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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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VALLEY GIRL (Martha Coolidge/USA 1983)


"That techno-rock you guys listen to is gutless."

Valley Girl ~ USA 1983
Directed By: Martha Coolidge

Die ebenso beliebte wie oberflächliche High-School-Tuse Julie Richman (Deborah Foreman) aus dem Valley verliebt sich in den sich alternativ gebenden Semipunk Randy (Nicolas Cage) aus Hollywood. Für Julie ein gewaltiges Problem, denn mit Randy zusammen zu sein, bedeutet zugleich, ihre Freundinnen und ihren Status als künftige prom queen drangeben zu müssen. Dann vielleicht doch lieber den gelackten Tommy (Michael Bowen), einen echten Fatzken vor dem Herrn?

"Valley Girl" verhandelt als etwas klamaukigerer, wesentlich simpler strukturierter Vorläufer von John Hughes' "The Breakfast Club" eine ganz ähnliche Thematik: Ist ein Ausbruch aus der gewohnten peer group möglich, um nicht zu sagen: sinnvoll, wenn das Leben als ohnehin geplagter Teenager noch Qualität wahren soll? Für die etwas dümmlich gezeichnete Julie tatsächlich eine existenzielle Frage, denn ein Zusammensein mit Randy, diesem wilden Typen, der in Punkschuppen abhängt und allerlei merkwürdige Zeitgenossen kennt, bedeutet für sie zugleich eine Abkehr vom Gewohnten: Die heißgeliebten Nachmittage in der Mall mit shopping und Eisessen würden künftig uninteressant; ihr Freundeskreis müsste sich gezwungenermaßen von ihr abwenden - Katastrophen ohne Abriss also, zumindest, wenn man mit 16 noch kein Buch zur Hand genommen hat und keine einzige europäische Hauptstadt benennen kann.
"Valley Girl" hat, von seiner sicherlich unterhaltsamen Präsentation abgesehen, ein essenzielles Mentalitätsproblem: Seine tragenden Figuren sollen, zumindest unterstelle ich das den Autoren einfach mal, universelle Charaktere repräsentieren und Authentizität vermitteln, sind jedoch tatsächlich bloß holzschnittartige Pappkameraden aus frühen MTV-Clips - wobei besonders Cages Randy, den jeder damals halbwegs bei Trost befindliche Subkulturist nicht mal im Brandfalle angepisst hätte, wahrscheinlich den lächerlichsten Pseudopunk der Filmgeschichte abgibt. Ich meine: nix gegen die Psychedelic Furs und andere der im Film vorgestellten Popsachen, im Gegenteil, aber lassen wir doch bitte alles mal schön da, wo's hingehört. So werden die Valley-Püppchen mit ihren unerträglich vorgefassten Lebensentwürfen sich anno 83 womöglich "Punk" vorgestellt haben, nicht zuletzt infolge Coolidges Märchenstunde. Wenn die wüssten, diese Schäfchen...

5/10

Martha Coolidge Hollywood Kalifornien Los Angeles San Fernando Valley Teenager Subkultur Coming of Age


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THE MORE THE MERRIER (George Stevens/USA 1943)


"Damn the torpedoes, full speed ahead!"

The More The Merrier (Immer mehr, immer fröhlicher) ~ USA 1943
Directed By: George Stevens

Um ihrer patriotischen Pflicht nachzukommen, entschließt sich die etwas biedere Regierungsangestellte Connie Milligan (Jean Arthur), die Hälfte ihrer Wohnung im furchtbar überlaufenen Washington D.C. der Kriegstage unterzuvermieten. Der kecke, alte Ben Dingle (Charles Coburn), der auf ein paar Tage zu Besuch in der Hauptstadt reißt sich das Zimmer unter den Nagel und beschließt sogleich, die eigentlich bezaubernde Connie unter die Haube zu bringen. Dafür kommt der Militäragent Joe Carter (Joel McCrea) gerade Recht: Dingle vermietet ihm die Hälfte seiner Hälfte, ganz zu Connies anfänglichem Entsetzen, die nun mit zwei fremden Herren unter einem Dach leben soll. Es dauert tatsächlich nicht lange, bis es bei ihr und Joe ordentlich einschlägt, doch es gilt für Dingle noch, Connies spießigen Verlobten Pendergast (Richard Gaines) abzuservieren...

