reflexion zum Thema jedoch kommt er über biederes Betroffenheitskino ohne wahren Schneid kaum hinaus. Wie erwähnt: Greifen Sie zum Graf. Der hat Chuzpe.

5/10

Rainer Kaufmann TV-Film Pädophilie Menschenhandel Prostitution Berlin


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SPRINGFIELD RIFLE (André De Toth/USA 1952)


"After the war, well, bitterness loses its taste and many things are forgotten." - "I hope so."

Springfield Rifle (Gegenspionage) ~ USA 1952
Directed By: André De Toth

Washington D.C., 1864. Für den Obersten Sharpe (Wilton Graff) gibt es keinen Zweifel: Ein unerkannter Spion der Rebellen in den Reihen der Union sorgt dafür, dass jeder Pferdetransport der letzten Zeit abgefangen und den Konföderierten zugespielt wird. Hier hilft nur die Maßnahme der Gegenspionage: Major Lex Kearney (Gary Cooper) wird zum Schein unehrenhaft aus der Armee entlassen, um herauszufinden, wer für die Pferdediebstähle verantwortlich ist. Nach einigen Reibereien hat Kearney den Schuldigen ausgemacht, wird aufgrund eines dummen Fehlers allerdings festgesetzt, bevor er Meldung machen kann. Seine früheren Kameraden stehen ihm in der Not bei: Zusammen mit ihnen und einigen neuartigen Repetiergewehren kann Kearney die Gegner zur Strecke bringen und seine einstige Ehre wiederherstellen.

Ein Kriegswestern, der ebensogut auch zwanzig Jahre zuvor hätte gemacht werden mögen: Von den Fortschritten, die das Genre vor allem in psychologischer Hinsicht und bezogen auf die Konturierung der Figuren gemacht hat, lässt "Springfield Rifle" nicht viel durchblicken. Wie der zwei Jahre ältere "Winchester 73" trägt De Toths Film die Bezeichnung eines legendären Gewehrs im Titel und beweist damit vor allem eines: Niemand mit Ausnahme der Amerikaner ist zu der völlig atavistischen Kulturaussage imstand, einen Gründermythos rund um eine Feuerwaffe zu spinnen. Hier ist der deutsche Ttel ausnahmsweise sogar mal treffender, erzählt er doch wesentlich mehr über den Film als die Bezeichnung der tatsächlich bestenfalls als Gadget eingesetzten Flinte. Was bleibt, ist vor allem De Toths großartiges Talent zum Geschichtenerzählen. Er gehört noch immer zu den vollendetsten Western-Handwerkern seiner Zeit und verstand es, die bloße Story jedweder Ausschmückung entledigt und dennoch höchst sorgfältig arrangiert zu präsentieren. Für einen Platz ganz oben im Pantheon neben Ford, Hawks, Mann oder Boetticher mag das nicht reichen, ein silberner Lorbeerkranz aber ziert ganz bestimmt auch De Toths Haupt droben, im Wildwest-Olymp.

7/10

André De Toth Kavallerie Militär Sezessionskrieg Pferde Washington D.C.


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THE TRAP (Sidney Hayers/UK 1966)


"Go clean the hut."

The Trap (Wie ein Schrei im Wind) ~ UK 1966
Directed By: Sidney Hayers

Der völlig verwilderte und grobschlächtige Trapper John La Bête (Oliver Reed) verbringt 95 Prozent seines Lebens fernab jeglicher Zivilisation in den Wäldern British-Columbias mit Fallenstellen, Tierehäuten und Rumsaufen. Als er sich eines Tages entschließt, sich eine Frau zu nehmen, kommt ihm das Angebot einer gierigen Krämersfrau (Barbara Chilcott) in der Hafenstadt gerade Recht: Gegen den Obolus von 1000 Dollar bietet sie La Bête ihre Patentochter, die seit einem Indianerüberfall auf ihre Familie verstummte Eve (Rita Tushingham). La Bête zögert nicht lang und nimmt die völlig verschüchterte Frau gegen ihren Willen mit. Innerhalb eines Jahres entsteht eine seltsame, symbiotische Freundschaft zwischen dem ungleichen Paar, wobei sie sich gegen seine Annäherungsversuche stets tapfer zu wehren weiß. Als sie jenen zu ihrem eigenen Entsetzen dann doch einmal stattgibt, scheint ein unsichtbares Band zerrissen: Über Umwege kehrt Eve zu ihrer Ersatzfamilie zurück, entscheidet sich jedoch nach wenigen Monaten für eine endgültige Rückkehr zu La Bête.

