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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SWEET BIRD OF YOUTH (Richard Brooks/USA 1962)


"A goofball makes the world keep its balance."

Sweet Bird Of Youth (Süßer Vogel Jugend) ~ USA 1962
Directed By: Richard Brooks

Der Gigolo Chance Wayne (Paul Newman) kommt zurück nach St. Cloud, Alabama, im Schlepptau die derangierte Hollywood-Aktrice Alexandra Del Largo (Geraldine Page). Mit Alexandras Hilfe hofft Chance endlich jener große Star zu werden, der er schon immer sein wollte und damit seine Jugendliebe Heavenly Finley (Shirley Knight) beeindrucken zu können. Dabei geht es in erster Linie um Heavenlys Vater, den Großindustriellen Tom 'Boss' Finley (Ed Begley), der ganz St. Cloud in der Tasche hat. Dieser versucht seit Ewigkeiten, den in Bezug auf Heavenly nicht nachgebenden Chance für immer aus der Stadt zu verbannen.

Nach "Cat On A Hot Tin Roof" die zweite Williams-Adaption von Richard Brooks, wiederum mit Paul Newman in der Hauptrolle des lebensunsicheren Protagonisten auf der Suche nach mehr Rückenwind und Standhaftigkeit. Diesmal ist der gefürchtete Südstaatenpatriarch allerdings nicht sein Vater, sondern ein erbitterter Gegner im Duell um seine Tochter. Doch "Sweet Bird Of Youth" ist figural weitläufiger: Mit der Geschichte um die wodkatrinkende, cannabisrauchende und benzedrinschluckende Diva Alexandra Del Largo entwickelte Williams einen exquisiten charakterlichen Nebenschauplatz. Letzten Endes entwickelt sich die narzisstisch-opportunistische Schauspielerin zu Chances Gewaltkur, seinem 'cold turkey', der ihm ein für allemal einbläut, dass seine Träume nichts sind als Schäume und dass das Leben deutlich irdischere Herausforderungen bietet. Auch ungewöhnlich, dass in der Rolle des Möchtegern-Starlets einmal ein Mann zu sehen ist, derweil seine Freundin den entsprechend notwendigen Räsonanzpart erhält.
Nicht ganz so umwerfend wie "Cat On A Hot Tin Roof", aber doch überaus lohnenswert und mit einem schönen Ende angereichert.

8/10

Richard Brooks Tennessee Williams Südstaaten Florida Alabama Alkohol Drogen Familie based on play


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RAINTREE COUNTY (Edward Dmytryk/USA 1957)


"I haven't married an abolitionist, have I?"

Raintree County (Das Land des Regenbaums) ~ USA 1957
Directed By: Edward Dmytryk

Freehaven, Indiana 1959. Der begabte Nachwuchsdichter John Shawnessy (Montgomery Clift) liebt eigentlich seine Jugendfreundin Nell (Eva Marie Saint), als ihm eines Tages die southern belle Susanna (Elizabeth Taylor) begegnet. Nach einer kurzen, heftigen Romanze eröffnet Susanna John, dass sie ein Kind von ihm bekäme - wie sich später herausstellen wird, eine Lüge, um John an sich zu binden und ihn zur dann tatsächlich stattfindenden Heirat zu bewegen. Doch dies ist nicht der einzige seltsame Charakterzug Susannas, wie John bald herausfindet. Ein schweres Kindheitstrauma in Verbindung mit einem pathologischen Rassismus lastet auf ihrer Seele. Der liberale John ist derweil ein überzeugter Gegner der verfilzten Südstaatenmentalität, insbesondere der Sklaverei. Bald zieht er mit Susanna zurück nach Freehaven und das Paar bekommt einen Sohn, während der Bürgerkrieg ausbricht. Susanna verschwindet mit dem Jungen und John geht zur Armee, um seine Familie jenseits der Front suchen zu können.

