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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SKIN DEEP (Blake Edwards/USA 1989)


"My name is Zachary Hutton and my wish is to fuck you."

Skin Deep ~ USA 1989
Directed By: Blake Edwards

Der gefeierte Dramatiker, Romancier und Intellektuelle Zack Hutton (John Ritter) ist ein polymorpher Süchtiger: Weder kann er die seine Kreativität lähmende Trinkerei ad acta legen, noch schafft er es, nicht irgendeinem attraktiven Rock hinterherzujagen. Seine postpubertäre Lebenslust kostete ihn allerdings bislang jede ernstzunehmende Beziehung, insbesondere die zu seiner vormaligen Ehefrau Alex (Alyson Reed), die er noch immer liebt und der er hinterhertrauert, die ihm jedoch nicht mehr trauen mag.

Im Prinzip eine etwas modifizierte Variation des aus "10" bekannten, edward'schen Leibthemas des mittalten Mannes in der Sinnkrise ist "Skin Deep" der letzte große Wurf des Genremaestros. Wiederum geht es hier um ein künstlerisch befähigtes, maskulines Individuum jenseits der 40, das Angst hat, seinem liderlichen Lebenswandel Lebewohl zu sagen und das familiäre Sesshaftwedung mehr oder weniger unbewusst mit Altwerden und Tod gleichsetzt. Zack Hutton hat erst noch zu lernen, welche Annehmlichkeiten mit einer stabilen, monogamen Beziehung einhergehen können, so man sich dieser nur öffnet. Der Weg dahin ist allerdings bestimmt den Kern dieser meisterhaften Komödie, die mühelos zwischen hochgewitztem dialogischem Humor und Klamauk hin- und herpendelt, zwischen sophistication und hemmungsloser Albernheit. John Ritter als tolpatschiger, überlasteter Mittlebenskrisler, permanent zwischen Suff und Kater irrend, gibt vielleicht die schönste Vorstellung seiner Karriere und der Titelsong bietet feinsten 80's-Pop mit Nostalgiecharakter. Dazu ein paar wohlfeile Anspielungen auf den damaligen, schwer verirrten Zeitgeist und fertig ist der Pflichtfilm für traditionsbewusste Edwards-Liebhaber.

9/10

Blake Edwards Kalifornien Los Angeles midlife crisis Alkohol Ehe


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THE RAINMAKER (Francis Ford Coppola/USA 1997)


"How do you know when a lawyer is lying? - His lips are moving. "

The Rainmaker (Der Regenmacher) ~ USA 1997
Directed By: Francis Ford Coppola

Rudy Baylor (Matt Damon) hat soeben sein Jurastudium bestanden, jedoch keinerlei Beziehungen zu großen Anwaltskanzleien. Also nimmt ihn zunächst der Winkeladvokat Bruiser Stone (Mickey Rourke) unter eine Fittiche, der nebenbei allerlei illegale Geschäftchen betreibt, von dem Rudy jedoch einiges über berufserforderliche Rigorosität und Abgezocktheit lernt. Zudem lernt er den nicht minder cleveren Deck Shifflet (Danny De Vito) kennen, mit dem Rudy sich schließlich selbstständig macht. Seine ersten zwei Fälle umfassen einen Ehekrieg zwischen der sanften Kelly Riker (Claire Danes) und ihrem gealttätigen Ehemann (Andrew Shue) sowie einen millionenschweres Mandat bezüglich eines an Leukämie erkrankten Jungen (Johnny Whithworth), dessen Krankenversicherung sich weigert, die Kosten für eine lebensrettende Knochenmarkstransplantion zu übernehmen.

