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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE BROTHERS KARAMAZOV (Richard Brooks/USA 1958)


"If there is no God, then nothing can be immoral. Everything becomes lawful, even crime. Crime becomes not only lawful, but inevitable."

The Brothers Karamazov (Die Brüder Karamasov) ~ USA 1958
Directed By: Richard Brooks

Ein russisches Dörfchen um das Jahr 1880: Der alternde Patriarch Karamasov (Lee J. Cobb) hat vier Söhne, allesamt von verschiedenen Müttern: den lebenslustigen Soldaten Dimitri (Yul Brynner), den intellektuellen Journalisten Ivan (Richard Basehart), den zutiefst gläubigen Novizen Alexej (William Shatner) und schließlich den illlegitimen, aber stets an des Vaters Seite befindlichen Smerdjakov (Albert Salmi). Zwischen dem Alten und Dimitri bestehen tiefer Hass und leidenschaftliche Abneigung, da der Vater iDimitri sein rechtmäßiges Erbteil der Mutter vorenthält. Der besonnene Alexej kann jedoch immer wieder beruhigend auf die beiden Streithähne einwirken und zwischen ihnen vermitteln. Als der alte Karamasov jedoch die promiske Kneipenwirtin Gruschenka (Maria Schell) zu ehelichen plant und Dimitri sie ihm vor der Nase wegschnappt, eskaliert die Situation. Eines Nachts wird der Senior erschlagen und der leugnende Dimtri steht unter höchstem Tatverdacht.

Diese Verfilmung des letzten Dostojewski-Romans ist eine der prägenden West-Romantisierungen des alten Russland, der sich, zusammen mit "Dr. Zhivago" und "Fiddler On The Roof" durch sein gefälliges, folkloristisches Äußeres und - wer in den Siebzigern und Achtzigern aufgewachsen ist, wird sich erinnern - beständige TV-Wiederholungen tatsächlich maßgeblich für die bürgerliche Vorstellung jenes Zeit- und Lokalkolorits verantwortlich war (und ist). Und wahrhaftig; Yul Brynner als russian lover, Lee J. Cobb als fieser Lustgreis und die ehedem verführerisch schöne Maria Schell, die bereits mit ihrem Lächeln eroitische Tagträume auzulösen vermochte, personifizieren Typen, die aus dem klassischen US-Kino kaum mehr wegzudenken sind. Dass Brooks, ein Filmemacher, der ohnedies längst einmal einer weitflächigen Rekapitulation unterzogen gehörte, aus dem nachdenklich-reflexiven Alterswerk Dostojewskis eine vergleichsweise possierlich geratene, wenngleich flamboyante Hollywood-Soap gemacht hat, ist ihm angesichts des vorzüglich unterhaltenden Resultats nachzusehen.

8/10

Richard Brooks Fjodor Dostojewski Russland period piece Vater & Sohn Brüder Familie Courtroom


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ELMER GANTRY (Richard Brooks/USA 1960)


"Love is the morning and the evening star!"

Elmer Gantry ~ USA 1960
Directed By: Richard Brooks

Während der Depressionsjahre tingelt der opportunistische, dem Whiskey und vor allem den Frauen mehr als zugetane Glücksritter Elmer Gantry (Burt Lancaster) als Vertreter für Elektrogeräte durch die Südstaaten und den Mittelwesten. Als er die wandernde Erweckungspredigerin Sharon Falconer (Jean Simmons), die ihre Predigten einer Zirkusveranstaltung ähnlich in einem Kuppelzelt abzuhalten pflegt, kennenlernt, schließt er sich ihrem Tross an - zunächst freilich, um Sharon ins Bett zu bekommen. Doch bald findet Elmer tatsächlich Gefallen an seiner neuen Rolle als religiöse vox populi, zumal er durch sein exaltiertes Auftreten nach nicht allzu langer Zeit einen höheren Bekanntheitsgrad erlangt als die sich tatsächlich in ihn verliebende Sharon. Alles scheint für Elmer zum ersten Mal seit langem richtig gut zu laufen, bis er es mit seinem verlogenen Kreuzzug gegen die Laster der Welt übertreibt und ihm eine alte, sündige Lebensepisode ein hübsch bestrumpftes Bein stellt...