Gedacht als eine Art Repetition des nachhaltigen Erfolges von "Gone With The Wind" gab die MGM dieses neuerliche Sezessionskriegsepos in Auftrag - mit überaus mäßigem kommerziellen wie feuilletonistischen Erfolg. Dabei gebührte Dmytryks Werk - einem seiner schönsten Filme - eine weitflächige Rehabilitierung. Der Nebenplot um den mystischen goldenen Regenbaum, dessen Finder ewige Seligkeit und Zufriedenheit zuteil werden sollen, verleiht dem Film einen magischen zweiten Atem. Als Südstaatenepos, das der ganzen, historischen Dissonanz der Region - ihrer majestätischen Schönheit versus ihrer dekadenten Oberflächichkeit - ein Denkmal setzt, gibt "Raintree County" jedenfalls mindestens so viel her wie jedes vergleichbare Werk. Der Film, noch vor "Ben-Hur" als erster im Superbreitwandverfahren 'Camera 65' gedreht, schwelgt in satten Farben und führt ein großartiges Ensemble ins Feld; allen voran Lee Marvin als großspurigen, aber höchst liebenswerten Lebenskünstler Flash Perkins und Nigel Patrick als verschrobenen Intellektuellen Professor Stiles. "Raintree County" wird getragen von diesem Personal und der Film hätte es, schon aufgrund eines implizit notwendigen, detaillierteren Ausarbeitungsreichtums verdient, noch mindestens vierzig Minuten länger zu sein. So erscheint er vielleicht partiell zu fragmentarisch und abgehackt, was ihn keinesfalls versagen, aber wehmütig daran danken lässt, was mit etwas mehr Mut von Produktionsseite möglich gewesen wäre. Legendär eine Anekdote um Montgomery Clifts Autonunfall, den er während der Dreharbeiten erlitt, der seine Physiognomie nachhaltig veränderte und dessen Folgen (inklusive Operationsnarbe am Hals) in vielen Einstellungen des Films deutlich sichtbar sind.

9/10

Edward Dmytryk Sezessionskrieg Ehe Familie Indiana Freundschaft Madness period piece


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ET MOURIR DE PLAISIR (Roger Vadim/F, I 1960)


Zitat entfällt.

Et Mourir De Plaisir (...und vor Lust zu sterben) ~ F/I 1960
Directed By: Roger Vadim

Die junge Carmilla von Karnstein (Annette Vadim) kommt zur Verlobungsfeier ihres Cousins Leopoldo (Mel Ferrer) und dessen Braut Georgia (Elsa Martinelli) auf den alten Familiensitz in der Nähe von Rom. Carmilla hat die alte Kindheitsromanze mit Leopoldo nie ganz vergessen können. Als während der Verlobungsfeier ein Feuerwerk von der hochgelegenen Familiengruft aus gezündet wird, explodiert eine alte Kriegsbombe und legt die Katakomben frei, in denen die Gebeine der Gräfin Mircalla von Karnstein liegen, die vor rund dreihundert Jahren hier gelebt hat und der man nachsagt, eine Vampirin gewesen zu sein. Ein somnambuler Spaziergang führt Carmilla in die Gruft und sie kommt verändert wieder hinaus. Sie wird Leopoldo und Georgia gegenüber noch unzugänglicher als ohnehin schon und bald gibt es mit dem Hausmädchen Lisa (Gabriella Farinon) eine Tote.

Vor der "Karnstein"-Trilogie der Hammer nahm sich bereits Roger Vadim Le Fanus Novelle um die Vampirin Carmilla/Mircalla an, die weibliches Blut als Lebenselixier bevorzugt. Noch deutlich poetischer als die spätere Adaption legt Vadim seinen Film wie viele seiner Arbeiten als Geschenk für seine gegenwärtige, schöne Gespielin an, in diesem Falle die Dänin Annette Strøyberg, mit der der Regisseur zwei Jahre verheiratet war, bevor sie dann von Catherine Deneuve abgelöst wurde. Vadim versetzt den Plot in die Gegenwart und überlässt zumindest ansätzlich dem Publikum die Entscheidung, ob es der darbende Geist der lange verstorbenen Mircalla ist, der von Carmilla (und später Georgia) Besitz ergreift, oder ob Carmilla ein Opfer ihrer unerfüllten erotischen Sehnsüchte geworden ist. Allerdings sprechen einige Wahrnehmungen seitens der Kamera - Pferde scheuen plötzlich vor der einstmals versierten Reiterin Carmilla, Rosen verwelken nach wenigen Sekunden in ihrer Hand - für ersteres. Diese Gratwanderung, die Unvereinbarkeit zwischen altehrwürdiger Spiritualität und streng akademischer Moderne, bestimmt den Geist von Vadims oberflächlich etwas naivem Werk, das jedoch von einer ausgesprochenen visuellen Schönheit getragen ist.

