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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE STORY OF LOUIS PASTEUR (William Dieterle/USA 1936)


"Find the microbe - kill the microbe."

The Story Of Louis Pasteur (Louis Pasteur) ~ USA 1936
Directed By: William Dieterle

Paris im Jahre 1860: Der Chemiker Louis Pasteur (Paul Muni) ist sich sicher, dass das in jenen Tagen omnipräsente Kindbettfieber, an dem viele junge Mütter sterben müssen, durch winzig kleine Erreger hervorgerufen wird, die Hebammen und Ärzte durch ungewaschene Hände und Instrumente von einer Patientin zur anderen weitertransportieren. In dem Hofarzt Charbonnet (Fritz Leiber), der diese Theorie für das Zeugnis blanker Scharlatenerie hält, findet Pasteur einen erbitterten Widersacher. Als es aufgrund eines Pamphlets Pasteurs zu einem Mord an einem Arzt kommt, verlässt der Wissenschaftler mit seiner Familie Paris und zieht in die Provinz. Hier entdeckt er Jahre später einen Impfstoff gegen Milzbrand und kann öffentlich beweisen, dass Schafe durch sein Serum vor der gefürchteten Krankheit geschützt werden können. Anschließend arbeitet Pasteur zusammen mit seinem Schwiegersohn (Donald Woods) verbissen an einem Mittel gegen Tollwut. Schließlich muss selbst der stets skeptische Charbonnet anerkennen, dass Pasteur mit seinen Behauptungen nicht nur im Recht war, sondern dass seine Errungenschaften darüberhinaus die Medizin auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten revolutioniert hat.

Eine von mehreren Filmbiographien über Persönlichkeiten des vorvergangenen Jahrhunderts, die der 1930 nach Hollywood emigrierte Filmschaffende William Dieterle in jenen Jahren inszenierte. Regeläßig von der Kritik gefeiert, kam darin vor allem Paul Muni zum Einsatz, der für Dieterle neben Pasteur auch Émile Zola und Benito Juárez spielte. In einem vergleichsweise gedrungenen Erzählzeitraum handelt "Louis Pasteur" lediglich die wichtigsten Stationen der Wissenschaftler-Vita ab, was jedoch einen durchaus positiven Effekt bezüglich der Dramaturgie des Films hinterlässt. Diese wirkt gestrafft, aber nicht gehetzt und erzählt ihren Kerninhalt, nämlich Anfeindung, Aufstieg, Anerkennung und schlussendliche Ehrung Pasteurs vor allem durch seine Antagonisten im Bereich der Medizin, stets spannend und dicht. Selbst das zeitliche Kontigent zur Porträtierung des Privatmannes Pasteur gestattet sich Dieterle binnen seiner ihm zur Verfügung stehenden 80 Minuten: Gelegenheiten für den großartigen Paul Muni zur darstellerischen Reüssierung. Pasteur als liebender Familienvater, ehrgeizig, gehetzt, gestresst, unerbittlich mit seinem Assistentenstab, vor allem aber mit sich selbst. Am Ende, als ihm die uneingeschränkte Ehrerbietung der Kollegen doch noch zuteil wird, kann er - und mit ihm das Publikum - ein Tränchen schließlich nicht unterdrücken. Große Männer dürfen ihren berechtigten Stolz zeigen - auch das macht sie groß.

9/10

William Dieterle period piece Historie Biopic Medizin Frankreich Familie Duell


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THE V.I.P.S (Anthony Asquith/UK 1963)


"Pay no attention. Drunks cry very easily. It's only the whiskey."

The V.I.P.s (Hotel International) ~ UK 1963
Directed By: Anthony Asquith

Die Passagiere des vormittäglichen Transatlantikfluges von Heathrow nach Miami via New York haben allen Grund, sich zu ärgern: Wegen erhöhten Nebelaufkommens wird der Flug auf zunächst unbestimmte Zeit verschoben. Die Passagiere der V.I.P.-Lounge werden zur Übernachtung im 'Hotel International' einquartiert, was einigen von ihnen aus besonderem Zeitdruck nicht passt: Die Industriellengattin Frances Andros (Elizabeth Taylor) plant, ihren Gatten Paul (Richard Burton) zu verlassen und mit dem als Gigolo verrufenen Glücksritter Champselle (Louis Jourdan) durchzubrennen; der Traktoren-Fabrikboss Les Mangrum (Rod Taylor) droht, sein Unternehmen an einen Multi zu verlieren, wenn er nicht eine hohe Summe aufbringen kann; der Filmproduzent Max Buda (Orson Welles) hat den britischen Fiskus hintergangen und muss nun um einen Millionenverlust fürchten; die kauzige, verarmte Gräfin von Brighton (Margaret Rutherford) schließlich will in den USA etwas Geld verdienen, um ihren Besitz zu retten.

