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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ONCE UPON A TIME IN AMERICA (Sergio Leone/USA, I 1984)


"It's just the way I see things."

Once Upon A Time In America (Es war einmal in Amerika) ~ USA/I 1984
Directed By: Sergio Leone

Um 1920 bilden die jüdischstämmigen Freunde Noodles (Scott Tiler), Max (Rusty Jacobs), Patsy (Brian Bloom), Cockeye (Adrian Curran) und Dominic (Noah Moazezi) eine eingeschworene Truppe in der Lower East Side. Mit kleinen Gaunereien verdienen sie sich hier und da einen Dollar, was dem etwas älteren Gangboss Bugsy (James Russo), der im Viertel die Karten in der Hand hält, nicht passt. Als Bugsy den kleinen Dominic erschießt, tötet Noodles ihn im Gegenzug und wandert dafür ins Gefängnis. Rund zwölf Jahre später wird Noodles als Erwachsener (Robert De Niro) entlassen. Max (James Woods), Patsy (James Hayden) und Cockeye (William Forsythe) sind unterdessen groß ins Alkoholgeschäft eingestiegen und betreiben unterhalb des Cafés ihres Kumpels Moe (Larry Rapp) einen ebenso frivolen wie gutgehenden Club mit Schnaps- und Champagnerausschank. Max schweben derweil noch weit höhere Ziele vor: Er liebäugelt mit der Politik und knüpft im Hintergrund sowohl Kontakte zu größeren Gangsterbossen wie Frankie Manoldi (Joe Pesci) als auch zum Gewerkschaftsführer Jimmy Conway (Treat Williams). Als seine Pläne sich auf einen potenziell selbstmörderischen Bankeinbruch konzentrieren, sieht Noodles seine letzten Chance, Max' Leben zu retten, im Verrat: Bei einer nächtlichen Schmuggelaktion, die Noodles an die Polizei verrät, werden Max, Patsy und Cockeye getötet. Das gemeinsam angesparte Vermögen ist spurlos verschwunden. Voller Schuldgefühle verlässt Noodles New York Richtung Buffalo - und kehrt rund fünfunddreißig Jahre später zurück, als er eine Nachricht erhält, die besagt, dass der alte jüdische Gemeindefriedhof aufgelöst und die Gräber verlegt werden. Noodles findet ein feudales Mausoleum für seine alten Freunde auf einem Privatfriedhof sowie das seinerzeit verschwundene Geld. Dann flattert dem zunehmend Verwirrten eine Einladung zu einer Party des unter öffentlicher Kritik stehenden, korrupten Staatssekretärs Bailey zu, der mit Noodles' alter Liebe Deborah (Elizabeth McGovern) ist und einen Sohn (Rusty Jacobs) hat...

Eine etwas gewagtes Thesenkonstrukt, das ich bereits seit vielen Jahren unausgegoren verfolge, mir jedoch heute wieder ganz präsent ist: Erst mit "Once Upon A Time In America" hat Sergio Leone zur eigentlichen künstlerischen Vollendung gefunden. Ich mag und liebe zumindest teilweise jeden seiner vorhergehenden Filme, in denen er seinen individuellen, elegischen Stil mehr und mehr perfektionierte. Beginnend bereits mit "Per Qualche Dollaro In Più" entwickeltte er seinen Hang zur großen inszenatorischen Pose und zur Bildgewalt, die in Kombination mit Ennio Morricones operesker Musik Dialoge zum Beiwerk degradierte und eine vorrangig visuelle Publikumskommunikation präferierte. Allerdings empfinde ich - Majestätsbeleidigung hin oder her - das Westernmilieu für Leones Arbeit als kleinen Bremsklotz, der stets einen letzten Rest latenter Vulgarität nicht verleugnen konnte, welcher Landsmännern wie Visconti oder Bertolucci, die ihre Epik mit originärer Landesgeschichte verknüpften, erspart blieb. Zwar sorgten seine Western für Leones nachhaltige internationale Popularität und ebneten den Weg zum Höhepunkt, dennoch halte ich den Genrefilm bezogen auf Authentizität und wesentliches Verständnis seitens seiner Wesenhaftigkeit und seiner schlussendlichen Inszenierung für eine strikt amerikanische Domäne. Mit "Giù La Testa" beginnt dann gewissermaßen Leones Emanzipation von der Gattung; das bereits in "Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo." gestriffene, revolutionäre Sujet liefert ihm, dem Bauchregisseur, die verhältnismäßig späte Möglichkeit, abseits von Pomp undäußerer Perfektion auch persönliches Herzblut einfließen zu lassen. Obwohl Leone noch immer nicht zu seinen nationalen Wurzeln findet, nach Mexikanern und Iren mit "Once Upon A Time In America" schließlich die jüdische Ethnie in den Blick nimmt, scheint er hier als Meisterregisseur endgültig zu sich selbst gefunden zu haben: die vormalige Dichotomie von Form und Inhalt ist aufgehoben; beide Größen erhalten eine schlussendlich gleichrangige Importanz und dienen einander, statt sich wie bisher zu hierarchisieren. Das handelnde Personal besteht nun nicht mehr aus Archetypen, sondern aus Individuen, die chronologische Verschachtelung wirkt nicht selbstzweckhaft, sondern, speziell angesichts der letzten Einstellung, als unvermeidbar für eine schlüssige Schilderung der Ereignisse. Schließlich finde ich in "Once Upon A Time In America", einem meiner liebsten Filme überhaupt (den ich mir jedoch mittlerweile nurmehr selten anschaue, weil er mich emotional so stark involviert), noch zweierlei: Die filmgeschichtlich bislang dichteste Annäherung zwischen europäischem (italienischem) und amerikanischem Kino sowie den letzten großen Seufzer des klassischen Kinos, der schon zu seiner Uraufführungszeit wie eine finale Zäsur dastand. Danach dann nur noch: Postmodernismus.

