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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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LUST FOR GOLD (S. Sylvan Simon/USA 1949)


"You never loved me, you just loved my gold. You can have it all."

Lust For Gold (Der Berg des Schreckens) ~ USA 1949
Directed By: S. Sylvan Simon

Der junge Barry Storm (William Prince) weiß um einen Goldschatz, den sein Großvater Jacob Walz (Glenn Ford) rund sechzig Jahre zuvor in einem nahezu unauffindbaren Versteck in einem Bergmassiv Arizonas in Besitz genommen hat und begibt sich auf die Recherche danach. Schon seit damals hat die Suche nach dem Gold viele Todesopfer gefordert, darunter einige, die auf das Konto eines geheimnisvollen Scharfschützen gehen. So ist überhaupt die gesamte Geschichte des Schatzes blutbefleckt. Schon Jacob hat einst kaltblütig seinen Partner (Edgar Buchanan) erschossen, um das räuberisch erworbene Gold für sich allein zu haben. Später ist ihm die unheilige Beziehung zu der gierigen Julia (Ida Lupino) selbst zum Verhängnis geworden. Und nun steht Barry mitten im Visier des Heckenschützen...

Eine seltene, dafür umso schönere Melange aus Western und film noir, die besondere Effektivität dadurch erhält, dass sie ihre Geschichte auf zwei Zeitebenen erzählt. Die Virtuosität späterer Regisseure, die Gegenwart und Vergangenheit auch direkt gegeneinander montierten und so ein höheres Maß an Komplexität erreichten, bringt "Lust For Gold" noch nicht auf, die Szenen um Barry bilden die narrative Klammer, während Jacobs Geschichte in Form einer geblockten, zentral gelegenen Rückblende erzählt wird. Jene bildet zugleich das unumwundene Herzstück des Films: Glenn Ford als ruchloser, der Goldgier verfallener Loner ist dabei in einer seiner vollendetsten Leistungen zu sehen, ähnliches gilt für die tolle Ida Lupino. Eines der großen, unbesungenen Paare der Kinogeschichte, die sich verdient, gefunden und infolge ihrer jeweils argwöhnischen Natur aus gegenseitigem Misstrauen heraus zerstört haben. Irgendwo im Dunklen, hinterm Vorhang, warten sie darauf, wiederentdeckt zu werden.

8/10

S. Sylvan Simon George Marshall Arizona Familie Rache Gold femme fatale film noir amour fou


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A PRAYER FOR THE DYING (Mike Hodges/UK 1987)


"There's no reason for killing or dying anymore."

A Prayer For The Dying (Auf den Schwingen des Todes) ~ UK 1987
Directed By: Mike Hodges

Nachdem bei einem seiner Anschläge ein vollbesetzter Schulbus statt des ursprünglich anvisierten Militärkonvois explodierte, ist der vormalige IRA-Profikiller Martin Fallon (Mickey Rourke) auf der Flucht vor seinen vormaligen Gesinnungsgenossen (Liam Neeson, Alison Doody). In London nötigt der Gangsterboss Meehan (Alan Bates) Fallon dazu, als Finaljob einen seiner Konkurrenten auszuschalten. Doch Vater Da Costa (Bob Hoskins) wird zufällig Zeuge des Auftragsmords. Um seine polizeiliche Aussage zu verhindern und ihn nicht auch noch töten zu müssen, lässt Fallon sich von dem Geistlichen die Beichte abnehmen. Für Meehan reicht diese "Sicherheit" jedoch nicht aus.