Die mit Abstand beste Grisham-Verfilmung, für die es sich allein schon lohnt, die vorherigen Filme über sich ergehen zu lassen, um dann zu sehen, wie man's besser hinbekommt. "The Rainmaker" bietet vortreffliches Erzählkino, weitgehend ohne die üble Moralinsäure und populistische Existenzschwere der Vorgänger auskommend. Zwar ist auch der hierin auftretende Junganwalt ein klarer Idealist, doch er muss die rechten Schliche erst noch erlernen und gibt keinerlei Urteile ab über die Pros und Cons der US-Rechtsprechung. Vielmehr ist er sich schlussendlich einfach nur nicht sicher, ob er seinem früher oder später zwangsläufig in ethische Korruption mündenden Beruf weiter nachgehen möchte.
"The Rainmaker" erzählt seine mehrsträngige Geschichte entlang eines fragmentarisch bei "The Verdict" entliehen Hauptplots in episodischer Form und hat dabei jede Menge Gelegenheit, eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Figuren einzuführen, für die Coppola die jeweils perfekten Gesichter zur Verfügung standen. Selten bereitete es mir in letzter Zeit ein solches Vergnügen, großen amerikanischen Akteuren bei der Arbeit zuzuschauen und am Ende wünschte ich mir sogar, der Film liefe noch länger, um mehr von ihnen in dieser jeweiligen Hochform sehen zu können. Dabei ist der sich seiner Pickel nicht schämende Jungspund Damon lediglich der rote Faden, an dem sich alles andere entlanghandelt. Danny De Vito, Jon Voight, Dean Stockwell, Danny Glover, Roy Scheider und vor allem Mickey Rourke, die meisten von ihnen leider nur in ehrzuerbietenden Mini-Auftritten, zu sehen, kommt der Wandlung durch einen schauspielerischen Lustgarten gleich. Vor allem von Rourke, langjähriger Coppola-Adlatus, als weißhaarigem, schmierigen, aber stets liebenswerten Halbweltanwalt wünscht man sich wesentlich mehr screentime.
Ein Produkt von allerhöchster, altmodischer Professionalität, prinzipiell angreifbar sicherlich durch seine gewissermaßen obsolete Darbietung konventioneller inhaltlicher und dramaturgischer Faktoren, getragen jedoch von Ausnahmetalenten und daher höchst liebenswert.

8/10

Francis Ford Coppola John Grisham Courtroom Freundschaft Memphis Tennessee Krebs


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MACHO MAN (Alexander Titus Benda/BRD 1985)


"Und du hast wirklich den ersten Dan?" - "Das werd' ich dir gleich beweisen!"

Macho Man ~ BRD 1985
Directed By: Alexander Titus Benda

Der Boxweltmeister Dany Wagner (René Weller) rettet die wohlgeformte Arzthelferin Sandra (Bea Fiedler) vor einigen lichtscheuen Gestalten, die ihr eine Spritze mit Heroin setzen wollen. Am nächsten Tag vereitelt er morgens zusammen mit Karateschulbesitzer und Kampfsport-Kanone Andreas Arnold (Peter Althof) einen Banküberfall und verteidigt des Abends seinen Weltmeistertitel. Ein Discobesuch mit Sandra bringt Dany endgültig mit Sandra zusammen, derweil Andreas seine neue Schülerin Lisa besteigt. Als die Drogengangster Lisa und Sandra entführen, bevor Dany und Andreas zusammen mit ihnen in den verdienten Südurlaub abheben können, geben die zwei harten Jungs und ihre jeweilige Fangemeinde ihnen Saures.

