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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE SUN ALSO RISES (Henry King/USA 1957)


"You don't like Paris?" - "No." - "Why don't you go somewhere else?" - "There isn't anywhere else."

The Sun Also Rises (Zwischen Madrid und Paris) ~ USA 1957
Directed By: Henry King

Der im Paris der zwanziger Jahre tätige, infolge einer Kriegsverletzung impotente Journalist Jake Barnes (Tyrone Power) hängt seiner alten Liebe Brett Ashley (Ava Gardner) nach, die es wegen seiner mangelnden koitalen Möglichkeiten nicht aushält, bei ihm zu bleiben, obschon sie ebenso für ihn empfindet. Ihre aktuelle Eroberung ist der schottische Ex-Millionär Mike Campbell (Errol Flynn) und auch Jakes Freund Robert (Mel Ferrer) verkuckt sich heftig in Brett. Geminsam mit dem lustigen Lebemann Bill Gordon (Eddie Albert) reist das Quartett nach Pamplona, um dort zu feiern und die alljährlich stattfindenden Stierkämpfe zu beobachten. Doch hier wartet bereits Bretts nächster Liebhaber in Person eines Nachwuchs-Matadors (Robert Evans)...

Kings nächste Hemingway-Adaption, diesmal in Scope und noch ausgewalzteren Farben, ist ein Film ganz nach meinem Gusto. Wie schon in "The Snows Of Kilimanjaro" passiert im Prinzip nämlich, abgesehen von ein paar amourösen Verwicklungen und Eifersüchteleien hier und da, die wieder mal allesamt um die Gardner kreisen, nur recht wenig über die nicht eben kurze Distanz des Films. Außer, das zünftig gesoffen wird. Besonders Flynn und Albert, die Arm in Arm mit ihren Weinschläuchen durch Pamplona torkeln, machen "The Sun Also Rises" zu einem richtig guten Kumpel von Film, wie überhaupt die konsequente Dekonstruktion der beiden in die Jahre gekommenen swashbuckler Power und Flynn ausnehmend gut gefällt. Power als impotenter, innerlich verzweifelter Kriegsveteran, der einen Boxkampf haushoch verliert und Flynn, dem zu dieser Zeit bereits sein ausgesprochen ungesunder Lebenswandel in die Kiemen gekrochen war und der somit vermutlich bloß sich selbst zu spielen hatte, sind einfach nur toll. Die anarchische Leichtigkeit und Würde des nicht mehr ganz jungen Lebemannes bringt das Werk auf eine fast schon untypisch unverschämte Weise für das Studiokino dieser Jahre an sein Publikum.
Nicht nur eine der besten Hemingway-Adaptionen überhaupt kam dabei heraus, sondern vielleicht auch der schönste Film seines arbeitsamen Regisseurs.

9/10

WWI Stierkampf Bohème Spanien Paris Ernest Hemingway Henry King period piece Alkohol


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THE SNOWS OF KILIMANJARO (Henry King/USA 1952)


"A man should never lose his hand at hunting."

The Snows Of Kilimanjaro (Schnee am Kilimandscharo) ~ USA 1952
Directed By: Henry King

Der zynische Bestsellerautor und Großwilfjäger Harry Street (Gregory Peck) liegt am Fuße des Kilimandscharo im Sterben. Er hat sich eine Wundinfektion zugezogen, ist zu schwach, um zu Fuß transportiert zu werden und das rettende Flugzeug ist seit Tagen überfällig. Unter der Pflege seiner Frau Helen (Susan Hayward) lässt Harry sein Leben Revue passieren und kommt zu dem quälenden, resümierenden Schluss, dass es einerlei ist, ob er weiterlebt oder stirbt. Erst Helens aufopfernde Liebe spendet ihm neuen Lebensmut.