Nicht ganz das, was er hätte sein können, bleibt "A Prayer For The Dying" trotz seiner denkbar guten Voraussetzungen an der Oberfläche haften. Ungeachtet des emotional betrachtet grundsätzlich durchaus intensiven, involvierenden Themas gelingt es Hodges nicht, den schweren Gewissenskonflikt Martin Fallons wirklich transparent werden zu lassen. Insbesondere die filmische Einführung seiner Figur ist dafür verantwortlich: Gleich zu Beginn des Films lernt man den Protagonisten als verzweifelten, fragilen Angstpatienten kennen, nicht jedoch als den gefürchteten, dutzendfachen Killer, als der er im weiteren Verlauf des Films immer wieder beschrieben wird. Umso brüchiger der vorgestellte Schuld-/Sühne-Komplex. Martin Fallon, von Mickey Rourke in seiner ihm damals typischen Art des stets situativ Überlegenen interpretiert, will sich nie ganz in seine Präambel als dreidimensionale Figur einfügen. Den wesentlich dankbareren, weil greifbareren Part hat Bob Hoskins erhalten, zu dieser Zeit ohnehin einer der vorrangigen britischen Darsteller. Seine Interpretation des vormaligen Killers von staatlicher Legitimation, der den "Absprung" nur durch seine Hinwendung zur Geistlichkeit bewältigen konnte, verleiht "A Prayer For The Dying" erst seinen rechten Glanz.

7/10

Mike Hodges Irland London IRA Terrorismus Kirche Jack Higgins


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THE RECKLESS MOMENT (Max Ophüls/USA 1949)


"When you're seventeen today, you know what the score is."

The Reckless Moment (Schweigegeld für Liebesbriefe) ~ USA 1949
Directed By: Max Ophüls

Um ihrer minderjährigen Tochter Bea (Geraldine Brooks) einen kompromittierenden Skandal zu ersparen, lässt sich die Hausfrau Lucia Harper (Joan Bennett) auf eine niederträchtige Erpressung ein. Bea hatte ihren deutlich älteren Freund (Shepperd Strudwick), den windigen Kunsthändler Ted Darby, im nächtlichen Streit niedergeschlagen, woraufhin dieser auf einen Anker gefallen und gestorben ist. Lucia hat daraufhin die Leiche des Mannes verschwinden lassen. Nun sind jedoch zwei Gauner, Donnelly (James Mason) und Nagel (Roy Roberts) in den Besitz kompromittierender Liebesbriefe gekommen, die eine Verbindung zwischen Bea und Darby nachweisen. Donnelly verlangt 5000 Dollar von Lucia für die Briefe, doch diese Summe ist für sie schwer aufzutreiben. Als Donnelly sein Opfer und dessen Familie besser kennenlernt, wandelt sich seine Gier in einen regelrechten Beschützerinstinkt, der zum konflikt mit seinem Partner führt...

Exzellent komponiertes Noir-Drama von Ophüls, eine Art "Brief Encounter" im Kriminalgewand, das sich trotz seiner potenziell rührseligen Geschichte allerdings jedes vorgebliche Pathos versagt und durch seine immens konzentrierte Struktur bis zum Ende fesselt.
Vom 'Stockholm-Syndrom' haben die Meisten ja schon gehört, dabei verlieben sich Kidnapper und Geisel ineinander. Doch es gibt offenbar noch exotischere Spielarten kriminell konnotierter Opfer-Täter-Beziehungen: In "The Reckless Moment" erwächst eine (unerfüllte) Liebesbeziehung zwischen Erpresser und Erpresster, die sich aus beiderseitiger Einsamkeit speist. Lucias Ehemann ist unentwegt auf Geschäftsreise und lässt seine Familie sogar zu Weihnachten allein; Donnelly ist mit seiner Schattenexistenz als Verbrecher längst unzufrieden und sehnt sich nach Heim und Geborgenheit. Dass sich diese zwei losen Menschen ausgerechnet unter solch widrigen Umständen begegnen müssen, mutet besonders gegen Ende, als sie sich näherkommen und der Zuschauer mit ihnen die moralischen Schranken ihrer eingekesselten Existenzen hinter sich gelassen hat, regelrecht unfair an, ändert jedoch natürlich nichts an der grundsätzlichen Liebenswürdigkeit und vollkommenen Schönheit dieses Films.

9/10

Max Ophüls Kalifornien Erpressung Familie amour fou


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TO KILL A MOCKINGBIRD (Robert Mulligan/USA 1962)


"Miss Jean Louise, stand up. Your father's passing."