Wundervolles Screwball-Kommödchen mit einem noch wundervolleren Hauptdarstellertrio. Der mausezähnige, bereits reichlich betagte Charles Coburn erlebte in den vierziger und fünfziger Jahren einen zweiten Frühling als Vollblut-Komödiant, der in einer Mischung aus vordergründig-kauziger Tolpatschigkeit und hintergründiger Verschmitztheit oftmals den rettenden Engel gab, der einsamen Ladys oder armen Familien durch geschickte Hilfestellungen zum Glück verhalf. So auch hier: Ben Dingles lebensbejahende Philosophie, die ihn scheinbar ohnehin bloß als alternden Cupido in jene Stadt kommen ließ, in der "alle zwei Tage hinterher sind" und "acht Frauen auf einen Mann kommen", trägt ihn förmlich zu seinem selbst ausgekundschafteten "Rettungseinsatz", den er trotz aller Widrigkeiten - immerhin herrscht Krieg - mit Bravour meistert. Dass McCrea durch eine etwas überspannte Dummheit in Trubel gerät, kann seinen Weg zu Liebe und Heirat nicht ausbremsen. Außerdem liegt so etwas in der Natur des Genres, das das gepflegte Chaos benötigte, um sich erst recht entfalten zu können. Ausnahmsweise Propaganda mit wahrhaft progressivem Charakter: Make love, not war.

8/10

George Stevens Washinton D.C. WWII Screwball


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ANGEL AND THE BADMAN (James Edward Grant/USA 1947)


"Only a man that carries a gun ever needs one."

Angel And The Badman (Der schwarze Reiter) ~ USA 1947
Directed By: James Edward Grant

Schwer verwundet gelangt der berühmte frühere Deputy und jetzige Outlaw Quirt Evans (John Wayne) zur Farm der Quäkerfamilie Worth. Wie es sich für sie gehört, nehmen die Worths Evans vorurteilsfrei und warmherzig in ihr Heim auf - für den ansonsten eher unsteten Revolverhelden eine ganz neue Erfahrung. Besonders Penelope (Gail Russell), die Tochter des Hauses, hat es Quirt angetan. Bevor er bereit ist, von seinem bisherigen Lebenswandel Abschied zu nehmen und sich mit Penelope niederzulassen, bedarf es jedoch noch einiger Prüfungen.

Die alte Geschichte von der Sesshaftwerdung des gunslinger - hier noch zusätzlich durch das religiöse Element des besonders friedfertigen Quäker-Glaubens um eine zusätzlich pikante Note ergänzt. Für Duke bedeutete die Rolle des Quirt Evans - eines daherfabulierten früheren Kollegen Wyatt Earps und später zur Gaunerei umgeschwenkten Hallodris, der sämtliche schlechten Eigenschaften eines rauen Westgesellen in sich vereint, nur um später der Waffe abzuschwören und sich einem spießigen Farmerleben zuzuwenden, die Annahme einer relativ ungewohnten und ungewöhnlichen Perspektive. In Fonda oder Stewart hätte sie einen glaubwürdigeren Adepten gefunden, Wayne nimmt man jenen Sinneswandel bestenfalls bedingt ab. Nicht auszudenken außerdem, was Ford aus diesem Stoff gemacht, mit welcher Doppelbödigkeit und lyrischen Bilder er sich dessen angenommen hätte. So gerät "Angel And the Badman" zu einem vergleichsweise vernachlässigbaren Western, in dem vor allem Gail Russell durch ihre natürliche Attraktivität glänzt und der nunmehr vor allem für Wayne-Komplettisten von Wert sein dürfte.

6/10

James Edward Grant Arizona Quäker


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THE NAKED DAWN (Edgar G. Ulmer/USA 1955)


"He's a man and you're just an animal."

