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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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LINCOLN (Steven Spielberg/USA 2012)


"It's time for me to go. But I would rather stay."

Lincoln ~ USA 2012
Directed By: Steven Spielberg

Im Januar des Jahres 1865, der Sezessionskrieg befindet sich in seinem vierten blutigen Jahr, steht Abraham Lincoln (Daniel Day-Lewis), der 16. Präsident der Vereinigten Staaten, vor der schweren Entscheidung, den 13. Zusatzartikel der Verfassung, der die Gleichheit aller Menschen hervorhebt und damit die Sklaverei abschaffte, im Repräsentantenhaus durchzubringen oder in der Friedensfrage zwischen Nord und Süd zu intervenieren, was der geplanten Ratifizierung mit hoher Wahrscheinlichkeit langfristig einen Riegel vorschöbe. Über Lincolns Kopf prallen die Wogen dieses Interessenskonflikts aufeinander und es obliegt letzten Endes ihm, die "richtige" Entscheidung zu treffen. Dies kostet ihn einige Überredungskunst und verlangt kluges Taktieren, zumal es am Ende in jedem Fall Verlierer geben muss und wird.

Der bislang heißeste Anwärter auf meinen persönlichen Jahresfavoriten. "Lincoln" gehört für mich schon jetzt zu Spielbergs Höchstleistungen als philanthropisches Werk, als fesselnde, ebenso hellsichtige wie erhellende Geschichtsstunde und große Charakterstudie mit dem Mut zu einer bereits verloren geglaubten Bedächtigkeit im jüngeren amerikanischen Film. An "Lincoln" stimmt alles, er scheint keine falschen Pfade zu wählen, enthält sich überflüssigen Ballasts und vermag dennoch mit aller gebotenen Ausführlichkeit und Detailfreude aufzutrumpfen, die sein komplexes Sujet bedingt. Hinzu kommt ein vor Brillanz förmlich starrendes Ensemble, das neben den ohnehin alles überstrahlenden Performances von Daniel Day-Lewis, Sally Field und Tommy Lee Jones mit James Spader, Peter McRobbie, Jackie Earle Haley oder dem alten Hal Holbrook noch diversen weiteren darstellerischen Größen Höhepunkte in ihrem persönlichen Œuvre beschert. Auch was seine formale Gestaltung anbetrifft, ist Spielbergs Film tadellos. Ich wüsste nicht, was man an ihm noch besser machen, geschweige denn perfektionieren sollte.
Man mag "Lincoln" mangelnde Innovation und überschwängliche Mildtätigkeit vorwerfen, dass er sich in seiner finalen Gestalt der Academy angebiedert und um Preise gebuhlt hat, dass er dem verzerrten, selbsträsonistischen Gesellschaftsbild der USA Zucker gibt und dass er ja sowieso bloß das Exempel eines weiteren teuren Hochglanz-Historienfilms ist und seiner eigenen, oftmals sicher vorurteilsbelasteten Wahrnehmung das Wort reden, übersieht in jenem Überschwang aber möglicherweise, dass man ein hervorragendes Beispiel klassischen Filmemachens erlebt und nichts weniger beigewohnt hat als einer Sternstunde des amerikanischen Kinos.

10/10

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GANGSTER SQUAD (Ruben Fleischer/USA 2013)


"Welcome to Hollywood, ma'am!"