To Kill A Mockingbird (Wer die Nachtigall stört) ~ USA 1962
Directed By: Robert Mulligan

Die kleine Jean Louise (Mary Badham), genannt 'Scout' und ihr Bruder Jeremy (Philip Alford), genannt 'Jem', wachsen während der Depressionsjahre in Maycomb, Alabama als Kinder des verwitweten Anwalts Atticus Finch (Gregory Peck) auf. Trotz der schwierigen Situation verleben die beiden mit ihrem Freund Dill (John Megna) schöne Kleinstadtsommer, die allerdings gleichermaßen von dunklen Schatten geprägt sind: So verteidigt ihr Vater den farbigen, der Vergewaltigung an einer Weißen (Collin Wilcox Paxton) angeklagten Tom Robinson (Brock Peters), der die gesamte Landbevölkerung gegen sich hat. Atticus ist der einzige Weiße, der ihm rechtschaffen zur Seite steht. Ihm gegenüber positioniert sich in vorderster Front der Farmer Bob Ewell (James Anderson), Vater des Opfers. Die Kinder nehmen außerdem mit ebenso respektvollem wie wohligem Grusel wahr, dass in ihrer Nachbarschaft der angeblich verrückte Boo Radley (Robert Duvall) lebt, der von seiner Familie versteckt gehalten wird und sich nie bei Tageslicht zeigt.

Wie Harper Lees wunderbarer Roman so ist auch dessen Adaption ein Manifest des Humanismus, eine erquickliche Lektion über Menschlichkeit und Würde in Zeiten allgegenwärtiger Unruhe und Angst. Mit Atticus Finch, neben Kapitän Ahab in Hustons "Moby Dick", seiner Lebensrolle, hat Gregory Peck einen der großen amerikanischen Helden kreiert: Einen pazifistischen Intellektuellen, einen weisen, Rechtschaffenheit und Philanthropie als Existenzprinzipien verfolgenden Anwalt im Kampf für das ewig Gute, dazu einen liebevollen Familienvater, der den Wogen des Lebens mit trotziger Gelassenheit entgegentritt und diese zumeist glorreich meistert. Verlorene Schlachten nimmt er zum Anlass, selbst Besserung zu geloben.
Berichtet wird "To Kill A Mockingbird" allerdings aus ausschließlich kindlicher Perspektive; aus der Sicht Scouts und ihres Bruders Jem, die dem ehernen Vorbild ihres Vaters nacheifern und dereinst, auch infolge seiner vorbildlichen Erziehung, ebensolche Alltagshelden werden dürften wie er. Dass diese so wunderbar lebensweise Geschichte zudem in einen formalen Rahmen gesetzt wurde, dem man kein anderes denn das Attribut der Meisterlichkeit zukommen lassen kann, ergänzt das Gesamtbild bis hin zur Perfektion.
In all seiner bedingungslosen Weisheit, Couragiertheit, Menschen- und Lebensliebe ein magischer Film, der weit über seinen eigenen medialen Horizont hinausreicht und den man gewissen Menschen als bildendes Pflichtprogramm verpflichtend angedeihen lassen möchte. Auf dass sie sich dann bessern mögen.

10*/10

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THE AWAKENING (Nick Murphy/UK 2011)


"They must hate you."

The Awakening ~ UK 2011
Directed By: Nick Murphy

London, 1921: Durch den Weltkrieg und die Spanische Grippe ist die Bevölkerung stark dezimiert worden und zahlreiche Hinterbliebene versinken in Trauer. Diverse Scharlatane machen sich diese Volksstimmung zunutze und inszenieren Séancen und anderen Okkult-Hokuspokus. Die "Geister-Detektivin" Florence Cathcart (Rebecca Hall) hat es sich zur Aufgabe gemacht, derartige Betrügereien aufzudecken. Als Robert Malory (Dominic West), Lehrer an einem renommierten Jungeninternat, Florence engagiert, um dort einen angeblichen gesichteten Geist zu entlarven, findet die ehrgeizige junge Dame bald einige höchst irdische Ursachen für das angeblich übernatürliche Geschehen. Doch bevor sie abreisen kann, offenbaren sich ihr untrügliche Beweise dafür, dass in dem alten Gemäuer tatsächlich etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Die Spuren führen geradewegs zurück in Florences eigene Kindheit...