Kings erste Liebäugelei mit Hemingway, einer seiner vielen Filme mit Gregory Peck und ein aufreizend süffiges Melodrama, das einmal mehr eine vom Erdboden losgelöst schwebende Ava Gardner zeigt, die wie das Licht von Motten in Form von sich verzehrenden Galanen umschwirrt wird. Wie so häufig in ihren Rollen als gleichermaßen liebenswertes und verdorbenes Frauenzimmer zieht sie irgendwann mit einem feurigen Spanier ab, nur um dann irgendwann als um eine schmerzliche Erfahrung reicheres Häuflein Elend wieder zu ihrer Lebensliebe zurückgekrochen zu kommen. Diesen in der Regel undankbaren Part pflegt Peck als alter ego Hemingways; einst von unersättlichem Lebenshunger getrieben und nunmehr zerfließend in Selbstmitleid. Daheim unter den Pariser Bohèmiens, zwischen Schreibmaschine und Rotweinflasche und sowieso im Afrika der Kolonialisten und Safaris. Dabei ist es so essenziell (und existenziell), das Gefühl, wiedergeliebt zu werden, wo der Zynismus schleichend die Überhand zu gewinnen droht und wo Hemingway seinem Helden keine Rettung gönnt und seine Fieberträume ihn schließlich übermannen lässt, da reicht Hollywood uns die Hand. Ob man diese dankend ergreifen und sich leiten lassen mag, ist gottseidank freigestellt; ich tu's regelmäßig wieder gern in diesem Fall.

8/10

Henry King Ernest Hemingway Afrika Paris Spanien Spanischer Bürgerkrieg Biopic Bohème period piece


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OLIVER TWIST (David Lean/UK 1948)


"Where is this audacious young savage?"

Oliver Twist ~ UK 1948
Directed By: David Lean

Die frühen, turbulenten Lebensjahre des Waisenknaben Oliver Twist (John Howard Davies), geboren von einer im Kindbett verstorbenen, gehetzten jungen Mutter, aufgewachsen unter existenzverspottenden Umständen in einem düsteren Waisenstift, als billige Arbeitskraft missbraucht von einem Sargmacher (Gibb McLaughlin), schließlich nach London geflüchtet, dort unter die Fittiche des raffgierigen Gauners und Seelenverkäufers Fagin (Alec Guinness) genommen um nach einigen Verwicklungen, die ihn mehrfach bald das Leben kosten, endlich in die Obhut seines lieben Großvaters (Henry Stephenson) zu gelangen.

Leans zweite Dickens-Verfilmung ist noch formvollendeter als die erste und wäre nicht jener spezielle mystische Touch, der "Great Expectations" so auszeichnet und der ganz besonders dessen Kinoqualitäten untermauert, dieser mehr als ebenbürtig. So bleibt das mitreißende, bildgewaltige Epos einer Kindheit, deren schicksalhafte Wendungen in einer Zeit, die Kinder erwiesenermaßen hasste, das eine ums andere Mal zu tiefster Betrübnis anhalten, ganz so, wie es bereits Dickens' epochale Geschichte vollbringt. Bekanntermaßen ist diese ein Meilenstein humanistischer LIteratur und David Lean, lebenslanger Kompositeur schmuckster Leinwand-Grandezza, rettet sie nahezu verlustfrei in sein Medium hinüber. Von der denkwürdigen, berühmten Guinness-Darstellung des Fagin bis hin zu Bill Sikes' (Robert Newton) unglückseliger Promenadentöle durchleidet man samt und sonders sämtliche Figurenschicksale, etwas, das lediglich ganz große Tragödieninszenierer wie eben dieser Brite so gewinnend zum Leben zu erwecken vermögen.
Ein Hochgenuss, selbst für härteste Kerle nur in Verbindung mit inflationärem Herzschmerz zu verdauen!

10/10

David Lean Charles Dickens London period piece


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GREAT EXPECTATIONS (David Lean/UK 1946)


"In becoming a gentleman, I had only succeeded in becoming a snob."

Great Expectations (Geheimnisvolle Erbschaft) ~ UK 1946
Directed By: David Lean

Der junge Pip (Tony Wager), Ziehsohn seiner älteren Schwester (Freda Jackson) und ihres Angetrauten, eines Schmieds (Bernard Miles), erlebt während seiner Kindheit im Moor bei Kent Seltsames: Einmal hilft er einem entflohenen Sträfling (Finlay Currie) mit Essen und einer Feile, später muss er der seltsamen alten dame Miss Havisham (Marita Hunt) zu Diensten sein, indem er mit ihrer hochmütigen Adoptivtochter Estella (Jean Simmons) spielt. Mit 15 wird Pip (John Mills) dann eine beträchtliche Monatsrente zuteil, die ihm ein anonymer Gönner über den Anwalt Jaggers (Francis L. Sullivan) ausbezahlen lässt. In London zu einem Dandy herangreift, begegnen ihm bald sämtliche schicksalhaften Personen aus seiner Kindheit wieder - und entpuppen sich dabei zumeist als genau gegenteilig zu Pips Erinnerungen...