10*/10

Sergio Leone ethnics period piece New York Freundschaft


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THE YEAR OF LIVING DANGEROUSLY (Peter Weir/AU, USA 1982)


"Starvation is a great aphrodisiac."

The Year Of Living Dangerously (Ein Jahr in der Hölle) ~ AU/USA 1982
Directed By: Peter Weir

Indonesien, 1965: In den sich zuspitzenden Spannungssituation um den drohenden Staatsstreich des kommunistischen Diktators Sukarno (Mike Emperio) muss sich der junge australische Journalist Guy Hamilton (Mel Gibson) in Jakarta zurechtfinden. Dabei hilft ihm vornehmlich der kleinwüchsige einheimische Fotograf Billy Kwan (Linda Hunt), der Hamilton zur Seite gestellt wird und ihm etwas von der wütenden Stimmung der unter Misstrauen, Armut und Korruption leidenden Bevölkerung vermitteln kann. Er macht Guy zudem mit der britischen Diplomatin Jill (Sigourney Weaver) bekannt – der Beginn einer stürmischen Affäre. Als die Kommunisten nach einer riesigen Waffenlieferung, über die Guy nach einer vertraulichen Information Jills berichtet, putschen, fühlen sich seine Freunde hintergangen. Ein politischer Verzweiflungsakt Billys zieht dessen Ermordung durch systemtreue Soldaten nach sich; Guy wird schwer verletzt und der künftige islamische Diktator Suharto dirigiert einen Gegenputsch. Schließlich muss sich Guy zwischen beruflicher Integrität und persönlichem Glück entscheiden.

Eines von Weirs früheren Meisterwerken, das zunächst in mancherlei Hinsicht befremdlich wirkt, bereits früh im Laufe seiner Erzählzeit jedoch einen geradezu magisch anmutenden atmosphärischen Sog entwickelt. Die Ambition des Films, Indonesien als Drittwelt-Land unter einem durch kontrastierende politische Kräfte ächzenden Umbruch zu porträtieren und durch eine zwar engagierte, in ihrem Bemühen um berufliche Objektivität letztlich jedoch zwangsläufig opportune Westperspektive begreifbar zu machen, dürfte als beispielhaft gelten. Hinzu kommt Linda Hunts tief ins Mark treffende Darstellung des (männlichen!) kunstbeflissenen Intellektuellen, dem als eine Art Hofnarr zunächst noch sämtliche Türen in den Sphären der Macht offen stehen, der infolge einer späten Erkenntnis der wahren Gewaltverhältnisse und des darauf folgenden, Aufbegehrens den eigenen Tod bereitwillig in Kauf nimmt. Ein majestätischer, mitreißender Film, der durch Maurice Jarres Traummusik in seiner kompromisslosen Wirksamkeit noch zugespitzt wird.

