Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

THE BAD AND THE BEAUTIFUL (Vincente Minnelli/USA 1952)


"If you dream, dream big."

The Bad And The Beautiful (Stadt der Illusionen) ~ USA 1952
Directed By: Vincente Minnelli

Verzweifelt versucht der auf dem absteigenden Ast befindliche Hollywood-Produzent Jonathan Shields (Kirk Douglas) drei frühere Mitarbeiter - den Regisseur Fred Amiel (Barry Sullivan), die Star-Aktrice Georgia Lorrison (Lana Turner) und den Scriptautoren James Lee Bartlow (Dick Powell), deren jeweilige Karrieren er einst entscheidend lanciert hat, für sein nächstes Projekt zu gewinnen. Doch alle Drei haben handfeste Gründe, nie wieder mit Shields zusammenzuarbeiten, denn er hat sie nicht nur nach oben gebracht, sondern ihnen allen auch empfindliche private Verletzungen beigebracht, um seinen Willen durchzusetzen.

In episodischer Form, die ambivalente Figur des Albtraumkarrieristen Jonathan Shields jeweils im Zentrum, berichtet "The Bad And The Beautiful" in der zeitgenössisch-modischen Form der Traumfabrik-Nestbeschmutzung vom rücksichtslosen, egomanischen Filmproduzenten, der in Wahrheit bloß eine Höllenangst vor der eigenen Verletzlichkeit und Niederlage hat und darum alles in den Abgrund reißt, bevor er selbst dran glauben muss. Seltsamerweise bringt Jonathan Shields zugleich auch immer die Fähigkeit, respektive den Hang zu umgehend erfolgender Sühne mit; wenn er seinen besten Freund verrät, seine große Liebe im Stich lässt oder scheinbar beiläufig zugibt, dass er Intrigen gegen einen wertgeschätzten Kollegen gesponnen hat. Am Ende, als er zuviel will und bei seiner neuesten Produktion einem renommierten Filmemacher (Ivan Triesault) die Regie entreißt und sich selbst zuspielt, offenbart sich ihm endlich sein zweckloser Egozentrismus im Angesicht der kreativen Niederlage: eine leidenschaftliche Ohrfeige für und Absage an alle Tycoons und Mogule des silver age, die ihren emsigen Filmautoren die Zuständigkeiten beschnitten.
Die berückende Lyrik eines "Sunset Boulevard" erreicht Minnellis Film nicht, er setzt eher auf irdene Trivialität und Klischeebedienung. Das aber versteht er immerhin hervorragend. Ferner beschert er Kirk Douglas eine seiner fünf, sechs größten Performances.

9/10

Vincente Minnelli Hollywood Ensemblefilm Alkohol


Foto

SHIP OF FOOLS (Stanley Kramer/USA 1965)


"I think you're a sawed-off intellectual."

Ship Of Fools (Das Narrenschiff) ~ USA 1965
Directed By: Stanley Kramer

Im Frühjahr 33 fährt ein Passagierschiff von Vera Cruz in Mexico nach Bremerhaven. In der 1. Klasse reist eine bunt zusammengewürfelte Gruppe internationaler Passagiere, während auf dem Zwischendeck Hunderte von spanischen Arbeitern untergebracht werden, die von der Zuckerrohrernte auf Kuba zurück nach Teneriffa schippern. Unter den Reisegästen befinden sich neben einer spanischen Flamencogruppe, deren Tänzerinnen gegen Entgelt auch andere Bedürfnisse erfüllen, der herzkranke Schiffsarzt Schumann (Oskar Werner), eine medikamentensüchtige spanische Adlige (Simone Signoret), in die sich Schumann verliebt, der jüdische Schmuckhändler Löwenthal (Heinz Rühmann), der zwergenwüchsige Philanthrop Glocken (Michael Dunn), der offen nazistischer Redakteur Rieber (José Ferrer), das beziehungskranke Pärchen David (George Segal) und Jenny (Elizabeth Ashley), die verbrauchte Einzelgängerin Mary Treadwell (Vivien Leigh), der alkoholkranke Baseballspieler Tenny (Lee Marvin), der in Scheidung lebende Identitätskrisler Freytag (Alf Kjellin) sowie der liebeskranke Johann (Charles De Vries), der einer der spanischen Huren (BarBara Luna) nachstellt.