Ein eigenartiger Abenteuerfilm für Erwachsene, in der die Mär von der Schönen und dem Biest in tatsächlich beinahe kaum codierter Form neu erzählt wird. Nicht umsonst trägt der Frankokanadier La Bête seinen vielsagenden Rollennamen: Als mit lautem, gebrochenen Englisch krakeelender Waldmensch, der mit Blut und Därmen zu tun hat und sein letztes Paar Manieren - sofern überhaupt je gelernt - zusammen mit einer Flasche Rum heruntergespült hat, ähnelt Oliver Reed mehr Tier denn Mann. Dabei braucht er Eve, um nicht seinen letzten Faden zur Menschlichkeit zu verlieren - ihre Zartheit und Schüchternheit bildet den exakten Gegenpol zu La Bêtes lärmendem Wesen. Als er ihr schließlich sein Leben verdankt, verliert er zugleich seine Greulichkeit und schält sein Innerstes hervor, was durch einen lang hinausgeschobenen, unbeholfenen Liebesakt belohnt wird. Doch für die von ihren schrecklichen Kindheitserlebnissen noch immer schwer traumatisierte Eve kommt der vollzogene Koitus einem Verbrechen an sich selbst gleich: Sie flieht und verliert vor lauter Seelenkummer das in jener Nacht gezeugte Kind. Erst als sie mit einem braven, aber kantenlosen Bürgerssohn verheiratet werden soll, erkennt sie ihre wahre Zugehörig- und damit zugleich ihre wahre Persönlichkeit. Dabei enthält sich der Film der zwangsweise befürchteten "Falle", Rita Tushingham am Ende "sprechen zu lassen": Sie bleibt - wenngleich glücklich - stumm. Zumal La Bête sie gar nicht anders braucht.
Angereichert mit dem symbolbehafteten, faszinierten Blick des Europäers auf die unbändige Natur der Schauplätze ist "The Trap" eine höchst ungewöhnliche Romanze, die manch einer Zuschauerin misogyn erscheinen mag, hinter ihrer rauen Schale jedoch sehr viel Zärtlichkeit bereithält.

8/10

Sidney Hayers period piece Kanada


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VALDEZ IS COMING (Edwin Sherin/USA 1971)


"Tell him Valdez is coming."

Valdez Is Coming (Valdez) ~ USA 1971
Directed By: Edwin Sherin

Der mexikanische Indianerkriegsveteran und jetzige Hilfssheriff Bob Valdez (Burt Lancaster) versucht, die von dem reichen Grundbesitzer Tanner (Jon Cypher) initiierte, maßlos übertriebene Hatz auf den Farbigen Rincon (Lex Monson) zu einem glimpflichen Abschluss zu bringen. Aus Notwehr sieht sich Valdez selbst schließlich gezwungen, Rincon zu erschießen. Für dessen indianische Witwe (Juanita Penaloza) will Valdez dann zumindest ein kleines Witwengeld bei Tanner herausschlagen, was dieser zunächst mit höhnischer Ablehnung und dann mit offener Aggression kommentiert: Er lässt Valdez an ein riesiges Kreuz binden und, daran gefesselt, durch die Wildnis irren. Nach dieser Aktion greift der bislang diplomatische Hilfssheriff zu deutlich härteren Methoden, um Rincons Witwe zu ihrem Recht zu verhelfen: Er entführt Tanners Geliebte (Susan Clark) und schießt mithilfe eines Präzisionsgewehrs eine große Anzahl der von seinem Gegner entsandten Verfolger auzs dem Sattel. Am Ende steht Tanner Valdez Aug' in Aug' gegenüber...