9/10

Peter Weir period piece Indonesien Historie Jakarta Freundschaft Militärputsch Diktatur Journalismus


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A STREETCAR NAMED DESIRE (Elia Kazan/USA 1951)


"The blind are leading the blind."

A Streetcar Named Desire (Endstation Sehnsucht) ~ USA 1951
Directed By: Elia Kazan

Die Southern Belle Blanche DuBois (Vivien Leigh) kommt während des Hochsommers zu ihrer Schwester Stella (Kim Hunter) nach New Orleans. Stellas Mann Stanley Kowalski (Marlon Brando), einen lauten, verschwitzenden Arbeiter, kennt Blanche noch nicht, ebensowenig wie das Milieu, in dem die beiden hausen: Das Einwandererviertel Elysian Fields, in dem alles etwas einfacher und lärmender zugeht als es die frühere Literaturlehrerin Blanche gewohnt ist. Mit Stanley trifft sie auf eine völlig diametrale Existenz und von Anfang an ist ihr Verhältnis von Spannungen und gegenseitiger Abgestoßenheit geprägt. Als herauskommt, dass Blanches jüngere Vergangenheit in keinster Weise zu ihrem hochmütigen Auftreten passt, ist die Katastrophe nicht mehr fern.

Eine völlig neurotische Frau auf der Flucht vor sich selbst benötigt zur Gesundung eine sensible Therapie - und trifft stattdessen auf den größten Proleten der Stadt. Tennessee Williams' klassisches Drama, ein in jeder Hinsicht umstürzlerisches Werk für Hollywoods silver age, ist noch heute von einer ungebrochenen Spannkraft und vermag sein transgressives Potenzial, das sich aus der systematisch-konfrontativen Zerstörung einer ohnehin fragilen Psyche ergibt, nach wie vor bravourös zu entfalten. Dem ist vor allem auch die von Elia Kazan geschaffene, filmische Atmosphäre zuträglich: Mit drei Ausnahmen genügt ihm das Haus der Kowalskis im New Orleans-Slum Elysian Fields als lokaler Dreh- und Angelpunkt; die schwülen Nächte von Louisiana, in denen die Gerüche von Schweiß, Triebhäftigkeit und billigem Bourbon die stickige Urbanität anreichern, rücken in greifbare Nähe. Vor dem Fenster ziehen abends Hot-Dog- und morgens Bananen-Verkäufer durchs Viertel und in der Nacht eine gespenstische, alte Mexikanerin, die 'flores por los muertos' anbietet - "Blumen für die Toten". Vor dieser Kulisse entwickelt sich Blanche DuBois' Reise in den Wahnsinn, die durch Stanleys schlussendlich in einer Vergewaltigung kulminierenden Grobhaftigkeit nochmals forciert wird. Die pathologisch-nymphomanische, minderjährige Jungen bevorzugende Frau, deren sexuelle Vorlieben bereits im stark aufgeladenen Spannungsfeld zwischen ihrer ständischen Herkunft und Erziehung stehen, hält der maskulinen, tierischen Gewalt Stanleys, der sie als arrogantes Püppchen zweifelhafter Natur verlacht, nicht Stand. Seinen endgültigen "Sieg" über Blanche feiert er in jener Nacht, als Stella zur Niederkunft im Krankenhaus liegt und sein Baby gebiert. Zuvor hat Blanches letzte Chance der Rückkehr in die akzeptierte Bürgerlichkeit in der Person von Stanleys Kumpel Mitch (Karl Malden) ihr den Rücken zugekehrt. Kurz darauf holt sie ein mobiler Hilfsdienst in die Anstalt. Blanche ist fort und in Elysian Fields geht alles wieder seinen gewohnten Gang: Arbeit, Poker, Bowling, Bier, und hier und da mal einen Klaps, wenn die Holde nicht spurt - sie kommt ja ohnehin stets zurück.

10/10

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REFLECTIONS IN A GOLDEN EYE (John Huston/USA 1967)


"You disgust me."