Gangster Squad ~ USA 2013
Directed By: Ruben Fleischer

Los Angeles, 1949: Weil der Gangsterboss Mickey Cohen (Sean Penn) seine Geschäfte mittlerweile allzu rücksichtslos vorantreibt und etliche Polizisten und Politiker in der Tasche hat, lässt der verbissene Chief of Police Bill Parker (Nick Nolte) eine sechsköpfige, inoffiziell agierende Polizeieinheit, die 'Gangster Squad' von der Leine. Der Kriegsveteran John O'Mara (Josh Brolin) rekrutiert mithilfe seiner Frau (Mireille Enos) fünf garantiert unbestechliche Kollegen: seinen ranggleichen Kollegen Jerry Wooters (Ryan Gosling), den farbigen Detective Coleman Harris (Anthony Mackie), den in technischen Dingen versierten Conway Keeler (Giovanni Ribisi), sowie den modernen Revolverhelden Max Kennard (Robert Patrick) nebst seinem jüngeren Faktotum Navidad Ramirez (Michael Peña). Die Gangster Squad führt einen Guerillakrieg gegen Mickey Cohen und lässt diverse seine Geschäfte und Geldquellen platzen, bis er herausfindet, wer hinter den Anschlägen steckt. Nun wird aus dem Kleinkrieg eine Privatfehde.

Seinen katastrophal beschissenen "Zombieland", soviel vorweg, hat Nachwuchsregisseur Ruben Fleischer mit "Gangster Squad" schonmal teilweise wieder wett gemacht. Wenngleich die Idee einer paraoffiziell agierenden Gruppe unbestechlicher Cops mitten im Gangland, die mit breitkrempigen Hüten großen Widersachern an den Kragen gehen, keineswegs neu ist - man denke vornehmlich an "The Untouchables" und den gern unterschlagenen "Mulholland Falls" (ebenfalls mit Nick Nolte) - ringt Ruben Fleischer ihr zumindest ein paar neue Nuancen ab, indem er dem Ganzen den Aufzug eines astreinen Actionfilms verleiht. "Gangster Squad" ist vor allem schnell, brutal und kommt ohne große Umwege zur Sache, verneigt sich jedoch stets vor seinem großen Pool aus Vorbildern und müht sich, eine für gegenwärtige Rezeptionsgewohnheiten flott aufbereitete Melange aus denselben zu liefern. Dass ausgerechnet Warner Bros. in halbwegs regelmäßigem Rhythmus ein period gangster movie ausspeit mag ein Zufall sein oder auch nicht. Nach "L.A. Confidential" (in dem die Figur des Mickey Cohen ebenfalls auftrat, allerdings gespielt von dem weitaus weniger glamourösen Paul Guilfoyle) und "Black Dahlia" ist es nunmehr an "Gangster Squad", diese noch junge Studiotradition fortzusetzen. An jene beiden, nun, "Quasi-Vorgänger" reicht er freilich nicht heran, dazu fehlt dem Ruben Fleischer dann vermutlich doch die Versiertheit und Professionalität, die deren Regisseure auszeichnen. Immerhin fasziniert er in Maßen durch seine wunderhübsche Einfärbung und seine wie erwähnt derbe Ausgestaltung. Man erwarte jedoch kein Aha-Erlebnis, es sei denn, ein in Maßen frustriertes.

7/10

Ruben Fleischer Los Angeles period piece Duell


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OPERATION PACIFIC (George Waggner/USA 1951)


"Take her down!"

Operation Pacific (Unternehmen Seeadler) ~ USA 1951
Directed By: George Waggner

Die 'USS Thunderfish', ein Torpedo-U-Boot der Navy, kreuzt zwischen kräftezehrenden Einsätzen und seinem Heimathafen Pearl Harbor hin und her. Für den Kommandanten Duke Gifford (John Wayne) ein Spießrutenlauf aus privaten und militärgefechtlichen Wogen: In Hawaii wartet seine ihn immer noch liebende Exfrau Mary Stuart (Patricia Neal), während er es auf See mit defekten Torpedos und dem Tode seines besten Freundes Pop (Ward Bond) zu tun bekommt. Am Ende fügt sich freilich alles zum Besten.