Leans großartige Adaption von Dickens' noch großartigerem Entwicklungsroman sollte jedem, der viktorianische Schauerromantik in Verbindung mit expressionistischer Bildsprache liebt, ein Begriff sein. Zwar reduziert Leans Film etwas die inhaltliche Komplexität der Vorlage; ihr Geist und Nukleus bleiben dafür jedoch umso kristalliner erhalten. Um die Streiche, die unsere kindliche Wahrnehmung uns spielt, geht es, und um die charakterlichen Verpuppungsstadien, die ein Mensch auf dem Wege zur Ausbildung einer halbwegs standhaften Persönlichkeit durchzustehen hat. Um darum natürlich, dass die erste große Liebe im Grunde auch immer die einzige bleibt. Vom schüchternen, murmeläugigen Jungen über den braven Lehrling bin hin zum arroganten Verschwender reicht Pips Karriere, jeweils gesteuert von mysteriöser, unbekannter Hand. Lean begleitet den liebenswerten John Mills bei seiner Seelenfindung und verfolgt dabei exakt Dickens' Linie: Pip zu einem Vertrauten des Lesers zu machen, der im Bestfall sogar zu seinem spiegelbildlichen Gegenüber avanciert.

9/10

London Sumpf David Lean Charles Dickens period piece Biopic Haus Coming of Age


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THE CONVERSATION (Francis Ford Coppola/USA 1974)


"All I want is a good record."

The Conversation (Der Dialog) ~ USA 1974
Directed By: Francis Ford Coppola

Der einsam und anonym lebende Harry Caul (Gene Hackman), seines Zeichens "bester Abhörspezialist der Westküste", hat einen neuen Auftrag: Er soll ein Pärchen (Frederic Forrest, Cindy Williams) in einem Park bespitzeln. Erst im Zuge der späteren Auswertung wird ihm die Tragweite der dabei gemachten Aufnahmen bewusst: Möglicherweise schwebt das abgehörte Paar in höchster Lebensgefahr. Harry, durch dessen sekundäre Beteiligung schon einmal eine Familie sterben musste, gerät in höchste Gewissensnöte und versucht, seinen "Opfern" in spe zu helfen...

Die erste Hälfte der Siebziger, eine Ära des Umbruchs und des katerschweren Erwachens, war eine gute Zeit für die misstrauischsten, schonungslosesten Werke New Hollywoods: Pakula fertigte in aller gebotenen Ruhe seine berühmte Paranoia-Trilogie und auch Coppola kommentierte Watergate kurz nach dem epischen zweiten "Godfather"-Film in Form des galligen "The Conversation". Mit der Figur des Harry Caul schuf Gene Hackman eine seiner prägnantesten Darstellungen, den ultimativen Handlanger des Bösen; das definitive Rad im Getriebe des Verderbens. Ein puritanischer Tüftler, der seine Erlösung noch in der Beichte sucht und der dennoch lange Zeit blind genug ist, zu glauben, ihm könne niemand etwas vormachen. Am Ende zerbricht er angesichts der gnadenlosen Realität: Auch er ist bei Bedarf bloß eine Zielscheibe von irgendjemandem.
Bei all der konzentriert-gemächlichen Inszenierung seines Psychogramms mit vielen Plansequenzen und langgezogenen Zooms verzichtet Coppola nicht auf trockenen, zeitgenössischen Humor: Die Gilde der Wanzenleger entpuppt sich als eine Berufssparte mit einem Selbstbild wie jede andere; man besucht gemeinsam Wochenend-Messen und nimmt diese zum Anlass, hinterher feucht-fröhliche Partys zu feiern. Allein Harry Caul, dem zunächst unwissenden advocatus diaboli, wird allmählich bewusst, dass sein Job längst jedwede Unschuld eingebüßt hat.

10/10

San Francisco Francis Ford Coppola New Hollywood Verschwörung


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TRAFFIC (Steven Soderbergh/USA, D 2000)


"They talk like they're conspiring to conspire."