The Naked Dawn (Santiago - Der Verdammte) ~ USA 1955
Directed By: Edgar G. Ulmer

Nach einem Auftragsüberfall auf einen Wertsachen transportierenden Zug stirbt Santiagos (Arthur Kennedy) Partner Vicente (Tony Martinez). Santiago trifft auf der Weiterreise mit Maria (Betta St. John) und Manuel (Eugene Iglesias) ein junges Indio-Ehepaar, das sich als Farmer niedergelassen hat. Es stellt sich heraus, dass Maria in eine Art Zwangsheirat mit Manuel gezwungen wurde und er sie alles andere als gut behandelt. Santiago lässt sich von Manuel zu seinem Auftraggeber (Roy Engel) fahren, um die Beute gegen den versprochenen Lohn zu tauschen. Santiago muss den hinterhältigen Ganoven jedoch zwingen, ihm das gesamte Geld auszubezahlen, worauf er den gesamten Safe plündert. Danach schlägt er sich mit Manuel die Nacht um die Ohren, der sich mehr und mehr für das erbeutete Geld zu interessieren beginnt. Am nächsten Morgen versucht Maria, Santiago zu überreden, sie mitzunehmen - sie habe genug vom Leben mit Manuel.

Ein leuchtender, kleiner Film und ein neuerlicher Beweis dafür, wie der Jahre zuvor migrierte Edgar G. Ulmer aus wenigen Zutaten cineastische Gourmetgerichte zu zaubern wusste. Auch der hier und da märchenhaft abseitige "The Naked Dawn" wurde von der Universal produziert, gestaltet sich jedoch nicht als einfacher B-Genre-Film, sondern alszutiefst moralisch geprägtes Vexierspiel, das mit Arthur Kennedy nicht nur einen formidablen Antihelden (in einer seiner schönsten Rollen wohlgemerkt) aufbietet, sondern klug genug ist, sich bis kurz vor Schluss keinen Eindeutigkeiten hinzugeben. In der (Grenz-)Welt von "The Naked Dawn", dessen Titel, nebenbei bemerkt, ganz vorzüglich zu ihm passt, gibt es keine eindeutig zuzuordnenden Gut-/Böse-Schemata, jeder ist für Profit auch nur für das private Lebensgusto korrumpierbar und bereit zum Verrat. Jede der drei Hauptfiguren macht binnen 24 Stunden eine mehrfache Wandlung durch, verpuppt sich, um am Ende als auf die eine oder andere Weise strahlender denn zuvor aus ihrem Kokon zu kriechen (oder für immer darin zu bleiben). Der lebenslustige Gauner übernimmt Verantwortung und wird zum Reanimierungshelfer einer bereits gescheitert scheinenden Ehe, der ängstliche, kleine Bauer erhält über seine Grenzerfahrung Rückgrat und innere Stärke, seine Frau lernt, dass Realität und Wunschdenken unvereinbar sind. Die kunstvolle Darbietung dieser jeweiligen Transformationen allerdings erst macht "The Naked Dawn" zu etwas Außergewöhnlichem.

9/10

Edgar G. Ulmer Mexiko Freundschaft Alkohol Neowestern


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MINNIE AND MOSKOWITZ (John Cassavetes/USA 1971)


"We love each other. That's why we're going to marry."

Minnie And Moskowitz (Minnie und Moskowitz) ~ USA 1971
Directed By: John Cassavetes

Die Museumskuratorin Minnie Moore (Gena Rowlands) hat eine Vorliebe für exaltierte Sonnenbrillen und ein unglückliches Händchen für Beziehungen. Nachdem ihr jüngster Freund (John Cassavetes), der sie ohnehin mies behandelt hat, reumütig zu Frau und Kindern zurückgekehrt ist, versucht sie es mit einem wirren Bohémien (Val Avery), doch auch das geht schief. Mitten in die just zerbröckelnde Szenerie platzt der langhaarige Parkplatzwächter Seymour Moskowitz (Seymour Cassel), der als unangeforderter Schutzengel zwar Minnies Interesse erregt, seinem Sozialstatus als vorlauter Proletarier zufolge jedoch eigentlich nicht ernsthaft für sie in Frage kommt. Doch Seymour gibt nicht auf.

