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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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EVERYTHING MUST GO (Dan Rush/USA 2010)


"You need to put up some curtains, so you don't have to look at your future."

Everything Must Go (Alles muss raus) ~ USA 2010
Directed By: Dan Rush

Nick Halsey (Will Ferrell) wird am gleichen Tag aus seiner gut bezahlten Stellung gefeuert und von seiner Frau vor die Tür gesetzt. Als Alkoholiker, der er nunmal ist, resigniert er zunächst angesichts dieses persönlichen Debakels und setzt sich mittellos zu seinem Kram in den heimischen Vorgarten, um sich dort rund um die Uhr volllaufen zu lassen. Erst ein einsamer Junge (Christopher Jordan Wallace) und eine gegenüber eingezogene neue Nachbarin (Rebecca Hall) lassen ihn neuen Lebensmut schöpfen.

"Loslassen lernen" heißt die goldene, fazitäre Regel in jeder Therapie für Angehörige von Alkohol- und Drogenabhängigen. Dass ebendiese Maxime auch für den primär Betroffenen von einigem Wert sein kann, lehrt Dan Rushs hoffnungsvolleCronik eines angekündigt am Leben Scheiternden. Zwar ist Nick Halsey nicht unbedingt jemand, der jedwede persönliche Krise mit dem Griff zur Pulle beantwortet, aber ein einmaliger Ausrutscher zieht dennoch, wie es bei Süchtigen üblich ist, einen neuen Langzeitbesuch im Sumpf nach sich. Damit ist Nick Halsey die eigentlich höchst unkomische Konterkarierung von Will Ferrells sieben Jahre zuvor unterwegs Befindlichem, unheilbar postpubertärem Frank "The Tank" Ricard, der in "Old School" die existenzielle Konsequenz zog, dass ein Erwachsenwerden, oder eben ein "Loslassen" von liebgewonnenen, ungesunden Gewohnheiten einen nicht unbedingt glücklicher machen muss. Irgendwann, früher oder später, ist eine finale Absage an die eine oder andere im Leben aber meist doch Tagesordnung, sonst geht man halt vor die Hunde. Diese Maßregel mag wenig sympathisch, geschweige denn libertinär sein, ist in unserer Maß- und Haudraufgesellschaft aber leider ein unliebsames Obligatorium, soviel erkennt, mit einigem Bedauern, auch "Everything Must Go" Als Nick Halsey später von ein paar weiteren Hiobsbotschaften nochmals in den Staub seiner Lebenstrümmer getreten wird und dann wehmütig an seinem Minimart vorbeiläuft, ohne hineinzugehen und sich die üblichen zwei Sechserpacks zu besorgen, zeugt von größtmöglicher Stärke und lässt sich durchaus als großer Silberstreif am Horizont begreifen, auch wenn Rush uns am Ende, Hand in Hand mit seinem Protagonisten in eine gehörig ungesicherte Zukunft entlässt.
Dass Ferrell indes den Mut aufgebracht hat, mal nicht den Spinner zu geben, der seine große Mittlebenskrise nur als Ausflucht für einen neuerlichen, infantilen Regress nutzt, macht staunen. Das heißt aber nicht, dass ich ihn demnächst nicht doch gern wieder in alter Form sähe. Aber "Casa De Mi Padre" ist ja schon unterwegs.

8/10

Dan Rush Arizona Sucht Vorort Alkohol Will Ferrell


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BARNEY'S VERSION (Richard J. Lewis/CA, I 2010)


"You look like a king, Dad!"

Barney's Version ~ CA/I 2010
Directed By: Richard J. Lewis

Als die heimtückische Alzheimer Krankheit sein Leben und seine Erinnerungswelt zu infiltrieren beginnt, lässt der Soap-Produzent Barney Panofsky (Paul Giamatti) sein erstaunliche, prall gefüllte Biographie nochmal Revue passieren: Über seine tragische erste Ehe und die übereilte zweite bis hin zur dritten mit seiner großen Lebensliebe Miriam (Rosamund Pike), die Barney selbst in den Sand setzt.