Fantastische, ihrer Zeit weit voraus blickende Geschichte über falsche Propheten und religiöse Eiferei des großen auteur Brooks, die Burt Lancaster zudem in einer seiner schönsten, unvergesslichsten Rollen zeigt. Wenngleich er den Part des die provinzielle Naivität seines Publikums gewinnbringend ausnutzenden Seelenverkäufers bereits in "The Rainmaker" zum Besten gegeben hatte, und ihn hier im Prinzip "lediglich" nochmals variiert, spürt man seiner Darbietung förmlich an, welche innere Nähe die Figur Elmer Gantrys zum Showman Lancaster gehabt haben muss. Dem Mann mit der gebleckten Kauleiste, die aus mindestens 50 Zähnen zu bestehen scheint, ist man wahrhaft alles abzunehmen versucht; vom Versprechen der Absolution bis hin zum defekten Staubsauger. Elmer Gantry wirkt ferner nicht zuletzt derart authentisch, weil er bei aller existenziellen Unsicherheit ein unerschütterliches Selbstvertrauen an den Tag legt und förmlich darauf konditioniert ist, stets auf die Füße zu fallen. Daher wird man von ihm auch keine Träne sehen, als sein großer Traum der Sesshaftwerdung einer Seifenblase gleich zerplatzt, sondern ein weiteres, egomanes Grinsen, das ihn stolzen Schrittes zu neuen Taten führt. Der Lebemann als bibelfestes Stehaufmännchen - wer anders als Lancaster hätte ihn mit derart formvollendeter Perfektion personifizieren können?

9/10

Richard Brooks Great Depression Wanderprediger Kirche Südstaaten Religion Satire


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SEPERATE TABLES (Delbert Mann/USA 1958)


"You know something? No one else I know of lies with such sincerity."

Seperate Tables (Getrennt von Tisch und Bett) ~ USA 1958
Directed By. Delbert Mann

Das "Beauregard" ist ein altehrwürdiges Hotel in einem englischen Seebad, in dem die meisten Gäste langfristig logieren. Bewirtschaftet wird das Traditionshaus von der liebenswürdigen Pat Cooper (Wendy Hiller), einer Art 'guter Seele' des Beauregard, die mit dem dem Alkohol zusprechenden Gast John Malcolm (Burt Lancaster) verlobt ist. Jeder der Einwohner hat so seine speziellen Problemchen, die eines Tages während der Herbstsaison kulminieren, als mit dem alternden Model Ann Shankland (Rita Hayworth) Malcolms Ex-Frau auftaucht. Der sich integer gebende Offizier Pollock (David Niven) erweist sich als heimlicher Lüstling mit seltsamen Neigungen, derweil die ihn anhimmelnde, alte Jungfer Sibyl Railton-Bell (Deborah Kerr) einen lange schwelenden Konflikt mit ihrer herrschsüchtigen Mutter (Gladys Cooper) austrägt.

Der teilweise überkritische Lancaster-Biograph Tony Thomas schreibt, "Separate Tables" sei der Film Deborah Kerrs und David Nivens. Dies stimmt, wenn auch nicht zur Gänze, so doch zumindest zu großen Teilen, denn in solch großartiger Form und vor allem derart untypisch angelegten Rollen hat man die beiden sonst selten Gelegenheit zu sehen. Besonders Niven als sexuell gestörter Hochstapler, ausnahmsweise mit kapitalem Schnauzer anstelle des schmalen Oberlippenbärtchens, der zur Bilanzierung gezwungen ist und der gerade durch seine letztlich liebenswürdige Offenheit die wahren Gesichter der übrigen Charaktere aufdeckt, erweist sich in der Rolle des Major Pollock als über sich selbst hinauswachsend. Doch auch die Hayworth, die ihren eigenen Diven-Status aufs Korn nimmt, um ihn dann nachgerade lustvoll zu unterminieren, beweist, dass weitaus mehr in ihr steckt als das ikonographische, erotisch-fatale Showgirl der vorvergangenen Dekade. Für Lancaster, das kommerzielle Aushängeschild des Films, bietet "Separate Tables" eher wenig Potenzial zur Ausschöpfung seiner Fähigkeiten. Den Zweifler auf der existenziellen Verliererspur mag man ihm nicht ganz abnehmen.