Reflections In A Golden Eye (Spiegelbild im goldenen Auge) ~ USA 1967
Directed By: John Huston

Im Südstaatenfort, an dem dem das Offizieresehepaar Pendleton lebt, stehen diverse Gemüter kurz vor der Explosion: Major Pendleton (Marlon Brando) ist von seiner ihn betrügenden Frau Leonora (Elizabeth Taylor) angewidert, weniger, weil sie ihn hintergeht, sondern weil er als aufrechter Soldat nicht zu seiner Homosexualität stehen kann. Heimlich verguckt er sich in den zugleich als Pferdepfleger tätigen Private Williams (Robert Forster), der jedoch keinerlei Interesse an Pemdleton, dafür umso mehr an Leonora zeigt. Diese trifft sich derweil mit Colonel Langdon (Brian Keith) und nutzt die gemeinsamen allmorgendlichen Ausritte zu regelmäßigen Techtelmechteln, eidieweil ihr ihr Gatte im Bett nicht zur Verfügung steht. Langdons Frau leidet seit dem Tod ihrer kleinen Tochter unter schweren Neurosen, bei deren Bewältigung ihr nicht ihr Mann, sondern das exzentrische, philippinische Hausfaktotum Anacleto (Zorro David) hilft. Als Pendleton Williams dabei erwischt, wie er Leonora nachstellt, kommt es zur Katastrophe.

"Reflections In A Golden Eye" wäre auch im literarischen Werk Tennessee Williams' sehr gut aufgehoben: alter Südstaatenfilz im standesdünkelnden Militärmilieu, höchst pathologische Geschlechteridentitäten, schadhafte Ehebeziehungen, Selbsttäuschung und unterdrückte Homosexualität. Aus dieser hübschen Ansammlung von Neurotikern ist lediglich der unter seinen Nachbarn als vollkommen verschroben geltende Philippino Anacleto in der Lage, dem ihn umgebenden Milieu die kalte Schulter zu zeigen, indem er als einziger zu seiner Persönlichkeit steht und sich nicht wie sämtliche anderen in Vorspiegelungen falscher Tatsachen ergeht. Das übrige Figureninventar krankt wahlweise an seinen unerfüllbaren Selbstansprüchen oder an der Unfähigkeit, überhaupt zu erkennen, dass es ihm keinesfalls gut geht.
Huston glückte mit seinem Film eine pechschwarze, vor einfallsreicher Symbolik strotzende Allegorie bezüglich des US-Militärs, das Pflichtprogramm in jeder Offizierausbildung sein sollte. Passend zum Titel spielte der Meister nach "Moulin Rouge" und "Moby Dick" neuerlich mit der nachträglichen Kolorierung und tauchte seine Bilder diesmal in einen goldbraunen, bronzenen Farbeimer, der das herbstliche Untergangsgemüt von "Reflections In A Golden Eye" umso wirksamer unterstreicht.

9/10

John Huston Carson McCullers Südstaaten Militär Homosexualität Ehe Madness


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FREUD (John Huston/USA 1962)


"If you're guilty, the entire world must be."

Freud ~ USA 1962
Directed By: John Huston

Mit rund dreißig Jahren beginnt der von seinen Fachkollegen stets stirnrunzelnd als Phantast beäugte Neurologe Sigmund Freud (Montgomery Clift), sich für die Hypnose als Diagnostikinstrument zur Erkennung hysterischer Störungen zu interessieren. Als er Cecile Koertner (Susannah York), die schwer neurotische Patientin seines Mentors Breuer (Larry Parks) kennenlernt und ihre Behandlung übernimmt, erhält und entwickelt Freud grundlegende Erkenntnisse betreffs später noch genauer umrissener Paradigmen: Er stößt auf den Ödipuskomplex, die drei psychischen Instanzen Es, Ich und Überich sowie Eros und Thanatos, postuliert die gewaltige, verdrängende Kraft von frühkindlicher Sexualität und Unterbewusstsein und erkennt schließlich den ungeheuren Wert von Gesprächs- und Konfrontationstherapie. Die Zeit ist jedoch noch nicht reif für derlei Umstößlerisches.