Warum mich "Barney's Version" so sehr mitnahm und berührte, kann ich eigentlich gar nicht ganz genau bestimmen, vielleicht befand ich mich auch lediglich in der richtigen Laune dafür. Das Rad erfindet er ganz gewiss nicht neu. Ich kenne die Romanvorlage von Mordecai Richler (dem der Film gleichsam gewidmet ist) nicht, aber hätte man mich im Vorhinein raten lassen, ich hätte bezüglich der Inspirationsquelle für Barney Panofskys Vita wohl eher auf ein frühes Epos von John Irving getippt. Allzu bizarr und dabei romantisch sind die Erlebnisse dieses Lebemannes, der zu jeder Zeit gute Zigarren und guten Whiskey schätzt, die Tradition seiner jüdischen Herkunft, und darin ähnelt er seinem Vater (fulminant: Dustin Hoffman), nur höchst unzureichend bedient und einen unverfälschten und vor allem unbestechlichen Blick auf das Dasein hat - bis ein wohl von jedermann gefürchtetes Krankheitsbild ihm einen Strich durch die Rechnung macht. Doch "Barney's Version" ist keinesfalls das simple, melancholische Porträt eines schweren Krankheitsverlaufs, er ähnelt mehr der großen, schönen Achtzigerschnulze "Terms Of Endearment", wenn er die so sorgsam vorgestellte Biographie seines Heden irgendwann zu einem - leider nur allzu schlüssigen - Abschluss bringt. Lewis' Film macht sich nicht durch hintergründige Unvorhersehbarkeiten oder Unwägbarkeiten interessant, er will nur in Ruhe seinen Erzählteppich ausbreiten und zu zweistündigem, gemütlichen Verweilen darauf einladen, ohne umstürzlerisch zu wirken oder einen durch eine rezeptionistische Spießrute zu schicken. Das ist manchmal ebenso bequem wie dankenswert.

9/10

Ehe Familie period piece Richard J. Lewis Biopic Alzheimer


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THE BLACK ROSE (Henry Hathaway/USA 1950)


"Never talk important matters where you cannot see who listens."

The Black Rose (Die schwarze Rose) ~ USA 1950
Directed By: Henry Hathaway

England im 13. Jahrhundert. Der angelsächsische Eleve Walter von Gurnie (Tyrone Power) ist mit der Willkür, mit der einige der normannischen Edelleute sich in seiner geliebten Heimat breitmachen, überaus unzufrieden. Um diesem Zustand Abhilfe zu leisten, entschließt sich Walter zusammen mit seinem besten Freund Tristram (Jack Hawkins), gen Osten zu reisen, um dort weltliche Bildung und Abenteuer zu erfahren. Im Orient treffen sie auf den Kriegsherrn Bayan (Orson Welles), dessen Armee sie sich anschließen und mit ihm weiter bis nach China reisen. Bayan entpuppt sich als kluger, jedoch ebenso grausamer Schlachtenführer und als Walter und Tristram ein englischstämmiges Mädchen (Cécile Aubry) aus seinem Harem befreien, nähert sich bei ihnen langsam der Gedanke an Desertierung und Rückkehr in die Heimat...

Besonders wegen seiner herrlichen Farbgestaltung erquickliches Mittelalterabenteuer des in allen Genres beschlagenen Hollywood-Edelregisseurs Henry Hathaway. Für exzessive Schwertkampfduelle oder dergleichen findet sich in "The Black Rose" leider kein Platz; stattdessen nutzt man die fürstlichen exotischen Kulissen zur Illustration der Besinnungsreise des Helden sowie für sein höchstpersönliches Friedenmachen mit sich selbst und den veränderten Zuständen in seiner Heimat. Gekrönt wird dieses Bewusstsein durch die Belohnung des sich als gütig und gerecht erweisenden normannischstämmigen Königs Edward (Michael Rennie). Die Besetzung ist von ersten Gnaden. Den steifen, aber immer liebenswerten Senioren Finlay Currie, Faktotum nahezu jeden quietschcolorigen Historienfilms der Fünfziger, gibt mal wieder den grantelnd-knuffigen Großvater, Orson Welles präsentiert einmal mehr seine unglaublichen Fähigkeiten der Selbst-Chamäleonisierung und irgendwo dazwischen findet man einen noch jungen Herbert Lom als morgenländischen Fiesling.
Klassisches, buntes Aufwands- und Schaukino, wie ich es nicht nur mag, sondern wirklich liebe!