8/10

Roger Vadim Sheridan Le Fanu Italien Vampire


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CHAINED HEAT (Lutz Schaarwächter/USA, D 1983)


"Don't call me 'warden'. Call me Fellini!"

Chained Heat (Das Frauenlager) ~ USA/D 1983
Directed By: Lutz Schaarwächter

Weil sie versehentlich einen tödlichen Unfall verursacht hat, muss Carol Henderson (Linda Blair) ins Gefängnis - dass sie im härtesten Frauenknast mindestens des Staates landet, passt jedoch nicht zu ihrem zarten Wesen. Schon bald lernt sie die Strukturen hinter Gittern kennen: Zwei verfeindete Matriarchinnen (Sybil Danning, Tamara Dobson) habe unter den Insassinnen das Sagen, derweil die uneinige Leitung unter Warden Bacman (John Vernon) und Chefaufseherin Taylor (Stella Stevens) einen kriminellen Konkurrenzkampf austrägt: Es werden Pornofilme gedreht, Vergewaltigungen organisiert, man verschachert harte Drogen und befeuert einen Prostitutionsring. Als Carols Freundin Val (Sharon Hughes) grausam ermordet wird, weil sie Zeugin der Machenschaften Captain Taylors wurde, geht Carol in die Offensive...

Ein opus magnum des Exploitationfilms hat Lutz Schaarwächter unter dem Pseudonym 'Paul Nicolas' da vor drei Dekaden auf die Beine gestellt. "Chained Heat" ist denn auch verdientermaßen zu einem instant classic mit wachsender Fangemeinde avanciert, weil er eben alles aufbietet, was das voyeuristische Herz begehrt: Eine Ausnahmebesetzung zu der sich neben den Erwähnten noch Henry Silva und Monique Gabrielle gesellen, schöne nackte Frauen, Vergewaltigungen, knackige Gewaltszenen. Man vermisst garantiert nichts am Ende. Hinzu kommt, dass Schaarwächters Arbeitsethos sich durchaus qualitätsbewusst ausnimmt. "Chained Heat" ist jedenfalls kein heilloser Trash, der von seiner ungelenken Inszenierung zehren muss, sondern ein echter, ambitionierter Vollblutexploiter nach Maß. Joseph Conlans Musik hat streckenweise was von Tangerine Dream und passt sich dem anrüchigen Geschehen hinter dicken Gefängnismauern vortrefflich an. Runde Angelegenheit.

7/10

Lutz Schaarwächter Ernst Ritter von Theumer Mac Ahlberg Gefängnis W.I.P. Exploitation Camp


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THE MASTER (Paul Thomas Anderson/USA 2012)


"This is pointless. He isn't interested in getting better."

The Master ~ USA 2012
Directed By: Paul Thomas Anderson

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und seinem Austritt aus der Navy findet sich der ohnehin extrem neurotische Veteran Freddie Quell (Joaquin Phoenix) noch zusätzlich schwer traumatisiert im Privatleben wieder. Selbst einfachste Berufe kann er nicht ausüben, weil es früher oder später immer wieder zu durch ihn provozierten Zwischenfällen kommt. Im Zuge einer seiner Fluchtaktionen landet Freddie auf der Hochzeit der Tochter (Amy Adams) des Sektenstifters Lancaster Dodd (Philip Seymour Hoffman). Dessen Vereingung 'The Cause' speist sich aus willfährigen, häufig wohlbetuchten Anhängern, die Dodds Konzept von Reinkarnation und Rückführungen, welche existenzielle Barrieren niederreißen sollen, mittragen. Der ebenso charismatische wie intellektuelle Dodd findet Gefallen an dem ungebildeten Soziopathen Freddie Quell und dessen Kunst, aus jeder methanolhaltigen Flüssigkeit binnen Minuten ein schmackhaftes Gesöff herstellen zu können und macht ihn zu seiner rechten Hand. Doch trotz aller Indoktrinierungsversuche lässt Freddie sich nie gänzlich zu einem von Dodds Schäfchen 'umprogrammieren'. Nach Jahren trennen sich die Wege der beiden Männer wieder.