Ein stillerer Vertreter aus Hustons Filmographie, dessen allgemein anerkannte wissenschaftliche Verwertung als dramatisiertes Veranschaulichungsmaterial für einige grundlegende Thesen Freuds seine filmhistorische unverständlicherweise deutlich übersteigt. Möglicherweise hängt dies mit der Produktion zusammen, die bei der Universal unter keinem guten Stern stand: Sartres Script wurde als zu umfangreich abgelehnt und ad acta gelegt; Monty Clift, der trotz immer noch formidabler Leistung bereits sichtbar schwer gezeichnet war von Alkohol und Depression und dessen tieftrauriger Ausdruck letztlich doch alles andere überlagert, kam mit Hustons dominantem Auftreten am Set nicht zurecht und es folgten unschöne Klagen seitens der Produktion versus Clift und Gegenklagen seinerseits. Bis heute wird "Freud", etwa betreffs des Heimkinomarkts, stiefmütterlich behandelt, ganz so, als sei das Studio noch immer nicht über die unerfreuliche Entstehungsgeschichte des Films hinweg. Dabei ist er bei aller biographischer Phantasterei ziemlich toll geraten; getragen von einer hochseriösen, fast dokumentarisch anmutenden Erzählstruktur und sowohl für Laien als auch Fortgeschrittene in Bezug auf Freuds Postulate hochinteressant. Das sorgfältige Produktionsdesign wirkt niemals pompös oder gar selbstzweckhaft und steht der schattenhaften, kammerspielartigen Kommunikation nie im Wege. Hierfür sorgen speziell die ausführlichen, spannenden Dialogszenen zwischen Clift und York sowie die grandios gestalteten Traumsequenzen.

9/10

Sigmund Freud Psychiatrie period piece Biopic Wien Jean-Paul Sartre


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MADAME CURIE (Mervyn LeRoy/USA 1943)


"No true scientist can have anything to do with women."

Madame Curie ~ USA 1943
Directed By: Mervyn LeRoy

Die polnische Studentin Marie Sklodovska (Greer Garson) studiert Physik an der Sorbonne. Schon sehr bald entpuppt sie sich als außerordentlich talentierte und zielstrebige Wissenschaftlerin. Bald nachdem sie den Kollegen Doktor Pierre Curie (Walter Pidgeon) kennenlernt, wird aus Mademoiselle Sklodovska Madame Curie. Gemeinsam forscht das Ehepaar nach dem radioaktiven Element Radium, das sie durch ein immens zeitaufwendiges Kristallisationsverfahren aus Pechblende gewinnen. Ein tödlicher Verkehrsunfall Pierres reißt das glückliche Paar auseinander, doch Marie gewinnt die Kraft, allein weiterzumachen und wird zu einer vielbeachteten Persönlichkeit ihrer Profession.

Nach dem Kriegsdrama "Mrs. Miniver" wurde das darin vielgepriesene Filmehepaar Greer Garson und Walter Pidgeon neuerlich vereint, um nach diversen Geistesgrößen der jüngeren Vergangenheit auch der späteren großen Radiologin Marie Curie eine Filmbiographie widmen zu können. Insgesamt acht Kooperationen gab es zwischen den beiden, wenngleich die Popularität anderer zeitgenössischer "Traumpaare" wie Hepburn/Tracy, Bogart/Bacall oder Ladd/Lake deutlich größer und nachhaltiger wirkte. Nachdem der anfängliche Regisseur Albert Lewin bereits vor Drehbeginn vom Studio gefeuert worden war, übernahm Mervyn LeRoy. Ein besinnlicher, beschaulicher und atmosphärisch völlig ausgeglichener Film war das Resultat, der sich anders als die vergleichsweise hastiger erzählt wirkenden Dieterle-Filme alle Zeit der Welt nimmt, um seinen Figuren Dreidimensionalität zu verleihen. Besonders Greer Garson überzeugt durch ihre ruhige, nie überspannte Interpretation der Titelfigur. Als die sich perfekt gestaltende Familienidylle am Ende - die letzten 28 Lebensjahre Curies werden nur noch in einer Szene kurz gestriffen - durch den Unfalltod Pierre Curies kurzfristig in nervenaufreibendes Drama wandelt, wirkt dies wie eine heftige dramaturgische Zäsur, die jedoch fraglos bewusst in dieser Form stattfindet, um das Gesamtwerk nicht zu verwässern.

8/10

Mervyn LeRoy Albert Lewin Paris Frankreich Biopic Ehe Familie Historie


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DR. EHRLICH'S MAGIC BULLET (William Dieterle/USA 1940)


"There is no shame attached to the recognition of error."