8/10

Road Movie Henry Hathaway period piece China England Historie Mittelalter Jack Cardiff


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ODD MAN OUT (Carol Reed/UK 1947)


"We're all dying."

Odd Man Out (Ausgestoßen) ~ UK 1947
Directed By: Carol Reed

Nach einem Überfall wird der unter Panikattacken leidende IRA-Flügelmann Johnny McQueen (James Mason) wird bei einem Banküberfall angeschossen und während der anschließenden Flucht von seinen Kameraden getrennt. Schwer verletzt schleppt sich Johnny durch das winterliche Belfast und von Versteck zu Versteck, stets auf der Fliucht vor der Polizei und verräterischen Zeitgenossen, die ihn aus Angst oder aus Gier bezüglich des auf seinen Kopf ausgesetzten Preisgeldes zu denunzieren trachten.

Es ist gar nicht mal so sehr die Geschichte des 'dead man running' Johnny McQueen, denn primär das von Belfast und seinen Einwohnern entworfene Kaleidoskop, das "Odd Man Out" zu einem Meisterwerk macht. Der große Kameramann Robert Krasker, der kurz darauf für Reed auch dessen monolithischen "The Third Man" photographieren sollte, ist ein Poet der Städteabbildung. In ungeschönter und zugleich faszinierend realistischer Manier präsentieren sich die taumelnden Metropolen bei ihm als Horte der Angst und Verunsicherung, zugleich jedoch auch stets als solche pulsierender Vitalität und des ungebrochenen Überlebenswillens des Ungeziefers Mensch. Dazu liefern Krasker und Reed ihren Zuschauern ein Panopticon expressionistischer Tableaux, harte, geometrische Formanordnungen und Licht-Schatten-Übergänge. Der zugegebenermaßen (wie eigentlich immer) völlig großartig agierende Mason dient der Geschichte im Prinzip lediglich als Motor; man ahnt schon zu Beginn, dass ihn eine latente Todessehnsucht begleitet und die Sühne für sein Verbrechen in nicht sehr weiter Ferne auf ihn wartet. Deutlich spannender sind da all die mehr oder weniger opportunistischen, verschrobenen Typen, mit denen McQueen während seiner Odyssee ins Jenseits in Berührung kommt: Ängstliche Kinder und Krankenschwestern, Droschkenführer, Kneipiers, Tagelöhner, Bohèmiens und Studienabbrecher kreuzen Johnnys Weg und beeinflussen ihn in jeweils entscheidender Weise.

10/10

Heist Winter Belfast Nacht Carol Reed IRA Nordirland


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SUPER 8 (J.J. Abrams/USA 2011)


"Production Value!"

Super 8 ~ USA 2011
Directed By: J.J. Abrams

Im Sommer 1979 übernimmt der jüngst zur Halbwaise gewordene Kleinstadtteenager Joe (Joel Courtney) die Maskeneffekte für einen Amateur-Zombiefilm seines Freundes Charles (Riley Griffiths). Darin tritt auch Joes großer Schwarm, die hübsche Alice (Elle Fanning) auf, mit der Joe jedoch zugleich ein tragisches Schicksal verbindet. Als die Kids eines Nachts Zeuge eines gewaltigen Zugunglücks werden, in das ihr Biolehrer (Glynn Turman) verwickelt ist, ändert sich ihr Leben spontan. Denn irgendetwas Monströses, für das sich ganz besonders das Militär interessiert, ist aus dem Zug entfleucht und kurz darauf steht das ganze Städtchen unter Ausnahmezustand.