Ein gutgelaunter Actionfilm, in dem Duke ausnahmsweise auch mal vor der Kamera Duke heißen durfte. Wenngleich der Pazifikkrieg im historischen Mittelpunkt von "Operation Pacific" steht, so ist Waggners Film wohl einer jener thematisch verbandelten Werke Waynes, das das ohnehin stets unbequeme Präfix "Anti-" gleich komplett ausspart und nichtmal in den Verdacht einer kritischen Auseinandersetzung mit seinem Sujet gerät. Krieg und Sterben finden sich hier als erhebendes Männerabenteuer, das einen echten Seemann nicht erschüttern kann. Ins Grübeln kommt hier garantiert niemand, weder vor noch auf der Leinwand. Die Thunderfish-Besatzung feiert die Landurlaube auf Oahu als ausgelassene Trinkgelage, was sie wegen nächtlicher Ruhestörung auch schonmal ins örtliche Militärgefängnis bringt, aus dem ihr väterlicher Lt.-Commander sie natürlich mittels geschickter Schliche wieder befreit (übrigens eine wunderbar witzige Szene, die jeder Komödie Ehre machte). Auch sonst hat man eine Menge Spaß beim Torpedieren und Versenken immenser (freilich stets anonym gehaltener) japanischer Flottenteile. Und weil Duke so ein unverbesserlicher Haudegen ist, der aus seinen charakterlichen Fehlern sowieso nicht lernt, bekommt er am Ende auch seine (leicht masochistisch veranlagte) Frau zurück. All dieses furchtbar naive Trara ändert allerdings nichts daran, dass Waggner einen durchaus schönen, altbackenen und dem reinen Entertainment verpflichteten Film zuwege gebracht hat, der zumindest gewisse Rezipientenschichten auch heute noch zu erfreuen versteht.

8/10

George Waggner WWII Pazifikkrieg Pazifik U-Boot Militär Hawaii


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THE DAY AFTER (Nicholas Meyer/USA 1983)


"Is there anybody there? Anybody at all?"

The Day After (Der Tag danach - The Day After) ~ USA 1983
Directed By: Nicholas Meyer

Als Westberlin durch DDR-Truppen von der Bundesrepublik abgeschnitten wird und die Sowjets militärische Ziele in Westdeutschland angreifen, eskaliert der Kalte Krieg. Die USA und die UDSSR setzen Nuklearwaffen gegeneinander ein. Die Bürger der Kleinstadt Lawrence, Kansas erleben die grauenhaften Folgen eines Atomschlags hautnah mit, da auch Kansas City und die umliegenden Raketenbasen das Ziel von Bomben wird. Wer nicht bereits durch den Atomblitz umgekommen ist, bekommt es mit den langwierigen Folgen des Fallout zu tun.

"The Day After" war 1983 ein leidenschaftliches filmisches Pamphlet gegen die stets dräuende Kulmination des Kalten Kriegs der Weltmächte. Dabei kann er sich als US-TV-Produktion der ABC eine gewisse politische Schuldzuweisung nicht verkneifen, die aber wohl ihre strategische Rechtfertigung haben dürfte, um das hauseigene Publikum gewogen zu halten und die Perspektive auf die letzten Endes primären Inhalte des Films, nämlich den Effekt eines Nuklerakriegs, nicht zu erschweren. Zwar weiß aufgrund der ausgeklügelten Frühwarnsysteme auf beiden Seiten am Ende niemand mehr, wer als erster seine A-Waffen entsendet hat, aber der erste aggressive Akt geht freilich von den Roten aus. Wie dem auch sei - "The Day After" ist fürchterlich beklemmend und nach wie vor ein Film mit hohem Albtraumpotenzial, den jeder global relevante Politiker zu Schulungszwecken einmal im Jahr zwangsverordnet bekommen sollte. Dass er eine fernsehproduktion ist, merkt man ihm zu keiner Sekunde an und andernorts, so auch in Deutschland, wurde er im Kino uraufgeführt. Klugerweise wird das Schreckensszenario ausschließlich auf eine Kleinstadt im Mittelwesten in der Kornkammer der USA verlagert, wo unter anderen neben einer fünfköpfigen Farmerfamilie (John Cullum, Bibi Besch, Lori Lethin, Doug Scott, Ellen Anthony) auch ein alternder Mediziner (Jason Robards), ein junger Student (Steve Guttenberg) und ein Airforce-Pilot (William Allen Young) sich zumeist vergeblich durch die Zeit nach der Bombe kämpfen. Wenn sie nicht bereits alles in unmittelbarer Folge der Detonationen verloren haben, so torpediert bald die Strahlenkrankheit ihren teils noch immer beachtlichen Lebenswillen. Meyer inszeniert dieses beinahe biblische Szenario in quälenden Einstellungen, die in ihrer markigen Wirkung all die großen und kleinen Armageddon-Filme der Jahre zuvor, die zumeist eher als Genreproduktionen angelegt waren und auf Mutanten, Marodeure und Helden nicht verzichten mochten, weit übertreffen. Ein Film somit, dem trotz einzelner Kritikpunkte das seltene Gütesiegel 'wichtig' zugeteilt werden darf.