Katherine Anne Porters Roman "Ship Of Fools" war zu seiner Zeit ein vielgelesenes, -beachtetes und -gepriesenes Stück Literatur, dessen Kinoadaption ein bombensicheres Geschäft versprach. Produzent und Regisseur Stanley Kramer machte daraus einen edlen Qualitätsfilm, hinter dessen Realisierung sich ausschließlich ausgesprochene Könner verbargen. Da ein Werk unter solcher Prämisse kaum scheitern kann, ist das schlussendliche Resultat natürlich brillant, aber gleichermaßen überraschungslos. "Ship Of Fools" präsentiert sich als ein schöner, gepflegter Ensemblefilm, dessen latente Ironie vielleicht eine Spur zu subtil und hinter der historisch-intellektuell verpflichtenden Entrüstung, die das allgegenwärtige Sujet der angehenden NSDAP-Regierung im Reich förmlich bedingt, zurückbleibt. Kaum auszudenken, was ein bissiger Regisseur wie Altman aus dem Stoff herausgeholt hätte. Hypothetischer Schmarren. Was "Ship Of Fools" hat und mitbringt, ist völlig hinreichend: Sternstunden großartigen Schauspiels, hervorgebracht von einer illustren, nachträglich förmlich ekletizistisch anmutenden Besetzung: So tritt die rund fünfzigjährige Vivien Leigh, der man ihre Schönheit noch immer ansieht und die unter schweren Depressionen, deren Therapieversuchen und körperlichen Gebrechen litt, in ihrem letzten Film auf, so spielt der ewige Nicht-Migrant Rühmann einen gutgläubigen Juden und schmettert José Ferrer deutsche Schlager, so ist ein sozial verfemter Liliputaner (Dunn) der literarische Dompteur des Narrenschiffs, so tritt Lee Marvin überaus respektabel aus dem Genrefilm heraus, so symbolisiert ein armer, seines einzigen Werkzeugs entledigter Holzschnitzer (David Renard) den wahren menschlichen Großmut und so gibt der große Exzentriker Oskar Werner eine weitere Kostprobe seines phantastischen Könnens. Wenn das nichts ist...

8/10

Stanley Kramer Katherine Anne Porter Nationalsozialismus Faschismus Seefahrt Schiff Ensemblefilm period piece Atlantik Alkohol


Foto

THE RED BADGE OF COURAGE (John Huston/USA 1951)


"Lordy, what a fight! And I got shot!"

The Red Badge Of Courage (Die rote Tapferkeitsmedaille) ~ USA 1951
Directed By: John Huston

Nach Wochen des ermüdenden Marschierens und Exerzierens ist es endlich so weit: Der Nachwuchsinfanterist Henry Fleming (Audie Murphy) zieht für die Union in seine erste Schlacht. Doch je näher das Scharmützel mit den Rebellen rückt, desto panischer wird Fleming und tatsächlich ergreift er in der Stunde der Bewährung das Hasenpanier, freilich unbemerkt von seinen Mitkämpfern. Um sein schlechtes Gewissen zu erleichtern, müht sich Fleming von nun an, aufrecht und in vorderster Front dabei zu sein, was ihm schon bald den Ruf eines Helden zuteil werden lässt.

Basierend auf Stephen Cranes gleichnamigem Romanklassiker - der Titel bezeichnet die blutenden Wunden und Narben, die sich der kämpfende Soldat auf dem Schlachtfeld zuzieht - fertigte Huston einen seiner künstlerisch relevantesten Filme, der die Tradition des großen Antikriegsepos "All Quiet On The Western Front" aufgreift: Ein Junge, noch grün hinter den Ohren, verliert ganz flugs seinen anfänglichen Enthusiasmus, als er mit dem wahren Schrecken der Bestie Krieg, mit Gewalt und Tod konfrontiert wird. Dann jedoch findet er sich wieder, tilgt Flucht und Lüge durch Einsatz und reift so zu einem Mann, der, im Zeichen eines Bruderkriegs, in wenigen Tagen durch das bizarre Zerrbild eines eigentlich jahrelangen Entwicklungsprozesses geht. Dass die Rolle dieses Bemitleidenswerten ausagerechnet vom höchstdekorierten US-Soldaten des Zweiten Weltkriegs, nämlich Audie Murphy, gespielt wird, zeugt von dem bitteren Sarkasmus, der "The Red Badge Of Courage" geleitet.
Hustons Film wurde keine erfreuliche Behandlung zuteil. Die MGM kürzte ihn mehrfach (die Mutmaßungen um die zeitlice Länge des entfernten Materials reichen von zwanzig bis hin zu fünfzig Minuten) infolge mieser Previews und unterlegte die Off-Stimme James Whitmores, der Originalzitate aus Cranes Buch einsprach. Huston, der die ursprüngliche Fassung des selbst in dieser Form immer noch meisterlichen Filmes als sein bestes Werk betrachtete, zeigte sich jener unflätigen, kunstfeindlichen Behandlung gegenüber erstaunlich wenig interessiert - was natürlich zu ihm passte. Wie stets in sich ruhend, verzichtete er darauf, sich einem Orson Welles gleich zum Don Quichote der Hollywood-Regisseure aufzuschwingen, der gegen die Studiomühlen antritt. Vergebene Liebesmüh'. Wenngleich Huston und Audie Murphy sich später noch darum bemühten, eine Rekonstruktion des Originals anzustreben, kam eine solche bis heute nicht zustande. Das entfernte Material existiert angeblich nicht mehr. Eines der großen (Kunst-)Verbrechen der Tinseltown-Historie.