Wenn "Valdez Is Coming" als US-Produktion angepriesen wird, so ist dies eigentlich nur die halbe Wahrheit: Wie viele im mexikanischen Grenzgebiet spielende, anglophone Western dieser Jahre wurde er in Almería gefilmt, schwer beeindruckt von der knochentrockenen Kargheit der mediterranen Vorbilder, die ja bekanntlich dem amerikanischen Western auf reziprokem (Um-)Wege noch einmal neue Impulse einimpften. "Valdez Is Coming" bildet außerdem den mittleren Teil einer dicht hintereinander entstandenen, inoffiziellen Spätwestern-Trilogie rund um den Hauptdarsteller Burt Lancaster, die mit Winners "Lawman" ihren Anfang nahm und in Aldrichs "Ulzana's Raid" ihre Kulmination fand. In allen drei falb eingefärbten Filmen spielt der einstige Genrestar ähnlich gelagerte Rollen; abgeklärte, müde Außenseiter und Profis zwischen Lebensweisheit und Altersdepression, die noch ein weiteres, unter Umständen letztes Mal gezwungen sind, zur Waffe zu greifen, um eine Hölle zu entfesseln, deren Urheber sie eigentlich nicht sind. Jeder der Filme zeichnet sich ferner durch eine zunehmend gewalttätigen Verlauf aus und zeigt Lancaster in einem bewusst als solchen gestalteten Gegenentwurf zu seinen zähnebleckenden Artistenrollen von vor zwanzig Jahren. Wie er hier allerdings einen von den Großbürgern abschätzig belächelten Chicano mit (zunächst) untertänigem Habitus und Goldkronen spielt, das ist schon nochmal etwas Besonderes. Wie seine, wiederum an den Italowestern angelehnte Märtyrer-Symbolik und seine ehrenwerte politische Parteinahme.

8/10

Edwin Sherin Elmore Leonard Grenze Menschenjagd Rache


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THIEVES' HIGHWAY (Jules Dassin/USA 1949)


"Everybody likes apples, except doctors."

Thieves' Highway (Der Markt der Diebe) ~ USA 1949
Directed By: Jules Dassin

Nick Garcos (Richard Conte) kommt von einer längeren Zeit auf See heim zu seinen Eltern (Tamara Shayne, Morris Carnovsky), als er feststellen muss, dass sein Vater keine Beine mehr hat. Nick erfährt, dass dies in direktem Zusammenhang steht mit einem Handel, den sein Vater in San Francisco mit dem Obst- und Gemüsegroßhändler Mike Figlia (Lee J. Cobb) abschließen wollte. Offenbar hat Figlia für eine Fuhre Tomaten nicht zahlen wollen, Nicks Vater betrunken gemacht und dann in seinen Wagen gesetzt, bevor es zu dem verhängnisvollen Unfall kam. Mit dem alten Ed Kinney (Millard Mitchell) bietet sich nun eine Chance, Erlittenes zumindest ansatzweise wieder ins Reine zu bringen: Eine große Fuhre Äpfel soll an Figlia verkauft werden und er soll keinen müden Cent daran verdienen. Natürlich zeigt sich Figlia, kaum dass Nick nach einigen Schwierigkeiten in San Francisco angekommen ist, von seiner übelsten Seite. Wie einst Mr. Garcos Senior versucht er nun auch Nick zu übervorteilen, doch dieser ist wild entschlossen, Figlia nicht noch einmal ungeschoren davonkommen zu lassen...

Während der Produktion von "Thieves' Highway" hatte Dassin via Studiochef Zanuck bereits gesteckt bekommen, dass sein Name auf der Schwarzen Liste stand und er damit in Kürze arbeits- und leumundslos werden würde. Der nachfolgende "Night And the City" wurde sein letzter Film in seinem Geburtsland USA, bevor er 15 Jahre später in Frankreich mit "Du Rififi Chez Les Hommes" eine Zweitkarriere startete. Mit Dassin hatte man einen weiteren großen Filmschaffenden zur persona non grata erklärt und damit unweigerlich vor die Tür gesetzt.
"Thieves' Highway" transportiert eine stark naturalistische, irdene Perspektive, hält sich fern von sämtlichen Stereotypen mitsamt Anzugträgern, hartgekochten Privatschnüfflern, mafiösen Killergangstern und Mordopfern. Nick Garcos ist ein Arbeitersohn mit Migrationshintergrund, der, wenngleich eine ehrliche Haut, seinen Schnitt machen will und zu einem guten Geschäft nicht Nein sagt. Durch den Erlös aus dem Apfeltransport nach San Francisco plant er, seine Braut (Barbara Lawrence) in den Ehehafen führen zu können und zugleich dem lumpigen Figlia heimzuzahlen, was er seinem Vater angetan hat. Ausgerechnet die finstere Nacht im Hafen von San Francisco bringt dann existenzielle Erleuchtung mit sich. Vergleichsweise unspektakulär, unaufgeregt und realitätszugetan ist das. Vielleicht wäre Dassin in Hollywood über kurz oder lang sowieso falsch aufgehoben gewesen.