8/10

Delbert Mann Terence Rattigan England Hotel Ensemblefilm Mutter & Tochter based on play


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SORRY, WRONG NUMBER (Anatole Litvak/USA 1948)


"Henry! Save me!"

Sorry, Wrong Number (Du lebst noch 105 Minuten) ~ USA 1948
Directed By: Anatole Litvak

Die unbewusst unter starken psychosomatischen Beschwerden leidende Leona Stevenson (Barbara Stanwyck) verbringt ihre Zeit vornehmlich im Bett. Als sie eines Abends ihren Mann Henry (Burt Lancaster) telefonisch nicht erreichen kann und stattdessen ein fremdes Gespräch mitverfolgt, in dem die Ermordung einer Frau durchgesprochen wird, beginnt für sie eine Nacht des Grauens...

Verschachtelter Thriller mit meisterlicher Spannungskurve, dessen Plot zwar reichlich konstruiert wirkt, der aber ohnehin vielmehr als formal ausgeklügeltes Suspense-Experiment Bestand erhält. Das Kommunikationsmedium Telefon fungiert in "Sorry, Wrong Number" gleichermaßen als gewaltiger MacGuffin wie als Todesbote; durch die Gespräche, die Leona von zu Hause aus führt, erschließt sich ihr in einem Geflecht komplexer Rückblenden binnen knapper zwei Stunden erzählter (und runder neunzig Minuten Erzähl-) Zeit die gesamte, bislang erfolgreich ausgeblendete Tragödie ihres Lebens: Als verhätscheltes Einzelkind des Pharmamoguls J.B. Cotterell (Ed Begley) wurde sie zeitlebens zur trotzigen Angstneurotikerin hin konditioniert; die Ehe mit dem aus proletarischem Hause stammenden Henry erweist sich als langjährige, von Leona selbst sukzessive vermasselte Farce, die ihren Gatten von einem zunächst frustrierten, dann depressiven zu einem schließlich kriminellen Versager gestempelt hat. Diese unbewusste Arroganz und Ignoranz hat sie schlussendlich mit dem Leben zu bezahlen. Lucille Fletchers auf einem eigenen Hörspiel basierendes Script spielt dabei geschickt mit den Publikumssympathien; die Stanwyck als neurotisches, egozentrisches Psychowrack macht es einem nicht eben schwer, ihr lauerndes Gealtableben zu akzeptieren, derweil Lancaster als in die Ecke gedrängter Täter mehr Mitgefühl evoziert als die allermeisten beauftragenden Kinomörder. Und dennoch ist das beinhahe hysterische, einem Knall gleichende Finale von einer ihresgleichen suchenden Spannung. Famos.

9/10

Anatole Litvak New York film noir Ehe Telefon


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STATE OF THE UNION (Frank Capra/USA 1948)


"There's all the difference in the world: They're in and we're out!"