Von einem, der auszog, sich nicht bekehren zu lassen: Anderson verfolgt die Linie seines sperrigen, mysteriösen Kinos weiter und bleibt damit anhaltend erfolgreich. Nachdem er sich vom Ensemble-Konzept abgewandt hat, steht jeweils ein gleichermaßen monolithischer wie vielschichtiger Charakter im Mittelpunkt seiner Filme: In "Punch Drunk Love" war es der hochneurotische Barry Egan, in "There Will Be Blood" der egomanische Öltycoon Daniel Plainview, nun, in "The Master", ist es Freddie Quell, ein unterbelichteter, multipel gestörter Kriegsveteran: Alkoholiker, misogyn, triebhaft, gewaltbereit, selbstverleugnend, ödipal geprägt, grenzdebil. Und ausgerechnet ihn erklärt Anderson zum Helden seines Films; man wächst mit Freddie, gewöhnt sich an seine Marotten und seine stoische Verweigerungshaltung gegenüber jedwedem Versuch, ihn zu glätten und zu subordinieren. "The Master" stellt nämlich weder das Porträt eines Sektenführers dar, noch überhaupt die Strukturanalyse des Sektenwesens. Jenes spielt eine bestenfalls marginale Rolle. Stattdessen berichtet er von der immens komplexen Beziehung zweier Männer zueinander, die sich freundschaftlich zugetan sind und von denen der eine den Triumph über den anderen für zwangsläufig und selbstverständlich hält, lediglich, weil er ihm geistig meilenweit überlegen ist. Dass auch Lancaster Dodd seine Schattenseiten besitzt, und recht ominöse dazu, davon erzählt der Film im weiteren Verlauf und exponiert den scheinbar so selbstsicheren, siegesgewissen Mann als hinterrücks mindestens ebenso patholgischen Charakter wie den mental simpler gestrickten Freddie Quell.
Paul Thomas Anderson dürfte einer der wenigen aktiven Hollywood-Regisseure, der befähigt ist, derart autark zu arbeiten und vordergründig unkomfortable Filme wie diesen in einer noch dazu solch eigenwilligen Form abzuliefern. Dafür sollte man dankbar sein.

9/10

Paul Thomas Anderson Sekte WWII Philadelphia period piece Freundschaft Alkohol


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8MM (Joel Schumacher/USA, D 1999)


"DIE! FUCKER DIE! DIE!"

8MM ~ USA/D 1999
Directed By: Joel Schumacher

Der eher ungern im Trüben stochernde Hochglanz-Detektiv Tom Welles (Nicolas Cage) wird von der betagten Witwe Mrs. Christian (Myra Carter) engagiert, die Herkunft eines 8MM-Snuff-Filmes zu untersuchen, den sie im Safe ihres verstorbenen Mannes, eines reichen Wirtschaftsführers gefunden hat. In dem kurzen Film wird ein Mädchen (Jenny Powell) von einem Maskenmann (Chris Bauer) misshandelt und schließlich abgeschlachtet. Welles soll herausfinden, ob es sich um gestellte Aufnahmen oder authentische Aufnahmen handelt. In Los Angeles kommt er mithilfe eines stenefirmen Amateurmusikers (Joaquin Phoenix) einem Snuff-Ring auf die Spur, dem der New Yorker Dino Velvet (Peter Stormare) vorsteht. Tatsächlich wurde Mary Ann Matthews, so der Name des Mädchens, vor der Kamera ermordet. Der längst vollkommen konsternierte Welles entwickelt zunehmend ungebremste Aggressionen gegen die Täter...