"Macho Man", illegitimes Bindeglied zwischen "Die Brut des Bösen" und "Der Joker" und damit das Triptychon des deutschen Actionfilms mittig vervollständigend, ist ein Werk, das nicht einfach bloß gesehen, sondern erfahren werden will. Alexander Titus Benda, seines Zeichens Nürnberger Filmemacher mit genau zwei Einträgen in seinem Œuvre, hat das Script zu "Macho Man" selbst verfasst. Wie alt er war, als er es geschrieben hat, ist mir nicht bekannt, aber der Verdacht liegt nahe, dass er nur kurz zuvor den Übergang in die Sekundarstufe I gemeistert hat. Oder gerade daran saß. Ob man das daraus resultierende Objekt somit als imbezil oder tatsächlich infantil bezeichnen muss, kann ich daher nur mutmaßen. Allein die Idee jedenfalls, den tief gewachsenen Box-Playboy Weller in einer Hauptrolle zu besetzen, lässt an der mentalen Verfassung der Urheber zweifeln, wie dann dementsprechend die gesamte filmische Umsetzung. "Macho Man" ist ein Fanal des Trash: Jede einzelne Szene ein Poem, jede einzelne Minute teutonisches Gold. Wo neonfarbene Jogginganzüge aus Ballonseide den Eintritt in die Disco erleichtern, wo Breakdance höchstes Kulturgut darstellt, wo ohne Minipli und Haarlack ehrenhalber das Haus nicht verlassen wird, wo das schöne Nürnberg von der Geißel des Heroin befreit wird, wo eine deutsche Darstellerriege in München gedubbt wird (wir hören anstelle von Weller, Althof, Fiedler und Jacqueline Elber die ausgebildeteren Ekkehardt Belle, Hartmut Neugebauer, Eva Kinsky und Madeleine Stolze) - da (und nur da) ist "Macho Man" daheim! Trotz soviel äußerer Geschlossenheit lässt Benda jedoch immer noch die spannende Frage offen was nun wirklich (Zitat:) "besser ist: Boxen oder Karate..."?

6/10

Alexander Titus Benda Nürnberg Martial Arts Boxen Drogen Trash


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CAPTAIN LIGHTFOOT (Douglas Sirk/USA 1955)


"I pronounce you 'Captain Lightfoot'!"

Captain Lightfoot (Wenn die Ketten brechen) ~ USA 1955
Directed By: Douglas Sirk

Irland, im frühen 19. Jahrhundert. Der marodierende, ungestüme Republikaner Mike Martin (Rock Hudson) muss aus seinem Heimatstädtchen Ballymore fliehen, weil er den örtlichen Lehensherren (Kenneth MacDonald) beklaut hat. Auf dem Weg nach Dublin begegnet Martin dem getarnten Guerillero Captain Thunderbolt (Jeff Morrow), der, getarnt als Vergnügungsunternehmer John Doherty, in Dublin ein etwas anrüchiges Etablissement in Verbindung mit einem Casino betreibt und dessen Erlöse den irischen Nationalisten zuschanzt. Doherty macht Martin zu seinem Stellvertreter, eine Position, die dieser bald gänzlich auszufüllen hat, nachdem Doherty bei einem Schusswechsel verletzt wurde und sich vor den Behörden verstecken muss.

W.R. Burnett betätigte sich vielfach in und für Hollywood als Vorlagenlieferant und Drehbuchautor. Seine herzhafte Ballade der beiden irischen Freiheitskämpfer Thunderbolt & Lightfoot streift dabei ein ansonsten eher wenig tangiertes historisches Feld, das nämlich der frühen Einverleibung der Grünen Insel ins Commonwealth. Allerdings nutzten weder Burnett noch Sirk den Stoff zur expliziten Auseinandersetzung mit polithistorischen Gegebenheiten, es ging schlicht darum, einen visuell herausragenden, romantischen Abenteuerfilm vor Kostümkulisse anzubieten. Vor Ort gefilmt, in Scope und mit einer für Sirk typischen, exorbitanten Farbdramaturgie glänzt "Captain Lightfoot" somit primär infolge seiner Schauwerte. Erst mit einigem Abstand wird man gewahr, dass er für einen grundsätzlich als solchen zu kategorisienden 'swashbuckler' faktisch keinerlei echte Actionszenen aufweist - hier und da ein paar Schusswechsel, das war's auch schon. Ansonsten stützt sich der Plot in Form einer klassischen Entwicklungsgeschichte auf das Emporkommen Mike Martins als patriotischer Recke, der das Leben in all seinen unterschiedlichen Facetten erst noch kennenlernen muss, im Gegenzug jedoch ein hübsches Mädchen (Barbara Rush) abbekommt. Die vierte von insgesamt acht Kollaborationen zwischen Sirk und Hudson.

8/10

Douglas Sirk Irland period piece W.R. Burnett Kolonialismus


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SWEET BIRD OF YOUTH (Richard Brooks/USA 1962)


"A goofball makes the world keep its balance."