Liebe, Romantik, Herz und Schmerz: "The V.I.P.s" ist ein ebenso üppig besetzter wie bebilderter Kitschroman in Scope, der die drei Nebengeschichten um den wahrhaft zerreißenden Zentralplot mit Taylor und Burton konstruiert. Von den ehemals großen, ähnlich gelagerten Ensemblefilmen wie "Grand Hotel" bleibt da kaum mehr viel an Delikatesse zurück; hier regieren Prätention und Weichspüler. Letzten Endes bietet das kurz nach "Cleopatra" avisierte Projekt dem mutmaßlich gezielt weiblichen Publikum eine neuerliche Möglichkeit, jenem berühmt-berüchtigten Skandalpaar beim romantischen Clinch beizuwohnen, die Taylor, gefangen zwischen zwei attraktiven Männern, die sie doch -*schluchz*- beide liebt, Burton, gegen Ende des Films offenbar nicht bloß gespielt -*hicks*- besoffen.
Wie so oft liegen die "wahren" Momente des Films eher in seinen leisen Zwischentönen, in feinen Nuancen und Details. Orson Welles befüllt in seinen wenigen Szenen buchstäblich die Leinwand, die schöne Elsa Martinelli als "sein" Starlet ist eine besondere Augenweide und die Liebesgeschichte zwischen Rod Taylor und Maggie Smith tausendmal interessanter als die großartig flankierte um Taylor/Burton. Das wahre Herz des Films schlägt schließlich mit und für die großartige Margaret "Miss Marple" Rutherford, die sich einmal sogar ein Stelldichein mit ihrem Stringer "Mr. Stringer" Davis als Hotelpagen geben darf.

6/10

Anthony Asquith Ensemblefilm Hotel Flughafen amour fou Ehe Taylor/Burton


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END OF WATCH (David Ayer/USA 2012)


"You feel like a hero?" - "No." - "Yeah, me neither."

End Of Watch ~ USA 2012
Directed By: David Ayer

Die beiden in Southcentral Los Angeles Streife fahrenden Polizisten Brian Taylor (Jake Gyllenhaal) und Mike Zavala (Michael Peña) unterscheiden sich im Grunde lediglich durch ihre Uniform und ihre moralischen Grundfesten von den sie umgebenden Gangs, in Habitus und Kodex ähneln sie diesen jedoch sehr. Ihre Frauen (Natalie Martinez, Anna Kendrick) bilden jedoch eine feste Basis in ihrem teils über die Grenzen hinaus gehenden Metier. Als Taylor und Zavala eher versehentlich einem mexikanischen Drogenkartell auf die Finger klopfen und diesem später wiederholt in die Quere kommen, stehen sie auf der Abschussliste.

Der Polizeifilm lebt - dank David Ayer, der dem Subgenre in Wort und/oder Bild regelmäßig ähnlich intensive Beiträge beschert wie dereinst Sidney Lumet, Harold Becker oder Joseph Wambaugh. "End Of Watch" markiert bereits das sechste Projekt, in dem Ayer die Exekutivewaltigen von L.A. seziert, ihre Machtbefugnisse, Möglichkeiten, Gefahren und Grenzen. Nachdem er sich bereits korrupte, drogensüchtige und machthungrige Cops vorgeknöpft hat, hält sich Ayer in "End Of Watch", seinem bisherigen Meisterwerk, an die kleinen Streifenpolizisten - gernegroß, naiv, nicht sonderlich intelligent, aber herzlich, gutgläubig und aufrichtig heroisch, wenn es darauf ankommt. Welche unkontrollierbaren Kräfte sie entfesseln, als sie in ihrem Revier einige gut getarnte Heroinlager hochnehmen, ahnen sie nicht einmal ansatzweise und so sind ihre letztlich kleinen, wenn auch kräftigen Lebenslichter sehr bald zum Verlöschen determiniert. Mit dem suggestiven Stilmittel der subjektiven Kamera - Taylor ist Ex-Filmstudent und dreht einen Dokumentarfilm über seine und Zavalas tägliche Einsätze -, das ja in den letzten Jahren vermehrt im Horrorfilm genutzt wurde, kreiert Ayer eine immens bedrohliche, explosive Atmosphäre. Jump cuts und zusätzliche Wackelbilder verhelfen ihm zu noch unmittelbarerer Authenzität, die trotz großer zeitlicher Sprünge innerhalb der Erzählzeit dann auch permanent bestehen bleibt. Mit "End Of Watch" ist David Ayer nun schlussendlich wirklich das gelungen, was er vermutlich bereits seit "Training Day" anstrebt: Ein Meilenstein des Polizeifilms. Viel sollte es hernach zum Thema nicht mehr zu sagen geben.