Wo "Falling Down", bis zu gewissem Grad ja ebenfalls eine Beschäftigung mit dem Topos 'Vigilantismus', zumindest noch einen Rest von Diskutabilität aufweist, nimmt sich "8MM" auf das denkbar Biederste konservativ aus. Nach Andrew Kevin Walkers umwerfendem "Se7en"-Script war einiges von dem Autoren zu erwarten, dass er jedoch mit einem derart plumpen Konstrukt um die Ecke kommen sollte, finde ich, speziell im Hinblick auf die Qualität des literarischen "Vorgängers", noch heute problematisch. Glücklicherweise rettet sich "8MM" gegen Ende noch halbwegs über die Runden durch seine unfreiwillige Komik, die das moralisch hochentrüstete Kartenhaus, das der Film zuvor mit großer Geste errichtet hat, in sich zusammenstürzen lässt. Nicolas Cage, nach meinem Empfinden schon immer ein Mann, der die vielen lächerlichen Stoffe, an deren Ausführung er sicherlich primär des Geldes wegen mitwirkte, als solche erkannt hat und ihnen durch gezieltes overacting entsprechend "Tribut" zollt, als Objekt der Entrüstung in den Mittelpunkt zu stellen, war ein personeller Schachzug, dem der Film verdankt, dass er nicht gleich umweglos in die Tonne wandern sollte.
Das "8MM" zugrunde liegende Menschenbild trägt Zeugnis einer fanatischen, wenn nicht pathologischen Abscheu vor jedwedem sexuell Normabseitigen. Allein Welles' erster aktiver Kontakt mit der Pornoszene ist bereits so inszeniert, dass der Ruch des Widerlichen und Perversen sich bis weit vor die Leinwand erstreckt - Cages permanent und zunehmend angeekeltes Gesicht spricht Bände. Als er im weiteren Filmverlauf auf einem einschlägigen Hinterhofbasar das Cover eines Kinderpornos in die Hand nimmt, wischt er selbige danach voller Widerwillen an seinem Revers ab. Doch Welles' steigt noch weiter hinab in die neun Inferni der Pornographie, um am Ende personell mit ihrer niederträchtigsten Form konfrontiert zu werden, selbstverständlich symbolisiert durch ein repräsentatives Quartett des denkbar übelsten menschlichen Abschaums: Den schmierigen Regisseur (Stormare), das abartige Muttersöhnchen (Bauer), den abgewichsten casting agent (James Gandolfini) und den korrupten, schnauzbärtigen Hochglanzanwalt (Anthony Heald). Die zwei, die sich nicht aus wechselseitigem Misstrauen gegenseitig umgebracht haben, richtet Welles, nachdem er sich moralisch durch eine Anfrage bei Muttern Matthews (Amy Morton) legitimiert hat, mit symbolischem, feurigem Cherubsschwert. Danach kehrt er bitterlich weinend in den reinigenden Schoß seiner jungen Familie zurück - die Welt hat ihn wieder, mitgenommen zwar, aber durch seine Gewaltakte vom Erlebten geläutert und gereinigt.
Als trashige Spaßgranate funktioniert "8MM", besonders, da er sich so gern als Manifest der moralischen Entrüstung verstünde. Als ernstzunehmender Genrefilm, also das, was er zu sein vorgibt und wünscht, ist er somit nachgerade erbarmungswürdiger Dreck.

4/10

Joel Schumacher Snuff Subkultur Pornographie Los Angeles New York Familie Selbstjustiz Rache


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FALLING DOWN (Joel Schumacher/USA 1993)


"I'm on the other side of the moon now and everybody is going to have to wait until I pop out."

Falling Down ~ USA 1993
Directed By: Joel Schumacher

An einem besonders heißen Sommertag dreht der ohnehin latent psychiotische Bill Foster (Michael Douglas) durch und bahnt sich seinen Weg durch Los Angeles von Pasadena bis nach Venice. Fosters kleine Tochter Adele (Joey Hope Singer) hat Geburtstag und obgleich Foster sich Frau (Barbara Hershey) und Kind per Gerichtsbeschluss nicht mehr nähern darf, setzt er sich, einer Dampfwalze gleich, in Bewegung. Auf seinem Weg wird er Zeuge der Schattenseiten der Stadt und schon nach wenigen Metern verwandelt sich seine kleine Reise in einen Amoklauf, die eine Schneise der Angst und Zerstörung quer durch die Stadt hinterlässt.