Sweet Bird Of Youth (Süßer Vogel Jugend) ~ USA 1962
Directed By: Richard Brooks

Der Gigolo Chance Wayne (Paul Newman) kommt zurück nach St. Cloud, Alabama, im Schlepptau die derangierte Hollywood-Aktrice Alexandra Del Largo (Geraldine Page). Mit Alexandras Hilfe hofft Chance endlich jener große Star zu werden, der er schon immer sein wollte und damit seine Jugendliebe Heavenly Finley (Shirley Knight) beeindrucken zu können. Dabei geht es in erster Linie um Heavenlys Vater, den Großindustriellen Tom 'Boss' Finley (Ed Begley), der ganz St. Cloud in der Tasche hat. Dieser versucht seit Ewigkeiten, den in Bezug auf Heavenly nicht nachgebenden Chance für immer aus der Stadt zu verbannen.

Nach "Cat On A Hot Tin Roof" die zweite Williams-Adaption von Richard Brooks, wiederum mit Paul Newman in der Hauptrolle des lebensunsicheren Protagonisten auf der Suche nach mehr Rückenwind und Standhaftigkeit. Diesmal ist der gefürchtete Südstaatenpatriarch allerdings nicht sein Vater, sondern ein erbitterter Gegner im Duell um seine Tochter. Doch "Sweet Bird Of Youth" ist figural weitläufiger: Mit der Geschichte um die wodkatrinkende, cannabisrauchende und benzedrinschluckende Diva Alexandra Del Largo entwickelte Williams einen exquisiten charakterlichen Nebenschauplatz. Letzten Endes entwickelt sich die narzisstisch-opportunistische Schauspielerin zu Chances Gewaltkur, seinem 'cold turkey', der ihm ein für allemal einbläut, dass seine Träume nichts sind als Schäume und dass das Leben deutlich irdischere Herausforderungen bietet. Auch ungewöhnlich, dass in der Rolle des Möchtegern-Starlets einmal ein Mann zu sehen ist, derweil seine Freundin den entsprechend notwendigen Räsonanzpart erhält.
Nicht ganz so umwerfend wie "Cat On A Hot Tin Roof", aber doch überaus lohnenswert und mit einem schönen Ende angereichert.

8/10

Richard Brooks Tennessee Williams Südstaaten Florida Alabama Alkohol Drogen Familie based on play


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RAINTREE COUNTY (Edward Dmytryk/USA 1957)


"I haven't married an abolitionist, have I?"

Raintree County (Das Land des Regenbaums) ~ USA 1957
Directed By: Edward Dmytryk

Freehaven, Indiana 1959. Der begabte Nachwuchsdichter John Shawnessy (Montgomery Clift) liebt eigentlich seine Jugendfreundin Nell (Eva Marie Saint), als ihm eines Tages die southern belle Susanna (Elizabeth Taylor) begegnet. Nach einer kurzen, heftigen Romanze eröffnet Susanna John, dass sie ein Kind von ihm bekäme - wie sich später herausstellen wird, eine Lüge, um John an sich zu binden und ihn zur dann tatsächlich stattfindenden Heirat zu bewegen. Doch dies ist nicht der einzige seltsame Charakterzug Susannas, wie John bald herausfindet. Ein schweres Kindheitstrauma in Verbindung mit einem pathologischen Rassismus lastet auf ihrer Seele. Der liberale John ist derweil ein überzeugter Gegner der verfilzten Südstaatenmentalität, insbesondere der Sklaverei. Bald zieht er mit Susanna zurück nach Freehaven und das Paar bekommt einen Sohn, während der Bürgerkrieg ausbricht. Susanna verschwindet mit dem Jungen und John geht zur Armee, um seine Familie jenseits der Front suchen zu können.