Traffic ~ USA/D 2000
Directed By: Steven Soderbergh

An allen möglichen nordamerikanischen Fronten tobt der Krieg gegen und für Kokain und Crack aus Mexiko: Ein ehrgeiziger Politiker (Michael Douglas) wird mit den Schrecken der Sucht in Person seiner eigenen, kinderjährigen Tochter (Erika Christensen) konfrontiert, ein Polizist (Benicio Del Toro) aus Tijuana wandelt beständig auf dem schmalen Grat zwischen Angst und Gewissen, zwei US-Cops (Don Cheadle, Luis Guzmán) beschützen einen wichtigen Kronzeugen (Miguel Ferrer), der gegen einen der wichtigsten Koks-Importeure (Steven Bauer) Kaliforniens aussagen soll, dessen Gattin (Catherine Zeta-Jones) sich angesichts der Enthüllungen um ihren Mann und existenzieller Bedrohungen vom biederen Hausmütterchen zur knallharten Gangsterbraut entwickelt, ein mexikanischer General (Tomas Milian) plant, selbst in das wohlkorporierte Geschäft mit harten Drogen einzusteigen.

In Soderberghs Ensemblefilm kreuzen sich irgendwann mal die Wege fast aller Beteiligten; ohne, dass sie jeweils gerade ahnen, wer ihnen entgegenkommt, sind das jeweils schicksalhafte Begegnungen. Überstilisierung hat man dem Regisseur vorgeworfen, der hier mit grobkörnigen Filtern und tiefen Primärfarben arbeitet, mit DV-Kamera und Jump Cuts herumhantiert, als gelte es, die Nouvelle Vague auf amerikanischem Grund verspätet lobzupreisen. Dabei soll doch bloß Realismus Trumpf sein, die wesentliche Sinnlosigkeit des ewigen Kriegs gegen die Schwemme harter Opiate aufgezeigt werden, die man, so das nüchterne Fazit des Films, mit rechtsstaatlichen Mitteln niemals gänzlich in den Griff bekommen wird. Dabei geht es Soderbergh weniger um gezielte Milieueinblicke, nein, eine großangelegte, sämtliche Facetten und Charaktere abdeckende Bestandsaufnahme hatte er im Sinn, mit scheinbar unwillkürlich und rein zufällig beteiligtem Personal, das jeweils reale Pendants sein Eigen nennen darf. So kommt es schließlich, dass die abgefuckte Cracknutte hier ausnahmsweise mal nicht der Ethnie XY entstammt, sondern just des vom Senat obersten Drogenbeauftragten Töchterlein ist. Realismus? Vielleicht doch nicht so ganz...
Aber dann gibt es da ja noch die umso lohnenswertere zwingend-tolle Episode um Milian als ultrabösem Sith Lord des globalen Drogenimperiums und Benicio Del Toro als dessen tapferem Widersacher, so wie eigentlich das gesamte, atemberaubende, mit mindesten sechzehn großen Namen auftrumpfende Ensemble einfach nur bombastisches Spiel präsentiert. "Qualitätskino", sicher, aber welches von der Sorte, das sich gefallen zu lassen nicht weh tut.

8/10

Steven Soderbergh Drogen Kalifornien Mexiko Politik Crack Kokain Ensemblefilm


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FOR WHOM THE BELL TOLLS (Sam Wood/USA 1943)


"Nothing can ever part us now, can it?"

For Whom The Bell Tolls (Wem die Stunde schlägt) ~ USA 1943
Directed By: Sam Wood

Kastilien, 1937: Die Franquisten gewinnen an Boden, während der republikanisch-liberale Widerstand in den Provinzen zunehmend geschwächt wird. Der amerikanische Partisan und Sprengstoffexperte Robert Jordan (Gary Cooper) unterstützt die Guerilla, indem er brisante Aufträge von der Generalität annimmt und ausführt. Seine jüngste Mision führt ihn in die Berge vor Segovia, wo er eine nachschubsichernde Brücke sprengen soll. Zuvor trifft er dort eine kleine Schar Widerstandskämpfer, darunter die resolute Pilar (Katina Paxinou), der zwielichtige Pablo (Akim Tamiroff) und die schöne María (Ingrid Bergman), in die Robert sich heftig verliebt.