Wenn man betreffs "Falling Down" schon von politischer Implikation sprechen muss, so bitte nur kurz - ein unleidliches Thema. Eine buchstäblich reaktionäre Tendenz ist dem Film natürlich nicht abzuleugnen. Er jongliert mit klassischen Wutbürger-Themen wie Einwanderung, ethnischen Unruhen, ökonomischem Ungleichgewicht und der hoffnungslosen Überforderung der staatlichen Instanzen. Beeinflussbare Gemüter mögen darin unschwer nachvollziehbare Geisteshaltungen ausmachen und darum ist Schumachers Film ideologisch nicht unbedenklich. Wenngleich an der psychischen Labilität Bill Fosters, denn die Credits analog zu seinem Nummernschild martialisch als "D-Fens" ausweisen, kein Zweifel offen bleibt, widersteht "Falling Down" nicht der Versuchung, ihn als tragischen Antihelden zu glorifizieren, ein Opfer der allgemeinen und individuellen Umstände, dessen permanente Einschüchterungsaktionen letzten Endes als universelle Warnungen zu verstehen sind und dessen zwei aktive Totschläge im Laufe seines Stadttrips aus Notwehr beziehungsweise im Zuge eines vom Opfer provozierten Unfalls heraus stattfinden.
Trotz all dieser Bedenklichkeiten gelang Schumacher mit "Falling Down" ein guter, streckenweise sogar exzellenter Film. Abseits seiner oberflächlichen, sicherlich gezielt populistischen Verhandlungen demoskopischer Themen berichtet er nämlich auch in mithin poetischer Form von einem heißen urbanen Sommertag, der bekanntlich dazu taugt, anfällige Menschen irrational agieren zu lassen, von einem unmittelbar vor der Pension stehenden Polizisten (Robert Duvall), der als ultima ratio zu Bill Fosters Antagonisten wird und bietet zudem einen virtuellen Streifzug durch die eher unschönen, nichtsdestotrotz jedoch existenten Gegenden von Los Angeles. Mit Duvall, Frederic Forrest und Barbara Hershey befinden sich drei Schlüsselschauspieler New Hollywoods im Film, deren konzentrierte Mitwirkung durchaus den Schluss zulässt, dass "Falling Down", gewissermaßen ohnehin ein westcoast heir von "Taxi Driver", auch wunderbar zwanzig Jahre zuvor hätte entstehen können. Ob er dann allerdings so fruchtbar diskutabel ausgefallen wäre, ist müßige Gedankenspielerei.

8/10

Joel Schumacher Los Angeles Amok Familie Duell Madness Sommer Venice Beach Selbstjustiz


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TRANCE (Danny Boyle/UK 2013)


"The memory cannot be destroyed."

Trance ~ UK 2013
Directed By: Danny Boyle

Der bei einem Auktionshaus beschäftigte Simon (James McAvoy) hilft dem Ganoven Franck (Vincent Cassel) und seiner Gang, einen wertvollen Goya zu stehlen, versteckt ihn jedoch im allgemeinen Aufruhr und leidet hernach an einer durch einen Gewehrkolbenschlag hervorgerufenen Amnesie. Das Gemälde bleibt verschwunden. Um dessen Versteck zu enthüllen, soll Simon sich einer Hypnotherapie unterziehen. Er selbst wählt die Therapeutin Elizabeth (Rosario Dawson) aus, sein Gedächtnis zu ordnen, verrliebt sich jedoch nach kurzer Zeit in sie. Damit beginnt ein für alle Beteiligten zunehmend gefährliches Vexierspiel, in dessen Unordnung Simon sich bald nicht mehr auskennt.