Gepflegter Gespensterfilm mit sehr versöhnlichem Finale, der mich recht stark an Lewis Gilberts schönen "Haunted" erinnert hat und auch an ähnliche Spukmären wie "The Sixth Sense" und "The Others", in dem die Geister sich letztlich als hilfesuchende, freundliche, vielleicht gar liebesbedürftige Schemen entpuppen und schlimmstenfalls die Lebenden als Initiatoren böser Gegebenheiten. Den Weg zu dieser "Erkenntnis" zeichnet Murphy durchaus gekonnt mit farbentleerten, blassen Bildern, die das englische Zeitkolorit der Nachkriegsjahre ansprechend einfangen. Überhaupt liefert diese Ära vortreffliche Anhaltspunkte für einen Genregeschichte, die allerdings in der Literatur deutlich häufiger Verwendung finden als auf der Leinwand - so etwa die Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft in Form zerstörter Familien und Beziehungen oder schwer traumatisierter Kriegsveteranen, durch die eine allgemein triste, dräuende Atmosphäre sich bei akkurater Gestaltung wie im vorliegenden Falle, fast von allein einstellt.

7/10

Nick Murphy period piece WWI Parapsychologie Geister Haus Schule England London


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BECKET (Peter Glenville/UK, USA 1964)


"Let us drink till we roll under the table in vomit and oblivion."

Becket ~ UK/USA 1964
Directed By: Peter Glenville

England im zwölften Jahrhundert: König Heinrich II (Peter O'Toole), Spross der normannischen Eroberer, und der angelsächsische Thomas Becket (Richard Burton) sind trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft beste Freunde. Der nachdenkliche, der Vernunft zugetane Becket trägt und ertträgt dabei die Eskapaden Heinrichs, dessen Aristokratenwahn ihn häufig zu übermannen droht. Heinrich ernennt Becket zunächst zum Kanzler der Krone und später zum Erzbischof von Canterbury. Doch anders als Heinrich es geplant hat, entwickelt sich Becket in dieser Position zum Widersacher der Krone und damit zum Gegner Heinrichs selbst. Eine Affäre um die Exkommunikation eines Höflings entzweit die ehemaligen Freunde schließlich endgültig. Heinrich, verzweifelt über die Entwicklung der Dinge, erträgt Beckets stoische Opposition irgendwann nicht mehr...

Diese zwei trinkfesten britischen Schauspieltitanen im Duell zu erleben, ist eine ausgesprochene Wonne. Letzten Endes kann man sich dann auch kaum für einen Sieger entscheiden; vielleicht prägt sich O'Toole etwas manifester ein, dafür hat er aber auch die offenkundigere Rolle. Burtons ethische Konflikte spielen sich ja vornehmlich in seinem Inneren ab und sind eher philosophischer Natur, derweil O'Toole vortrefflich den zum Irrsinn neigenden Erbusurpator gibt.
Als Theaterverfilmung nach Anouilh ruht "Becket" zudem auf einem Fundament grandioser Dialoge, denen zuzuhören und -schauen den Geist beflügelt und trotz des historischen Sujets eher wenig Raum für Monumentales lässt. Zinnemanns zwei Jahre später entstandener, etwas populärer beleumundeter "A Man For All Seasons", der, zeitlich versetzt um vier Centennien, ein ganz ähnliches Sujet vorträgt, ist deutlich von Glenvilles Film beeinflusst.

9/10

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IL GATTOPARDO (Luchino Visconti/I, F 1963)


Zitat entfällt.

Il Gattopardo (Der Leopard) ~ I/F 1963
Directed By: Luchino Visconti

Im Zuge des Risorgimento fällt Garibaldi mit seinen Rothemden 1860 in Sizilien ein, was für die Insel nachhaltige Veränderungen bezüglich ihrer Gesellschaftsstruktur mit sich bringt - für den altadligen Fürsten Salinas (Burt Lancaster) eine eher mühselige Entwicklung, die er mit mäßig affirmativem Gestus unterstützt. Salinas' opportunistischer Neffe Tancredi (Alain Delon) hängt derweil sein Fähnchen nach dem Wind und kämpft zunächst für die Freischärler, nur um sich nach Garibaldis Rückzug der königlichen Armee anzuschließen. Die Zeit der Emporkömmlinge bricht an, so auch des ungestümen Neureichen Don Calogero (Paolo Stoppa), dessen Tochter Angelica (Claudia Cardinale) die Verlobte Tancredis wird.