Hemingway nahm Sam Wood die Verfilmung seines Romans, der sich auf der Leinwand in eine glühende, üppige Farb-Schmonzette verwandelte, ziemlich übel. Die Paramount zielte wie sämtliche der übrigen Studios darauf ab, das Konkurrenzwerk "Gone With The Wind" zu toppen, was jedoch aussichtslos blieb, trotz Hemingways wunderbaren Stoffs und seiner politisch höchst integren Aussage. Letzten Endes läuft das in dramaturgischer Hinsicht eher kammerspielartig gehaltene, in den schroffen Sierras von Kalifornien und im plüschigen Studio-Atelier gefilmte Drama ohnehin bloß darauf hinaus, Cooper und die Bergman als Traumpaar zu verkaufen, was die Inszenierung dann auch meisterlich bewerkstelligt. Das Ende mitsamt einem der heroischsten Heldentode der Filmgeschichte ist herzzereißend und nötigt mir jedesmal wieder ein Tränchen ab. Die Bergman war nie schöner und erotischer denn als "cropped head", der Cooper selbigen so gut wie mühelos verdreht.
Vieles kann man an "For Whom The Bell Tolls" auch schwach finden, oder ihm vorwerfen; dass er sülzig und trivial ist etwa, dass die Spanier statt rustikalem Spanisch ein rustikales Englisch mit spanischem Akzent sprechen (ein Problem freilich, dass sich Hemingway bereits beim Schreiben seines Romans stellte und nach vielerlei Ansicht nur unbefriedigend von ihm gelöst wurde), dass die Figuren Abziehbilder und Klischees sind. Dann wird man vor lauter Griesgrämigkeit aber einen herrlich romantischen Film mit traumhaft schöner Musik von Victor Young versäumen, baucherwärmende Bilder in Dreistreifen-Technicolor und die schönsten Close-Ups von der Bergman, die es im Kino gibt. Man entscheide selbst.

9/10

Berge Ernest Hemingway Sam Wood Spanischer Bürgerkrieg period piece


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THE GREAT MCGINTY (Preston Sturges/USA 1940)


"How do I get the bucks?"

The Great McGinty (Der große McGinty) ~ USA 1940
Directed By: Preston Sturges

Der obdachlose Dan McGinty (Brian Donlevy) lässt sich mit der Unterstützung eines ebenso gierigen wie herzlichen Gangsterbosses (Akim Tamiroff) zur politischen Größe aufplustern. Er findet sein privates Glück und bringt es schließlich bis auf den Sitz des Gouverneurs - doch der sich anschließende Fall ist schnell und tief: just in dem Moment, als er sich entschließt, endlich amtliche Verantwortung für zu übernehmen, wird McGinty in einer verjährt geglaubten Korruptionsgeschichte entlarvt und kann den Gesetzeshütern nur mit Mühe und Not entkommen.

"The Great McGinty" bildet einen elementaren Schritt im Studiokino - nicht nur, dass er den Autoren eine neue Form der Beachtung verlieh, er etablierte auch den später gängigen "written and directed by..." - credit. Für den bereits als Scriptautor erfolgreichen Preston Sturges bedeutete "The Great McGinty" sein Regiedebüt und damit zugleich das als veritabler Autorenfilmer, der sich hinter Kollegen wie Wilder, Lubitsch oder Capra keinesfalls zu verstecken brauchte. Dass eine "rise-and-fall"-Satire wie diese; clevere und warmherzige Komödie, Moralstück unter trutzigem Verzicht auf ein waschechtes Happy End sowie symbolisch hochgereckter Mittelfinger in einem, ein nach wie vor so sträflich unbekanntes Dasein fristen muss, darf als grobe Fahrlässigkeit filmhistorischer Aufklärung gewertet werden.
Umso schöner, wichtiger und bedeutsamer, dass jetzt das Label "Cine Qua Non" der Hebung dreier Sturges-Schätze verantwortlich zeichnet, die den aufgeweckten Cineasten beinahe schon zum Erwerb verpflichten. Mehr in Kürze.

9/10

Satire Politik Screwball Preston Sturges


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SOULBOY (Shimmy Marcus/UK 2010)


"Be where you belong to."

SoulBoy ~ UK 2010
Direced By: Shimmy Marcus

Stoke-on-Trent in den frühen Siebzigern: Der Arbeitersohn Joe McCain (Martin Compston) entdeckt über die hübsche Frisörin Jane (Nichola Burley) sein Herz für die um sich greifende Soulszene in Nordengland. Allwochenendlich geht es ins Wigan Casino, wo der Zamapano und Angeber Alan (Craig Parkinson), dummerweise zugleich Janes Freund, große Allnighter veranstaltet, in denen die Jugendlichen ihre Liebe zur schwarzen Musik mit exponiertem Tanz ausdrücken können. In all seiner Bewunderung für Jane übersieht Joe allerdings, dass das wahre Glück viel näher wartet...