Gedacht als eine Art Repetition des nachhaltigen Erfolges von "Gone With The Wind" gab die MGM dieses neuerliche Sezessionskriegsepos in Auftrag - mit überaus mäßigem kommerziellen wie feuilletonistischen Erfolg. Dabei gebührte Dmytryks Werk - einem seiner schönsten Filme - eine weitflächige Rehabilitierung. Der Nebenplot um den mystischen goldenen Regenbaum, dessen Finder ewige Seligkeit und Zufriedenheit zuteil werden sollen, verleiht dem Film einen magischen zweiten Atem. Als Südstaatenepos, das der ganzen, historischen Dissonanz der Region - ihrer majestätischen Schönheit versus ihrer dekadenten Oberflächichkeit - ein Denkmal setzt, gibt "Raintree County" jedenfalls mindestens so viel her wie jedes vergleichbare Werk. Der Film, noch vor "Ben-Hur" als erster im Superbreitwandverfahren 'Camera 65' gedreht, schwelgt in satten Farben und führt ein großartiges Ensemble ins Feld; allen voran Lee Marvin als großspurigen, aber höchst liebenswerten Lebenskünstler Flash Perkins und Nigel Patrick als verschrobenen Intellektuellen Professor Stiles. "Raintree County" wird getragen von diesem Personal und der Film hätte es, schon aufgrund eines implizit notwendigen, detaillierteren Ausarbeitungsreichtums verdient, noch mindestens vierzig Minuten länger zu sein. So erscheint er vielleicht partiell zu fragmentarisch und abgehackt, was ihn keinesfalls versagen, aber wehmütig daran danken lässt, was mit etwas mehr Mut von Produktionsseite möglich gewesen wäre. Legendär eine Anekdote um Montgomery Clifts Autonunfall, den er während der Dreharbeiten erlitt, der seine Physiognomie nachhaltig veränderte und dessen Folgen (inklusive Operationsnarbe am Hals) in vielen Einstellungen des Films deutlich sichtbar sind.

9/10

Edward Dmytryk Sezessionskrieg Ehe Familie Indiana Freundschaft Madness period piece


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ET MOURIR DE PLAISIR (Roger Vadim/F, I 1960)


Zitat entfällt.

Et Mourir De Plaisir (...und vor Lust zu sterben) ~ F/I 1960
Directed By: Roger Vadim

Die junge Carmilla von Karnstein (Annette Vadim) kommt zur Verlobungsfeier ihres Cousins Leopoldo (Mel Ferrer) und dessen Braut Georgia (Elsa Martinelli) auf den alten Familiensitz in der Nähe von Rom. Carmilla hat die alte Kindheitsromanze mit Leopoldo nie ganz vergessen können. Als während der Verlobungsfeier ein Feuerwerk von der hochgelegenen Familiengruft aus gezündet wird, explodiert eine alte Kriegsbombe und legt die Katakomben frei, in denen die Gebeine der Gräfin Mircalla von Karnstein liegen, die vor rund dreihundert Jahren hier gelebt hat und der man nachsagt, eine Vampirin gewesen zu sein. Ein somnambuler Spaziergang führt Carmilla in die Gruft und sie kommt verändert wieder hinaus. Sie wird Leopoldo und Georgia gegenüber noch unzugänglicher als ohnehin schon und bald gibt es mit dem Hausmädchen Lisa (Gabriella Farinon) eine Tote.

Vor der "Karnstein"-Trilogie der Hammer nahm sich bereits Roger Vadim Le Fanus Novelle um die Vampirin Carmilla/Mircalla an, die weibliches Blut als Lebenselixier bevorzugt. Noch deutlich poetischer als die spätere Adaption legt Vadim seinen Film wie viele seiner Arbeiten als Geschenk für seine gegenwärtige, schöne Gespielin an, in diesem Falle die Dänin Annette Strøyberg, mit der der Regisseur zwei Jahre verheiratet war, bevor sie dann von Catherine Deneuve abgelöst wurde. Vadim versetzt den Plot in die Gegenwart und überlässt zumindest ansätzlich dem Publikum die Entscheidung, ob es der darbende Geist der lange verstorbenen Mircalla ist, der von Carmilla (und später Georgia) Besitz ergreift, oder ob Carmilla ein Opfer ihrer unerfüllten erotischen Sehnsüchte geworden ist. Allerdings sprechen einige Wahrnehmungen seitens der Kamera - Pferde scheuen plötzlich vor der einstmals versierten Reiterin Carmilla, Rosen verwelken nach wenigen Sekunden in ihrer Hand - für ersteres. Diese Gratwanderung, die Unvereinbarkeit zwischen altehrwürdiger Spiritualität und streng akademischer Moderne, bestimmt den Geist von Vadims oberflächlich etwas naivem Werk, das jedoch von einer ausgesprochenen visuellen Schönheit getragen ist.