9/10

David Ayer Los Angeles Slum embedded filming


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THE HINDENBURG (Robert Wise/USA 1975)


"There is no resistance movement, Colonel!"

The Hindenburg (Die Hindenburg) ~ USA 1975
Directed By: Robert Wise

Im frühen Mai des Jahres 1937 startet das deutsche Luftschiff 'Hindenburg', ein vorrangiges Propaganda-Werkzeug der Nazis, zu einem Transatlantikflug nach Lakehurst in New Jersey. Eine exzentrische Hellseherin (Ruth Schudson) aus Milwaukee hatte zuvor einen Warnbrief an die deutsche Botschaft in Washington geschickt, der zufolge die Hindenburg bei ihrer Überquerung New Yorks explodieren werde. Neben dem ohnehin unterschwellig brodelnden Widerstand Grund genug für die Gestapo, den Luftwaffen-Oberst Ritter (George C. Scott) und incognito den SS-Mann Vogel an Bord des Schiffes zu schicken, um eventuelle Saboteure ausfindig zu machen. Tatsächlich entpuppt sich der Wartungsingenieur Karl Boerth (William Atherton) als Bombenleger, der seinen Anschlag jedoch für nach der Landung geplant hat, um die Leben der Passagiere zu schonen. Für diesen Plan findet er sogar Ritters Unterstützung. Doch die Hindenburg kommt mit Verspätung an und auch Vogel hat mittlerweile die Identität des Attentäters herausbekommen...

"The Hindenburg" markierte den wohl ersten, einzigen und darüberhinaus auch ganz bestimmt unbewussten Versuch, einen Brückenschlag zwischen New Hollywood und dem Katastrophenfilm zu wagen. Mit einer wohlfeilen, jedoch nicht größenwahnsinnig anmutenden Starbesetzung spinnt das Script die historisch als weithin unbefriedigend aufgedeckt wahrgenommenen Hintergründe der 'Hindenburg-Katastrophe weiter. Anstatt des unfällig selbstentzündeten Wasserstoffs im Zeppelin wird hier der bereits zu Vorkriegszeiten keimende Widerstand verantwortlich gemacht für den Absturz, der der internationalen Verkehrsluftfahrt ein vorläufiges Ende setzte. Die Spekulativität der Geschichte, in der natürlich auch ein versoffener, systemfeindlicher Künstler (Gig Young), ein falschspielendes Zockerduo (Burgess Meredith, René Auberjonois) sowie die unvermeidliche, kühle Gräfin (Anne Bancroft) mit Zigarettenspitze und behinderter Tochter vorkommen, steht in keinem Verhältnis zu Wises brillanter Regie. Seine von Robert Surtees in ihren Rahmen gesetzten Bilder sind von einnehmender Sorgfalt und Detailverliebtheit, die die Illusion der authentisch gefilmten Luftschiff-In- und Exterieurs hervorrufenden Spezialeffekte sind ebenso zweckdienlich wie unauffällig. Seine wahre Meisterschaft erreicht "The Hindenburg" allerdings an seinem berühmten Ende: Die eigentliche Katastrophe, den Absturz über Lakehurst, zeigt Wise in einer Mischung aus Spielszenen und authentischer Dokumentation, das vollständig in schwarzweiß 'umgekippte' Bild friert hier und da ein, David Shires Musik türmt sich auf zu einer Grauenssymphonie: Höchst suggestives Filmemachen eines vollendeten Spielmeisters.

8/10

Robert Wise Ensemblefilm period piece Nationalsozialismus Fliegerei


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DETECTIVE STORY (William Wyler/USA 1951)


"I built my whole life on hating my father. All the time he was inside me, laughing."