8/10

Nicholas Meyer Atombombe Kansas Kleinstadt Ensemblefilm WWIII Kalter Krieg Apokalypse Transgression


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DJANGO UNCHAINED (Quentin Tarantino/USA 2012)


"Auf Wiedersehen."

Django Unchained ~ USA 2012
Directed By: Quentin Tarantino

Kurz vor dem Sezessionskrieg befreit der deutschstämmige Kopfgeldjäger und Dentist Dr. King Schultz (Christoph Waltz) den Schwarzen Django (Jamie Foxx) aus den Händen von Sklavenhändlern. Er hofft, durch Djangos Mithilfe ein gesuchtes Brüdertrio zu finden, das sich irgendwo in Mississippi auf einer Baumwollplantage als Aufseher verdingt. Nachdem Schultz sich von Djangos Qualitäten als Schütze überzeugt hat, bietet er ihm an, als Kompagnon für ihn zu arbeiten. Im Gegenzug würde Schultz Django helfen, im nächsten Frühjahr seine Frau Broomhilda (Kerry Washington) ausfindig zu machen und auszulösen. Django schlägt ein und die beiden werden ein bewährtes, gesetzlich legitimiertes Killerduo. Schließlich finden sie Broomhilda auf dem Anwesen des öligen Rassisten Calvin Candie (Leonardo Di Caprio), ihr Plan zu ihrer Auslösung geht jedoch zunächst schief. Nun kennt Django kein Halten mehr.

Tarantino as usual. Diesmal erweist der Mann dem Spaghetti-Western seine knapp dreistündige Ehrerbietung, die sich natürlich, man kennt das mittlerweile, bei genauerem Hinsehen vor allem selbstreferenziell ausnimmt. Großartige Cameos alt- und scheinbar ausgedienter Filmhelden, die vor allem dem Eingeweihten diverses Anerkennen entlocken sollten, eine formidable Soundtrack-Kompilation, gedehnte Dialogszenen mit teil ominösesten Inhalten, die vor allem Tarantinos schwarzem Humorverständnis geschuldet sind, schließlich stark überzogene Gewaltdarstellungen, die in ihrer typischen Funktion als zusätzliches comic relief allerdings selbst für zartbesaitete Feuilletonisten stets goutierbar bleiben. Wie jedes Tarantino-Werk unterhält "Django Unchained" über seine gesamte Erzählzeit vorzüglich, beinhaltet befreiende Lacher, sorgt für manches Hallo und bewährt sich in seinen vorgefassten Bahnen. Ich würde mir jedoch wünschen, dass seine nicht kleiner zu werden scheinende Anhängerschar sich nicht immer wieder der Illusion hingibt, in seinen Werken etwas besonders Innovatives oder gar "Geniales" ausfindig machen zu können - dafür arbeitet der Mann auf inhaltlicher Ebene ganz einfach zu schematisch und wird aufgrund seiner tatsächlich sehr engmaschig gesteckten kreativen Grenzen augenscheinlich auch nie etwas Anderes zustande bringen. Das, was er macht, macht er so gut wie kein anderer; an den authentischen Dreck, an die aufrichtige Verruchtheit, den apokalyptischen Zynismus des ansonsten vielfach zitierten Originals und seiner Mitwerke aber traute sich Tarantino vermutlich nie heran. Was sollten seine Fans auch sagen? Nachher müssten sie vielleicht schlecht träumen und ihrem Idol beim nächsten Film den Rücken zukehren und wer hätte da schon etwas davon? Christoph Waltz vielleicht? Nein nein, "Django Unchained" ist ein stilvoller, spaßiger, ein guter Film, jedoch, und das ist ein nicht zu leugnender Dorn in seiner so makellos scheinenden Seite - in jeder Hinsicht völlig erwartbar.

8/10

Quentin Tarantino Texas Mississippi Südstaaten Sklaverei Freundschaft Rassismus Splatter Kopfgeldjagd Hommage Parodie


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SANDS OF IWO JIMA (Allan Dwan/USA 1949)


"What is war?" - "Trading real estate for men."

Sands Of Iwo Jima (Todeskommando) ~ USA 1949
Directed By: Allan Dwan

Eine Gruppe von Marine-Privates bekommt den als ultrahart berüchtigten Sergeant John Stryker (John Wayne) als Korpsführer zugeteilt. Mit verbissener Strenge schleift der wegen einer zerbrochenen Ehe privat traumatisierte Stryker die Männer, die ihn nach außen hin zwar leidenschaftlich verabscheuen, andererseits aber bereits zu ahnen scheinen, dass Strykers gnadenlose Schule durchaus Sinn und Zweck hat. Besonders Stryker und Private Conway (John Agar), dem Sohn von Strykers früherem, gefallenen Mentor, entwickelt sich zu einer beinahe väterlich-söhnlich geprägten Hassliebe. Als Stryker und seine Männer schließlich bei der Landung auf Iwo Jima dabei sind, macht sich die ganze vormalige Gnadenlosigkeit des ehernen Kommisskopfes bezahlt.

Klassischer Genrefilm irgendwo aus der Mitte der vielen Pazifikkriegsabenteuer, in denen Duke Wayne mitgewirkt hat und der so etwas wie die große Schnittmenge bildet aus allem, dass der Star in dieser Richtung gemacht hat. Und nicht nur daraus: Auch ein wenig "Red River" findet sich wieder in "Sands Of Iwo Jima", wobei Wayne den Patronengurt freilich ohnehin nie ganz ablegen konnte. 1949 war Duke 42 Jahre alt und seine Jugend bereits verraucht. Er spielte jetzt häufig Vaterfiguren, heimliche oder unheimliche Patriarchen oder langsam ergrauende Raubeine, die sich nicht selten lediglich durch Nuancen voneinander abgrenzten. Ford hatte ihn kurz zuvor in seinem wunderschönen Kavallerie-Mittelteil "She Wore A Yellow Ribbon" als kurz vor dem Gnadenbrot stehenden Blaurock-Offizier eingesetzt. Von grauem Haar und Bart war er jetzt zwar wieder befreit, dennoch blieb der übermächtige Flor des abgeklärten Kampfweisen, der viel, fast alles kennt und gesehen hat und weiß, welche Richtung einzuschlagen ist. Seinen ideologischen und mentalen Widersacher findet er in der Figur John Agars, der von Vorschriften und soldatischer Lehrbuchpraxis zunächst nicht viel hält und mit Stryker als Stellvertreter den nie gänzlich ausgetragenen Konflikt mit dem eigenen Vater weiterspinnt. Letzterer derweil kann den Kontakt zum eigen Sohn, der bei der Mutter geblieben ist, nicht halten und findet in Conway einen Ersatz für ihn. Doch auch die anderen Jungens aus seinem Platoon, großmäulige Spaßmacher und Greenhorns auf dem Schlachtfeld, gerieren sich wie eine Art Schar widerspenstiger Eleven, die in Form gebracht werden müssen, bevor sie die Ernsthaftigkeit ihrer Situation realistisch einschätzen können. Iwo Jima - viele Jahre vor Eastwood inszeniert Dwan hierin bereits die Errichtung der Flagge auf dem Mount Suribachi - bildet freilich die finale Initiallösung. Strykers Männer, die, die übrigbleiben, erkennen im Angesicht von Tod und Massaker endlich, wie unverzichtbar wichtig die zuvor so missmutig aufgenommenen Härten ihres Sergeants waren. Der alte Held kann nun abtreten (Stryker wird nach fast vollendeter Mission ganz unspektakulär von einem Heckenschützen abgeknallt) und den Weg freimachen für seine Nachrücker. Conway übernimmt ohne weitere Diskussion die Führung der Gruppe.

9/10

Allan Dwan Pazifikkrieg WWII Iwo Jima Hawaii Neuseeland Freundschaft James Edward Grant Militär


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BACK TO BATAAN (Edward Dmytryk/USA 1945)


"Miss Barnes, I'm sorry I never learned how to spell 'liberty'."

Back To Bataan (Stahlgewitter) ~ USA 1945
Directed By: Edward Dmytryk

Bataan, 1944: Colonel Joseph Madden (John Wayne) erhält den Auftrag, im Hinterland phillipinische Guerilla-Truppen aufzustellen, zu organisieren und gegen die Japaner zu führen. Bis die alliierten Kräfte schließlich vor Leyte landen, ist es noch ein langer, verlustreicher Weg für Madden, der viele große und kleine Freunde hinzugewinnt und manche wieder verliert.

Kurz vor John Fords "They Were Expendable" ein weiterer Film um die zahlreichen Scharmützel um die Philippinen, die schließlich in der (im Film lediglich angedeuteten) Schlacht um Leyte kulminierten. Ich möchte nicht so weitgehen, zu behaupten, Dmytryk habe seinen Film besser im Griff als Ford den seinen, dafür ist "Back To Bataan" einerseits a priori viel zu simplifizierend, pathetisch und naiv und meine Ehrfurcht vor Fords Kunst andererseits allzu übermächtig.
Jedoch liegt Dmytryk deutlich nach Punkten vorn, was seine Pointiertheit sowie die rein physische Inszenierung von Aktion anbelangt. Es gibt wohl nur wenige Filme dieses oder umliegender Jahrgänge, die etwa den Beschuss von schwerem Artillerie-Feuer und dessen Effekt derart eindrucksvoll und realistisch auf die Leinwand zu projizieren vermochten und auch sonst schreckt Dmytryk vor manch naturalistischer Bebilderung nicht zurück, wo Berufsgenossen ihrerzeit sicherlich deutlich diskreter zu Werke gegangen wären.
"Back To Bataan" hat noch heute Bestand als mitreißender Kriegsfilm und ragt aus Waynes umfassendem Pazifikkriegs-Zyklus als ein Höhepunkt heraus.

8/10

Edward Dmytryk Philippinen WWII Pazifikkrieg Militär


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BLOOD ALLEY (William A. Wellman/USA 1955)


"This ain't my China anymore."

Blood Alley (Der gelbe Strom) ~ USA 1955
Directed By: William A. Wellman

Der in einem rotchinesischen Gefängnis einsitzende US-Schipperer Tom Wilder (John Wayne) kennt die Küsten Südostasiens hinauf und hinab besser als seine Westentasche. Darum wird er mittels eines geschickten Manövers auch von der schönen Arzttochter Cathy Grainger (Lauren Bacall) aus dem Bau befreit: Er soll der etwa 200-köpfigen Bevölkerung eines kleinen chinesischen Küstendorfes helfen, auf einem alten Raddampfer nach Hong Kong zu entfliehen. Wenngleich das Unternehmen von Anfang an als wahnwitzig gestaltet, ist Wilder bald Feuer und Flamme für seinen neuen alten Kahn und die Leben der 200 Seelen in seiner Verantwortung.