'Gattopardo' ist mit 'Leopard' keinesfalls treffend übersetzt. Tatsächlich steht diese italienische Bezeichnung für 'Serval', eine wendige, gefleckte afrikanische Wildkatze, die die auratische Herrlichkeit der Titelfigur gleich etwas zurückgenommener erscheinen lässt. Das Risorgimento bedeutet für Fürst Salinas das Aufbrechen einer zweieinhalb Millennien alten Tradition. Das Sizilien des 19. Jahrhunderts erstarrt ächzend unter seinem ständischen Filz, es hat geradezu zu atmen verlernt. Eine Veränderung dieser lethargischen Situation ist unabwendbar. Das weiß auch der verständige Salinas, wenngleich er derlei Umbrüche mit seiner eigenen aristokratischen Persönlichkeit nicht vereinbaren kann oder will. Viscontis Meisterwerk "Il Gattopardo" berichtet in detailversessener Schönheit voller Stuck und Schmuck von jener elementaren Sturheit und ihrer schlussendlich notwendigen Resignation; ein letzter Flirt mit Jugend, Schönheit und Leben, ein letzter Walzer, ein letzter Blick in den Spiegel geht ihr voraus. Obschon Salinas trotz seiner umfassenden Reflektionen diesbezüglich auf einem symbolträchtigen Ball wohl nicht direkt vom Tode bedroht ist, hat er sich doch sowohl seinem eigenen Untergang als auch dem der seinen arrangiert; von jetzt an wird er anämisch, phlegmatisch und alt werden, das Relikt einer künftig gelöschten Ära.

10/10

Italien Sizilien Historie period piece Risorgimento Luchino Visconti Giuseppe Tomasi di Lampedusa Adel Sittengemälde


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THE CARDINAL (Otto Preminger/USA 1963)


"Continue playing."

The Cardinal ~ USA 1963
Directed By: Otto Preminger

Der Aufstieg des irischstämmigen Paters Stephen Fermoyle (Tom Tryon) zum Kardinal und Stationen seines Lebensweges, der ihn über persönliche Gewissenskonflikte bezüglich seines klerikalen Standes, rassistische Konflikte in Georgia, wo er einem bedrängten Amtsgenossen (Ossie Davis) beisteht, bis hin zu der Annektierung Österreichs durch Hitler und die dortige Auflösung der katholischen Kirche führt.

Wahrscheinlich die Lebensrolle Tom Tryons, der zur eher unbekannten Fraktion der Garde klassischer Hollywood-Darsteller zählt und als dessen Karriere-Sprungbrett "The Cardinal" möglicherweise auserkoren war. Nach Betrachtung des Films ahnt man jedoch, warum nicht mehr daraus wurde. Tryon, sicherlich ein gutaussehender, charismatischer Mann, wird seiner ihm gestellten Herausforderung nicht nur nicht gerecht, er versagt darüberhinaus mit einer nahezu unglaublichen Gleichmut und macht damit noch das Beste aus der ihn überfordernden Aufgabe. Eine der größten Fehlbesetzungen der Hollywood-Historie gibt es somit zu betrachten. Tryon steht einem phantastischen Ensemble vor, das großartige DarstellerInnen wie Burgess Meredith oder Romy Schneider umfasst, hat einen Meisterregisseur im Rücken und soll eine solch epische Geschichte tragen. Man fragt sich, wie ein Montgomery Clift diese anspruchsvolle Darstellung gemeistert hätte. Ansonsten trägt "The Cardinal" geräuschvollen Kirchenkitsch vor sich her, der nur sehr wenig kritische Perspektiven zulässt und den Vatikan zur erdsäulentragenden Institution verklärt. Er erinnert ein wenig an Zinnemanns "The Nun's Story", der ja ebenfalls mit großer Geste den Konflikt zwischen weltlicher und geistlicher Gesinnung bei Kirchenvertretern verhandelte und fügt sich im Großen und Ganzen recht nahtlos in Premingers Spätphase, die ja primär ambitionierte, großatmige Stoffe bedient. Dies belegt einerseits, dass "The Cardinal" natürlich zu den großen Epen seiner Ära gezählt werden kann, jenen allerdings andererseits, die einen mit wachsendem Werksalter skeptischen Blick förmlich provozieren.