Inmitten seiner intimen Katastrophenfilme zwischenmenschlicher Unfallszenarien inszenierte Cassavetes diese liebenswerte kleine Romanze, ohne sich allerdings in Anbetracht des für ihn lebensbejahenden, positiven Themas auch nur eine Sekunde lang untreu zu werden. Die ihm eigenen, knallharten Observierungspraktiken individueller Verhaltensweisen und charakterlicher Spezifika betreibt der Meister für "Minnie And Moskovitz" gerade so unbestechlich (und für ungeübte Augen möglicherweise befremdlich) wie eh und je, Dialoge werden mittendrin ausgesetzt oder abgebrochen, um sich zur nächsten Szene umgeschnitten zu finden und ganz L.A. erscheint wie ein Sammelsurium verschrobener Gestalten. Der große Timothy Carey genehmigt sich einen schön virulenten Auftritt als verrückter Geschichtenrezitator und Averys gegenüber Gena Rowlands gehaltener, nervös-narzisstischer Monolog, in dem eine optionale Beziehung binnen zehn Minuten mitsamt allen Höhen und Tiefen abgehandelt wird, ist komödiantische Königsklasse, wie man sie heuer in solch brillanter Absurdität nurmehr bei Charlie Kaufman vorfindet. Und das Schönste: Selbst alle Schicksalswidernisse vermasseln dem Protagonistenpaar nicht das romantischste Ende, das es bei Cassavetes zu sehen gibt.

9/10

John Cassavetes amour fou Los Angeles


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ROCCO E I SUOI FRATELLI (Luchino Visconti/I, F 1960)


Zitat entfällt.

Rocco E I Suoi Fratelli (Rocco und seine Brüder) ~ I/F 1960
Directed By: Luchino Visconti

Familie Parondi - Mutter Rosaria (Katina Paxinou) und ihre vier Söhne Simone (Renato Salvatori), Rocco (Alain Delon), Ciro (Max Cartier) und Luca (Rocco Vidolazzi) kömmen pünktlich zur Verlobung des Ältesten, Vincenzo (Spiros Focás) aus dem tiefen Süden Italiens nach Mailand. Für Rosaria ist es nach alter Tradition selbstverständlich, dass die Familie der Braut Ginetta (Claudia Cardinale) sie und ihre Jungen aufzunehmen hat, doch diese reagiert ungehalten und setzt die Parondis auf die Straße. Vincenzo ist jedoch zuversichtlich, dass das soziale Gefüge sie auffangen wird. Die Söhne schlagen sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, derweil Rosaria versucht, die Familie zusammenzuhalten - vergeblich. Nachdem Simone zunächst als Boxer erfolgreich ist, lernt er die Prostituierte Nadia (Annie Giradot) kennen und verfällt ihr vollends. Nadia jedoch ist vielmehr an dem sensiblen Rocco interessiert, dessen Maximen Güte und Mitgefühl sind. Ciro erhält als erster weine feste Anstellung, Vincenzo und Ginetta heiraten schließlich doch und bekommen ein Kind. Nach einer kurzen Militärkarriere fängt auch Rocco zu boxen an - wesentlich erfolgreicher als der mittlerweile hoch verschuldete und trunksüchtige Simone. Der Bruch zwischen ihm und Rocco verzehrt die Familie, bis es schließlich zur Katastrophe kommt.

In fünf Akten arrangiert Visconti sein neorealistisches Meisterwerk. Beginnend mit dem ältesten Sohn Vincenzo stellt er mit dem jeweiligen Altersnachfolger jeweils einen der Brüder in den charakterisierenden Mittelpunkt und entspinnt so die umfassene Chronik eines schleichenden, familiären Zerfalls. "Rocco E I Suoi Fratelli" ist dabei im besten Sinne so 'italienisch', wie es ein Film dieser Maßgabe nur sein kann; Moralkodexe und Ehrbegriffe, wie sie für den Mitteleuropäer vielleicht nicht immer nachvollziehbar sein mögen, geraten zu Existenzmaximen. Mit dem Bruch der Brüder Simone und Rocco zieht sich, einer Erdbebenspalte gleich, auch ein Riss durch die gesamte Familie. Für den bodenständigen Ciro ist klar, dass "ein fauler Apfel aussortiert werden muss, bevor er die anderen verdirbt". Seinem - im besten Vernuftsinne - rechtzeitig veranschlagten Ausstoß des sich immer weiter in den Abgrund manövrierenden Simone, der zudem jedes Hilfsangebot ausschlägt, könnte die Übrigen retten, doch Simones Schicksal ist mit dem der Übrigen fest verknüpft und wird schließlich zu ihrem eigenen, zumal Rosarias größter Traum darin bestehen bleibt, alle ihre fünf Kinder versammelt um einen Tisch herum bei sich zu haben. Der Gegenwind in Form von Simones ewiger Rebellion gegen den Rest der Welt jedoch ist zu stark. Dazu spielt Nino Rotas traumhafte Musik wie eine Symphonie des Lebens.