Detective Story (Polizeirevier 21) ~ USA 1951
Directed By: William Wyler

Der als übereifrig berüchtigte Manhattaner Detective McLeod (Kirk Douglas) wittert endlich seine große Chance, den von ihm seit langem verfolgten Kurpfuscher Dr. Schneider (George Macready) dingfest zu machen. Sowohl Schneiders Anwalt Sims (Warner Anderson) als auch McLeods Vorgesetzter (Horace McMahon) haben große Sorge, dass der cholerische McLeod Schneider im unbeobachteten Verhör misshandeln oder gar foltern könnte. Als sich im Laufe des Tages immer mehr Druck um ihn herum aufbaut, der sogar eine unangenehme biographische Episode um McLeods Ehefrau (Eleanor Parker) einfasst, steht der von inneren Dämonen geplagte Polizist schließlich kurz vorm Explodieren...

Um die Vierziger und frühen Fünfziger spielte Kirk Doglas stets Antihelden oder zumindest stark angekratzte Figuren, die ihr moralisches Schuldenkonto am Ende nicht selten um den Preis des eigenen Lebens zu tilgen hatten, so in "Ace In The Hole", "The Big Trees" oder "The Bad And The Beautiful". Die Rolle des fanatischen Detective McLeod dürfte dabei zu seinen vordersten Glanzleistungen zählen. Douglas vermag es, um seinen Charakter herum eine unglaublich dichte, intensive Dunstglocke der Bedrohlichkeit und Unberechenbarkeit aufzubauen, die sich nach anfänglichen Sympathieevokationen durch das Script - man hält ihn zunächst für einen aufrechten Beamten mit gesundem Privatleben und einem möglicherweise etwas reaktionär angehauchten, aber doch ehrbarem Berufsethos - regelrecht forciert ins Gegenteil verkehrt. Zum Schluss, als die Zeitbombe McLeod endlich offenbart, welch pathologische Krüppelseele ihm innewohnt, lässt sich an Douglas' Gesicht die ganze Schrecknis einer schwer traumatisierten Psyche ablesen; eine meisterliche Darstellung. Dabei trägt Douglas "Detective Story" keineswegs allein. Unterstützt durch ein großartiges Ensemble, dem unter anderem der spätere Dr. No Joseph Wiseman als drogeninfizierter Kleingangster und Lee Grant als Kleptomanin vorstehen, entsteht unter Wylers nurmehr als exzellent zu bezeichnender Inszenierung das schon als klassisch zu bezeichnende Abbild eines nicht ganz regulären New Yorker Revieralltags. Wunderbar.

10/10

William Wyler New York based on play Sidney Kingsley Ensemblefilm


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THE NAKED AND THE DEAD (Raoul Walsh/USA 1958)


"I hate everything which is not in myself."

The Naked And The Dead (Die Nackten und die Toten) ~ USA 1958
Directed By: Raoul Walsh

Während des Zweiten Weltkriegs: Der gefürchtete Lieutenant Croft (Aldo Ray) wird mit seinem Platoon von Hawaii aus Richtung Südpazifik abkommandiert und soll den standesdünkelnden Offizier General Cummings (Raymond Massey), der mit seinem eigensinnigen Adjutanten Hearn (Cliff Robertson) hadert, dabei unterstützen, eine von den Japanern besetzte Anhöhe auf einer strategisch bedeutenden Insel zu nehmen. Nachdem seine Frau (Barbara Nichols) ihn daheim hat sitzen lassen, ist Croft mehr und mehr zu einem egomanischen Misanthropen geworden, was seine Männer in Kenntnis seiner Führungsqualitäten zumeist toleriert haben. Crofts kleine Extravaganzen wie die, Gefangene grundsätzlich zu exekutieren und ihnen sämtliche Wertsachen bis hin zu den Goldzähnen abzunehmen, zählen dazu. Als Croft jedoch anfängt, die eigenen Männer um des unwahrscheinlichen Sieges Willen zu opfern, beginnen diese aufzubegehren.