7/10

Otto Preminger Kirche Vatikan Nationalsozialismus Rom Österreich Rassismus Südstaaten Georgia ethnics Boston Wien period piece Familie


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WAR AND PEACE (King Vidor/USA, I 1956)


"I have sinned, Lord, but I have several excellent excuses."

War And Peace (Krieg und Frieden) ~ USA 1956
Directed By: King Vidor

Moskau zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Während Napoleon (Herbert Lom) dabei ist, seinen sich später als katastrophaler Fehlschlag erweisenden Russlandfeldzug vorzubereiten, ahnt die altehrwürdige Aristokratie noch nichts von den künftigen Enbehrungen. Der linkische Pierre Besúchow (Henry Fonda), ein ebenso pazifistischer wie leichtlebiger Intellektueller, heimlich in Natáscha (Audrey Hepburn), die jüngste Tochter des Grafen Rostów (Barry Jones) verliebt. Diese jedoch erlebt ihre romantische Erweckung erst später, als sie während eines Jagdausfluges zufällig Pierres alten Freund, den verwitweten Offizier Andrej Bolkónski (Mel Ferrer) kennenlernt. Andrejs standesbedachter Vater (Wilfred Lawson), ist gegen eine überhastete Heirat und erwartet, dass Andrej zunächst ein Jahr im diplomatischen Außendienst tätig wird. Tatsächlich lässt sich Natáscha während dieser Zeit von dem verruchten Anatól Kurágin (Vittorio Gassman) freien, wovon Andrej im Feld erfährt und Natáscha daraufhin verlässt. Die Schlacht von Borodino fordert derweil viele Opfer, darunter auch Andrej, der schwer verletzt wird. Die Rostóws müssen bald darauf ihr innenstädtisches Haus verlassen und aufs Land flüchten. Natáscha begegnet Andrej wieder, der ihr verzeiht und sich von ihr pflegen lässt, jedoch nicht mehr lang am Leben bleibt. Pierre gerät in französische Gefangenschaft, aus der er ausgerechnet von seinem alten Rivalen Dólochow (Helmut Dantine) befreit werden kann. In der Ruine des rostówschen Anwesens begegnen sich Pierre und Natáscha schließlich wieder, bereit, endlich ein gemeinsames Leben zu beginnen.

Weniger eine adäquate Tolstoi-Adaption als vielmehr ein grandioses Kräftemessen von Hollywod und Cinecittà. Nur die Besten und Größten ihrer Zunft vereinten sich hinter und vor der Kamera für dieses ausgemachte Prestige-Projekt: Carlo Ponti und Dino De Laurentiis wagten eine einzigartige Produzentenehe, die Paramount sprang für den internationalen Verleih ein, Stab und Besetzung vereinten jeweils internationale Fachgrößen mit ausgemachter Hollywood-Grandezza an der Spitze. Als Selznick und die MGM, die sich ebenfalls mit dem Gedanken trugen, Tolstois opus magnum glamourös aufzubereiten, erfuhren, dass die damals auf ihrem Karrierehöhepunkt befindliche Audrey Hepburn für die weibliche Hauptrolle unter Vertrag stand, gaben sie angeblich schleunigst klein bei.
Sechs Millionen Dollar wurden für den Film verpulvert und davon ist, wie es so schön heißt, jeder einzelne Cent sichtbar. Erlesene Ausstattungsgegenstände, Interieurs und Kostüme, gewaltige Statistenaufmärsche, Ball- und Schlachtenszenen von ausgemachtem Pomp: primär und besonders ist "War And Peace" eine opulentes Festmahl fürs Auge, das seine romantischen (Sub-)Kontingente wohlweislich ganz obenanstellt, um aus dem personenreichen Gesellschaftsstück einen Schmachtfetzen von internationaler Erfolgsgarantie zu formen. Mit vollstem Erfolg; Audrey Hepburn, tatsächlich bezaubernd wie eh und je, trägt das Epos auf federleichte Weise, die traurigen Krieger Ferrer und Fonda, sich ihrer untergeordneten Funktion durchaus bewusst scheinend, dienen ihr vornehmlich als Stichwortgeber und ist sie einmal nicht leinwandpräsent, so sehnt man sich gleich ihre nächste Szene herbei. Weitere Rollengeschenke finden sich - natürlich - für Herbert Lom, der einen fabelhaften Napoleon vorstellt, Oscar Homolka als weisen russischen Feldmarschall und Wilfrid Lawson als misanthropisch angehauchten Knauseradligen. Vielleicht in all seiner überstürzten Selbstpräsentation etwas zu naiv, ist "War And Peace" in der Hauptsache etwas für Apologeten des leicht größenwahnsinnigen, monumentalen Silver-Age-Hollywood. Diese allerdings dürften sich immer wieder aufs Neue verlieben.