9/10

John Huston Sezessionskrieg Stephen Crane Militär Coming of Age period piece Historie


Foto

THE UNINVITED (Lewis Allen/USA 1944)


"That's the dawn breeze..."

The Uninvited (Der unheimliche Gast) ~ USA 1944
Directed By: Lewis Allen

Der Londoner Komponist Roderick Fitzgerald (Ray Milland) und seine Schwester Pamela (Ruth Hussey) kaufen zu einem Spottpreis ein malerisch gelegenes Haus über der Steilküste Cornwalls. Wie sie bald erfahren, soll es in 'Windward House' umgehen und tatsächlich: Nächtliche Klagelaute dringen stets kurz vor der Morgendämmerung durchs Haus; das Atelier im Obergeschoss ist allenthalben eiskalt, Kerzen werden mirnichts dirnichts ausgelöscht und zu allem Überfluss lässt sich hier und da eine schemenhafte, nebulöse Frauengestalt blicken. Auf die junge Stella (Gail Russell), Enkelin des vormaligen Besitzers (Donald Crisp) und Tochter der einst von den Klippen gestürzten Mary Meredith, übt Windward House eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Eine nächtliche Séance beweist: Der Spuk ist nicht eingebildet! Doch was will der Geist eigentlich? Und welche Rolle spielt die seltsame Amateur-Psychologin Miss Holloway (Cornelia Otis Skinner) bei alldem?

Ein innerhalb des klassischen Horrorfilms immens wichtiges Werk, sozusagen der Urahn aller Haunted-House- und Ghost-Movies, von dem das gesamte spätere Subgenre bis heute zehren wird und dem insbesondere wesentliche Marksteine von "The Haunting" bis "The Exorcist" sehr viel zu verdanken haben. Trotz seines stolzen Alters und seiner durchaus gemächlichen, braven Narration gibt es noch immer manch schönen, Gänsehaut evozierenden Moment in "The Uninvited", wofür besonders die tadellose audiovisuelle Gestaltung der Spuksequenzen sorgt. Als nachträglich etwas unwegsam erweist sich die von Ray Milland etwas überkernig ausgestaltete Figur des Roderick Fitzgerald, der seine coole Contenance nie verliert und stets Herr der Lage bleibt, wo selbst gestandene Parapsycholgen sich in die Hosen schissen. Ein wenig gute, ehrliche Angst gehört zum wahren Menschsein einfach dazu. Auch sonst hätte Allen wohl daran getan, auf die eine oder andere Dehnung seines Film zu verzichten, dem eine Viertelstunde Straffung sicherlich gut bekommen wäre. Da es sich jedoch um sein Erstlingswerk handelt, das sich bei aller Kritik bestimmt immer noch mustergültig für ein Debüt ausnimmt, mag man jedoch ein Nachsehen mit ihm haben.

8/10

Lewis Allen England Cornwall Haus Geister Spuk Sanatorium Dorothy Macardle


Foto

SAMSON AND DELILAH (Cecil B. DeMille/USA 1949)


"He was not captured by force of arms, but by their softness."