Den zeitgenössischen (Pazifik-) Kriegsfilm schreibt man rückblickend primär Experten wie Sam Fuller oder Robert Aldrich zu, in deren Œuvre stets auch und insbesondere Grenzsituatives seinen Platz fand. Bei Walsh, der in seinem gigantischen Werk vor allem Western und Abenteuerfilme trumpfen ließ und eine eindeutige formale oder motivische Identifizierbarkeit nie ganz entwickelte, bildete "The Naked And The Dead" eine relative Ausnahme. Norman Mailers gleichnamiger Roman gilt als einer der vorrangigen Bestseller des vergangenen Jahrhunderts, entsprechend prestigeträchtig die Adaption. Ein großes Staraufgebot kam, wie bei Kriegsfilmen damals üblich, nicht zueinander, eher ein kerniges Ensemble von gediegener Professionalität. Einige brillante Dialogszenen wie jene, in der Cummings gegenüber dem liberalen Hearn angesichts einer in seinem Zelt bewusst zertretenen Kippe über innermilitärische Machtverhältnisse referiert und ihn in diesem Zuge seine faktische Bedeutungslosigkeit spüren lässt, wurden in Script und Film hinübergerettet und machen somit auch Walshs Arbeit zu etwas Großem.
Letzten Endes verrät "The Naked And The Dead" nichts entscheidend Neues, er differenziert lediglich etwas sorgfältiger als gewohnt: Gut und Böse koexistieren seit jeher in der Weltgeschichte, sie bedürfen sogar notwendig einander um ihre jeweilige Existenz zu rechtfertigen. Auch im Kriege.

8/10

Raoul Walsh WWII Pazifikkrieg Militär Norman Mailer


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SUDDEN FEAR (David Miller/USA 1952)


"You know what happened to Nietzsche?" - "What?" - "He's dead."

Sudden Fear (Eiskalte Rache) ~ USA 1952
Directed By: David Miller

Die erste Begegnung zwischen der populären Broadway-Autorin Myra Hudson (Joan Crawford) und dem Akteur Lester Blaine (Jack Palance) fällt alles Andere als erbaulich aus: Bei einem Vorsprechen für die Hauptrolle in Myras neuestem Stück lehnt sie ihn vehement ab, was er mit beleidigtem Stolz quittiert. Einige Zeit später treffen sie sich nur scheinbar zufällig im Zug von New York nach San Francisco wieder. Myra verliebt sich unsrerblich in Lester und das Paar heiratet kurz darauf. Doch der nach wie vor gekränkte Darsteller spielt Myra bloß eine vortreffliche Charade vor und hat es einzig und allein auf ihr stattliches Vermögen abgesehen. Um an dieses zu gelangen, muss er Myra natürlich zunächst um die Ecke bringen, wobei ihm seine wirkliche Flamme Irene (Gloria Grahame) zu unterstützen sucht. Myra jedoch erfährt rechtzeitig von den sinistren Plänen ihres Gatten und seiner Gespielin und dreht den Spieß um...

Großartiger, kanonisch leider hoffnungslos unterrepräsentierter film noir, der eine nicht mehr ganz junge Joan Crawford im Zuge eines ihrer Versuche, wieder nach oben zu kommen, präsentiert. Ihr zur Seite stellte man den rund dreizehn Jahre jüngeren Jack Palance, dessen vulkanische Physiognomie schon damals immens beeindruckte und die seinem Charakter besonders im letzten Akt, als der ertappte Heiratsschwindler der angsterfüllten Panik anheim fällt, perfekt in die Hände spielt. Doch auch Millers Inszenierung gehört ein ausgesprochenes Lob zugedacht; seine Fähigkeit, durch unkonventionelle Dramaturgie eine solch suggestive Zugkraft zu evozieren, ist famos. Auch hier wäre insbesondere das Finale zu erwähnen, das nach einem sorgfältig arrangierten Präludium eine nahezu explosive Konfrontation der Antagonisten auf den nächtlichen Straßen San Franciscos zeigt.

9/10

San Francisco film noir Ehe Rache Theater


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THE LONG VOYAGE HOME (John Ford/USA 1940)


"What'd Yank do?"