State Of The Union (Der beste Mann) ~ USA 1948
Directed By: Frank Capra

Die skrupellose, erzrepublikanische Pressezarin Kay Thorndike (Angela Lansbury) will mithilfe des Wahlkampfmanagers Jim Conover (Adolphe Menjou) den idealistischen Flugzeugbauer Grant Matthews (Spencer Tracy) ins Weiße Haus bringen. Matthews, der von Politik eigentlich gar nichts und Kays Idee für Humbug hält, ist bald Feuer und Flamme für seine mögliche, zukünftige Aufgabe und glänzt überall im Land mit flamboyanter Rhetorik. Seine Frau Mary (Katharine Hepburn), die weiß, dass Grant und Kay eine Affäre haben, beißt die Zähne zusammen und unterstützt ihren Gatten nach Kräften. Ohne es zu merken, lässt sich Grant jedoch schleichend korrumpieren, hält vorgefertigte Reden und wird zum Spielball einflussreicher Lobbyisten. Erst eine heimische Wahlsendung fürs Fernsehen, die ganz anders läuft als geplant, holt ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Politik ist ihrem Wesen nach böse, verlogen und frisst ihre Protagonisten unbarmherzig auf. Ein Film von Frank Capra muss und kann nur diese Aussage vertreten. "State Of The Union" führt die US-Politik vor, bringt viel Unangenehmes, Totgeschwiegenes zur Sprache und formuliert klare Botschaften. Allerdings hält er, auch dies kennt man von Capra, keine vorgefertigten Antworten bereit. Er liefert lediglich Denkanstöße und mündet zum Schluss einmal mehr in die naive Phantastik eines großen Philanthropen, Moralisten und Staatsapologeten, der Freiheit und Demokratie schätzt, nicht jedoch die Irrwege, die sie in den letzten Jahrzehnten genommen haben. Wie alle "Bildungsreisenden" bei Capra verläuft sich auch Grant Matthews, beziehungsweise wird er durch die Skrupellosigkeit seiner vermeintlichen Unterstützer in die Irre geführt, findet jedoch in letzter Sekunde auf den Pfad der Tugend zurück: Mr. Deeds, Mr. Smith und John Doe hielten sie dereinst und auch Grant Matthews kommt sie selbstverständlich zu: Die große, finale Ansprache, die die moralische Weste wieder reinwäscht und das unterdessen stark überzogene Sympathiekonto wieder ausgleicht. Capras Konsequenz allerdings, die da lauten mag: Wer wahrhaft altruistisch gefärbte Politik machen will, der kehre ihr am Besten den Rücken zu, zeugt von keiner allzu hellsichtigen Weltperspektive. Aber die erwartet man ja auch kaum in einem Film diesen Regisseurs.

8/10

Frank Capra Washington D.C. Politik Wahlkampf Ehe Satire


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THE SEA OF GRASS (Elia Kazan/USA 1947)


"If you love me, then why don't you support me?"

The Sea Of Grass (Endlos ist die Prärie) ~ USA 1947
Directed By: Elia Kazan

In den 1880ern heiratet die wohlhabende Patriziertochter Lutie (Katharine Hepburn) aus dem Süden den Viehbaron Jim Brewton (Spencer Tracy). Die Ehe bedeutet für sie eine Reise von St. Louis nach New Mexico, wo sie mit der Einsamkeit und der Härte ihres Mannes bezüglich einiger Existenzfragen umzugehen lernen muss. Als der Hass Brewtons auf die immer wieder auf den umliegenden Weidegründen siedelnden Kleinfarmer schließlich die einzige Freundschaft Luties mit der Farmersfrau Selina (Ruth Nelson) zerstört, flüchtet sich Lutie gekränkt in eine Affäre mit dem Advokaten Chamberlain (Melvyn Douglas), aus der neun Monate später ein Sohn hervorgeht. Als Jim erfährt, dass er nicht der leibliche Vater dieses zweiten Kindes ist, wirft er Lutie aus dem Haus und erzieht den kleinen Brock wie sein eigenes Kind. Dieser jedoch beginnt schon als junger Mann die wahren Hintergründe seiner Existenz zu ahnen und entwickelt sich zu einem renitenten Lebemann zwischen Sauferei und Glücksspiel. Als sein loses Auftreten ihn eines Tages in höchste Lebensgefahr bringt, kehrt Lutie nach dem Westen zurück. Erst Brocks Tod kann sie nach so vielen Jahren wieder mit Jim versöhnen.