Samson And Delilah (Samson und Delilah) ~ USA 1949
Directed By: Cecil B. DeMille

Der bärenstarke Nasiräer Samson (Victor Mature) ist den tyrannischen Philistern ein Dorn im Auge: Kaum, dass diese mal wieder irgendeinen alten oder verkrüppelten Hebräer triezen - eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen - ist auch schon Samson zur Stelle und wichst ihnen gehörig die Klumpen. Dass Samson die schöne Philisterin Semadar (Angela Lansbury) freit, wird ihm zähneknirschend gestattet, nachdem er einen Löwen mit bloßen Händen erwürgt. Semadars jüngerer Schwester Delilah (Hedy Lamarr), die ihrerseits ein Auge auf Samson geworfen hat, passt das jedoch gar nicht. Mittels eines intriganten Plans verhindert sie die Eheschließung des Muskelmannes mit Semadar und akzeptiert sogar deren Tod. Als sie merkt, dass Samson sich trotz allem nicht für sie interessiert, biedert sich Delilah dem Philisterkönig Saran (George Sanders) an, um sich wenigstens an dem Objekt ihrer Begierde rächen zu können. Nachdem sie Samson zum Verrat an seinem eigenen Volk treibt, ihm symbolisch seine Körperkraft durch den Verlust seines Haupthaars nimmt und dafür sorgt, dass seine Feinde ihn blenden können, opfert sie sie sich am Ende für ihn, als Samson, wieder bei Kräften, im Alleingang den Tempel des heidnischen Gottes Dagon auseinandernimmt.

Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde jedes Jahr pünktlich zur Mittsommernacht in meinem imaginären Freiluftkino ein triple feature bestehend aus King Vidors "Duel In The Sun", Hawks "Land Of The Pharaohs" und "Samson And Delilah" zeigen, dazu ein Dutzend Tempeltänzerinnen engagieren und Rotwein aus goldenen Kelchen reichen. Welches dieser drei Meisterwerke des goldenen Hollywood-Camp das schönste, weil verworfenste ist, kann man gar nicht sagen. In jedem genannten Film regieren Wolllust, körperliche Habgier und rücksichtsloser Sex vor gleißender Technicolor-Sonne; beben die juwelengefassten Dekolletés und ahnt der Zuschauer, dass die jeweils gezeigte Leinwand-Diva (ob Jennifer Jones, Joan Collins oder die Lamarr) die größte Schlampe der ganzen Weltgeschichte sein muss, die mit Brüsten versehene Personifizierung des Sündenfalls, die Schlange mit der flotten Zunge!
Cecil B. DeMille - das ist das Schöne an all seinen Filmen - konnte so, wie er wollte. Und er wollte eine Menge. Sein Hang zur gewaltigen Bibeladaption nahm im Laufe seiner Karriere immer groteskere Formen an, bis seine private Bigotterie soweit ging, dass sein Finalepos "The Ten Commamdments" sich als nichts anderes darbot denn als die Zelluloidform des vom Volk Israel gegossenen Goldkalbs. "Samson And Delilah" zeichnet diesen Weg bereits vor; er ist teuer, großkotzig und auf beklatschenswerte Art trashig; hat mit Victor Mature einen meiner Lieblingsschauspieler der Vierziger vorzuweisen und bietet mit Hedy Lamarr, die sechzehn Jahre zuvor im zarten Alter von 19 für einen handfesten Skandal gesorgt hatte, weil sie noch unter dem Namen Hedy Kiesler im österreichisch-ungarischen Film "Ekstase" eine ausgedehnte Nacktszene präsentierte, einen wahrlich steilen Zahn auf. Der liebe Gott indes präsentiert sich einmal mehr in der Menschheitsgeschichte als böser Gott, wenn er Samson unter Donner und Blitzschlag die Macht verleiht, bloß mit dem Unterkieferknochen eines Esels bewaffnet über tausend Philister-Soldaten die Schädel einzuschlagen. Aber so ist die Bibel: Ein Fanal des Blutes und der verhinderten Geilheit! Wie DeMilles grandioses Epos hier.

9/10

Cecil B. DeMille Bibel period piece Camp Sandalenfilm amour fou femme fatale


Foto

LINCOLN (Steven Spielberg/USA 2012)


"It's time for me to go. But I would rather stay."

Lincoln ~ USA 2012
Directed By: Steven Spielberg

Im Januar des Jahres 1865, der Sezessionskrieg befindet sich in seinem vierten blutigen Jahr, steht Abraham Lincoln (Daniel Day-Lewis), der 16. Präsident der Vereinigten Staaten, vor der schweren Entscheidung, den 13. Zusatzartikel der Verfassung, der die Gleichheit aller Menschen hervorhebt und damit die Sklaverei abschaffte, im Repräsentantenhaus durchzubringen oder in der Friedensfrage zwischen Nord und Süd zu intervenieren, was der geplanten Ratifizierung mit hoher Wahrscheinlichkeit langfristig einen Riegel vorschöbe. Über Lincolns Kopf prallen die Wogen dieses Interessenskonflikts aufeinander und es obliegt letzten Endes ihm, die "richtige" Entscheidung zu treffen. Dies kostet ihn einige Überredungskunst und verlangt kluges Taktieren, zumal es am Ende in jedem Fall Verlierer geben muss und wird.

