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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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CARRIE (William Wyler/USA 1952)


"You still have time, Carrie. Move on now. Find someone to love. It's a great experience."

Carrie ~ USA 1952
Directed By: William Wyler

Im Chicago des späten 19. Jahrhunderts lernt das frisch vom Lande hinzugezogene Mädchen Carrie Meeber (Jennifer Jones) zunächst den Filou Drouet (Eddie Albert) kennen, der sie fortan als eine Art Mätresse hält. Später gerät Carrie dann an den deutlich älteren Oberkellner George Hurstwood (Laurence Olivier), mit dem sich eine aufrichtige Liebesbeziehung anbahnt. Doch auch diese bleibt nicht problemlos: Nicht nur, dass George wegen Carrie seine Familie verlässt, veruntreut er auch noch eine größere Geldsumme. Bald holt die unrühmliche Vergangenheit das nach New York geflüchtete Liebespaar ein und es kommt zur schmerzvollen Trennung. Während Carrie sich allmählich am Broadway einen Namen macht, landet George ganz unten in der Gosse.

Hieße Wylers Film "George", er wäre mindestens ebenso figurentreu wie unter seinem schlussendlichen Titel, doch das nur nebenbei. In "Carrie" erhält der Meisterregisseur wieder ausgiebig Gelegenheit, seinem Faible für unglückselig verlaufende Schicksale zu frönen und sein Personal durch so ziemlich jede existenzielle Vorhölle zu jagen, bis am Schluss dann endgültig alles vor die Hunde geht. Wenngleich die pikanteren Elemente aus Dreislers Vorlage ausgespart bzw. lediglich angedeutet werden (Carries Selbstprostitutierung, Georges Suizid), bleibt die Roman und Film verbindende Tendenz doch allseits stabil. Wie Laurence Olivier, sonst ganz der arrogante Dandy mit einem u.U. leichten bis mittelschweren Knall unterm Toupet, Mitgefühl für seine so verletzliche Figur des George Hurstwood evoziert mit einer so ehrlichen Deklamierung seines ganz persönlichen Glücksanspruchs, das gehört ganz ohne Frage zu den darstellerischen Höhepunkten mindestens der fünfziger Jahre. Überlebensgroße Schmonzette, daher unbedingt bei Kerzenschein genießen!

9/10

William Wyler Chicago New York Fin de Siècle period piece Theodore Dreisler Emanzipation amour fou


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WUTHERING HEIGHTS (William Wyler/USA 1939)


"Heathcliff, make the world stop right here!"

Wuthering Heights (Sturmhöhe) ~ USA 1939
Directed By: William Wyler

Die Grafschaft Yorkshire im frühen 19. Jahrhundert: Der Gutsherr Earnshaw (Cecil Kellaway) bringt den verlotterten Slumjungen Heathcliff (Rex Downing) mit nach Haus und zieht ihn neben seinen beiden leiblichen Kindern Cathy (Sarita Wooton) und und Hindley (Douglas Scott) wie seinen eigenen Sohn auf. Während Heathcliff und Cathy bald unzertrennlich sind, beäugt Hindley den Findling stets voller Argwohn und Neid. Als Erwachsene, der alte Earnshaw ist längst tot, findet sich Heathcliff (Laurence Olivier) nurmehr zu einem Teil des Gutsgesindes degradiert. Hindley bringt das Erbe seines Vaters mit Spiel und Suff durch und die stolze Cathy lässt sich - zu Heathcliffs größtem Leidwesen - von dem reichen Edgar Linton (David Niven) den Hof machen. Als Cathy und Linton schließlich heiraten, verschwindet Heathcliff für ein paar Jahre, nur um als vermögender Edelmann zurückzukehren und sich für jedwede Unbill, die ihm in Wuthering Heights widerfahren ist, bitter zu rächen.