Der - wenn ich mich nicht verzähle - vierte von neun gemeinsamen Filmen des Paares Tracy/Hepburn findet sich zwar im Westmilieu der Jahrhundertwende angesiedelt, besitzt jedoch eher die Gestalt eines Ehe- und Familiendramas, das gleichermaßen wie eine etwas spartanischer ausgestattete Vorstudie zu George Stevens' pompöser Ferber-Adaption "Giant" wirkt. Hier wie dort erweist sich die Illusion eines naiven Mädchens aus dem Osten, sich mit einem gänzlich praktisch veranlagten, kernigen Rancher im Südwesten arrangieren und problemlos mit ihm leben zu können, als großer Ehe-Stolperstein. "The Sea Of Grass" entwickelt allerdings einen noch wesentlich dramatischeren Sog. Denn wo später (im Film) der unangepasste Jett Rink letzten Endes als Blitzableiter für die familiären Probleme der Benedicts herzuhalten hat und diese sich somit wieder einpendeln können, müssen die Brewtons ein halbes Leben ohneeinander verbringen, wenngleich ihre Liebe zueinander nie versiegt und sie beide keinen neuen Partner finden können oder wollen. Darin liegt wohl die größte tragische Erkenntnis dieses schönen, sehenswerten Kleinepos'; dass Stolz und Stumpfsinn manchmal große Teile eines Lebens zur Beinahe-Verschwendung degradieren können.

8/10

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DESERT FURY (Lewis Allen/USA 1947)


"'Night, Fritzi."

Desert Fury ~ USA 1947
Directed By: Lewis Allen

Die neunzehnjährige Paula Haller (Lizabeth Scott) und ihre Mutter Fritzi (Mary Astor), die ein gut gehendes Spielcasino in Chuckawalla, Nevada besitzt, verbindet eine tiefe Hassliebe. Paula neigt dazu, vor Krisen wegzulaufen und einen postpubertären Fehler nach dem anderen zu machen. Als sie einmal mehr von einer teuren Privatschule geflogen ist, kommt sie zurück nach Hause. Zeitgleich erscheinen die beiden zwielichtigen Gauner Eddie Bendix (John Hodiak) und Johnny Ryan (Wendell Corey) in Chuckawalla. Bendix steht im Verdacht, vor einiger Zeit seine Frau ermordet zu haben, was ihm jedoch vom örtlichen Sheriff Tom Hanson (Burt Lancaster) nie nachgewiesen werden konnte. Außerdem hatte er vor vielen Jahren ein Verhältnis mit Fritzi. Nunmehr verguckt sich Paula in den kalten Filou, was seinem Freund Johnny überhaupt nicht gefällt...

Auch das gibt es: Einen knallbunten film noir in leuchtendem Drei-Streifen-Technicolor; geradezu aufreizend bunt und somit wie ein lebendig gewordener Eklektizismus anmutend. Dennoch; die Stimmung, die "Desert Fury" kreiert, pendelt ganz wunderbar souverän zwischen pulp und camp; Allens Film atmet schwüle Wüstenerotik aus allen Poren. Wer hier was mit wem hatte, wann und warum, das entwickelt sich nach und nach zum einzigen Bestimmungszweck der irrlichternden Präriegestalten. Bendix und Ryan verbindet eine akute Homosexualität, die von Bendix mehr oder minder erfolgreich negiert und lediglich von Ryan als solche anerkannt wird. In solch eindeutiger Form findet man dieses Thema selten im golden age Hollywoods formuliert. Lancasters Hanson, uniformierter Held und reaktionärer Kleinstadtbulle, ist eigentlich der langweiligste, weil spießigste und farbloseste Charakter des Films. Seine breitschultrige Virilität verdeutlicht von vornherein, dass er am Ende als Gewinner aus der Geschichte hervorgehen wird, eine Tazsache, die sich endgültig klärt, als er den dandyhaften, zudem betrunkenen Bendix einmal mühelos zusammenschlägt. Somit ist das vermeintliche happy end zwischen Hanson und Paula eigentlich gar kein richtiges, weil es im Prinzip lediglich trockener Vernunft geschuldet ist, nicht jedoch der lebensstiftenden Libido.