10/10

Luchino Visconti Familie Brüder Mailand Neorealismus Faustkampf


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THE BABE (Arthur Hiller/USA 1992)


"It's the city. Like waiting there for me outside, waiting and breathing."

The Babe ~ USA 1992
Directed By: Arthur Hiller

George "Babe" Ruth (John Goodman) wächst, vom Vater verstoßen, in einem Waisenhaus in Baltimore für schwer erziehbare Kinder auf. Früh entdeckt man dort sein Talent als Batter, der jeden Ball über die Anstaltsmauern drischt. So kommt er als junger Erwachsener zu den Boston Red Sox, wo er rasch zum Superstar aufsteigt und von dort zu den New York Yankees. Sein rotziges Auftreten legt Ruth nie ganz ab, er liebt es, in feiner Umgebung laut zu furzen, frisst, säuft und hurt, was das Zeug hält. Seine erste Ehe mit der zarten Helen (Trini Alvarado) hält diesem Ungestüm nicht stand, die vormalige Ziegfeld-Tänzerin Claire (Kelly McGillis) indes kommt mit Ruths ungeschliffener Natur wesentlich besser zurecht. So schnell wie sein Stern einst aufgestiegen ist, sinkt er jedoch auch wieder: Nach einem neuerlichen Transfer zu den abgeschlagenen Boston Braves stürzt seine sportliche Karriere ins Bodenlose.

Amerika feiert seine Helden - je schillernder, desto ergiebiger - gern in glanzvollen Hollywood-Filmen ab. Ein solcher ist auch "The Babe", der den legendären Baseball-Batter Babe Ruth, Spitzname 'Bambino' oder auch 'The Sultan Of Swat', als einen den amerikanischen Traum lebenden underdog zelebriert. Ruth will alles: Ruhm, Liebe Familie, Sex, Geld, Essen, Alkohol und Feiern. Was ihm nicht umweglos kredenzt wird, holt er sich - unter jeweils schwerster Kritik seitens seiner Gönner. Die von ihm zunächst eroberte Helen erweist sich als allzu zerbrechlich für Ruths unablässige Eskapaden, die schwere, tage- und nächtelange Gelage beinhalten, sein Yankees-Trainer wirft Ruth vor, dass sein freiwilliger Schlafentzug auf Kosten permanenter Partys, seine permanente Körpervergiftung und sein zunehmendes Gewicht seine körperliche Konstitution schwächen, worauf er ungerührt den nächsten 100-Meter-Schlag landet.
Wie alle schönen period bios lebt auch Hillers Film von seinem Mut zu kitschiger Überhöhung sowie von der Akkuratesse der Darstellung seiner Zeit, hier der wilden Zwanziger, in denen schummrige Jazzpinten, Champagner und verruchte Ladys mit Zigarettenspitze das Zeitbild bestimmten. Baseball spielt dabei - gottlob - eine lediglich moderat angesetzte Rolle, so dass man sich ganz der formidablen Darstellung John Goodmans (für den die Rolle ein Segen gewesen sein dürfte) hingeben kann.

7/10

Arthur Hiller New York Baseball period piece Historie Biopic Boston Alkohol


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THIS PROPERTY IS CONDEMNED (Sydney Pollack/USA 1966)


"I meant what I said!"

This Property Is Condemned (Dieses Mädchen ist für alle) ~ USA 1966
Directed By: Sydney Pollack

Während der Depressionszeit kommt der Liquidationsagent Owen Legate (Robert Redford) in das kleine Nest Dodson/Mississippi. Wie überall, wo er auftaucht, hat Legate auch hier die unangenehme Aufgabe, diversen Arbeitern der Eisenbahngesellschaft ihre Kündigung auszusprechen. Während Legate während seines kurzen Aufenthalts zum meistgehassten Mann in Dodson wird, verliebt sich Alva (Natalie Wood), die Tochter der örtlichen Pensionsbesitzerin Hazel Starr (Kate Reid), in ihn. Alva ist gewohnt, dass die Männer ihr in Scharen hinterherlaufen, Legate besitzt jedoch als einziger die Chuzpe, wirklich Tacheles mit ihr zu sprechen. Als er ihr anbietet, mit ihm nach New Orleans zu kommen, lehnt Alva zunächst ab, folgt ihm dann aber doch. Hazel, die andere Pläne mit ihrer Tochter hat, lässt sich das jedoch nicht ohne weiteres bieten.