In direkter Folge von "The Sea Chase" noch ein weiteres Seeabenteuer mit Duke als meersalzgegerbtem Kapitän, dem Wasser, Algen und Planken über alles gehen, der sich dann gegen Ende aber doch einer etwas zarteren Liebe ergibt. In "Blood Alley", der in ideologischer Hinsicht ganz nach Waynes Geschmack war, hatte der reaktionäre "Kunstleder-Cowboy" allerlei Gelegenheit, antikommunistische Propaganda zu machen: Die Maos dieses Teils der Welt mit ihrer rückhaltlosen Indoktrination und ihren nach allen Nachbarschaften hin grapschenden Krakenarmen waren Duke schon damals ein immenser Dorn im rechten Auge. Dass die etwas ins Hintertreffen geratende asiatische Provinzbevölkerung allerdings einen starken, westlichen Arm braucht, um sich aus ebenjener roten Umklammerung zu befreien, daran ließ "Blood Alley" keinen Zweifel. Dennoch ganz erstaunlich, wie sich zwei so kurz hintereinander entstandene Filme wie "The Sea Chase" und "Blood Alley" unterscheiden können: Wo ersterer noch ungebrochen die Romantizismen des Golden Age of Hollywood zelebriert, gibt sich zweiterer eher progressiv: In punkto Visualität und äußerer Gestaltung deutet "Blood Alley" mehr in Richtung Moderne; Robert Wises elf Jahre später gemachter "The Sand Pebbles" etwa steht ihm wesentlich näher als sein mit demselben Hauptdarsteller angefertigtes, unmittelbares "Vorgängermodell".

7/10

William A. Welmman John Wayne China Hong Kong Seefahrt Flucht


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THE SEA CHASE (John Farrow/USA 1955)


"I won't lie for you."

The Sea Chase (Der Seefuchs) ~ USA 1955
Directed By: John Farrow

Am 1. September 39 liegt der deutsche Marinekapitän Karl Ehrlich (John Wayne) mit seinem alten Kohlendampfer, der 'Ergenstraße', bei Sidney vor Anker. Als der Krieg beginnt, weigert sich Ehrlich, sich und seine Mannschaft internieren zu lassen und flüchtet mit dem Schiff Richtung Südpazifik, an Bord die flüchtige Gestapo-Agentin Elsa Keller (Lana Turner). Verfolgt wird die Ergenstraße von einem Kriegsschiff der Royal Navy mit Ehrlichs früherem Freund Jeff Napier (David Farrar) an Bord, der Elsa liebt und einen fehlgeleiteten Hass auf Ehrlich entwickelt. Der gescheite Seefuchs holt aus Mannschaft und schiff das Letzte heraus gelingt die Flucht bis um Kap Hoorn und hinauf an die Nordatlantikküste Norwegens, wo der verbissene Napier ihn stellt.

Ein schönes, altmodisches Wayne-Vehikel in Scope und Farbe von "Hondo"-Regisseur Farrow, in dem Duke einen alternden, kaisertreuen Seebären gibt, der dem Führer und seinem Nazi-Tross bei jeder sich bietenden Gelegenheit die kalte Schulter zeigt und eine Herzensflucht bewerkstelligt, die eigentlich gleich zu Anbeginn mehr der Wahrung seiner persönlichen Integrität geschuldet ist als der überaus geringen Erfolgsaussichten. Lana Turner als streng gefönte femme fatale macht Laune, ist aber eigentlich bloß ein Alibi-Blondchen, um dem bisweilen allzu verbissen wirkenden Helden eine romantische Breitseite zu verpassen. So entsteht ein liebenswert-kitschiges Kriegsabenteuer ohne den Propaganda-Ballast der Vorjahre, das sich in seiner Eigenschaft als maritim angelegtes US-Pendant zu Käutners "Des Teufels General" allerdings als ziemliche Travestie feilbietet. In den Nebenrollen gibt es mit Paul Fix, Claude Akins, John Qualen und James Arness nicht bloß ein Duke-Faktotum zu bewundern.

7/10

John Farrow Seefahrt WWII Duell Australien Pazifik Insel amour fou


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A HIGH WIND IN JAMAICA (Alexander Mackendrick/UK 1965)


"Will I have to die now?"