8/10

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LIFE OF PI (Ang Lee/USA, TW 2012)


"Religion is darkness."

Life Of Pi ~ USA/TW 2012
Directed By: Ang Lee

Der Universitätsdozent Pi Patel (Irrfan Khan) berichtet einem in einer Schaffenskrise befindlichen Romancier (Rafe Spall) die unglaubliche Geschichte seines einstigen Schiffbruchs während einer Pazifiküberfahrt von Indien an die nordamerikanische Westküste: Pis Vater hatte dereinst auswandern und seine Zootiere nach Kanada verkaufen wollen und zu diesem Zwecke eine Schiffspassage für seine Familie und die Tiere gebucht. Nur Pi selbst, ein Zebra mit gebrochenem Bein, eine Hyäne, ein Orang Utan und der bengalische Tiger Richard Parker können sich auf ein Rettungsboot flüchten. Bald leben nur noch Pi und der Tiger und es entsteht eine von gegenseitigem Lernen geprägte Zwangssymbiose zwischen den beiden so unterschiedlichen Kreaturen.

Yann Martels Buch, das jenes existenzialistische, komplexe Abenteuer von Pi Patel und dem Tiger Richard Parker beschreibt, liebe ich sehr - ein zu Tränen rührender Abriss der Biographie eines gelernten Philanthropen und Weltenkenners, einer der wenigen unterhaltungskulturellen Schriften, in denen ich die philosophische Annäherung an Religion und Glaubensfragen akzeptieren kann und die geprägt ist von einer wohlmeinenden Schönheit, welche das Leben selbst in die Arme zu schließen versucht. Zugleich handelt es sich um eine Meditation über das Wesen von Erzählungen und Faktenwiedergabe und den persönlichen Preis des Erzählers.
Ang Lees Adaption ist dann auch weitestgehend tatsächlich jener vielgefeierte Glücksfall einer rundum geglückten Literaturadaption, sie rettet den Geist und Seele der magischen Vorlage hinüber auf Film und ist gleichermaßen eine stürmische Liebeserklärung an dieselbe. Während des Films musste ich an genau derselben Stelle weinen wie bei der Romanlektüre - ich denke, anderen wird es da ähnlich ergehen. Jedenfalls macht "Life Of Pi" glücklich - der Film beinahe so sehr wie der Roman.

9/10

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THE SWIMMER (Frank Perry/USA 1968)


"This is the day Ned Merrill swims across the county!"

The Swimmer (Der Schwimmer) ~ USA 1968
Directed By: Frank Perry

Wie ein längst vergessenes Gespenst in Badehose taucht er eines Sonntagmorgens auf und schwimmt sich durch die Swimming Pools von Connecticut: Ned Merrill (Burt Lancaster), einst respektiertes Mitglied der 'vicinity upper class', scheint die letzten Jahre, die seines beruflichen und privaten Niedergangs, übersprungen zu haben und wähnt sich wieder respektiert. Doch je näher er seinem Grundstück kommt, desto unfreundlicher begegnet man ihm; am Ende komplementiert man ihn sogar allerorten recht bestimmt hinfort. Als er dann sein früheres Haus erreicht, ahnt man, dass sein Leben das eines Gestrandeten geworden ist.