8/10

Roger Vadim Sheridan Le Fanu Italien Vampire


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TRANCE (Danny Boyle/UK 2013)


"The memory cannot be destroyed."

Trance ~ UK 2013
Directed By: Danny Boyle

Der bei einem Auktionshaus beschäftigte Simon (James McAvoy) hilft dem Ganoven Franck (Vincent Cassel) und seiner Gang, einen wertvollen Goya zu stehlen, versteckt ihn jedoch im allgemeinen Aufruhr und leidet hernach an einer durch einen Gewehrkolbenschlag hervorgerufenen Amnesie. Das Gemälde bleibt verschwunden. Um dessen Versteck zu enthüllen, soll Simon sich einer Hypnotherapie unterziehen. Er selbst wählt die Therapeutin Elizabeth (Rosario Dawson) aus, sein Gedächtnis zu ordnen, verrliebt sich jedoch nach kurzer Zeit in sie. Damit beginnt ein für alle Beteiligten zunehmend gefährliches Vexierspiel, in dessen Unordnung Simon sich bald nicht mehr auskennt.

In seiner bewährt aufwändigen, undurchdringlich-collagenhaften Form widmet sich Danny Boyle zum ersten Mal seit seinem Debüt wieder einer originär kriminalistischen Geschichte, die, ähnlich wie das "Shallow Grave" im Laufe ihrer Entwicklung enthüllt, zu welchen Verworfenheiten gierige und besitzergreifende Zeitgenossen fähig sind und die die meisten ihrer Mitspieler als bestialische Moralhuren denunziert. Schön. Da Boyle, zumindest was mich anbelangt, eine trotz der wesentlichen Boshaftigkeit seiner Geschichte flächige, entspannte Betrachtung begünstigt, mag ich seine Filme ohnehin stets sehr. Ich kann mir vorstellen, dass der bei der Erstbeschau zwangsläufig recht konzentrationsintensive, inhaltliche Aspekt sich bei Wiederholungen wesentlich geschmeidiger ausnimmt und in den Hintergrund tritt, woraufhin die audiovisuellen Vorzüge von "Trance", der einmal mehr von seiner prachtvollen Einfärbung in Verbindung mit sphärischen Klängen lebt, deutlich entspannter zu genießen sein werden. Hat mir gut gefallen.

8/10

Danny Boyle Hypnose Heist London Psychiatrie


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A PRAYER FOR THE DYING (Mike Hodges/UK 1987)


"There's no reason for killing or dying anymore."

A Prayer For The Dying (Auf den Schwingen des Todes) ~ UK 1987
Directed By: Mike Hodges

Nachdem bei einem seiner Anschläge ein vollbesetzter Schulbus statt des ursprünglich anvisierten Militärkonvois explodierte, ist der vormalige IRA-Profikiller Martin Fallon (Mickey Rourke) auf der Flucht vor seinen vormaligen Gesinnungsgenossen (Liam Neeson, Alison Doody). In London nötigt der Gangsterboss Meehan (Alan Bates) Fallon dazu, als Finaljob einen seiner Konkurrenten auszuschalten. Doch Vater Da Costa (Bob Hoskins) wird zufällig Zeuge des Auftragsmords. Um seine polizeiliche Aussage zu verhindern und ihn nicht auch noch töten zu müssen, lässt Fallon sich von dem Geistlichen die Beichte abnehmen. Für Meehan reicht diese "Sicherheit" jedoch nicht aus.