The Long Voyage Home (Der lange Weg nach Cardiff) ~ USA 1940
Directed By: John Ford

Das Handelsschiff 'Glencairn' ist auf dem Weg zurück von der Karibik nach Europa. Geladen hat es Explosivmaterial, um die Alliierten im Kampf gegen die Nazis zu unterstützen. Eine brisante Fracht - denn die Wehrmacht hat längst herausgefunden, dass unscheinbare Zivilschiffe häufig in geheimer Mission unterwegs sind. Die Besatzung hat derweil ganz eigene Probleme: Jeder von ihnen träumt insgeheim davon, den Weltmeeren ein für allemal Lebewohl zu sagen und dennoch schafft keiner jemals den Absprung; sie sind an die Seefahrt gekettet wie Süchtige an die Nadel. Die ganze Hoffnung der alternden Matrosen personifiziert sich daher in dem jungen Schweden Olsen (John Wayne), der nach dieser Passage endlich heimkehren will zu seiner Familie. Doch zuvor gilt es noch manche Unwägbarkeit zu meistern...

Dramatisch gewichtete Liebeserklärung an die raue Einsamkeit der Seeleute, basierend auf vier frühen Stücken von Eugene O'Neill und konzentriert zu einer Geschichte. Für Duke Wayne war es nach "Stagecoach" die zweite Zusammenarbeit mit John Ford, jedoch täuscht man sich, wenn man seine Nennung an der Besetzungsspitze mit seiner Bedeutung für den Film gleichsetzt. Im Gegenteil, Wayne hat nur wenige Dialogzeilen und spielt, von seiner beinahe metaphysischen Bedeutung für seine Kameraden abgesehen, im inhaltlichen Gefüge von "The Long Voyage Home" eine eher untergeordnete Rolle. Das Schwergewicht liegt eher auf Seiten Thomas Mitchells, als Driscoll so etwas wie der Anührer und die gute Seele der kleinen Matrosenschar sowie bei dem mysteriösen Smitty, dem gegenüber der Verdacht, möglicherweise ein deutscher Spion zu sein, gehegt wird, der sich dann jedoch als nicht mehr denn ein kläglicher Trinker herausstellt auf der Flucht vor Entzug, Verantwortung und Familie. Noch deutlich melancholischer als in späteren Jahren geht Ford hier zu Werke; eine komische Ikone, wie sie dereinst häufig von Victor McLaglen oder Andy Devine gespielt werden wird, fehlt - obgleich sich aus der internationalen Konstellation der Glencairn-Besatzung mancherlei situativ bedingte Bizarrerien herstellen lassen. Ein bleiern trauriges Poem und eine der unbekannteren Schönheiten in Fords Werk.

9/10

John Ford Eugene ONeill Atlantik Seefahrt WWII Alkohol Freundschaft


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THE WINGS OF EAGLES (John Ford/USA 1957)


"I'm gonna move that toe!"

The Wings Of Eagles (Dem Adler gleich) ~ USA 1957
Directed By: John Ford

Der Navy-Commander Frank 'Spig' Wead (John Wayne) ist ein das Leben liebendes Fliegeras. Mit seinen trinkfreudigen Späßen eckt er immer wieder bei Vorgesetzten und Kommandatur an, lässt sich jedoch durch nichts den Spaß verderben - bis ausgerechnet ein häuslicher Treppensturz-Unfall seinem Frohsinn ein jähes Ende setzt: Eine Notoperation kann ihm zwar das Leben retten, doch er ist hüftabwärts gelähmt und gibt sich und seine Ehe mit seiner Frau Min (Maureen O'Hara) auf. Dem unermüdlichen Einsatz seines besten Freundes Jughead Carson (Dan Dailey) verdankt Spig schließlich, dass er zumindest an Stöcken gehen kann. Von der Navy retiriert, beginnt Spig, Drehbücher für Hollywood zu schreiben, darunter viele, die mit der Navy und der Army zu tun haben. Erst Jahre später rauft er sich wieder mit Min zusammen. Nach dem Überfall auf Pearl Harbor bittet Spig um seine Wiederaufnahme in den aktiven Dienst und leistet mit seiner Idee der Jeep-Carrier, kleiner Ersatz-Flugzeugträger für die Schlachtennachhut, einen wertvollen strategischen Beitrag im Pazifikkrieg.