9/10

King Vidor Leo Tolstoi Historie period piece Russland Moskau Napoleon Napoleonische Kriege Familie Jack Cardiff


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HITCHCOCK (Sacha Gervasi/USA 2012)


"The only worse than a visit to the dentist is a visit to the censor."

Hitchcock ~ USA 2012
Directed By: Sacha Gervasi

Nach "North By Northwest" gerät Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins) in eine kreative Talsohle, die sich mit der Lektüre von Robert Blochs Roman "Psycho" sehr schnell wieder verflüchtigt. Als er von der Paramount eine Absage bezüglich der Produktionskosten erhält, übernimmt Hitchcock zusammen mit seiner Frau Alma Reville (Helen Mirren) selbst die Finanzierung. Gesundheitliche Probleme, Almas Liebäugelei mit einem promisken Scriptautoren (Dany Huston) und schließlich der Druck von Verleih und Zensur machen die Dreharbeiten alles andere als einfach. Der spätere, triumphale Erfolg jedoch gibt dem Meister Recht in all seinen Entscheidungen.

Nett, ehrenwert, possierlich auch: Ein großer Wurf ist Sacha Gervasi mit "Hitchcock", der vielleicht besser "The Making Of "Psycho"" oder ähnlich gehießen hätte, nicht geglückt. Dafür ist sein Film, schon infolge des verhandelten Sujets - Filmemacher besiegt inner Dämonen und rettet seine kriselnde Ehe durch professionelle Sublimierung - schlichterdings zu überraschungsarm und bieder geraten. Ein paar schöne Ideen wie Hitchcocks mental geführte Zwiegespräche mit Ed Gein (Michael Wincott) oder eine nächtliche Pastetenfressorgie vor dem Kühlschrank vermögen es nicht, die selbst dem Laien altbekannten Themen wie Hitchcocks mehr oder weniger heimliche Obsessionen bezüglich seiner Hauptdarstellerinnen und seine daraus resultierenden Ehekrisen mit Alma, sein merkwürdiges Verhältnis zu Eros und Thanatos sowie seine Exzentrik im Umgang mit Financiers und Zensoren an innovativer Kraft aufzuwiegen. Immerhin bekommt man mal Ralph Macchio (als Scriptautor Joe Stefano) wieder zu sehen, der, man glaubt es kaum, tatsächlich gealtert ist. Nun, unterhaltsam ist "Hitchcock" sicherlich und man merkt den Beteiligten samt und sonders die Ehrfurcht an, an der dramatisierten Dokumentierung der Entstehung eines solch monolithischen Kunstwerks mitwirken zu dürfen; ein vereinzelter, schnell gedachter Gedanke an den eigentlichen 'Stein des Anstoßes' veranschaulicht jedoch überaus rasch wieder den Unterschied zwischen Kunst und Mediokrem.

6/10

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Filmtagebuch von...

Funxton

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