Der bislang heißeste Anwärter auf meinen persönlichen Jahresfavoriten. "Lincoln" gehört für mich schon jetzt zu Spielbergs Höchstleistungen als philanthropisches Werk, als fesselnde, ebenso hellsichtige wie erhellende Geschichtsstunde und große Charakterstudie mit dem Mut zu einer bereits verloren geglaubten Bedächtigkeit im jüngeren amerikanischen Film. An "Lincoln" stimmt alles, er scheint keine falschen Pfade zu wählen, enthält sich überflüssigen Ballasts und vermag dennoch mit aller gebotenen Ausführlichkeit und Detailfreude aufzutrumpfen, die sein komplexes Sujet bedingt. Hinzu kommt ein vor Brillanz förmlich starrendes Ensemble, das neben den ohnehin alles überstrahlenden Performances von Daniel Day-Lewis, Sally Field und Tommy Lee Jones mit James Spader, Peter McRobbie, Jackie Earle Haley oder dem alten Hal Holbrook noch diversen weiteren darstellerischen Größen Höhepunkte in ihrem persönlichen Œuvre beschert. Auch was seine formale Gestaltung anbetrifft, ist Spielbergs Film tadellos. Ich wüsste nicht, was man an ihm noch besser machen, geschweige denn perfektionieren sollte.
Man mag "Lincoln" mangelnde Innovation und überschwängliche Mildtätigkeit vorwerfen, dass er sich in seiner finalen Gestalt der Academy angebiedert und um Preise gebuhlt hat, dass er dem verzerrten, selbsträsonistischen Gesellschaftsbild der USA Zucker gibt und dass er ja sowieso bloß das Exempel eines weiteren teuren Hochglanz-Historienfilms ist und seiner eigenen, oftmals sicher vorurteilsbelasteten Wahrnehmung das Wort reden, übersieht in jenem Überschwang aber möglicherweise, dass man ein hervorragendes Beispiel klassischen Filmemachens erlebt und nichts weniger beigewohnt hat als einer Sternstunde des amerikanischen Kinos.

10/10

Steven Spielberg Biopic Historie period piece Washington D.C. Präsident Abraham Lincoln Sklaverei Rassismus Sezessionskrieg Ehe Familie Politik Courtroom


Foto

THE DAY AFTER (Nicholas Meyer/USA 1983)


"Is there anybody there? Anybody at all?"

The Day After (Der Tag danach - The Day After) ~ USA 1983
Directed By: Nicholas Meyer

Als Westberlin durch DDR-Truppen von der Bundesrepublik abgeschnitten wird und die Sowjets militärische Ziele in Westdeutschland angreifen, eskaliert der Kalte Krieg. Die USA und die UDSSR setzen Nuklearwaffen gegeneinander ein. Die Bürger der Kleinstadt Lawrence, Kansas erleben die grauenhaften Folgen eines Atomschlags hautnah mit, da auch Kansas City und die umliegenden Raketenbasen das Ziel von Bomben wird. Wer nicht bereits durch den Atomblitz umgekommen ist, bekommt es mit den langwierigen Folgen des Fallout zu tun.