Begnadetes storytelling in einer Art früher, gepflegter Initialisierung von "Falling Down". Die Geschichte veranlasst den Rezipienten, ein dekonstruiertes Leben nach und nach zu rekonstruieren; Burt Lancaster, Strahlemann der Nation, erscheint im Garten einer verkaterten Party-Gesellschaft. Man ist erfreut, ihn wiederzusehen, weiß nicht, wo er in den letzten zwei Jahren gesteckt hat, und er will bloß einmal den hauseigenen Swimming Pool durchqueren. Erst peu-a-peu beginnt man zu verstehen, wer dieser Ned Merrill eigentlich ist: Ein einst geachteter, erfolgreicher Geschäftsmann und Familienvater, der im Laufe der Zeit seine Besitztümer und seine Familie verloren hat und sich nun offenbar in eine Art selbstauferlegter Amnesie flüchtet. Diese brillante Idee, basierend auf einer short story von John Cheever, setzt Perry in ebenso meditativen wie zunehmend verstörenden Bildern um: Wer - wie ich - Film und Plot nicht kennt, rätselt anfangs recht verloren um die Identität Merrills - ist er eine Art Gespenst, das wie später in Eastwoods "High Plains Drifter" wiederkehrt, um alte Rechnungen zu begleichen und seine früheren Nachbarn heimzusuchen? Ist er - wie von manch einem Besuchten spekuliert - ein vormaliger Versager, der wieder auf die Füße gefallen ist? Seine Jovialität, sein vernünftiges Auftreten legen davon Zeugnis ab. Erst am Ende, als Merrill im Regen und immer noch fast nackt gegen die längst verschlossene Tür seines verlassenen Anwesens poltert und Einlass begehrt, wo es keinen Einlass mehr gibt, erhält man die befürchtete Bestätigung: Ned Merrill ist, zerfressen von offensichtlich berechtigten Schuldgefühlen, allein, am Boden, am Ende. Und wird es bleiben.

9/10

Frank Perry Satire Sydney Pollack John Cheever New Hollywood Connecticut


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3:15 (Larry Gross/USA 1986)


"Cobras forever!"

3:15 ~ USA 1986
Directed By: Larry Gross

Die 'Cobras' sind die tonangebende Gang im Viertel, wobei die Lincoln High School als Hauptschauplatz für ihre kriminellen Aktivitäten fungiert. Selbst der ermittelnde Polizist Moran (Ed Lauter) steht dem Treiben machtlos gegenüber. Jeff Hannah (Adam Baldwin), Mitglied der Cobras, dreht seiner Gang derweil den Rücken zu, als sein Kumpel Cinco (Danny De La Paz) ein wehrloses Opfer mit dem Messer tötet. Später weigert sich Jeff, für Cinco, der wegen Drogenbesitzes verhaftet werden soll, den Kopf hinzuhalten. Dieser schwört Rache und beginnt, Jeff und seine Freundin (Wendy Barry) systematisch zu terrorisieren - bis hin zum unausweichlichen Duell.

Die Lincoln High kennt man noch aus Mark Lesters "Class of 1984". Ob in "3:15" dieselbe verhunzte Bildungsanstalt als Hauptschauplatz herhalten muss, wäre wohl spekulativ. Dennoch weckt die Namensgleichheit natürlich flugs mehr oder weniger unfreiwillige Assoziationen. Die Lincoln High in "3:15" ist jedenfalls keinen Deut besser dran als ihr 'Vorbild'; auch hier ist die betreffende Institution nicht länger in staatlicher Hand, sondern in krimineller. Die Kids haben die Macht übernommen, die kriminellen freilich, die, die am gewaltbereitesten sind. Kiloweise verscherbeln sie ihr Dope und niemand kann ihnen langfristig etwas anhaben. Der zersetzende Faktor muss hier freilich von innen kommen. In Person des fast ebenso kompromisslos wie der böse Cinco agierenden Jeff Hannah ist dieser Faktor gefunden. Fast im Alleingang, wie weiland Marshall Kane in "High Noon" (zu dem Gross auch sonst mancherlei Parallelen konstruiert), setzt er die Brüder Schachmatt, wobei ihm allerdings auch Cincos zunehmender Größenwahn zu Gute kommt. Am Ende bekommt der kriecherische, katzbuckelnde Rektor (Rene Auberjonois) noch eins auf die Fresse - die Welt ist doch noch gerecht. Ab und zu wenigstens.

6/10

Larry Gross Rache Duell Schule





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