9/10

Jules Dassin San Francisco Kalifornien film noir Rache Nacht


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LEAVE HER TO HEAVEN (John M. Stahl/USA 1945)


"There's nothing wrong with Ellen. It's just that she loves too much."

Leave Her To Heaven (Todsünde) ~ USA 1945
Directed By: John M. Stahl

Zu Besuch bei Freunden in New Mexico lernt der Romancier Richard Harland (Cornel Wilde) die bezaubernd schöne Ellen Berent (Gene Tierney) kennen. Für eine laue Romanze bleibt gar keine Zeit, denn bevor Richard sich versieht, hat Ellen bereits ihrem bisherigen Verlobten Russell Quinton (Vincent Price) eine Absage erteilt und dafür die Hochzeit mit ihm geplant. Erste Anzeichen einer schweren pathologischen Störung zeigen sich, als Ellen zunehmend aggressiv fordert, Richard ganz für sich allein zu haben: Weder will sie ihre eigene Familie um sich haben, noch Richards behinderten, pflegebedürftigen Bruder Danny (Darryl Hickman). Irgendwann beginnt sie dann, aktiv und gezielt gewalttätig zu werden: Sie verursacht Dannys Ertrinkungstod, sorgt selbsttätig für einen Schwangerschaftsabort und plant, als sie bemerkt, dass Richard und ihre Adoptivschwester Ruth (Jeanne Crain) sich annähern, einen umfassenden Racheplan, der ihren eigenen Suizid mit einschließt.

Das Bemerkenswerteste an "Leave Her To Heaven", einem immens involvierenden Schmachtfetzen irgendwo zwischen Psychodrama und film noir, ist die Technicolor-Fotografie von Leon Shamroy. Brillanter komponierte Farbbilder wird man aus dieser Zeit nur schwerlich finden. Stahl und Shamroy nutzen leuchtende Primär- und blasse Pastellfarben zur Untermalung des jeweiligen Romanzenstatus zwischen Richard und Ellen; am Anfang leuchten Gene Tierneys Lippen noch in einem tiefen Kirschrot und das Dämmerlicht New Mexicos hüllt alles in heimeliges Zwielicht; später dann wird es neu-englisch herbstlich, Ellen offenbart dem Zuschauer ihre tiefsitzende Psychose und die Farbskala erbleicht. Gene Tierney, eine der obersten Vertragsschauspielerinnen der Fox, musste sich hier nach ihrer bereits in "Laura" erfolgten Darstellung einer undurchsichtig-geheimnisvollen, wenngleich am Ende unschuldigen Schönheit vollends dem Bösen zuwenden. Keine sonderlich dankbare Aufgabe, aber eine, die wahres Können erfordert und die sie auf eine Stufe stellte mit jenen Vorgängerinnen (und Nachfolgerinnen), die mehr als eine ansprechende Physis vorweisen konnten. Tierneys Spiel ist unglaublich nuanciert und trotz der verhältnismäßigen Grellheit des Sujets sehr subtil; sie beherrscht diesen Film, der tatsächlich in erster Linie ein Geschenk an sie und ihre Karriere darstellt.

9/10

John M. Stahl amour fou femme fatale Massachusetts Georgia Familie New Mexico film noir


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TYCOON (Richard Wallace/USA 1947)


"I've got a railroad to build."

Tycoon ~ USA 1947
Directed By: Richard Wallace

Die neueste Aufgabe des als höchst zielstrebig bekannten Ingenieurs Johnny Munroe (John Wayne) besteht darin, einen Eisenbahntunnel durch einen gewaltiges Massiv in den Anden freizulegen. Entgegen seines vorhergehenden Rats, statt der risikoreichen Tunnelkonstruktion einen Brückenbau in die Wege zu leiten, hat das Management des Eisenbahnmoguls Alexander (Cedric Hardwicke) als zu kostspielig abgelehnt. Entsprechend unwegsam gestaltet sich Munroes Arbeit: permanent gibt es Un- und andere Zwischenfälle, die die Arbeit trotz hohen Einsatzes immer wieder verzögert. Als Munroe sich zu allem Überfluss in Alexanders Tochter Maura (Laraine Day) verliebt und diese zu des Vaters höchstem Unwillen ehelicht, legt der beleidigte Tycoon den Arbeitern immer noch zusätzliche Steine in den Weg, um Maura auf diesem Wege zu überzeugen, den Falschen geheiratet zu haben. Doch Alexander rechnet weder mit Munroes Entschlossenheit noch mit Mauras aufrichtiger Liebe zu ihm.

Launiges, wenngleich etwas merkwürdiges Heldenepos gestrickt rund um Duke Wayne, der hier wie üblich sich selbst spielt als hochgewachsenen Erz-Amerikaner, der vor exotischer Kulisse irgendwelche üblen kolonialkapitalstischen Belange durchzusetzen trachtet und am Ende natürlich in jeder Hinsicht erfolgreich ist. Soweit also nichts Spezielles. Spaßig wird "Tycoon" dennoch im Hinblick auf seine naive Ausgestaltung. Die Farbfilme der RKO sahen immer etwas anders aus als die der Konkurrenz, schienen stets noch etwas bunter und kontrastreicher und wirken heute aufgrund ihrer mitunter wenig adäquaten Lagerung noch zusätzlich angestaubt. "Tycoon" ist mehr als deutlich sichtbar nirgendwo in Lateinamerika aufgenommen worden, sondern ausschließlich im Atelier respektive im Steinbruch nebenan entstanden. Die eingesetzten matte paintings, besonders die der aus einem Straßenzug bestehenden Lokalmetropole, wirken nunmehr himmelschreiend, dazu gibt es einen der kitschigsten Sonnenuntergänge, die je im Film zu sehen waren. Dabei galt "Tycoon" als Prestigeprojekt der RKO; verwurstete einige Stars, war unverhältnismäßig teuer und stellte den verzweifelten Versuch des Studios dar, an die großen Kritiker- und Publikumserfolge der immer wieder reüssierenden Konkurrenz anzuknüpfen - heuer ein auf den ersten Blick erkennbar zum Scheitern verurteiltes Unterfangen - und gerade deshalb so liebenswert.

7/10

Richard Wallace Bauwesen


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WHERE THE SIDEWALK ENDS (Otto Preminger/USA 1950)


"Where the devil am I? I keep coming and going..."

Where The Sidewalk Ends (Faustecht der Großstadt) ~ USA 1950
Directed By: Otto Preminger

Der verbissene New Yorker Detective Mark Dixon (Dana Andrews) ist bereits seit Jahren hinter dem Gangsterboss Tommy Scalise (Gary Merrill) her, hat dem aalglatten Ganoven bisher jedoch nie etwas anhängen können. Als Scalise einen reichen Spielpartner, der ihn zuvor um eine hohe Sume erleichtert hat, kaltblütig umbringen lässt und versucht, die Schuld auf Ken Paine (Craig Stevens), einen seiner Speichellecker, abzuwälzen, wittert Dixon die heiß ersehnte Chance, Scalise endlich dingfest machen zu können. Paines Verhör verläuft jedoch anders als erwartet: Dixon muss sich gegen den Betrunkenen zur Wehr setzen und erschlägt ihn versehentlich. Um nicht selbst an den Pranger gestellt zu werden, versteckt Dixon Paines Leiche in den Docks. Dort wird sie jedoch kurz darauf entdeckt und Jiggs Taylor (Tom Tully), der Vater von Paines schöner Ex-Frau Morgan (Gene Tierney) gerät unter dringenden Tatverdacht. Dixon versucht alles, um Taylor vor der drohenden Verurteilung zu schützen, doch dafür muss er letztlich seine Schuld eingestehen.

Sechs Jahre nach "Laura" kam das 'winning team' Preminger - Andrews - Tierney erneut zusammen, um einen weiteren großen Beitrag zur Schwarzen Serie zu leisten. Wiederum in New York angesiedelt, mit deutlichen Parallelen in der Protagonistenzeichnung, unterscheidet sich "Where The Sidewalk Ends" aber doch in einigen Punkten von dem weichen Upper-Class-Crime des Vorbilds. "Where The Sidewalk Ends" ist ein Film der Nacht und der Lower East Side, der schummrigen kleinen Appartments, Bars und Restaurants, wo schmierige Gauner wie Tommy Scalise in den Hinterräumen zwielichtiger Dampfbäder ihre heimlichen Pokerrunden abhalten und Taxifahrer ein angesehener Job ist. Alfred Newmans wunderbares "Street Scene" findet hierin, wie in etlichen Filmen der Fox dieser Jahre, mehrfach Verwendung. Dabei ist es fast schon zu 'positiv' konnotiert, um gerade diesen Film einzuleiten Mark Dixon, besessen davon, alles besser zu machen als sein früh verstorbener, krimineller Vater, führt kein Privatleben. Verbissen lebt er nur für seinen Beruf und die verblendete Sisyphos-Tätigkeit, dem organisierten Verbrechen den Hahn abzudrehen. Darüber verflüchtigt sich auch schonmal der eigene Moralkodex. Erst die Liebe zu der unmöglich schönen, für eine Arbeitertochter eigentlich viel zu elegante Morgan Taylor führt ein Umdenken herbei.
"Where The Sidewalk Ends" ist natürlich nicht besser - oder schöner - als "Laura", dafür fehlt es ihm allein schon an Clifton Webb und Vincent Price; jedoch muss man ihn als ikonischen Polizeifilm kategorisieren, sozusagen als einen der transportierenden Urväter des heute zum alltäglichen cineastischen Figurenreservoir zählenden Fanatiker-Cops, dem das Subgenre alles in allem eine ganze Menge schuldet.

9/10

Otto Preminger New York Victor Trivas film noir


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THE LETTER (William Wyler/USA 1940)


"If you love a person, you can forgive anything."

The Letter (Das Geheimnis von Malampur) ~ USA 1940
Directed By: William Wyler

Leslie (Bette Davis), die Frau des nach Singapur ausgewanderten Kautschukpflanzers Robert Crosbie (Herbert Marshall), erschießt eines Nachts in Abwesenheit ihres Mannes den Familienfreund Jeff Hammond - angeblich sei er betrunken gewesen und habe sie vergewaltigen wollen. Die Rolle des in Notwehr handelnden Opfers spielt sie vorzüglich, bis ihrem rechtschaffenen Anwalt Howard Joyce (James Stephenson) über die junge Witwe (Gale Sondergaard) des Toten ein Brief in die Hände gespielt, der Leslie schwer belastet. Hieraus geht nämlich hervor, dass sie selbst Hammond an jenem Abend zu ihrem Haus bestellt hat und ihn vermutlich aus Eifersucht seiner Frau gegenüber ermordet hat. Trotz schwerer Gewissensbisse sorgt Joyce für den Erwerb des Briefes und hält ihn bei der Verhandlung zurück. Doch mit Leslies Freispruch ist das Drama noch lange nicht beendet.

Die zweite, sogar noch gelungenere Zusammenarbeit zwischen William Wyler und Bette Davis weist manche Parallele zu "Jezebel" auf, insbesondere, was die Porträtierung der Protagonistin anbelangt. Die Davis spielte hier wiederum eine zwischen wahnhafter Leidenschaft und sozialer Funktionsuntüchtigkeit hin- und hergerissene Frau. Wie bei Julie Marsden beruht ihre "Schwäche" allerdings nicht allein auf persönlichen psychischen Defiziten - deutlich geht aus den Dialogen hervor, dass Robert sie bereits seit Jahren vernachlässigt, sie wegen seiner Profitsucht allenthalben auf der Plantage alleinlässt, so dass sie sie sich vor Einsamkeit und Depression in die Häkelei flüchten muss. Je größer das Resultat ihrer Handarbeit, so die schlussfolgernde, recht simple Metaphorik des Films, desto größer ihr Alleinesein. Ferner neigt sie zu Verharmlosung und Verlogenheit; erst am Ende schafft sie es erstmals, zu ihren wahren Gefühlen zu stehen, bestraft sich kurz darauf jedoch dafür mit der höchstmöglichen Form der Selbstkasteiung.
Ganz wunderbar zeitbezogen und atmosphärisch die Zeichnung des Lokalkolorits; Südostasien ist hier noch ein Hort der exotischen Geheimnisse. Die sich in den Schatten des Kolonialismus verborgen haltenden Menschen scheinen Ahnung von Magie zu haben, sind verschlagen, rauchen Opium und kochen überhaupt ihr eigenes Süppchen. Und im unheilvollen Licht des Vollmonds tropft der neonweiße Kautschuk in große Auffangeimer. Tourneurs "I Walked With A Zombie" ist nicht mehr fern.

9/10

William Wyler Ehe amour fou film noir Courtroom femme fatale W. Somerset Maugham Singapur





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