"The Day After" war 1983 ein leidenschaftliches filmisches Pamphlet gegen die stets dräuende Kulmination des Kalten Kriegs der Weltmächte. Dabei kann er sich als US-TV-Produktion der ABC eine gewisse politische Schuldzuweisung nicht verkneifen, die aber wohl ihre strategische Rechtfertigung haben dürfte, um das hauseigene Publikum gewogen zu halten und die Perspektive auf die letzten Endes primären Inhalte des Films, nämlich den Effekt eines Nuklerakriegs, nicht zu erschweren. Zwar weiß aufgrund der ausgeklügelten Frühwarnsysteme auf beiden Seiten am Ende niemand mehr, wer als erster seine A-Waffen entsendet hat, aber der erste aggressive Akt geht freilich von den Roten aus. Wie dem auch sei - "The Day After" ist fürchterlich beklemmend und nach wie vor ein Film mit hohem Albtraumpotenzial, den jeder global relevante Politiker zu Schulungszwecken einmal im Jahr zwangsverordnet bekommen sollte. Dass er eine fernsehproduktion ist, merkt man ihm zu keiner Sekunde an und andernorts, so auch in Deutschland, wurde er im Kino uraufgeführt. Klugerweise wird das Schreckensszenario ausschließlich auf eine Kleinstadt im Mittelwesten in der Kornkammer der USA verlagert, wo unter anderen neben einer fünfköpfigen Farmerfamilie (John Cullum, Bibi Besch, Lori Lethin, Doug Scott, Ellen Anthony) auch ein alternder Mediziner (Jason Robards), ein junger Student (Steve Guttenberg) und ein Airforce-Pilot (William Allen Young) sich zumeist vergeblich durch die Zeit nach der Bombe kämpfen. Wenn sie nicht bereits alles in unmittelbarer Folge der Detonationen verloren haben, so torpediert bald die Strahlenkrankheit ihren teils noch immer beachtlichen Lebenswillen. Meyer inszeniert dieses beinahe biblische Szenario in quälenden Einstellungen, die in ihrer markigen Wirkung all die großen und kleinen Armageddon-Filme der Jahre zuvor, die zumeist eher als Genreproduktionen angelegt waren und auf Mutanten, Marodeure und Helden nicht verzichten mochten, weit übertreffen. Ein Film somit, dem trotz einzelner Kritikpunkte das seltene Gütesiegel 'wichtig' zugeteilt werden darf.

8/10

Nicholas Meyer Atombombe Kansas Kleinstadt Ensemblefilm WWIII Kalter Krieg Apokalypse Transgression


Foto

SANDS OF IWO JIMA (Allan Dwan/USA 1949)


"What is war?" - "Trading real estate for men."

Sands Of Iwo Jima (Todeskommando) ~ USA 1949
Directed By: Allan Dwan

Eine Gruppe von Marine-Privates bekommt den als ultrahart berüchtigten Sergeant John Stryker (John Wayne) als Korpsführer zugeteilt. Mit verbissener Strenge schleift der wegen einer zerbrochenen Ehe privat traumatisierte Stryker die Männer, die ihn nach außen hin zwar leidenschaftlich verabscheuen, andererseits aber bereits zu ahnen scheinen, dass Strykers gnadenlose Schule durchaus Sinn und Zweck hat. Besonders Stryker und Private Conway (John Agar), dem Sohn von Strykers früherem, gefallenen Mentor, entwickelt sich zu einer beinahe väterlich-söhnlich geprägten Hassliebe. Als Stryker und seine Männer schließlich bei der Landung auf Iwo Jima dabei sind, macht sich die ganze vormalige Gnadenlosigkeit des ehernen Kommisskopfes bezahlt.

Klassischer Genrefilm irgendwo aus der Mitte der vielen Pazifikkriegsabenteuer, in denen Duke Wayne mitgewirkt hat und der so etwas wie die große Schnittmenge bildet aus allem, dass der Star in dieser Richtung gemacht hat. Und nicht nur daraus: Auch ein wenig "Red River" findet sich wieder in "Sands Of Iwo Jima", wobei Wayne den Patronengurt freilich ohnehin nie ganz ablegen konnte. 1949 war Duke 42 Jahre alt und seine Jugend bereits verraucht. Er spielte jetzt häufig Vaterfiguren, heimliche oder unheimliche Patriarchen oder langsam ergrauende Raubeine, die sich nicht selten lediglich durch Nuancen voneinander abgrenzten. Ford hatte ihn kurz zuvor in seinem wunderschönen Kavallerie-Mittelteil "She Wore A Yellow Ribbon" als kurz vor dem Gnadenbrot stehenden Blaurock-Offizier eingesetzt. Von grauem Haar und Bart war er jetzt zwar wieder befreit, dennoch blieb der übermächtige Flor des abgeklärten Kampfweisen, der viel, fast alles kennt und gesehen hat und weiß, welche Richtung einzuschlagen ist. Seinen ideologischen und mentalen Widersacher findet er in der Figur John Agars, der von Vorschriften und soldatischer Lehrbuchpraxis zunächst nicht viel hält und mit Stryker als Stellvertreter den nie gänzlich ausgetragenen Konflikt mit dem eigenen Vater weiterspinnt. Letzterer derweil kann den Kontakt zum eigen Sohn, der bei der Mutter geblieben ist, nicht halten und findet in Conway einen Ersatz für ihn. Doch auch die anderen Jungens aus seinem Platoon, großmäulige Spaßmacher und Greenhorns auf dem Schlachtfeld, gerieren sich wie eine Art Schar widerspenstiger Eleven, die in Form gebracht werden müssen, bevor sie die Ernsthaftigkeit ihrer Situation realistisch einschätzen können. Iwo Jima - viele Jahre vor Eastwood inszeniert Dwan hierin bereits die Errichtung der Flagge auf dem Mount Suribachi - bildet freilich die finale Initiallösung. Strykers Männer, die, die übrigbleiben, erkennen im Angesicht von Tod und Massaker endlich, wie unverzichtbar wichtig die zuvor so missmutig aufgenommenen Härten ihres Sergeants waren. Der alte Held kann nun abtreten (Stryker wird nach fast vollendeter Mission ganz unspektakulär von einem Heckenschützen abgeknallt) und den Weg freimachen für seine Nachrücker. Conway übernimmt ohne weitere Diskussion die Führung der Gruppe.