Dr. Ehrlich's Magic Bullet (Paul Ehrlich - Ein Leben für die Forschung) ~ USA 1940
Directed By: William Dieterle

Der Arzt Dr. Paul Ehrlich (Edward G. Robinson) empfindet es als zutiefst frustrierend, Infektionskrankheiten machtlos gegenüberzustehen. Durch seine Färbeversuche, die schließlich Krankheitserreger unter dem Mikroskop sicht- und damit diagnostizierbar machen, wird Dr. Robert Koch (Albert Bassermann) auf Ehrlich aufmerksam, der von da an unter Kochs Ägide an dessen Institut forscht. Zusammen mit seinem Kollegen und Freund Von Behring (Otto Kruger) vollbringt Ehrlich hernach bahnbrechende Entdeckungen auf dem Gebiet der Bakteriologie und entdeckt schließlich Immunsera und Impfstoffe gegen Tuberkulose, Diphterie, Typhus und sogar gegen die Syphilis.

Wenngleich Edward G. Robinson hinter dichtem Bart und unter blonder Perücke kaum mehr zu erkennen ist - "Dr. Ehrlich's Magic Bullet" - der Titel bezieht sich auf eine von Ehrlich selbst liebevoll als solche bezeichnete "Zauberkugel", einen auf chemischer Basis entwickelten Antikörper, der im Zuge der 'Seitenkettentheorie' als Vorläufer der späteren Immunologie Popularität erlangen sollte - passt ganz wunderbar zu "Louis Pasteur" und "Émile Zola" und vermutlich auch den diversen anderen Filmbiographien Dieterles, derer ich gegenwärtig leider (noch) nicht habhaft bin. Das Motiv des überzeugten Widerstreiters gegen verkrustete Traditionen auf ideeller Basis findet sich auch hierin wieder: Ehrlich bekommt es immer wieder mit etablierten Zeitgenossen zu tun, die seine Fortschritte ablehnen oder ihm gar Scharlatanerie unterstellen, nur, um am Ende doch Recht zu behalten. Sein härtestes Duell hat Ehrlich schließlich gegen seinen Freund Von Behring auszutragen, der sich zeitweilig von ihm abwendet, weil er seine Seitenkettentheorie ablehnt und vor allem Ehrlichs Medikament gegen die Syphilis - das Serum "606" - ablehnt, nur um später zugeben zu müssen, wie falsch er selbst gelegen hat. Große Momente, in altehrwürdigem Kino.

8/10

William Dieterle Biopic period piece Historie John Huston Freundschaft


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THE LIFE OF EMILE ZOLA (William Dieterle/USA 1937)


"Books? I don't read books!"

The Life Of Emile Zola (Das Leben des Emile Zola) ~ USA 1937
Directed By: William Dieterle

Der systemkritische Schriftsteller Émile Zola (Paul Muni) lebt zusammen mit seinem Freund Paul Cezanne (Vladimir Sokoloff) ein kärgliches Künstlerleben unter den Dächern von Paris. Als er eines Tages das Straßenmädchen Nana (Erin O'Brien-Moore) kennenlernt und sie zur Protagonistin eines Romans macht, schießt seine Popularität kometengleich in die Höhe. Wenngleich "Nana" als anrüchiges Werk gilt, will es doch jeder lesen. Für Zola beginnt damit ein Leben im Wohlstand, seine Bücher verkaufen sich blendend und ihm geht es ebenso. Bis Cezanne ihm gegenüber anmerkt, dass sein "altes Feuer" nicht mehr lodere und dass echte literarische Ambitionen seinerseits Mangelware geworden seien. Da kommt Zola die Anfrage einer Offiziersgattin (Gale Sondergaard), den Fall ihres Mannes publik zu machen, gerade recht: Captain Dreyfus (Joseph Schildkraut) soll geheime Informationen an die Preußen weitergegeben haben, ist dafür unschuldig verurteilt und auf die Teufelsinsel verbannt worden. Die Admiralität benötigte lediglich einen raschen Sündenbock und will nun den Skandal, den die Aufdeckung eines Justizirrtums mit sich brächte, um jeden Preis vermeiden. Trotz mannigfaltiger Anfeindungen gibt Zola den Fall Dreyfus nicht auf.