Vorweg: Es gibt nur einen einzigen Grund, sich "SoulBoy" anzusehen: Die Liebe zu Northern Soul nämlich, das Verständnis und die Empathie für eine der enthusiastischsten und beständigsten Subkulturen der modernen Popmusik. Irgendwann im Zuge der Dekadenwende 1960/70 überlief das Fandom für amerikanische Soulmusik die Modszene und breitete sich auf die proletarische Jugend Nordenglands aus. Findige Sammler und Händler reisten regelmäßig in die großen Soulmusik-Zentren der USA und erwarben dort kistenweise von in kleiner Stückzahl gepressten 7"-Singles, die fernab und unabhängig von der Plattenindustrie und den großen Labels wie Motown, Stax oder Atlantic entstanden waren. Jene Vinylscheibchen sind, wahrscheinlich heute mehr denn je, begehrte Sammlerobjekte. Die Northern-(oder Rare-)Soul-Szene ist darüberhinaus eine der wenigen Musikbasen, in denen veritable Hits strenggenommen nichts verloren haben. Vielmehr kommt es für die DJs darauf an, den Fans immer neue, bislang ungehobene Schätzchen unter die Nasen bzw. Füße zu halten - tanzbar ist sowieso prinzipiell alles, was aus dem großen Schmelztiegel des Soul kommt.
Diese Szene porträtiert "SoulBoy" mit viel Liebe zum Detail und dem gewaltigen Bonus, der erste Spielfilm zum Thema zu sein. Ansonsten bewegt sich Marcus' Film auf dem Subniveau eines mäßigen Achtziger-Coming-Of-Age-Dramas, erzählt eine völlig ausgelutschte Story, und das auch noch vergleichsweise desinteressiert, jedenfalls im Verhältnis zu der spürbar energetischeren Motivation, Northern Soul zu präsentieren. Die Tatsache, dass "SoulBoy" vielleicht ein wenig zum Überleben dieser Subkultur beitragen kann, macht ihn außerdem per se ansehnlich. Jeder, der einen guten Film zu sehen wünscht, sollte allerdings besser auf Distanz bleiben...

6/10

England Shimmy Marcus Clubszene Subkultur Northern Soul Musik Tanz Coming of Age Teenager


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NOT AS A STRANGER (Stanley Kramer/USA 1955)


"Gentlemen, this is a corpse!"

Not As A Stranger (...Und nicht als ein Fremder) ~ USA 1955
Directed By: Stanley Kramer

Der ehrgeizige Medizinstudent Lucas Marsh (Robert Mitchum) erkennt vor lauter medizinischem Fanatismus nicht, dass er selbst ein rücksichtsloser Egomane ist, dessen professionelle Ziele längst jede authentische Humanität hinter sich gelassen haben. Dies bekommen vor allem seine Frau Kristina (Olivia de Havilland) und sein bester Freund Alfred (Frank Sinatra) zu spüren. Erst als Lucas, längst fertiger Arzt und nunmehr tätig in einer Provinz-Kleinstadt im Mittelwesten, seinen ersten verhängnisvollen Berufsfehler begeht, erkennt er, dass er kein "Gott in Weiß", sondern nur ein Mensch mit all seinen Schwächen ist.

Großer Edelkitsch und Starkino, wie es in den Fünfzigern noch guten Gewissens produziert werden konnte. "Not As A Stranger" wäre auch ein schöner Stoff für einen Sirk-Film gewesen, zumal jener Regisseur es ja meisterlich verstand, sich nie vom Schmalz seiner Geschichten überrollen zu lassen, sondern stets seine strenge Formalität mindestens auf gleicher Ebene mit Inhalten zu belassen. Stanley Kramer pfeift bisweilen auf diese Weisheit und inszeniert seine an sich nicht uninteressante Persönlichkeitsstudie auf dem grundtrivialen Niveau eines durchweichten Arztromans für Hausfrauen, der letztlich von seinen brillanten Darstellern am Leben erhalten wird. Mitchum übertrifft sich praktisch selbst mit seinem bassetäugigen Spiel als knallharter Internist ohne Gnade zu seiner eigeben Seele, aber ganz besonders die kleinen nebenrollen sind liebevollst besetzt: Lee Marvin als frechen Kommilitonen gibt es da zu bestaunben, Lon Chaney als Lucas' versoffenen Vater oder die rüstigen Senioren Broderick Crawford und Charles Bickman als personifiziertes gutes Ärzte-Gewissen. Ihnen allen staunend zuzusehen hebt Kramers Film dann doch wieder deutlich höher als er eigentlich angesiedelt gehört.

7/10

Krankenhaus Arzt Stanley Kramer Ehe Biopic Coming of Age





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

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