Nicht ganz das, was er hätte sein können, bleibt "A Prayer For The Dying" trotz seiner denkbar guten Voraussetzungen an der Oberfläche haften. Ungeachtet des emotional betrachtet grundsätzlich durchaus intensiven, involvierenden Themas gelingt es Hodges nicht, den schweren Gewissenskonflikt Martin Fallons wirklich transparent werden zu lassen. Insbesondere die filmische Einführung seiner Figur ist dafür verantwortlich: Gleich zu Beginn des Films lernt man den Protagonisten als verzweifelten, fragilen Angstpatienten kennen, nicht jedoch als den gefürchteten, dutzendfachen Killer, als der er im weiteren Verlauf des Films immer wieder beschrieben wird. Umso brüchiger der vorgestellte Schuld-/Sühne-Komplex. Martin Fallon, von Mickey Rourke in seiner ihm damals typischen Art des stets situativ Überlegenen interpretiert, will sich nie ganz in seine Präambel als dreidimensionale Figur einfügen. Den wesentlich dankbareren, weil greifbareren Part hat Bob Hoskins erhalten, zu dieser Zeit ohnehin einer der vorrangigen britischen Darsteller. Seine Interpretation des vormaligen Killers von staatlicher Legitimation, der den "Absprung" nur durch seine Hinwendung zur Geistlichkeit bewältigen konnte, verleiht "A Prayer For The Dying" erst seinen rechten Glanz.

7/10

Mike Hodges Irland London IRA Terrorismus Kirche Jack Higgins


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THE RECKLESS MOMENT (Max Ophüls/USA 1949)


"When you're seventeen today, you know what the score is."

The Reckless Moment (Schweigegeld für Liebesbriefe) ~ USA 1949
Directed By: Max Ophüls

Um ihrer minderjährigen Tochter Bea (Geraldine Brooks) einen kompromittierenden Skandal zu ersparen, lässt sich die Hausfrau Lucia Harper (Joan Bennett) auf eine niederträchtige Erpressung ein. Bea hatte ihren deutlich älteren Freund (Shepperd Strudwick), den windigen Kunsthändler Ted Darby, im nächtlichen Streit niedergeschlagen, woraufhin dieser auf einen Anker gefallen und gestorben ist. Lucia hat daraufhin die Leiche des Mannes verschwinden lassen. Nun sind jedoch zwei Gauner, Donnelly (James Mason) und Nagel (Roy Roberts) in den Besitz kompromittierender Liebesbriefe gekommen, die eine Verbindung zwischen Bea und Darby nachweisen. Donnelly verlangt 5000 Dollar von Lucia für die Briefe, doch diese Summe ist für sie schwer aufzutreiben. Als Donnelly sein Opfer und dessen Familie besser kennenlernt, wandelt sich seine Gier in einen regelrechten Beschützerinstinkt, der zum konflikt mit seinem Partner führt...

Exzellent komponiertes Noir-Drama von Ophüls, eine Art "Brief Encounter" im Kriminalgewand, das sich trotz seiner potenziell rührseligen Geschichte allerdings jedes vorgebliche Pathos versagt und durch seine immens konzentrierte Struktur bis zum Ende fesselt.
Vom 'Stockholm-Syndrom' haben die Meisten ja schon gehört, dabei verlieben sich Kidnapper und Geisel ineinander. Doch es gibt offenbar noch exotischere Spielarten kriminell konnotierter Opfer-Täter-Beziehungen: In "The Reckless Moment" erwächst eine (unerfüllte) Liebesbeziehung zwischen Erpresser und Erpresster, die sich aus beiderseitiger Einsamkeit speist. Lucias Ehemann ist unentwegt auf Geschäftsreise und lässt seine Familie sogar zu Weihnachten allein; Donnelly ist mit seiner Schattenexistenz als Verbrecher längst unzufrieden und sehnt sich nach Heim und Geborgenheit. Dass sich diese zwei losen Menschen ausgerechnet unter solch widrigen Umständen begegnen müssen, mutet besonders gegen Ende, als sie sich näherkommen und der Zuschauer mit ihnen die moralischen Schranken ihrer eingekesselten Existenzen hinter sich gelassen hat, regelrecht unfair an, ändert jedoch natürlich nichts an der grundsätzlichen Liebenswürdigkeit und vollkommenen Schönheit dieses Films.

9/10

Max Ophüls Kalifornien Erpressung Familie amour fou





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Funxton

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