Nach "The Story Of Louis Pasteur" folgte in kurzem Abstand diese zweite große Filmbiographie eines Pariser Vordenkers des vorvergangenen Jahrhunderts; diesmal allerdings sich nicht drehend um einen Naturwissenschaftler, sondern um einen führenden Literaten des Naturalismus. Wie Pasteur bekommt es auch Zola mit dem Filz und der Engstirnigkeit seiner Zeitgenossen zu tun, die als Bewahrer des Althergebrachten der Natur der Sache gemäß zu erbitterten Widersachern avancieren. Beide Filme propagieren liberales Gedankengut, Freigeistigkeit und den Mut, etablierte Strukturen aufzubrechen. Darstellerische Geschenke für Paul Muni, der in beiden Rollen brilliert und dem ganz vortreffliche Reden und Plädoyers in den Mund gelegt werden. Zolas Vita zeichnet sich insbesondere durch seine letzten Lebensjahre aus, in denen seine politjournalistische Aktivität ihren Höhepunkt erreichte: Mit dem auf der Titelseite der Tageszeitung "L'Aurore" veröffentlichten, offenen Brief "J'accuse...!", der die Drahtzieher hinter der Dreyfus-Affäre sowie die blindlings affirmative Haltung des Volkes öffentlich anprangerte und zugleich explizit die zu erwartende Attacke auf den Verfasser in Kauf nahm, setzte Zola sich bewusst einer unbequemen Position aus. Er wurde hernach wegen erleumdung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, der er durch ein einjähriges Exil in England entging. Dreyfus wurde später vollständig rehabilitiert. Ein dank- und fruchtbarer Filmstoff, wie sich erweist, und für Liebhaber von Biopics ein unverzichtbarer dazu.

8/10

William Dieterle period piece Biopic Paris Frankreich Bohème Best Picture Courtroom


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COCOON: THE RETURN (Daniel Petrie/USA 1988)


"You're my favorite Martian."

Cocoon: The Return (Cocoon II - Die Rückkehr) ~ USA 1988
Directed By: Daniel Petrie

Fünf Jahre nach ihrer extraterrestrischen Emigration Richtung Antaria kehren drei der Seniorenpaare für einen Kurzaufenthalt wieder zurück auf die Erde, zum einen, weil ihre außerirdischen Gastgeber die im Meer lagernden, durch Seebeben gefährdeten Kokons endgültig abholen wollen, zum anderen aus persönlichen Gründen - um sich von Freunden und Familie noch einmal richtig verabschieden zu können. Doch die wenigen Tage Erdaufenthalt bringen entscheidende Wendungen mit sich: Joes (Hume Cronyn) Tumor macht sich wieder bemerkbar, seine Frau Alma (Jessica Tandy) hat einen schweren Autounfall, Bess (Gwen Verdon) wird schwanger und Ben (Wilford Brimley) und Mary (Maureen Stapleton) hadern mit ihrem unirdisch verlängerten Leben auf Antaria. Derweil kommt Bernie (Jack Gilford) immer noch nicht über den Tod seiner Frau Rose (Herta Ware) hinweg. Als einer der Kokons von Meereswissenschaftlern gefunden, geborgen und in ein Labor gebracht wird, heißt es schließlich für die Truppe, einen letzten gemeinsamen Rettungseinsatz zu begehen.

Von logischer Fortführung kann man im Falle "Cocoon: The Return" kaum sprechen. Viele der inhaltlichen Wendungen stehen gar in vollkommenem Widerspruch zu dem, was der Rezipient im Vorgänger gelernt hat. Das Management der erzählten Zeit (der gesamte Inhalt soll sich in einer Frist von nur drei Tagen zutragen) wirkt geradezu lächerlich verfehlt. In formaler Hinsicht fehlt der Inszenierung ein versierterer Regisseur als der hauptberufliche Fernsehmacher Petrie. Man erhält den zwingenden Eindruck, dass die Fortsetzung, anders als das Original, nicht allein einen Film über Senioren darstellt, sondern zugleich einen für sie. So eine Art 'Love Boat' der Science Fiction. Und dennoch ist Daniel Petrie, vermutlich eher zufällig, mit dem Sequel ein schöner Film gelungen. Er macht nicht den Fehler, eine bloße Kopie des ersten Teils zu liefern (wenngleich strukturelle Analogien sich nicht übersehen lassen), sondern pickt sich eine von dessen Stärken, die Soap-Elemente nämlich, heraus und kultiviert sie. Noch sehr viel episodischer angelegt verwandelt sich "Cocoon: The Return" so zu einem etwas vulgären "Short Cuts", in dem diverse Probleme und Konflikte binnen einer wie erwähnt stark untertrieben kurzen Frist abgehandelt werden wollen. Das alles wird noch sehr viel rührender und gefühlsbetonter dargeboten als in "Cocoon"; James Horners Musik erklimmt passend dazu ihre womöglich tränendrückendsten Sphären ever. Dass das gesamte Ensemble (Brian Dennehy und Herta Ware lediglich in jeweils kurzen Cameos) des ersten Teils wieder zusammenfindet und sich sogar Gelegenheit für ein paar zusätzliche charakterliche Ausbuchtungen ergibt, wie etwa im Falle von Steve Guttenbergs Figur, fand ich an "Cocoon: The Return" immer schon prima.