Emily Brontës großer viktorianischer Roman, dessen Rezeption trotz seines unanfechtbaren Klassikerstatus bis heute zwischen mildem Belächeln und glühender Bewunderung pendelt, wurde schon seit den frühen Stummfilmtagen diverse Male für Kino und TV adaptiert. William Wylers Fassung von 1939 gilt unter all den unterschiedlichen Versionen als die gelungenste und zählt darüberhinaus zu den Meisterwerken des amerikanischen Kinos. Vom Produzenten Samuel Goldwyn anfänglich als "Gone With The Wind"-Konkurrenz konzipiert, war relativ rasch eindeutig, dass der thematisch nicht unähnliche "Wuthering Heights" dem aufwändigen Technicolor-Mammut-Projekt nicht das Wasser würde reichen können. Dennoch weisen beide Filme abgesehen von ihrem Entsttehungszeitrahmen natürlich, noch viele weitere, unübersehbare Analogien auf: Vom 'Schicksal' füreinander determinierte Paare sind zu stolz und zu kurzsichtig, um sich ihre Liebe aufrichtig eingestehen zu können und durchschreiten bloß infolge ihrer jeweiligen Arroganz tiefe, nicht enden wollende Tränentale. In der Konklusion von Brontës wildromantischer Geschichte können Heathcliff und Cathy erst im Jenseits, losgelöst von aller weltlichen Schwere und beschränkt auf die ätherische Reinheit ihrer Seelen, zueinander finden - und der Weg dorthin ist gebrandmarkt. Ein klein wenig Schauergestus und Geisterspuk steckt auch mit darin wie sich gleich im Prolog zeigt, und just dieses Element nutzt Wyler für seine Verfilmung, um die altweltliche, georgianische Atmosphäre des Romans noch umso mystischer erscheinen zu lassen. In seiner schönen Privatanthologie "Mein Kino" schreibt Hellmuth Karasek, dass "Wylers [Werk] in seinen Pappkulissen sicherlich inzwischen reichlich angestaubt", es jedoch "Gone With Wind" unbedingt vorzuziehen sei, habe es doch "Schmelz statt Schmalz". Nun, die letztendliche Verifizierung diese stolzen Worte liegen wohl im jeweiligen Betrachterauge, zitierens- und überprüfenswert sind sie jedoch allemal, wie ich finde.

8/10

England Emily Brontë Biopic Amour fou Standesdünkel Georgianisches Zeitalter period piece William Wyler


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DAVID AND BATHSEBA (Henry King/USA 1951)


"It is not for us to question the ways of the Lord!"

David And Bathseba (David und Bathseba) ~ USA 1951
Directed By: Henry King

König David (Gregory Peck) von Israel verliebt sich in seine schöne Nachbarin Bathseba (Susan Hayward) - dummerweise ist diese mit Davids Offizier Urija (Kieron Moore) verheiratet. Die Liebenden finden wider alle Moral trotzdem zusammen, was Gottes Zorn heraufbeschwört: Eine lange Dürrezeit steht dem Lande ins Haus, die in Hunger und Leid kulminiert. Erst Davids offene Reue vermag den Herrn zu besänftigen.

Ausnahmsweise mal kein Hemingway aus dem Haus King, sondern eine etwas simplere Literaturverfilmung, eine, die sich aufs Alte Testament beruft nämlich. "David And Bathseba" ist was für Leute, die Bibeltrash aus Hollywood schätzen, alte Technicolor-Schinken ebendaher präferieren oder schlicht etwas für "Traumpaare" übrig haben - eines wie Peck und Hayward nämlich, die von der Fox unter Darryl F. Zanuck seinerzeit mit einigem Nachdruck gepusht wurden. "David And Bathseba" nimmt sich zudem ein leicht kritisches Wesen heraus; er denunziert nämlich den weisen Propheten Nathan (Raymond Massey) als einen radikalen Sektierer, der einem Gott dient, der zu differenzieren verlernt hat in all seinem Gesetzeswahn und lehrt, dass das Leben auch graue Schattierungen beinhaltet. Insofern löst sich, wie schon im biblischen Kontext, die Geschichte Davids recht prägnant aus ihrem Milieu. Doch keine Sorge: es gibt noch genug zu staunen über Wohl und Wehe der alten Könige - und den Zorn des Gerechten natürlich, der Blitz und Donner niedergehen lässt nach jeweiligem Gutdünken. Bibeltrash halt.

6/10

Henry King Israel Bibel Historie period piece Bundeslade


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THE WAY BACK (Peter Weir/USA, AE, PL 2010)


"We walk."