Basierend auf einem Einakter von Tennessee Williams bildete "This Property Is Condemned" gleichermaßen die zweite Kinoregie-Arbeit Pollacks wie den Startschuss für seine 24 Jahre während Kollaboration mit Robert Redford, die alles in allem sieben gemeinsame Filme hervorbringen sollte. Dabei war Redfords Engagement in erster Linie auf das Insistieren Natalie Woods - als Alva Starr in einer ihrer schönsten Rollen zu bewundern - zurückzuführen, die sich Redford als Co-Darsteller wünschte. An Williams' Vorlage wurde indes eifrig herumgedoktert; etliche Scriptautoren, darunter auch der damalige "Drehbuchdoktor" Francis Ford Coppola, waren für die diversen Umbrüche der Geschichte verantwortlich, was "This Property Is Condemned" nachgerade den Ruf eintrug, uneinheitlich und unentschieden zu wirken und kein rechtes Maß zwischen Satire und Tragödie finden zu können. Dabei besitzt der Film durchaus seine, vielleicht gerade aus seiner Patchwork-Gerierung resultierende, spezielle Poesie. Besonders die außergewöhnlich interpretierten Nebencharaktere zeichnen dafür mit verantwortlich - Charles Bronson als viriler Malocher, John Harding als einsamer Lustgreis und ganz besonders die die traurig endende Geschichte von Alva und Owen erzählende Mary Badham als Alvas Schwester Willie, von der man nicht ganz sicher sein kann, ob sie nicht doch möglicherweise das ruhelos umherirrende, letzte Gespenst einer Geisterstadt ist.

8/10

Sydney Pollack Great Depression Mississippi New Orleans Südstaaten Eisenbahn Tennessee Williams based on play Francis Ford Coppola New Hollywood


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THE REIVERS (Mark Rydell/USA 1969)


"You can be scared if you want to, but don't be afraid, son."

The Reivers (Der Gauner) ~ USA 1969
Directed By: Mark Rydell

Mississippi, 1905. Auf den zwölfjährigen Lucius McCaslin (Mitch Vogel), Spross der reichsten Familie im Umkreis, wartet eine viertägige Reise ins Erwachsenenleben. Während sein erzpatriarchalische Großvater Boss (Will Geer) unterwegs zu einer Beerdigung ist, reißt sich der Stallknecht Boon Hogganbeck (Steve McQueen), Lucius' bester Freund, den vielbeachteten Familienstolz, einen gelben 'Winton Flyer', unter den Nagel, packt Lucius ein und fährt mit ihm und dem farbigen Ned (Rupert Crosse), ebenfalls ein - negierter - Spross des McCaslin-Clans, nach Memphis um dort im Puff von Mr. Binford (Michael Constantine) mit seiner heimlichen Geliebten, der Hure Corrie (Sharon Farrell) einkleines Techtelmechtel zu begehen. Der eigentliche Ärger beginnt, als Ned das Automobil gegen das Rennpferd 'Blitz' eintauscht - im nasenweisen Glauben, dass dieses bei einem Rennen siegen und so den Wagen zurückbringen wird. Ausgerechnet Lucius soll Blitz zum Sieg führen...