In seiner bewährt aufwändigen, undurchdringlich-collagenhaften Form widmet sich Danny Boyle zum ersten Mal seit seinem Debüt wieder einer originär kriminalistischen Geschichte, die, ähnlich wie das "Shallow Grave" im Laufe ihrer Entwicklung enthüllt, zu welchen Verworfenheiten gierige und besitzergreifende Zeitgenossen fähig sind und die die meisten ihrer Mitspieler als bestialische Moralhuren denunziert. Schön. Da Boyle, zumindest was mich anbelangt, eine trotz der wesentlichen Boshaftigkeit seiner Geschichte flächige, entspannte Betrachtung begünstigt, mag ich seine Filme ohnehin stets sehr. Ich kann mir vorstellen, dass der bei der Erstbeschau zwangsläufig recht konzentrationsintensive, inhaltliche Aspekt sich bei Wiederholungen wesentlich geschmeidiger ausnimmt und in den Hintergrund tritt, woraufhin die audiovisuellen Vorzüge von "Trance", der einmal mehr von seiner prachtvollen Einfärbung in Verbindung mit sphärischen Klängen lebt, deutlich entspannter zu genießen sein werden. Hat mir gut gefallen.

8/10

Danny Boyle Hypnose Heist London Psychiatrie


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THE MOUNTAIN (Edward Dmytryk/USA 1956)


"My brother was a good man!"

The Mountain (Berg der Versuchung) ~ USA 1956
Directed By: Edward Dmytryk

Über einem Berggipfel der französischen Alpen stürzt im dichten Nebel ein aus Kalkutta kommender Passagierjet ab. Ein erster Bergungsversuche mit einem ortskundigen Führer (Stacy Harris) erweist sich als zwecklos, nur erfahrene Bergsteiger können zu dieser Jahreszeit in die Nähe des Wracks gelangen. Für den gierigen, lebensfrustrierten Fremdenführer Chris Teller (Robert Wagner) eine wohlfeile Chance, das Wrack unbemerkt plündern zu können. Chris nötigt seinen ihnen seit jeher behütenden, wesentlich älteren Bruder Zacharias (Spencer Tracy), der einst ein großartiger Bergsteigerer war und heute nurmehr Schafe hütet, zusammen mit ihm en Aufstieg zu vollziehen. Der moralisch gefestigte, gottesfürchtige Zacharias hält die Aktion für irrsinnig und höchst verwerflich. Nach einer entbehrungsreichen Klettertour finden die ungleichen Brüder das Wrack und in ihm ein überlebendes indisches Mädchen (Anna Kashfi). Zacharias will es unbedingt retten und vom Berg hinabbringen, für Chris ist sie lediglich eine lästige Zeugin seiner Plünderung, die es irgendmöglich loszuwerden gilt...

Im wahrsten Wortsinne high drama, was Edward Dmytryk hier in feinstem, knallfarbigem VistaVision vorgelegt hat. Tracy und Wagner, die zwei Jahre zuvor in Dmytryks "The Broken Lance" noch als sich gegenseitig wohl gesonnenes Vater-und-Sohn-Paar aufgetreten waren, spielten hierin zwei latent spinnefeindliche Brüder, wovon der eine als deutlich älterer stets besonnen und großmütig die Verantwortung für die Lebensuntüchtigkeiten seines jüngeren, von ihm seit dessen Geburt betreuten Bruder übernimmt und diese sogar bis nach dessen Tode beibehält - Grundlage für eine fast gleichnishafte Erzählung. Spencer Tracy als versagend-zwangserzieherischer Ältester beweist mit seiner anrührenden, göttlichen Darbietung neuerlich, dass er wahrhaftig einer der größten Filmschauspieler des 20. Jahrhunderts war. Ansonsten ist natürlich der namenlose menschenfressende Berg der Star, der stellvertretend durch Styropor-Substitute und Rückprojektionen im Studio geschickt zu Ehrfurcht gebietendem Leben erweckt wurde. Ich als zutiefst höhenängstiger Mensch finde "abgründige" Szenen vor tiefen Schluchten, wie "The Mountain" sie bereithält, sowieso grundsätzlich unerträglich spannend und wurde damit nicht zuletzt auf der affektiven Ebene hervorragend bedient. Dabei ist "The Mountain" auch sonst als durch die Bank absolut sehenswert einzustufen.