Ironischerweise kein Film für Kids, sondern für jene, die vor 25 Jahren selbst Kids waren, mit Filmen wie "E.T.", "The Goonies", "Explorers", "Something Wicked This Way Comes" und "Stand By Me" aufgewachsen sind und die primär am an der Familie ausgerichteten Blockbusterkino Spielbergs sozusagen auf unmittelbarem Wege partizipieren konnten. Genau dieser Rezipientenschaft, und damit auch ein wenig sich selbst, macht Hollywood-Wunderkind Abrams, unter der produzierenden Ägide des Genre-Großmeisters natürlich, "Super 8" zum Geschenk. Der Film steckt voller mehr oder minder subtiler Zitate und Reverenzen, läuft im Großen und Ganzen recht gut rein, hat ein paar hübsche Szenen und schafft es hier und da sogar, wirklich witzig zu sein, wobei die meisten Gags dann doch eher Zugeständnisse an ein modernes Publikum sind. Über bekiffte Disco-Teens hätte anno 80 jedenfalls niemand lachen mögen oder können; das ist dann doch wieder der Postromantisierung der Periode geschuldet, dem, wie ich jüngst bei Woody Allen gelernt habe, "Golden-Age-Syndrom". Ansonsten geht ohne Monster heuer ja sowieso kaum noch was, wobei ich persönlich es schade finde, dass sich so gut wie alle modernen Kreaturen dieser Sparte noch in irgendwelchen insektoiden und/oder Tentakelform inkarniert finden. Wo sind die behaarten Affenmonster, die Yetis, Bigfoots etc.? Können ja meinethalben auch vier Arme haben, aber so eine riesige Gottesanbeterin jagt mir nicht sehr viel Angst ein.

7/10

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LOVE IS A MANY-SPLENDORED THING (Henry King/USA 1955)


"We shall now have tea and speak of absurdities."

Love Is A Many-Splendored Thing (Alle Herrlichkeit auf Erden) ~ USA 1955
Directed By: Henry King

Hong Kong, 1949: Der US-Korrespondent Mark Elliott (William Holden) verliebt sich in die eurasische Ärztin Han Suyin (Jennifer Jones), die vor Ort in einem Krankenhaus arbeitet. Die langsam aufkeimende Beziehung ist weit davon entfernt, problemlos zu verlaufen: Nicht genug damit, dass Mark noch eine getrennt von ihm lebende Ehefrau in Singapur hat, die sich weigert, die Scheidung zu akzeptieren, werden er und Suyin bald zudem Opfer des gesellschaftlichen Klatschs in der Kronkolonie. Dennoch stehen sie tapfer zu ihrer Beziehung. Als der Koreakrieg ausbricht, geht Mark als Kriegsberichterstatter dorthin und wird bei einem Bombenangriff getötet.

Wie man liest, verkaufte die Ärztin und Autorin Han Suyin die Filmrechte an ihrem Roman "A Splendoured-Thing" nur, um das Geld für eine lebensnotwendige Operation ihrer Adoptivtochter zusammenzubekommen. Das vorliegende Kinostück hat sie sich nach eigenem Bekunden niemals angesehen. Angesichts der Tatsache, dass King mit dem unverhohlen kitschigen Studiovehikel der Fox, der mit CinemaScope und der berühmten Musik von Alfred Newman (das von Sammy Fain komponierte, bombastische Titelthema wird alle naselang eingespielt), welche in der Folge zu einer Hitsingle der 'Four Aces' kulminierte, sein womöglichstes weichgespültestes Werk auf Kurs brachte, verwundert diese aufrechte Entscheidung nicht sonderlich.
Wenn in Fachkreisen von der 'hohlen Orientierungslosigkeit' des 50er-Jahre-Hollywood gesprochen wird, dann ist man in heutiger Zeit ja nur allzu sehr dazu geneigt, derlei Aussagen angesichts alles überstrahlender Arbeiten von Ford, Hawks, Hitchcock, Mann, Ray oder Wilder als nichtig abzustempeln, vergisst dabei jedoch gern, dass das Gros der Kinolandschaft von ganz anderen "Schätzchen" besiedelt wurde. Natürlich konnte King ein famoser Regisseur sein, wenn er hinreichend Ambition mitbrachte; zum Zeitpunkt von "Love Is A Many-Splendoured Thing" jedoch war er bereits um die 69 Jahre alt und wohl doch nicht mehr ganz so taufrisch und von Elan beseelt, wie ihn andere Produktionen dieser Zeit (so z.B. die gefällige, immerhin noch zwei Jahre jüngere Hemingway-Verfilmung "The Sun Also Rises") nachträglich erscheinen lassen. Nicht, dass "Love" unansehnlich wäre, das ist er ganz gewiss nicht. Er ist jedoch hinter all seinen touristischen Schauwerten lediglich von mediokrem Routinement und abgeklärter Bedeutungslosigkeit, sowohl künstlerisch als auch intellektuell. Und dass dies absolut nicht im Sinne der Erfinderin gewesen sein kann, verwundert am Ende kaum mehr.

5/10

Henry King Hong Kong Koreakrieg period piece amour fou Han Suyin


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THE SONG OF BERNADETTE (Henry King/USA 1943)


"The spring is not for me."

The Song Of Bernadette (Das Lied von Bernadette) ~ USA 1943
Directed By: Henry King

Lourdes, Südfrankreich, 1858: Der vierzehnjährigen, ständig kränkelnden und immer leicht minderbemittelt wirkenden Tagelöhnertochter Bernadette Soubirous (Jennifer Jones) erscheint in einer auf dem Land liegenden Grotte, die eigentlich zur Müllabladung dient eine "schöne Dame". Diese entpuppt sich als Inkarnation der Jungfrau Maria, die jedoch nur Bernadette zu sehen im Stande ist. Während die Stadtoberen und besonders der agnostische Anwalt Dutour (Vincent Price) diese Ereignisse für reine Spinnerei halten und um die Seriosität ihrer Gemeinde fürchten, mehren sich die Wunder: Aus der Grotte entspringt eine von Bernadette entdeckte Quelle, deren Wasser vermeintlich Kranke heilen kann. Dutour geht nur noch umso vehementer gegen Bernadette vor und versucht sie sogar für psychisch unmündig erklären zu lassen. Schließlich geht Bernadette ins Kloster, wo sie mit nur 35 Jahren an Knochentuberkulose stirbt.

Endlich weiß ich alter Atheist auch, warum Madonna ihr Töchterchen Lourdes genannt und was es mit diesem südfranzösischen Wallfahrtsort überhaupt auf sich hat. Jennifer Jones, die bereits bei ihrem späteren Ehemann, dem Mogul David O. Selznick unter Vertrag stand, wurde von ebenjenem an die Fox ausgeliehen und spielte ihre erste große Rolle in diesem sakral angelegten Film von Henry King. "The Song Of Bernadette" enthält sich dennoch weitgehend einer eindeutigen Aussage bezüglich Wahrheit und Unsinn der Bernadette-Sage - glücklicherweise, muss man wohl konstatieren, denn King war ein zu talentierter und zu intelligenter Regisseur, um seinen Film zu bloßem Christentrash verwursten zu lassen. Eine tendenziösere Verwertung hätte "The Song Of Bernadette" auch höchst ungenießbar machen können. Stattdessen wird prologisch wie epilogisch der Ökonom Stuart Chase zitiert: "For those who believe, no proof is necessary. For those who don't believe, no proof is possible.” Zuletzt spricht jene Zeilen ein brillant aufspielender Vincent Prise, der es bedauert, nie geläutert worden zu sein. Die Stärken des Films liegen in seiner Diskursivität: Die Art, in der Politik, Klerus und Ökonomie auf eine eigentlich ganz private Epiphanie reagieren, wird recht hellsichtig und mit gesundem Verstand beleuchtet, während die durch geschickte dramaturgische Evokation höchst bemitleidenswerte Jennifer Jones kuhäugig durch die Provinz schreitet. Man mag davon halten, was man will, aber seine Butter lässt sich der Film nicht vom Brot nehmen.

7/10

Henry King Kirche Frankreich Lourdes Spiritualität Kloster Nonnen Familie Biopic period piece Historie


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REMEMBER THE NIGHT (Mitchell Leisen/USA 1940)


"If all men were like you there wouldn't be any nice girls left."

Remember The Night (Die unvergessliche Nacht) ~ USA 1940
Directed By: Mitchell Leisen

Der eherne New Yorker Staatsanwalt John Sargent (Fred MacMurray) will kurz vor Weihnachten noch schnell die angeklagte Juwelendiebin Lee Leander (Barbara Stanwyck) hinter schwedische Gardinen bringen. Da jedoch ein wichtiges psychiatrisches Gutachten erst nach den Feiertagen erstellt werden kann und Lee solange in Untersuchungshaft bleiben muss, wird John weich und stellt ihre Kaution. Lee glaubt zunächst, dies würde auf ein spezielles Arrangement hindeuten, befindet sich damit jedoch im Irrtum. Schließlich reisen die beiden über die Festtage gemeinsam zu ihren jeweiligen Verwandten in die Provinz - eine Erfahrung, die sie nicht nur einander verstehen, sondern schließlich sogar lieben lässt. Nach dem Jahreswechsel wartet jedoch wieder die kalte Großstadtrealität auf sie.

In Leisens baumwollweicher, romantischer Dramödie, für die Preston Sturges das Buch geschrieben hat, fanden Stanwyck und MacMurray erstmals zusammen, bevor Billy Wilder sie vier Jahre später in jenen tiefschwarzen, unter dem Namen "Double Indemnity" wohlbekannten Beziehungsclinch stürzen sollte. "Remember The Night" lässt sich durchaus wie eine milde Vorstudie zu diesem großen, harten Meisterwerk lesen: Er, ein eigentlich höchst standfester Charakter von eisernen Prinzipien, ist am Ende bereit, für sie, eine Kleinkriminelle mit von ihr selbst eingeräumtem, wackligem Wesen, seine Integrität und Professionalität über Bord zu werfen. Bei Sturges und Leisen, die den bei Bedarf harten, von seinen altweltlichen Lebebserfahrungen geprägten Zynismus Wilders nie teilen mochten, stehen jedoch noch wahre Liebe und wechselseitige Güte im Vordergrund, so dass am Ende alles rechtens zugeht und dem Paar die Türen für eine geläuterte Beziehung offenstehen. Ob sie ihre Chance nutzen, lassen die Autoren bewusst offen - zu gönnen wäre es ihnen aber ganz bestimmt.

7/10

Mitchell Leisen Preston Sturges New York Courtroom Familie Road Movie Weihnachten Silvester


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RISE OF THE PLANET OF THE APES (Rupert Wyatt/USA 2011)


"No!"

Rise Of The Planet Of The Apes (Planet der Affen: Prevolution) ~ USA 2011
Directed By: Rupert Wyatt

Als der fieberhaft an einem Mittel gegen Alzheimer forschende Pharmakologe Will Rodman (James Franco) eines Tages das Schimpansenbaby Caesar (Andy Serkis) aus seinem Forschungslabor mit heim nimmt und adoptiert, kann er noch nicht ahnen, dass exakt jener, genetisch modifizierte und hochintelligente Primat in ein paar Jahren als Auslöser für eine globale Rebellion der Menschenaffen fungieren wird.