Die von McQueens Solar mitproduzierte Adaption des nur wenige Jahre zuvor erschienenen, ebenso vielgepriesenen wie -gescholtenen Romans von Faulkner, nimmt sich ein wenig aus wie ein stark romantisierter Heimatfilm des amerikanischen Südens. Der Held der Geschichte, das ist neben dem gerade an der Schwelle zum Erwachsenwerden stehenden Ich-Erzähler Lucius McCaslin vor allem der Hallodri Boon Hogganbeck, eine verschmitzte Filourolle für McQueen, in der er seiner Liebe für klassische Autos ebenso fröhnen kann wie der für augenzwinkernde Charaktere und sagenhafte Womanizer. Als eine Art 'Antipädagoge' ist ihm jedoch ebenso wie an seinem persönlichen Spaß daran gelegen, seinen Freund und Schützling Lucius, der bisher nie aus mit den Geschicken der erwachsenen Manneswelt vertraut zu machen: Er sieht erstmals ein Bordell von innen, schläft unter einem seine ganze Aufmerksamkeit fordernden Panoramagemälde einer schönen Nackten und findet in Boons Stammhure Miss Corrie eine merkwürdige Mischung aus Mutterersatz und erotischer Projektionsfläche. Mit deren verwahrlostem Neffen Otis (Lindy Davis) liefert er sich ihr zu Ehren einen Kampf bis aufs Blut, lernt später hautnah den unter der Oberfläche brodelnden, allgegenwärtigen Rassismus jener Gefilde kennen, personifiziert durch den widerlichen Gesetzeshüter Lovemaiden (Clifton James) und geht trotz schlechten Gewissens am Ende als großer Tagessieger aus all diesen Ereignissen hervor. Ohne es ihm direkt zu zeigen, kann selbst sein Großvater nicht verhehlen, dass dieses zwischen schmutzig und glorios chargierende Abenteuer seines Enkels ihn zu einem stolzen Mann macht.
Mark Rydell ist tragischerweise eine der missachtetsten Figuren der Ära New Hollywood, für den ich immer wieder gern eine Lanze breche, besaß er doch ein untrügliches Gespür dafür, die dem klassischen Studiokino eigenen, epischen Erzählstrukturen, so etwa romantische Erzählungen von gestern in stolzem Scope, mit den neuen Ideen künstlerischer Autonomie zu verknüpfen. Vielleicht lag es daran, an dieser bewussten Verweigerung, sich für eine Seite zu entscheiden, dass Rydell nie ganz das Renommee erhielt, dass er verdient hätte.

8/10

Mark Rydell period piece Südstaaten Mississippi Tennessee Memphis Bordell coming of age Freundschaft Pferd Rassismus Familie William Faulkner New Hollywood


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SIGHTSEERS (Ben Wheatley/UK 2012)


"It was an accident, Mum." - "So were you."

Sightseers ~ UK 2012
Directed By: Ben Wheatley

Die mit ihrer herrischen Mutter (Eileen Davis) zusammenhausende Tina (Alice Lowe) lernt den etwas exzentrisch anmutenden Camper Chris (Steve Oram) kennen und unternimmt mit ihm kurzerhand eine mehrwöchige Tour über die britische Insel. In deren Verlauf entpuppt sich Chris als Serienmörder, der unliebsame Zeitgenossen aus nichtigen Gründen aus dem Weg räumt. Um sich ihm anzupassen, beginnt bald auch die schwer verknallte Tina damit, sie irritierende Personen zu beseitigen.

Schwarzhumorig bis ins Mark und flankiert von einem grandiosen visuellen Gespür lässt Wheatley die von seinen beiden Hauptdarstellern verfasste Reise ins Verderben vom Stapel. Wobei diese Bezeichnung nicht ganz zutrifft, denn für Tina entpuppt die Fahrt mit Chris sich als von einigem emanzipatorischen Wert geprägt. Ob sie es am Ende schaffen wird, sich auch noch von ihrer dominanten Mutter zu lösen, bleibt der Zuschauerfantasie überlassen, zu rechnen ist damit jedoch.
"Sightseers" ist vornehmlich das bewusst überspannte Porträt einer sich ihrer Umwelt andienenden Enddreißigerin, die in ihrem Leben bis dato nichts anderes als Dependenz und Assimilation gelernt hat und erst durch einen aus der gesellschaftlichen Norm entgleisten Soziopathen den Mut zur Unabhängigkeit bezieht. Wie dieser im Grunde sehr feministisch geprägte Ausbruchsbericht jedoch dargeboten wird, das macht Wheatleys beachtlichen Film so wunderhübsch fies und - bei aller detailversessenen Liebe zu seinen Figuren - exquisit bösartig.

9/10

Ben Wheatley England Road Movie Camping Serienmord Couple on the Loose amour fou Schwarze Komödie





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