9/10

Edward Dmytryk Alpen Frankreich Berg Brüder


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CHRONICLE (Josh Trank/USA 2012)


"There's something wrong with Andrew."

Chronicle ~ USA 2012
Directed By: Josh Trank

Drei High-School-Kids, der introvertierte Amateurfilmer Andrew (Dane DeHaan), sein selbstbewusster Cousin Matt (Alex Russell) und der allseits beliebte Footballer Steve (Michael B. Jordan), stoßen im Wald auf ein abgestürztes außerirdisches Artefakt, mit dem sie unvorsichtigerweise Tuchfühlung aufnehmen. Schon am nächsten Tag zeigen sich die ersten Einflüsse des Himmelskörpers: Alle drei Jungen verfügen urplötzlich über telekinetische Fähigkeiten und können Dinge per Gedankenkraft bewegen. Andrew, dem sich besonders Steven nun brüderlich verbunden fühlt, blüht regelrecht auf und tankt durch seine neue Gabe Unmengen an oberflächlichem Selbstbewusstsein. Doch selbst seine sich weiterentwickelnden Fähigkeiten können seine tief verwurzelte Unsicherheit und seine familiären Probleme nicht wettmachen. Nach einigen unerfreulichen Wendungen, denen unter anderem Steve zum Opfer fällt, zieht sich Andrew noch mehr in sich zurück als früher, derweil seine Kräfte immer stärker werden. Schließlich wendet er sich der offenen Kriminalität zu. Als Andrew Amok zu laufen beginnt, kann nur noch Matt ihn aufhalten...

Eine im Grunde archetypische Superheldengeschichte im Gewand des 'embedded filming', wobei speziell diese formale Entscheidung sicherlich streitbar, weil inhaltlich kaum bis gar nicht zu rechtfertigen ist. Zu "Chronicle" gibt es, wie bereits zu "Defendor" und "Super" keine Comic-Vorlage. Die Story basiert auf einem Originalscript von John Landis' Sohn Max, der sich allerdings als überaus materienfirm erweist, speziell im Hinblick auf die moderne Mythologie der multiplen Superheldenkosmen. Im Prinzip kann man sich "Chronicle" bei Nichtkenntnis vorstellen wie eine leidlich weniger existenzphilosophische, juvenilere und pompösere Version von Shyamalans wundervollem "Unbreakable"; am Ende läuft hier wie dort alles auf das universelle Yin/Yang hinaus. Die Welt, so die mehr oder weniger berugigende Kernaussage, benötigt diametrale Größen, um im Gleichgewicht bleiben zu können. Doch bewegt "Chronicle" sich hypothetisch über die klassische Superhelden-Origin hinweg, indem er sich dem Diskurs widmet, welchen Weg ein psychisch schwer lädierter, urplötzlich mit Superkräften gesegneter Junge einschlagen würde, der seine gesamte Umwelt praktisch zeitlebens als quälend und repressiv wahrgenommen hat. Während etwa Peter Parker oder Clark Kent dereinst zwar von pubertären Problemen gebeutelte, junge Männer waren, konnten sie sich doch zumindest auf ein halbwegs stabiles soziales Umfeld stützen und waren somit quasi "Helden aus der Wiege". Andrew Detmer indes avanciert zur fleischgewordenen Nemesis der Menschheit. Auch das ist nicht neu, "Carrie" beispielsweise zeichnete eine nahezu identische Entwicklungsgeschichte nach, bloß eben in Ermangelung des symbolisch gülden gerüsteten Ritters, dessen eigener, schmerzlicher Existenzauftrag am Ende darin liegt, seinen vormals geliebten, bösen Antagonisten unter Aufwendung aller Mittel aufzuhalten.
Als kostümfreie Variante für Superhelden(film)liebhaber sicherlich Pflichtprogramm.

8/10

Josh Trank Max Landis Seattle Superhelden Freundschaft Madness embedded filming





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