A High Wind In Jamaica (Sturm über Jamaika) ~ UK 1965
Directed By: Alexander Mackendrick

Weil ein paar englische Kolonisten in Jamaica die umfassende Zivilisationsfeindlichkeit der Insel als schädigend für ihre Kinder empfinden, schicken sie sie per Schiff zurück in die Alte Welt. Kaum auf See, wird der Schoner von dem Piraten Chavez (Anthony Quinn) und seinen Männern ausgeraubt, sieben der Kinder schleichen sich derweil im Zuge eines Abenteuerspiels unbemerkt auf Chavez' Schiff. Erst am Abend entdecken die Piraten die heimlich an Bord gekommenen Kinder und behalten sie fürs Erste bei sich. Für die Kleinen entwickelt sich die folgende Reise zu einem keinesfalls unangenehmen Abenteuerspiel, derweil Chavez bei der königlichen Marine bereits im Verdacht steht, die Kinder umgebracht zu haben. Unter den Piraten brechen sich Konflikte den Weg, da die Mannschaft die durchaus furchtlose, selbstbewusste Wesensart der Kinder zunehmend misstrauisch beäugt. Als die Piraten ein holländisches Handelsschiff kapern, ersticht die ängstliche Emily Thornton (Deborah Baxter) missverständlich den fremden Kapitän (Gert Fröbe). In England werden Chavez und seine Leute schließlich wegen Mordes vor Gericht gestellt.

Ursprünglich hatte James Mason ein Auge auf Richard Hughes' Erzählung geworfen und eine erste Verfilmung geplant, diese jedoch wurde, nachdem sie kurz die Produktionsetage Disneys gestreift hatte, aufgrund ihrer impliziten Düsternis wieder verworfen und dann erst Jahre später von der Fox realisiert. Mackendricks ursprünglicher Schnitt fand sich für den Kinoeinsatz um rund eine halbe Stunde gekürzt, weshalb der britische Regisseur den Film nachträglich ablehnte. Dabei ist er auch in dieser Form noch hinreichend ungewöhnlich, um die Beschäftigung mit sich lohnenswert zu machen; als moralisches Stück um Schuld, Sühne und den zeitweiligen Zynismus göttlicher Gerechtigkeit lässt er den Zuschauer am Ende sehr nachdenklich zurück. Zwischen dem raubeinigen Piraten Chavez und der etwa zehnjährigen Emily entsteht während der Reise über den Atlantik eine zarte, von fast väterlichem Verständnis geprägte Freundschaft, die damit endet, dass Chavez sogar auf einen reichen Beutezug verzichten will, um die durch einen Unfall verletzte Emily und die anderen Kinder in Sicherheit zu bringen. Doch die Kollision der unschuldigen, aus gutem Hause stammenden Zöglinge mit den abergläubischen Raubgesellen lässt von Anfang an kein versöhnliches Ende zu: Bereits John (Martin Amis), der Älteste, muss unterwegs sterben, weil er durch eigene Unvorsicht aus einem Bordellfenster stürzt. Am Ende schlägt sich der durchaus unbeabsichtigte, unheilvolle Einfluss der Seeräuber so sehr nieder, dass Emily in einer für sie unüberschaubaren Situation zur Mörderin wird. Chavez als einziger Zeuge ihrer Tat verzichtet später vor Gericht freilich auf die Verkündung der Wahrheit, um einerseits Emily zu schonen und andererseits der überdies längst fälligen Sühne in Form des Stricks endlich ins Auge zu sehen. "Ich will nicht für etwas gehängt werden, dass ich gar nicht getan habe", wirft Chavez' mitverurteilter, jüngerer Freund Zac (James Coburn) ein. "Du wirst schonmal irgendetwas angestellt haben, dass den Galgen rechtfertigt", erwidert Chavez lachend. Die kleine Emily derweil gelangt zurück in die wohlbehüteten Arme ihrer Eltern, auf Lebzeit ein böses Geheimnis mit sich schleppend, dass sie vielleicht irgendwann als surrealen Albtraum wird verdrängen können.

8/10

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