9/10

Allan Dwan Pazifikkrieg WWII Iwo Jima Hawaii Neuseeland Freundschaft James Edward Grant Militär


Foto

A HIGH WIND IN JAMAICA (Alexander Mackendrick/UK 1965)


"Will I have to die now?"

A High Wind In Jamaica (Sturm über Jamaika) ~ UK 1965
Directed By: Alexander Mackendrick

Weil ein paar englische Kolonisten in Jamaica die umfassende Zivilisationsfeindlichkeit der Insel als schädigend für ihre Kinder empfinden, schicken sie sie per Schiff zurück in die Alte Welt. Kaum auf See, wird der Schoner von dem Piraten Chavez (Anthony Quinn) und seinen Männern ausgeraubt, sieben der Kinder schleichen sich derweil im Zuge eines Abenteuerspiels unbemerkt auf Chavez' Schiff. Erst am Abend entdecken die Piraten die heimlich an Bord gekommenen Kinder und behalten sie fürs Erste bei sich. Für die Kleinen entwickelt sich die folgende Reise zu einem keinesfalls unangenehmen Abenteuerspiel, derweil Chavez bei der königlichen Marine bereits im Verdacht steht, die Kinder umgebracht zu haben. Unter den Piraten brechen sich Konflikte den Weg, da die Mannschaft die durchaus furchtlose, selbstbewusste Wesensart der Kinder zunehmend misstrauisch beäugt. Als die Piraten ein holländisches Handelsschiff kapern, ersticht die ängstliche Emily Thornton (Deborah Baxter) missverständlich den fremden Kapitän (Gert Fröbe). In England werden Chavez und seine Leute schließlich wegen Mordes vor Gericht gestellt.

Ursprünglich hatte James Mason ein Auge auf Richard Hughes' Erzählung geworfen und eine erste Verfilmung geplant, diese jedoch wurde, nachdem sie kurz die Produktionsetage Disneys gestreift hatte, aufgrund ihrer impliziten Düsternis wieder verworfen und dann erst Jahre später von der Fox realisiert. Mackendricks ursprünglicher Schnitt fand sich für den Kinoeinsatz um rund eine halbe Stunde gekürzt, weshalb der britische Regisseur den Film nachträglich ablehnte. Dabei ist er auch in dieser Form noch hinreichend ungewöhnlich, um die Beschäftigung mit sich lohnenswert zu machen; als moralisches Stück um Schuld, Sühne und den zeitweiligen Zynismus göttlicher Gerechtigkeit lässt er den Zuschauer am Ende sehr nachdenklich zurück. Zwischen dem raubeinigen Piraten Chavez und der etwa zehnjährigen Emily entsteht während der Reise über den Atlantik eine zarte, von fast väterlichem Verständnis geprägte Freundschaft, die damit endet, dass Chavez sogar auf einen reichen Beutezug verzichten will, um die durch einen Unfall verletzte Emily und die anderen Kinder in Sicherheit zu bringen. Doch die Kollision der unschuldigen, aus gutem Hause stammenden Zöglinge mit den abergläubischen Raubgesellen lässt von Anfang an kein versöhnliches Ende zu: Bereits John (Martin Amis), der Älteste, muss unterwegs sterben, weil er durch eigene Unvorsicht aus einem Bordellfenster stürzt. Am Ende schlägt sich der durchaus unbeabsichtigte, unheilvolle Einfluss der Seeräuber so sehr nieder, dass Emily in einer für sie unüberschaubaren Situation zur Mörderin wird. Chavez als einziger Zeuge ihrer Tat verzichtet später vor Gericht freilich auf die Verkündung der Wahrheit, um einerseits Emily zu schonen und andererseits der überdies längst fälligen Sühne in Form des Stricks endlich ins Auge zu sehen. "Ich will nicht für etwas gehängt werden, dass ich gar nicht getan habe", wirft Chavez' mitverurteilter, jüngerer Freund Zac (James Coburn) ein. "Du wirst schonmal irgendetwas angestellt haben, dass den Galgen rechtfertigt", erwidert Chavez lachend. Die kleine Emily derweil gelangt zurück in die wohlbehüteten Arme ihrer Eltern, auf Lebzeit ein böses Geheimnis mit sich schleppend, dass sie vielleicht irgendwann als surrealen Albtraum wird verdrängen können.