The Way Back ~ USA/AE/PL 2010
Directed By: Peter Weir

1940 fliehen sieben Häftlinge (Jim Sturgess, Ed Harris, Mark Strong, Gustav Skarsgård, Alexandru Potocean, Colin Farrell, Sebastian Urzendowsky) aus einem sibrischen Gulag. Ihr Ziel ist die mongolische Grenze südlich des Baikalsees. Bereits in der ersten Nacht stirbt einer von ihnen (Urzendowsky) den Kältetod. Später stößt noch eine polnische Flüchtige (Saoirse Ronan) zu ihnen. Die entbehrungsreiche Reise endet jedoch keineswegs in der Mongolei, wenngleich sich der etwas tumbe Valka (Farrell) hier von den anderen verabschiedet: Als die Gruppe feststellt, dass auch diese Gebiet mittlerweile von Stalin "eingemeindet" worden ist, reisen sie kurzentschlossen weiter über China und Tibet bis nach Indien. Vier von ihnen kommen durch.

Viertausend Meilen zu Fuß. Peter Weir scheint sich zu sagen: 'Mit halbgaren Stoffen gebe ich mich erst gar nicht mehr ab; lieber arbeite ich etwas spärlicher und schaffe dafür gleich nur noch richtige Gipfelstürmer.' Als das Allerschönste an "The Way Back", der seinen Regisseur passend dazu einmal mehr in Zenitform zeigt, empfand ich seine klare Absage an jedwede Art formaler Gegenwartsdogmen. Das Werk hätte in exakt dieser Form auch vor dreißig Jahren entstehen mögen; ein Unterschied wäre nicht auszumachen. Weir verlässt sich zu keiner Sekunde auf artifizielle Illusionsmittel, sondern macht Film mit Hand und Herz, erdig und kernig, wie seine Geschichte es verlangt. Zugleich verankert er sich wiederum tief im Humanismus und beschwört das Überleben und den "Zieleinlauf" der verbliebenen Freunde als Resultat ihrer stets hochgehaltenen Menschlichkeit. Jedem Sterbenden wird von den Anderen im Tode beigestanden, jeder erhält ein angemessenes Begräbnis, so wie jeder die Hoffnungen und Kraftreserven der Übrigen zu einem gewissen Zeitpunkt zu mobilisieren angehalten ist. So entsteht aus der anfänglichen Zweckgemeinschaft ein mehrgliedriges Freundschaftskollektiv, in dem selbst ein grenzdebiler Gewaltverbrecher wie der messerbleckende Valka seinen Platz erhält. Und das Ganze ohne auch nur den geringsten Hauch von Pathos oder Überdramatisierung; nüchternes, und dabei tief in sich selbst ruhendes, poetisches Erzählkino, wie es heuer nurmehr eine ausgesprochene Rarität darstellt.

9/10

Flucht Freundschaft Road Movie Indien Gefängnis Mongolei Tibet Gulag Sibirien Peter Weir


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THE TRUMAN SHOW (Peter Weir/USA 1998)


"Cue the sun!"

The Truman Show ~ USA 1998
Directed By: Peter Weir

Um das adoptierte Baby Truman Burbank herum wird eine eigens für ihn kreierte TV-Show in einem hermetischem Interieur in Form einer gewaltigen Kuppel konzipiert, die fortan weltweit vierundzwanzig Stunden live zu sehen ist und das gesamte Leben des Protagonisten wiedergibt. Dass Truman, der nichts anderes als die kleine Welt von "Seahaven" kennt, im Laufe der Jahre auch individuelle, nicht steuerbare Wesenszüge entwickelt, versuchen die Macher der Show durch mehr oder weniger unbeholfene Konditionierungspraktiken abzuwenden. Doch erfolglos: Als Truman (Jim Carrey) sein dreißigstes Lebensjahr erreicht hat, wird der Drang, seinem unsichtbaren Käfig zu entfliehen, existenziell.

Eine bei genauerer Betrachtung sehr grimmige, böse TV-Dystopie eröffnen Weir und Scriptautor Andrew Niccol uns mit der Geschichte des Truman Burbank, eine, die bezüglich ihrer durchaus realitätsverhafteten Perfidie all die Live-Menschenjagd-Klassiker von "Das Millionenspiel" über "Le Prix Du Danger" bis hin zu "The Running Man" locker in den Schatten stellt. Der Einfall, eine komplette Existenz zum reinen Zwecke der Einschaltquote in einen totalitären Mini-Kosmos zu packen und dort rundum zu steuern, deren sämtliche Lern- und Sozialisationsprozesse unter einer bonbonfarbenen, pervertierten Werberealität zu fassen und dabei die weitgehend freie Entwicklung eines Menschen rein kommerziellen ["Truman"-Erfinder Christof (Ed Harris) würde natürlich sagen: künstlerischen] Zwecken zu opfern, ist wohl eine der grandiosesten und auch grausamsten Satire-Ideen, die das Kino zum Thema Fernsehen hervorgebracht hat. Für den bis dato stets albernen Jim Carrey bot sich endlich die Gelegenheit, sein sechs Jahre lang kultiviertes (und von mir übrigens leidenschaftlich verachtetes) Image des grimassierenden Vollidioten ad acta zu legen und sich Ernsthafterem zu widmen. Carrey verleiht dem Film eine ganz wesentliche Nuance; die der Märchenhaftigkeit nämlich. Mit einem anderen Hauptdarsteller wäre "The Truman Show" in seiner konsequenten Albtraumhaftigkeit vermutlich kaum zu ertragen. Ähnliches gilt für Weirs hypersensible Inszenierung. Was ein vulgärer Regisseur mit dem Stoff hätte anstellen können, darüber mag man besser gar nicht weiter nachsinnieren.

9/10

Simplicissimus Hollywood Biopic Satire Peter Weir Andrew Niccol Dystopie Fernsehen


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DEAD POETS SOCIETY (Peter Weir/USA 1989)


"I sound my barbaric YAWP over thec rooftops of the world!"

Dead Poets Society (Der Club der toten Dichter) ~ USA 1989
Directed By: Peter Weir

Wilmington, Vermont 1959: Die hochrenommierte Welton Academy, die als sicheres Sprungbrett für Elite-Studenten gilt, erhält kollegialen Zuwachs durch den Englischlehrer John Keating (Robin Williams) sowie einen neuen Obersekunda-Schüler in Person des schüchternen Todd Anderson (Ethan Hawke). Beide haben schon bald ihre Sympathisanten beieinander: Keating, weil seine unkonventionelle Art, die Jungen zu unterrichten und zu Freigeistern zu erziehen, sich vornehmlich hoher Beliebtheit erfreut und Todd, weil seine poetische Ader von Keating gefördert und von seinen Kameraden anerkannt wird. Sieben der Jungen finden sich bald zum "Club der toten Dichter" zusammen, bei dressen Treffen Gedichte von Whitman und Byron rezitiert oder einfach nur centerfolds bewundert werden. Zur Katastrophe kommt es, als einer der Schüler, Neil Perry (Robert Sean Leonard), sich gegen seinen überautoritären Vater (Kurtwood Smith) stellt und unerlaubterweise in einem Shakespeare-Stück auftritt.

Und es gibt ihn doch, den "pädagogisch wertvollen Film", hier in Gestalt von Weirs wohl gleichermaßen meistgeliebtem und meistgehasstem Film, aus jeweils identischen Gründen. Nach "Good Morning Vietnam" wurde Robin Williams hier endgültig auf den Part des ewigen Gutmenschen und Seelentrösters festgenagelt; auf den Hobbytherapeuten und Philanthropen, der gern zu absurdem Humor und Kindlichkeit neigt. Die Meisten haben ihn irgendwann - vermutlich ganz zu Recht - nicht mehr in dieser ganz speziellen Inkarnation ertragen können und doch sind die Rolle des John Keating und auch Williams' diesbezügliches Spiel unleugbar unvergesslich. Als Lehrer kann man sich wohl kaum ein größeres Vorbild bzw. Ideal wünschen als einen, der pädagogischer Repression, elitärem Denken und dem stocksteifen Standesdünkel der Klassengesellschaft begegnet, indem er seine Eleven erstmal die Seiten zur Lyriktheorie und -bewertung aus den Unterrichtswerken herausreißen lässt. Verdammt, das ist Wahrheit, nichts weniger. Man kann dem Film auch vorwerfen, seinen Humanismus auf eine massenkompatible, verständige Art zu verkaufen - aber muss man das denn? Sollten Botschaften wie diese, solche, die zum Denken und Debattieren anregen, denn einem bildungsbürgerlichen Zirkel vorbehalten sein? Hätte Weir seinen Film so inszeniert, wäre er vermutlich keinen Deut besser zu nennen denn der gusseiserne, prügelnde headmaster Mr. Nolan (Norman Lloyd), dem 'Tradition' und 'Disziplin' über alles gehen, selbst über Freigeistigkeit und Ratio.
Nein, dies ist und bleibt so wertvolles wie edel gesonnenes Kino, das hoffentlich noch über viele Generationen fortlebt und von denen geschaut und internalisiert wird.

9/10

Freundschaft period piece Schule Internat Peter Weir Coming of Age Vermont Herbst Theater Literatur


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GALLIPOLI (Peter Weir/AU 1981)


"I'll see you when I see you." - "Yeah. Not if I see you first."

Gallipoli ~ AU 1981
Directed By: Peter Weir

Australien, 1915: Der talentierte Sprinter Archy Hamilton (Mark Lee) will trotz seiner 17 Jahre unbedingt zur leichten Kavallerie, um den Briten bei Gallipoli im Kampf gegen die Türken beizustehen. Der nur wenig ältere Frank Dunne (mel Gibson), den Archy bei einem Wettkampf kennenlernt und mit dem ihn bald eine enge Freundschaft verbindet, lässt sich mitreißen, landet jedoch bei der Infanterie. Dennoch treffen die beiden sich im Einsatz wieder, allerdings unter furchtbaren Umständen: Die völlig verblendete Admiralität schickt die australischen Soldaten mitten ins Sperrfeuer der türkischen MGs, nur, um angeblich den Vorstoß der Briten zu decken.

Weirs trauriges Kriegsepos steht ganz in der Tradition von Remarques "Im Westen nichts Neues": Unfähig, das Frontgeschehen realistisch einzuordnen, folgen praktisch jugendliche Rekruten dem verlogenen Lockruf von Patriotismus und Ehre und glauben, dass ihre Uniformen vor allem dazu dienen, junge Damen zu beeindrucken. Im Falle der Australier und Neuseeländer, die im Laufe des Stellungskrieges bei Gallipoli zu Tausenden von der türkischen Gegenwehr aufgerieben wurden, ist dieses Kapitel von besonderer Bitterkeit, stellten sich die Jungsoldaten doch im Prinzip auf eine Seite, die bestenfalls im übertragenen bzw. im Commonwwealth-Sinne die ihrige war, nur um dann als Kanonenfutter verheizt zu werden. Gibson, damals noch jung und noch nicht von der Prä-Senilität angegriffen, und besonders sein Partner Lee repräsentieren eingängig jenes wehmütige Kapitel des Abschieds von der Unschuld, das selbst die Überlebenden dereinst nurmehr als Krüppel wird heimkehren lassen. Auditiv höchst beeindruckend: Der Einsatz von Jarres "Oxygene (Pt. 2)" vor den Laufsequenzen neben vornehmlich klassischer Musik von Strauß und Bizet.

9/10

Coming of Age Peter Weir WWI Ägypten Australien Sport Historie period piece Freundschaft


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BEHOLD A PALE HORSE (Fred Zinnemann/USA 1964)


"What difference does it make?"

Behold A Pale Horse (Deine Zeit ist um) ~ USA 1964
Directed By: Fred Zinnemann

Gute zwanzig Jahre nach seiner Kapitulation und der Zwangs-Emigrierung über die Grenze nach Frankreich findet sich der legendäre Rebell Manuel Artiguez (Gregory Peck) vom Altwerden bedroht. Erst die Ankunft des Jungen Paco (Marietto), dessen Vater von den Franquisten umgebracht wurde, weil er Manuels Versteck nicht preisgeben wollte, bringt wieder Bewegung in das Leben des früheren Recken. Obwohl der weiß, dass jenseits der Grenze, in San Martín, sein alter Feind Viñolas (Anthony Quinn) und damit zwangsläufig der Tod auf ihn wartet, entschließt sich Manuel zu einer letzten Mission, um einen ungeliebten Verräter (Raymond Pellegrin) seiner gerehten Strafe zuzuführen...

Tolles Spätwerk von Fred Zinnemann, das sich eng an den europäischen Realismus schmiegt, auf Farbe und Breitwand pfeift und eine für seine Entstehungszeit ebenso karg wie dicht gestaltete Bilderwelt entwirft. Nichts ist mehr zu spüren von dem großatmigen Flair der lokal anverwandten Hemingway-Verfilmungen und auch auf äußere Aktion verzichtet der auf einem semibiographischen Roman von Eneric Pressburger basierende Film fast völlig. Die größte Gewalt liegt vermutlich in seinem etwas irreführenden Titel: "Behold A Pale Horse" beginnt prologisch mit den berühmten Zeilen aus der Offenbarung des Johannes, "and I looked, and behold a pale horse: and his name that sat on him was Death, and Hell followed with him....", die schon ein Gewitter der Vergeltung befürchten lassen. Stattdessen entpuppt die Geschichte sich jedoch eher als die Geschichte einer späten Sühne, einer Art längst überfälliger Friedensabmachung des Protagonisten mit sich selbst. Gregory Peck ist einfach nur toll als knarziger Guerillero, der in seiner kleinen Dachkaschemme längst Patina angesetzt hat und nochmal "raus muss", bevor seine Knochen nicht mehr wollen. Ein letztes Mal wird seine alte Wut entfesselt und man ahnt: dafür ist der Mann tief dankbar, wenn auch um den Preis seines Lebens.

9/10

Fred Zinnemann Emeric Pressburger Spanischer Bürgerkrieg Franquismus Kirche


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THE SAND PEBBLES (Robert Wise/USA 1966)


"Hello, Engine; I'm Jake Holman."

The Sand Pebbles (Kanonenboot am Yangtse-Kiang) ~ USA 1966
Directed By: Robert Wise

China, 1926: Die verworrene politische Situation im Reich der Mitte ebnet dem Nationalisten Chiang Kai-shek den Weg, während den ausländischen Kräften im Land zunehmendes Misstrauen entgegenschlägt. Vor diesem Hintergrund wird der Maschinist Jake Holman (Steve McQueen) auf das auf dem Yangtse kreuzende Kanonenboot 'San Pablo' versetzt. Es dauert nicht lang, bis der misstrauische Holman die eigenwilligen hierarchischen Strukturen um die Besatzung durchschaut; dennoch gewinnt er einige wenige gute Freunde, darunter den Kuli Po-han (Mako) und den warmherzigen Frenchy (Richard Attenborough). Selbst mit dem linientreuen, aber gerechten Captain (Richard Crenna) kommt Holman aus. Dennoch wird die äußere Situation weiter zunehmend brenzlig, bis den Amerikanern allerorten offener Hass entgegenschlägt und die Evakuierung einer Mission flussaufwärts nurmehr unter schweren Verlusten zu bewerkstelligen ist.

Eines der besonders flamboyanten Beispiele für das sterbende Studiokino der Sechziger: Aufwändig, überlang, gehalten in der klassischen Struktur mit Ouvertüre und Intermission berichtet "The Sand Pebbles" von historischen Dramen vor exotischem Hintergrund. Eine feine Besetzung mit ein paar Stars und Newcomern (die als hero's love interest zu sehende Candice Bergen etwa stand gerade am Anfang ihrer Karriere) transportiert die zwischenmenschlichen Tragödien, die Jake Holman jeweils nur Momente des Glücks bescheren, bevor seine Freunde nach und nach irgendwelchen Schicksalsschlägen zum Opfer fallen. Man staunt und lässt sich all das gern gefallen; wirklich mitreißend wie etwa bei David Leans großen Leinwand-Opern ist es aber nie. Und genau aus dieser Tatsache heraus erklärt sich gleichermaßen auch der Niedergang des alten Hollywood, das man in einigen älteren Produktionen Wises ohnedies bereits überkommen wähnte: Trotz Überambition, höchster Professionalität und altbekannter Qualitäten scherte es einfach niemanden mehr, was da auf der Leinwand vor sich ging; trug es sich doch schlicht allzu fernab der bitteren Lebenswirklichkeit zu und bot einen pathetischen Eskapismus, den kaum mehr jemand aus der jungen Generation zu schlucken bereit war. Dieses Misstrauen in die eigene Gestalt, und parallel dazu die Angst davor, luziden Größenwahn wie in den Bronston-Produktionen abzuliefern, merkt man dem hier und da allzu verhaltenen "The Sand Pebbles" deutlich an. Entsprechend zwiespältig ist er, überwiegend positiver Tendenzen zum Trotze.

7/10

Robert Wise China period piece Freundschaft


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MR. DEEDS GOES TO TOWN (Frank Capra/USA 1936)


"You are not only sane, but you're the sanest man that ever walked into this courtroom!"

Mr. Deeds Goes To Town (Mr. Deeds Goes To Town) ~ USA 1936
Directed By: Frank Capra

Das bodenständige, bei jeder Gelegenheit an den "gesunden Menschenverstand" appellierende Landei Longfellow Deeds (Gary Cooper) erbt unerwartet einen gigantischen Millionenbetrag und muss zu Verwaltungszwecken erstmal aus seiner beschaulichen Heimatstadt Mandrake Falls nach New York. Hier fangen sogleich die Probleme an: Gierige Anwälte, Erbschleicher, Schnorrer und Journalisten verfolgen den prompt als Kindisch und naiv verschrieenen Deeds überall hin. Als er die Wahrheit über die verdeckt arbeitende Reporterin Babe Bennett (Jean Arthur), die sich an ihn rangemacht und dann verächtliche Storys über ihn geschrieben hat, erfährt, ist Deeds schwer betrübt. Er beschließt, sein Vermögen gerecht an zweitausend mittellose Farmer umzuverteilen, damit diese eine neue Existenz gründen können. Die Folge: Deeds wird vor Gericht zitiert, um auf seinen Geisteszustand hin überprüft zu werden.

Und gleich noch mein Lieblings-Capra hinterher. "It Happened One Night" mag der Romantischste sein, "It's A Wonderful Life" der Schönste, "Mr. Smith Goes To Washington" der Leidenschaftlichste. Aber keiner vereint all diese Attribute so erfolgreich und öffnet Capras Weltanschauung selbst für frühkindliches Verständnis in solch vollkommener, luzider Weise wie es bei "Mr. Deeds Goes To Town" der Fall ist. Außerdem hat keiner der anderen Gary Cooper, der trat dann später dafür nochmal in "Here Is John Doe" für Capra an. Trotz dieser kleinen, heutzutage womöglich geradezu ekelhaft erscheinenden Szene, in der Deeds vor Grants Grabmal steht und angesichts dessen Biografie sinniert: "Such things only happen in America!" (man muss natürlich den Zeitkontext in Betracht ziehen, um zu erkennen, wie ernst gemeint diese Worte tatsächlich sind) ist "Mr. Deeds" rote Politisierung in höchster Vollendung. Nichts weniger als Sozialismus und Vermögensumverteilung wird hier gepredigt vor der berechtigten Frage: 'Wofür brauche ich soviel Geld, während andere hungern?' Dass die Anzugträger angesichts dieser so revolutionären wie naheliegenden und zugleich unmöglichen Idee einen politischen Erdrutsch befürchten und Deeds in ihrer Panik flugs unterstellen, geisteskrank zu sein, passt wie die Faust aufs Auge. Eine solch grandiose Finanzsatire kam erst knapp fünfzig Jahre später mit Landis' "Trading Places" wieder ans Tageslicht. Doch "Mr. Deeds" hat noch weitaus mehr zu bieten: Eine schöne Romanze zwischen der Arthur und Cooper beispielsweise (die kurz darauf in DeMilles "The Plainsman" fortgesetzt werden sollte), den tollen Lionel Stander als Deeds' ratio recta und einen herrlichen Kurzauftritt von Walter Catlett als versoffenen Schriftsteller, der in der deutschen Fassung (das Originalzitat habe ich leider gerade nicht zur Hand, ist aber auch egal) ankündigt: "Wir machen eine Sause, dagegen wirkt Omar, der versoffene persische Philosoph, wie ein Wassertrinker!" Daraufhin musste ich mir dann wie immer an dieser Stelle erstmal ein Pils aufmachen und dem großen Mr. Capra auf seiner rosaroten Wolke 7 in stillem Gedenken zuprosten.

10/10

Geld New York Erwachsenenmärchen Satire Frank Capra Simplicissimus





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Funxton

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