Wundervbar vitales Biopic, dass Ford über seinen Freund 'Spig' Wead "machen musste, weil es sonst ein anderer gemacht hätte". Mit Duke Wayne und Maureen O'Hara vereint er zum dritten Mal seine zwei bevorzugten Hauptdarsteller nach "Rio Grande" und "The Quiet Man". Die unglaublich authentisch wirkende Harmonie zwischen den beiden wird gleich von Beginn des Films an als völlig selbstverständlich exponiert - im Grunde wirkt es fast lachhaft fehlgeleitet, dass sie nicht auch privat eine Lebensallianz geschmiedet haben. "The Wings Of Eagles" ist trotz der phasenweisen existenziellen Schwere seiner Geschichte - die Weads verlieren ihr erstes Baby, geraten häufig aneinander; schließlich Spigs Unfall und später noch seine hinzukommende Herzkrankheit - ein alterslockeres Ford-Werk geworden, das die vom Meister als solche erachteten Lebensqualitäten hervorhebt, festen Mut verbreitet und vor allem als liebevolle Ode an einen Freund Bestand hat. Alkohol spielt eine wichtige, auf der Leinwand ausnahmsweise einmal didaktisch unverbrämte Rolle in Weads Biographie. Tatsächlich verdankt er seine Rekonvaleszenz vornehmlich der ungetrübten Whiskeylaune seines Kumpels Jughead, der hinter der Spiegelkommode von Spigs Krankenzimmer ein ganzes Arsenal an Buddeln per Kleiderbügel verstaut. Auch Maureen O'Hara trinkt gerne mal ein doppeltes Schlückchen on the rocks und die herbe Freundschaft zwischen Spig und seinem Army-Kollegen Hazard (Kenneth Tobey) fußt vornehmlich auf alkoholgetränkten Prügelgelagen. It was a man's world back then.

8/10

John Ford Biopic period piece Familie Ehe Fliegerei Militär WWII Hollywood Alkohol Pazifikkrieg Pazifik San Diego Kalifornien


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QUEEN CHRISTINA (Rouben Mamoulian/USA 1933)


"Must we live for the dead?"

Queen Christina (Königin Christine) ~ USA 1933
Directed By: Rouben Mamoulian

Gegen Ende des Dreißigjährige Krieges verliebt sich die bis dahin als Junggesellin lebende schwedische Königin Christina (Greta Garbo) in den spanischen Diplomaten Antonio de la Prada (John Gilbert), der eigentlich nach Nordeuropa gekommen ist, um der Königin vom Heiratswerben Königs Philipp IV. zu künden. Der Romanze wird sowohl von Christinas eifersüchtigem Schatzkanzler Magnus (Ian Keith) als auch vom schwedischen Volk mit offener Abneigung begegnet. Die Königin jedoch ist der Regierungsgeschäfte überdrüssig und dankt ab, um Antonio heiraten und mit ihm nach Spanien gehen zu können. Zuvor jedoch wird dieser noch von Magnus im Fechtduell tödlich verwundet; Christina verlässt Schweden allein.

Der kommerziell erfolgreichste Garbo-Film ist gar kein solches Kitschfeuerwerk, wie man zunächst vielleicht annehmen mag. Tatsächlich lässt das gesamte Projekt sich bereits auf den ersten Blick als eine große Liebeserklärung an 'die Göttliche' identifizieren. Mamoulian setzt ihr ebenmäßiges Antlitz aus allen denkbaren Perspektiven und in allen denkbaren Gemütszuständen in Close-Ups, wobei die Garbo durch ihren stets würdevollen Gesichtsausdruck mehr oder weniger aktiv eifrig an ihrem eigenen Mythos strickt. Herz-Schmerz bei Hofe, das war und ist stets auch ein dankbares Filmsujet, weil es Ausstatter, Kostümschneider und Schauspieler gleichermaßen herausfordert und vor allem von seinen dankbaren Schauwerten lebt. "Queen Christina" nun kommt vergleichsweise intim daher. Er kapriziert sich tatsächlich zu großen Teilen auf die Person der Königin und die sie umtreibende Disparität zwischen National- und Standestreue sowie das menschliche Recht darauf, freies Individuum zu sein. Ihrem Galan John Gilbert ermöglichte die allenthalben mit ihrer Heimkehr drohende Garbo zugleich eine kurze Rückkehr zum hochbudgetierten A-Film, der das Paar bereits während der gemeinsamen Stummfilmjahre geeint hatte und ihm auch eine private Liaison zuteil werden ließ. Der einst populäre, nunmehr jedoch schwer versoffene Gilbert jedoch war zu diesem Zeitpunkt bereits zur persona non grata auf dem MGM-Studiogelände geworden und trotz der Insistierung seiner Geliebten zum baldigen Ableben verdammt.

8/10

Rouben Mamoulian Dreißigjähriger Krieg Historie period piece amour fou Schweden Biopic





Filmtagebuch von...

Funxton

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