7/10

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COCOON (Ron Howard/USA 1985)


"If this is the foreplay, I'm a dead man..."

Cocoon ~ USA 1985
Directed By: Ron Howard

Ben (Wilford Brimley), Joe (Hume Cronyn) und Art (Don Ameche), drei in Florida lebende, rüstige Rentner, halten sich fit, indem sie auf einem leerstehenden Grundstück den mondänen Swimmingpool benutzen. Nur ihr Freund Bernie (Jack Gilford) hat sich sein Spießertum im Alter bewahrt und hält nichts von solchen Kindereien. Just diesen Swimming-Pool wählen einige als Menschen getarnte Aliens vom Planeten Antaria aus, um eine seit den Zeiten von Atlantis auf dem Meersesgrund in Kokons schlummernde Landmannschaft, die sie zuvor mithilfe des ungläubigen Skippers Jack (Steve Guttenberg) vom Meeresgrund geborgen haben, aufzubewahren Die ihnen zunächst schleierhafte Anwesenheit der Kokons hat eine ungemein vitalisierende Wirkung auf das Seniorentrio: Ben und Art sind fit wie noch nie, beglücken ihre Frauen wie junge Hengste und tanzen Breakdance, Joes Tumor verschwindet wie von selbst. Schließlich gestattet Walter (Brian Dennehy) den Freunden, den Lebenspool weiterhin zu benutzen. Eine unbedachte Bemerkung Bernies jedoch sorgt für eine Katastrophe, die dazu führt, dass die Antarianer in Windeseile die Erde verlassen müssen, um nicht entdeckt zu werden...

Das etwas merkwürdige Subgenre des "gerontologischen Science-Fiction-Films" dauerte in den Achtzigern nur kurz an: Eine Episode in dem Serienrevival "Twilight Zone", "Batteries Not Included" und die beiden "Cocoon"-Filme repräsentierten es.
Besonders "Cocoon", dessen Grundstory um freundliche außerirdische Lichtwesen, die in menschlicher Verkleidung ihre vor Jahrtausenden hier gestrandeten Artgenossen evakuieren wollen, im Grunde kaum mehr denn eine Alibifunktion besitzt um den Hauptteil der Geschichte anzukurbeln: Alte Menschen, die über ihre verbliebene Bedeutung im Gefüge des Lebens nachgrübeln, erhalten eine "zweite Chance" in Form eines buchstäblichen Jungbrunnens, der ihnen Kraft, Geist und Jugend zurückgibt. Ein wunderbares Ensemble von ergrauten Stars aus Hollywoods Golden und Silver Age spielt diese betagten Helden, Lubitsch-, Hitchcock-, Zinnemann-, Mankiewicz-Veteranen. Wobei im Falle Wilford Brimley etwas gemogelt wurde, der ist nämlich gut 25 Jahre jünger als seine vermeintlichen Altersgenossen. Doch sei's drum. Die kleine Faltenclique ist von nachhaltig sympathischer Erscheinung und die abseits von dem ziemlich einfältigen SciFi-Plot erzählte Mär um die offerierte Gelegenheit, das bereits endende Leben auf ewig auszudehnen, nicht uninteressant. Umso fintenreicher die heimlich versteckte Botschaft des Films, den griesgrämigen Bernie Lefkovitz als wahren Helden zu zelebrieren. Dieser besitzt nämlich als einziger der Freunde den Mut, den wahren Erfordernissen und Unwägbarkeiten des Altwerdens zu begegnen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Im Sequel sind dann auch die anderen dazu gezwungen. Man mag von Ron Howard halten, was man will, "Cocoon" tut sein mangelnder Verzicht auf Kitsch und Pathos ungemein wohl. Weil er sonst schlicht belanglos wäre.

8/10

Ron Howard Aliens Florida Senioren Ehe Freundschaft Atlantis





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Funxton

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