"Homo homini simius" hämmert es einem während und nach dem Genuss von Wyatts absolut phantastischer Affen-Fortführung und -Renovierung durch den Kopf. Dass das "Planet Of The Apes"-Universum noch einmal durch einen derart gelungenen Beitrag erweitert würde, hätte zuvor sicher niemand so ohne Weiteres für möglich gehalten, ich selbst vermutlich am Allerwenigsten. Und da kommt dieser tadellose, ebenso poetische wie kluge Stück Kino daher, das eher in der Tradition von Orwells "Animal Farm" und Gilliams "Twelve Monkeys" steht als in jener Boulles und der bisherigen filmischen "Affen"-Werke. "Rise Of The Planet Of The Apes", der narrativ in etwa zwischen dem dritten und dem vierten Film der Originalreihe angesiedelt werden könnte (letztlich aber einen komplett neuen, eigenen Handlungsstrang verfolgt und etabliert) entbehrt sowohl der ironischen Konnotation von Schaffners Original als auch der Fabulierfreude von Burtons Remake und erst recht des trashigen Charmes der alten Sequels. Stattdessen predigt er leidenschaftlich die Revolution und erzeugt eine radikale Empathie für jedes Tier, das in irgendeiner Form unter dem Menschengeschlecht zu leiden hat. Der Affe Caesar, meisterlich durch die Rechnerkünstler Hollywoods (und natürlich die "vorbildliche" Mimik des Fachmannes Andy Serkis) vitalisiert, steht dabei lediglich als zur Intelligenz zwangsmutierter Stellvertreter für all die geknechteten und gequälten Lebewesen der Welt und sorgt für das unbequeme Faktum, dass das destruktive Ende des Films mit seinen wohlbekannten Folgen keinesfalls als bedrückendes Armageddon wahrgenommen wird, sondern als großer kathartischer Befreiungsschlag, der in der Weltgeschichte ohnehin längst überfällig ist. Das Franchise bekommt damit ein völlig neues Gesicht und Gewicht verpasst, "Rise" versichert uns nämlich - und dies absolut glaubhaft - dass die Affen die besseren Humanoiden sind. Und die wunderbare Freida Pinto, eine der allerschönsten Frauen des Planeten der Menschen, gibt's quasi noch gratis obendrauf.
Für mich noch kurz vor Jahresende die denkbar größte und gelungenste Filmüberraschung!

10/10

Zukunft Rupert Wyatt Affen Apokalypse Prequel Planet Of The Apes Dystopie


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YOUNGBLOOD (Peter Markle/USA 1986)


"Thank God there is a sport for middle-sized white boys."

Youngblood (Bodycheck) ~ USA 1986
Directed By: Peter Markle

Der Farmerjunge und Eishockey-Narr Dean Youngblood (Rob Lowe) bewirbt sich jenseits der kanadischen Grenze bei den 'Hamilton Mustangs', einem semi-professionellen Eishockeyteam, das als Sprungbrett für die Profiliga gilt. Nach einigen harten Herzlichkeiten ist Dean im Team akzeptiert und gewinnt in seinem Mitspieler Derek (Patrick Swayze) sogar einen neuen besten Freund. Die Tatsache jedoch, dass Dean Hemmungen hat, seine Gegner auf dem Eis auch tätlich anzugreifen und dass er ferner mit der Tochter (Cynthia Gibb) seines Trainers (Ed Lauter) anbandelt, brechen ihm beinahe das sportliche Genick.

Als '"Top Gun" auf dem Eis' könnte man ihn auch titulieren, diesen einzig und allein mit seinem Geburtsjahr 1986 denkbaren Film, der seiner Titelfigur am Ende die größte erbrachte Leistung darin bescheinigt, seinem Erzfeind (George J. Finn) ordentlich eins aufs Maul gegeben zu haben. Ein wunderbar prolliger Brat-Pack-Streifen kam dabei heraus, in dem Patrick Swayze sich, wie damals so oft, als tumber Asi vom Dienst empfiehlt und der, wie eben auch "Top Gun" eine seltsame, verhalten-metrosexuelle Atmosphäre transportiert. Die flotten Eishockey-Boys geben sich zwar alle als Erzheteros, die vordergründig mit grober Lautstärke, derben Gags, Kloppe und Alkohol liebäugeln, stehen aber andererseits auf höchst lauwarme Initiationsriten (Zwangs-Schamhaarrasur) und sind sich untereinander sowieso am Meisten zugetan. Dazu passt auch wunderbar der schmucke Rob Lowe, der gleich zu Beginn mit Suspensiorium und arschfrei durch die Katakomben seines Eisstadions wackeln darf. Eine spätere Liebesszene mit der eigentlich nicht sonderlich schönen, irgendwie aber dennoch attraktiven Cynthia Gibb soll das Lowe und Swayze zugetane, weibliche Publikum wohl in Sicherheit wiegen. Dass der Rest der Mannschaft mit Ausnahme eben von Lowe, Swayze und Keanu Reeves ein Kabinett der Hässlichkeiten bietet, lässt "Youngblood" gleich noch drolliger erscheinen. Eine echte Rarität des Achtziger-Kinos und überhaupt einfach nur zum Schießen.

5/10

Peter Markle Kanada Eishockey Coming of Age Sportfilm Brat Pack





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