8/10

Alexander Mackendrick Kolonialismus Piraten Kinder Karibik Freundschaft Jamaica Richard Hughes period piece


Foto

HAS ANYBODY SEEN MY GAL? (Douglas Sirk/USA 1952)


"Do you have to make so much noise playing "Silent Night"?"

Has Anybody Seen My Gal? (Hat jemand meine Braut gesehen?) ~ USA 1952
Directed By: Douglas Sirk

Weil er keine legitimen Erben hat, überlegt sich der Multimilliardär Samuel Fulton (Charles Coburn), die (ihm freilich unbekannte) Familie seiner mittlerweile verstorbenen Jugendliebe Millicent, die in einer Kleinstadt lebenden Blaisdells, zu begütern. Um herauszufinden, ob sie dieser Ehre würdig sind, reist Fulton in cognito unter dem Namen John Smith vor Ort, zieht sich bei den Blaisdells als Untermieter ein und arbeitet als Eisverkäufer im Krämerladen des Vaters (Larry Gates). Alsbald hat Fulton seine "Quasi-Familie" sehr lieb gewonnen und entschließt sich, ihre finanzielle Not zu lindern, indem er ihnen anonym 100.000 Dollar zuschießt. Primär infolge der Euphorie der Mutter (Lynn Bari) dauert es nicht lange, und die Eltern haben sich zu versnobten Neureichen entwickelt, derweil die Kinder sich wieder in ihr altes Leben zurücksehnen. Dank Fultons Engagement fügt sich bald alles zu einem glücklichen Ende.

Für den wunderhübsch bunten "Has Anybody Seen My Gal?" fügte sich Sirk zum Moraldidaktiker vom Schlage eines Frank Capra und lieferte ein Reflexion über die alte Weisheit, wie schnell und wie sehr Geld den Charakter verdirbt. Dass er diese Geschichte mit der Lebensabendgestaltung eines superreichen Seniors verknüpft, der als eine Art 'guter Engel' die Geschicke der Familie Blaisdell steuert und beeinflusst, darin liegt der besondere Kniff des Films. Im Grunde ist "Has Anybody Seen My Gal?" nämlich ein prächtiges Altersgeschenk an den herzhaft-knuffigen Charles Coburn, der um diese Zeit, 74-jährig, als listiger und lustiger Opa stets gern gesehen ward und insbesondere diesen Film, eine ebenso erzkonservative wie spießige Hollywood-Phantasie, der man aufgrund ihres Alters jedoch alles zu verzeihen geneigt ist, faktisch trägt. Die noch sehr jungen Piper Laurie und Rock Hudson sind sicherlich nett anzuschauen, aber keineswegs basale Stützpfeiler für Sirk. Pikant wird es, wenn Coburn gegen Ende, nachdem er bei seinen Rettungsmanövern bereits in einer Schnbapsbar und einer Spielhölle aufgegriffen wurde, unterstellt wird, er mache sich an junge Mädchen heran. Glücklicherweise denkt man sich zumindest nichts Schlimmes bei seiner großväterlichen Freundschaft zu der kecken, kleinen Roberta (Gigi Perreau), aber solch verworfene Verdächtigungsoptionen ersparte man sich im sauberen Studiokino jener Tage bewusstermaßen. In einer Minisprechrolle, die retrospektiv seltsamerweise wie ein bewusst eingesetztes Cameo wirkt, ist der noch unbekannte James Dean als Milchbar-Kid zu erblicken.

8/10

Douglas Sirk Familie Erwachsenenmärchen Geld Freundschaft Weihnachten period piece





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare