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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ROMAN HOLIDAY (William Wyler/USA 1953)


"You should always wear my clothes."

Roman Holiday (Ein Herz und eine Krone) ~ USA 1953
Directed By: William Wyler

Die junge engische Thronfolgerin Prinzessin Ann (Audrey Hepburn) ist auf Staatsbesuchsreise durch Europa. In Rom wird ihr der sie umgebende Trubel um all die engmaschigen Besuchstermine und die höfischen Etikette zuviel. Nach einem halben Nervenzusammenbruch erhält sie ein Sedativ und büchst danach aus der Botschaft aus. Auf der nächtlichen Straße findet sie der amerikanische Journalist Joe Bradley (Gregory Peck) und nimmt die schlaftrunkene Schöne mit in sein Appartement. Erst am nächsten Morgen wird ihm bewusst, wen er da eigentlich aufgegabelt hat, ohne, dass Ann ihrerseits dies bemerkt. Zusammen mit seinem Kumpel, dem Photographen Irving (Eddie Albert), initiiert Joe eine eintägige Exklusivreportage über die sich freistrampelnde Prinzessin. Als er sich jedoch in das bezaubernde Wesen an seiner Seite verliebt, muss er seine Pläne überdenken.

Diese bittersüße Liebeskomödie zählt zu Wylers vielen Meisterwerken, was der Regisseur allerdings auch dem zu keinem Zeitpunkt je in den Kitsch abdriftenden Script des zu dieser Zeit auf der Schwarzen Liste befindlichen Dalton Trumbo zu verdanken hat. Mit Audrey Hepburn, der tatsächlich ein paar blaublütige Gene durch die Venen schossen, ward die perfekte Verkörperung für die einerseits fragile und andererseits doch so pflichtbewusste Prinzessin gefunden. Nach einigen wenigen und wenig beachteten Minirollen in europäischen Produktionen begründete "Roman Holiday" ihr knapp zwei Jahrzehnte währendes stardom als einer der schönsten Schwäne Hollywoods, die Filmromanzen mit den ganz großen, häufig auch deutlich älteren Ikonen des golden und silver age pflegen durfte, wobei seltsamerweise die vielumschriebene "Chemie" zwischen ihr und ihren männlichen Partnern stets authentisch wirkte - vermutlich auch dies ein Verdienst des ihr eigenen, turmhohen Charmes. Gregory Peck bildete in diesem Punkt sogleich einen formidablen Auftakt, wenn ihm am Ende auf der Pressekonferenz, als er Anne das vermutlich letzte Mal zu Gesicht bekommt, die Tränen in den Augen stehen im Bewusstsein, mit dem vielleicht ungeheuersten Verlust seines Lebens fertig werden zu müssen, dann nimmt man ihm dies mit aller Konsequenz ab. Für Wyler dürfte seine Geschichte dieser 24 römischen Ferienstunden bei so viel geballter, kreativer Unterstützung nahezu ein Selbstläufer gewesen sein.

9/10

William Wyler Standesdünkel Rom Adel amour fou Dalton Trumbo Coming of Age


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EMBRYO (Ralph Nelson/USA 1976)


"No. Don't."

Embryo ~ USA 1976
Directed By: Ralph Nelson

Der Genetik-Wissenschaftler Paul Hollison (Rock Hudson) fährt nachts auf regennasser Straße eine trächtige Dobermann-Hündin an. Das Tier stirbt, doch Hollison gelingt es, einen der Föten mithilfe einer von ihm entwickelten, placentalen Lösung außerhalb des Mutterleibs am Leben zu erhalten. Binnen einer Rekordzeit von wenigen Tagen entwickelt sich das kleine Wesen nicht nur zu einem ausgewachsenen, prächtigen Hund, sondern erweist sich zudem als hyperintelligent, lernbegierg und vor allem von insgeheim grausamem Wesen. Hollison beschließt, dasselbe Experiment mit einem menschlichen, weiblichen Embryo durchzuführen. Er erhält ein Versuchsobjekt, dessen Mutter Selbstmord begangen hat. Auch hier gelingt die Anordnung mit derselben Rasanz wie bei der 'No. 1' getauften Hündin. 'Victoria' (Barbara Carrera) wächst rasch zur erwachsenen, superintelligenten Schönheit heran. Hollison gibt sie als Assistentin aus und verliebt sich in sie, derweil Victorias Alterungsprozess nach wenigen Tagen Pause wieder rapide einsetzt. Um zu überleben, benötigt sie die Zellen eines sechs Monate alten Fötus. Und ausgerechnet Hollisons Schwiegertochter (Anne Schedeen) ist just in der passenden Schwangerschaftswoche...

Wie viele eigentlich keinem Genre direkt verpflichteten Filmemacher versuchte sich auch Ralph Nelson Mitte der Siebziger an einem phantastischen Stoff: Ein Retortenbaby, äußerlich und innerlich perfekt, dabei jedoch zugleich von folgerichtiger emotionaler Kälte, wird zur femme fatale, die um des eigenen Überlebens Willen die Familie ihres "Erschaffers" zerstört. Erst viel zu spät erkennt Paul Hollison, der sich von der faszinierenden Schönheit und Intelligenz Victorias blenden ließ, welch gottlosen Fehler er gemacht hat und versucht hernach mit aller Vehemenz, diesen wieder auszuwetzen. Hierin liegt zugleich auch die Unentschlossenheit des ansonsten durchaus respektablen Films: Er findet keine vollwertige Balance zwischen seinem grellen Horrorthema einerseits und dem Drama des frankenstein'schen Geschöpfs andererseits. Wie alle Homunculi in Literatur und Film will Victoria lediglich das, was ihr von der Sekunde ihrer "Geburt" an metamoralisch zusteht: Mehr Leben. Dass sie, um sich jenes anzueignen, Schritte unternehmen muss, die andere Existenzen gefährden, ist weniger einem wie auch immer gearteten, bösartigen Naturell zuzuordnen, sondern ihrer emotionalen Ungeschliffenheit: Durch ihren überlegenen Genotyp ist Victoria zwar in der Lage, sich körperlich und geistig bis zur Vollkommenheit zu entwickeln, ihre Fähigkeit zur Empathie, zu emotionaler Reife somit, muss jedoch im Stadium eines eine Woche alten Kindes verbleiben. Folglich bleibt Nelson seinem Publikum vor allem zum Ende hin die Frage schuldig, ob er eher klassischen SciFi-Horror oder ein fortschrittskritisch-existenzialistisches Drama intendierte.

6/10

Ralph Nelson amour fou mad scientist Hund Schwangerschaft Experiment Genforschung


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FAUST: LOVE OF THE DAMNED (Brian Yuzna/E 2000)


"I am the pornography that gets you hot!"

Faust: Love Of The Damned ~ E 2000
Directed By: Brian Yuzna

Der Künstler John Jaspers (Mark Frost) verliert seine Holde (Jennifer Rope) durch den überraschend auf ihn und sie verübten Gewaltakt einer übler Gang. Um seine Vergeltung zu bekommen, besiegelt er voller Verzweiflung einen Pakt mit dem mysteriösen M (Andrew Divoff), der einer geheimen Sekte namens "The Hand" vorsteht. Jaspers verwandelt sich fortan bei Bedarf in einen metzelnden Racheengel, der alles filetiert, was ihm vor die Klingen kommt. Geliebt von der schönen Psychologin Jade (Isabel Brook) und beschattet von dem eifrigen Lieutenant Margolies (Jeffrey Combs) bahnt sich Jaspers seinen blutigen Weg durch den kriminellen Untergrund. Auch der sinistre M, der eine dämonische Entität, den 'Homunculus' auf die Erde rufen will, muss sich Jaspers mittelfristig stellen.

Faustische Superhelden II: Ganze fünf Jahre älter als Spawn ist der noch um einiges weniger jugendfreie Faust, erdacht von den beiden Autoren Tim Vigil (Illustrationen) und David Quinn (Storys), veröffentlicht vom Underground-Verlag Rebel/Avatar. Die in schwarz-weiß publizierten Geschichten erschienen in keiner regelmäßigen Frequenz und wurden bei einer Gesamtzahl von lediglich fünfzehn Ausgaben über einen Zeitraum von 25 Jahren veröffentlicht. Wie der Name der Titelfigur berreits verrät, ist "Faust" ein direkter Nachkomme der goetheschen Gestalt, deren Antagonist Mephistopheles sich in Comic und Film zeitgenössisch als 'M' abkürzt. Yuzna wählte die Adaption als Eröffnungsstück seiner neu gegründeten, spanischen Produktionsgesellschaft Fantastic Factory, die als Subfirma des Filmax-Verleihs bis 2005 nur acht Filme herstellte und dann wieder einschlief. Gefilmt wurde in und um Barcelona - immerhin geschickt genug, um nie den Eindruck zu verwischen, es handele sich um eine amerikanische Großstadt. Der Soundtrack wurde, gemäß einer neunziger-typischen Tradition, von harten Bands geliefert, die allesamt beim Label Roadrunner unter Vertrag standen. Der Connaisseur weiß, was das bedeutet: Palaver, aber deluxe! So weit, so eigen. "Faust: Love Of The Damned" ist ein vielgehasster, vielgeschmähter Film, dessen höchst eigenwilliges Auftreten es einem tatsächlich nicht eben leicht macht. Dennoch glaube ich, hinter all dem verschrobenen, merkwürdig pastiche-artigen Gewimmel, das einer akut spürbaren Komik nicht entbehrt, eine spezifische Konzeption ausmachen zu können, den Willen dazu, etwas anderes, eigenes zu liefern ohne die direkte Tendenz der Publikumsanbiederung. Bei aller campigen Pappnasigkeit sitzt da irgendwo noch was im Verborgenen, das, wenn ich es in ferner Zukunft irgendwann benennen kann, ich hier veröffentlichen werde. Bis dahin bleibt mir bloß die Einordnung im Mittel.

5/10

Brian Yuzna Satan Comic Camp


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THE GYPSY MOTHS (John Frankenheimer/USA 1969)


"Typical American town..."

The Gypsy Moths (Die den Hals riskieren) ~ USA 1969
Directed By: John Frankenheimer

Die drei Fallschirmspringer Mike Rettig (Burt Lancaster), Joe Browdy (Gene Hackman) und Malcolm Webson (Scott Wilson) ziehen durch die Provinz und führen ihre waghalsigen Kunststückchen sensationsgierigen Kleinstädtern vor. Als das Trio Halt in jenem Nest in Kansas macht, in der Malcolm aufgewachsen ist, findet man häusliches Obdach bei dessen Adoptiveltern, John (William Windon) und Elizabeth Brandon (Deborah Kerr). Dabei beginnt die Partner-Gemeinschaft bereits zu bröckeln: Während für Joe nach wie vor Geld und Erfolg zählen, sehnt sich der latent todessehnsüchtige Mike nach einer dauerhaften Beziehung und Malcolm ahnt insgeheim, dass seine Zukunft nicht in seinem gegenwärtigen, selbstmörderischen Gewerbe stattfinden wird. Als Mike, der sich Hals über Kopf in Elizabeth verliebt, von dieser abgewiesen wird, kommt es zur Katastrophe.

Frankenheimers letzte von fünf Kollaborationen mit Burt Lancaster, ein sehr intim gestaltetes Porträt einer Dreiergemeinschaft völlig unterschiedlicher Charaktere, passt thematisch hervorragend zu dem von mir kurz zuvor geschauten "All Fall Down": Dort wie hier geht es um die Vater-Sohn-Ersatzbeziehung zwischen einem jüngeren (Wilson) und einem älteren Mann (Lancaster), wobei der ältere einen Hang nachvielen zerstörerischen Lebenserfahrungen längst dem Tode näher steht als dem Leben, der jüngere ihn jedoch völlig gegenteilig einschätzt und sogar anhimmelt, nur, um im Nachhinein eines Besseren belehrt zu werden und sich selbst infolge eines radikalen Initialerlebnisses für das Leben zu entscheiden. Wo in "All Fall Down" Karl Malden als eine Art zur Passivität verdammter Mittlerfigur auftrat, übernimmt in "The Gypsy Moths" Gene Hackman diesen Part, als einziger, der zwar ebenfalls mit seiner Einsamkeit hadert, der jedoch narzisstisch genug ist, um seinen Weg langfristig auch allein zu bewältigen.
Auch die zweite, eher subtil geführte Ebene des Films begeistert: Die Sezierung der Sensationssucht des Durchschnittsamerikaners. Nachdem Rettig den öffentlichen Freitod wählt, indem er bewusst darauf verzichtet, die Reißleine zu ziehen und sich zu Tode stürzt, beraumt Browdy gleich für den nächsten Tag, dem 4. Juli einen von Malcolm praktizierten Tributsprung unter denselben Bedingungen an, um Geld für Rettigs Beerdigung zu sammeln. Der die Parade zum Nationalfeiertag anführende Kappellmeister (Thom Conroy) staunt indes nicht schlecht: Die sonst mit Menschen gesäumten Straßen der Stadt sind wie leergefegt, weil sämtliche Einwohner Malcolm beim Springen zuschauen (und natürlich insgeheim auf einen weiteren Unfall hoffen).
Ein stiller, trister Film über zersetzende Lebenslügen und die Einsamkeit inmitten von Vielen ist Frankenheimer da geglückt, eines seiner vielen Meisterwerke.

9/10

John Frankenheimer Kansas Freundschaft amour fou


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THE ELECTRIC HORSEMAN (Sydney Pollack/USA 1979)


"You're all bent. Are you sick?" - "Nope. Just bent."

The Electric Horseman (Der elektrische Reiter) ~ USA 1979
Directed By: Sydney Pollack

Der frühere Rodeo-Star Sonny Steele (Robert Redford) führt nurmehr eine daueralkoholisierte Existenz als Werbeflaggschiff für den Multi 'Ampco', deren Frühstücksflocken er bewirbt. Seine Einsätze erschöpfen sich in lustlosen Auftritten als Discokugel zu Ross und im Glühlämpchen-Anzug. Bei einer Veranstaltung in Vegas platzt Sonny dann eines Tages der Kragen. Der einstmals stolze Tournierhengst 'Rising Star' wird unter starke Narkotika gesetzt, um seine zerschundene Vorderhand nicht mehr spüren zu müssen und um vor den Zuschauermassen nicht in Panik zu geraten. Kurzerhand entführt Sonny Rising Star, reitet mit ihm in die Wüste hinaus und plant, ihn bei einer Mustangherde in Utah wieder auszuwildern. Die TV-Journalistin Hallie Martin (Jane Fonda) wittert eine große Story und folgt Sonny in die Prärie...

Zu banal für New Hollywood: Pollacks erste Liebäugelei mit dem profanen Mainstreamkino - unter weiestgehender Missachtung großer politischer oder philosophischer Topoi, in vertretbarem Sinne unliterarisch, uramerikanisch, mit Sinn für Herz und Romantik und betont ohne Schwere inszeniert. Fast (aber wirklich nur 'fast') ein Republikaner-Film. Redford darf seiner bekannten Pferdeliebe frönen (die sich später in seinem eigenen "The Horse Whisperer" nochmal richtig breitärschig präsentieren durfte) und als kerniger Herzensbrecher mit Schnorres die robuste Feministin Fonda betören. Das alles markiert natürlich keinen Weltstoff und auch keinen Fall fürs Pantheon großer Kinomythen; es ist wahrscheinlich noch am Ehesten der Versuch eines Filmemachers, sich von gewissen, als einengend empfundenen Zwängen freizustrampeln; Zwängen von Schwere und Bedeutungsfülle, wie sie noch sein vorheriges Meisterwerk "Bobby Deerfield" kennzeichneten. "The Electric Horseman" nimmt sich im Gegensatz zu diesem opulenten, aber wunderschönen Rührstuck so frugal aus wie das Grillen von Dosenwürstchen am Stock überm Lagerfeuer. Der Existenzialismus hält hierin ein Nickerchen unter der Hutkrempe, Redford schnitzt an seinem eigenen, specksteinigen Denkmal als Frauentyp, Willie Nelson intoniert Cowboy-Songs auf der Tonspur und unser Zossen, ein Brauner, stiefelt als lebender McGuffin durch die ockerfarbenen Täler von Nevada und Utah. Zugegeben: Pollack und Redford haben es sich hier verdammt einfach gemacht. Aber mutmaßlich hatten sie auch gar nichts anderes im Sinn.

6/10

Sydney Pollack Rodeo Pferd Las Vegas Nevada Utah Journalismus Neowestern


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THE PURPLE PLAIN (Robert Parrish/UK 1954)


"You know exactly where I belong to."

The Purple Plain (Flammen über Fernost) ~ UK 1954
Directed By: Robert Parrish

Der in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs in Burma stationierte RAF-Pilot Bill Forrester (Gregory Peck) ist todessehnsüchtig, seit er seine Frau in der Heimat noch am Vermählungstag durch einen Fliegerangriff verlor. Der ihm freundschaftlich zugetane Lagerarzt Harris (Bernard Lee) sorgt dafür, dass Forrester die schöne Burmesin Anna (Win Min Than) kennenlernt, die wie er weiß, was Verlust bedeutet. Tatsächlich verlieben sich die beiden ineinander und Forrester überwindet sein Trauma. Seinen neuen (Über-)Lebenswillen kann er bald unter Beweis stellen, als sein Flugzeug über Feindgebiet abstürzt. Zusammen mit dem blasierten Physiker Blore (Maurice Denham) und dem schwerverletzten Carrington (Lyndon Brook) muss sich Forrester durch den Glutofen Burmas zurück zur Zivilisation schleppen.

Ein in wunderschönen Farben gefilmtes Kriegsabenteuer, ausnahmsweise aus britischer Fertigung, jedoch mit einem amerikanischen Star als Gallionsfigur. Gregory Peck, unruhig träumend und schwitzend unter dem Moskitonetz, das kommt mir rückblickend wie ein beinahe schon ikonisches Dramabild dieser Tage vor. Als dem Wahnsinn nahes, schwer traumatisiertes Fliegeras, in dessen Brust natürlich die denkbar größte Heldenseele wohnt, ist Peck einmal mehr phantastisch, zumal ihm die Rolle auf den Leib geschneidert scheint. Selbstredend folgt die Erlösung für ihn auf dem Fuße, überhaupt darum geht es in "The Purple Plain"; um die Rückgewinnung und Erprobung verlorenen Lebensmutes. Davon, dass Parrish ein großartiger, formvollendeter Abenteuerfilm geglückt ist, dessen Bildpracht ihn visuell und auch atmosphärisch sehr nahe an die Arbeiten von Powell und Pressburger rückt, gar nicht zu reden.

9/10

Robert Parrish WWII Pazifikkrieg Burma Fliegerei Trauma period piece


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TUCKER & DALE VS. EVIL (Eli Craig/CA, USA 2010)


"These kids are coming out here and killing themselves all over the woods." - "My God, that makes so much sense."

Tucker & Dale Vs. Evil ~ CA/USA 2010
Directed By: Eli Craig

Eine Gruppe von neun College-Kids fährt in die Appalachen, um dort ein zünftiges Lagerfeuer-Wochenende zu erleben. Zeitgleich sind die beiden etwas debilen, aber überaus gutherzigen Hillbillys Tucker (Alan Tudyk) und Dale (Tyler Labine) unterwegs, um Tuckers just erworbene Hütte nur unweit vom Zeltplatz der Studenten einzuweihen. Bereits die erste, zufällige Begegnung schürt gegenseitiges Misstrauen, das besonders von der vorurteilsbehafteten Großstadt-Baggage ausgeht. Ein klassisches Missverständnis sorgt dann später für den zu erwartenden Konflikt: Die hübsche Allison (Katrina Bowden) stößt sich den Kopf und droht zu ertrinken, als Dale sie heldenhaft rettet und mit in die Hütte nimmt. Die übrigen Kids, allen voran der leicht auffällige Chad (Jesse Moss), glauben, die beiden Waldschrate wären dabei, Allison als Vorspeise zuzubereiten und gehen in die Offensive. Höchst ungeschickt, denn einer nach dem anderen fallen sie ihrer eigen Tölpelhaftigkeit zum Opfer, derweil Tucker und Dale bloß versuchen ihre und Allisons Haut zu retten...

Liebenswert nerdige Fun-Splatter, dessen inhaltliche Prämisse spätestens nach der ersten Filmhälfte so augenfällig ist, dass man sich schwer wundern muss, warum bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, sich ihrer anzunehmen. Nicht von den Hinterwäldlern, so Craigs luzider Gedanke, geht die eigentliche Gefahr beim so oftmals beschworenen culture clash aus, sondern von den arroganten Stadtbengels, die alles, was nach Wald, Land oder Natur aussieht, geschweige denn riecht, als vorsintflutlich und zurückgeblieben erachten und die persönliche Würde deutlich höher ansiedeln. Tucker und Dale derweil werden nur ständig Opfer irgendwelcher Zufälle und Unachtsamkeiten, die ihnen die panisch reagierenden urban lads nurmehr als weiteren bestialischen Charakterzug anrechnen. Vertauschte Rollen also, herrlichst durchexerziert und mit urkomischem Gore angereichert, über den ich lange nicht mehr so herzhaft lachen konnte. Die ultimative Nerd-Fantasie erfüllt sich natürlich auch noch in anderer Hinsicht: wenn Craig seinem dickfälligen Anti-Schönling Dale und dem fleischgewordenen Jungs-Traum Allison eine Romanze spendiert, dann jubeln millionen Loser auf der Welt still und glücklich in sich hinein. Larger than life aber ausgekocht liebenswert, wie der ganze Film.

8/10

Eli Craig Hommage Backwood Satire Splatter Groteske West Virginia Appalachen


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WAKE OF THE RED WITCH (Edward Ludwig/USA 1948)


"She won't let him loose again..."

Wake Of The Red Witch (Im Banne der Roten Hexe) ~ USA 1948
Directed By: Edward Ludwig

Mitte des 19. Jahrhunderts fährt der undurchsichtige Captain Ralls (John Wayne) wertvolle Schiffsladungen für die holländische 'Batjak'-Company unter Mayrant Sidneye (Luther Adler) quer durch den Südpazifik. Der junge Maat Sam Rosen (Gig Young) schließt sich dem charismatischen Seemann vorbehaltlos an, als dieser die 'Red Witch', einen mit Goldbarren beladenen Schoner, absichtlich kentern lässt. Später findet Rosen, der an Ralls' Seite bleibt, den Grund für dessen Tat heraus: Ralls und Sidneye sind Erzfeinde, seit der habgierige Reeder Ralls einst dessen große Liebe Angelique (Gail Russell) weggeschnappt und geehelicht hat. Als Racheaktion hat Ralls die 'Red Witch' gekapert und in nur ihm selbst bekannten Breiten versenkt. Nun gilt es, das verlorene Gold zu bergen, doch die 'Red Witch' liegt genau über einer Tiefseeklippe...

Zwei filmhistorisch wunderhübsch triviale Anekdötchen umwabern "Wake Of The Red Witch": Zum Einen gab der Name der Handelsgesellschaft im Film, 'Batjak', eine Kombination der Anfangssilben von Batavia und Jakarta, Duke Wayne die Inspiration für seine eigene, 1952 gegründete Produktionsgesellschaft 'Batjac' (mit 'c' statt 'k' am Ende, angeblich ein Tippfehler von Dukes damaliger Sekretärin, der ihm so gut gefiel, dass er ihn unverbessert ließ), die bis heute existiert und von Waynes Tochter gemanagt wird. Zum anderen, und diese Story ist noch viel toller, verfügte der Film über ein grandioses Requsit: Einen mannshohen, motorbetriebenen Gummipolypen, der im Film eine Kiste voller Perlen in einer Lagune bewacht und mit dem Duke sich ein Duell zu liefern hat, um an die wertvollen Kügelchen zu gelangen (dies übrigens bei weitem nicht die einzige Analogie zu DeMilles sechs Jahre zuvor entstandenem, kunterbunten "Reap The Wild Wind"). Ebenjener Oktopus wurde einige Jahre später bei einer Neacht- und Nebel-Aktion von dem legendären Ed Wood und seiner Crew aus einer Lagerhalle der Republic Films gestohlen. Dummerweise vergaß man den Motor, so dass Bela Lugosi in "Bride Of The Monster" allein durch sein grandioses Spiel dem Gummitier "Leben" einhauchen musste. Immerhin feierte der Polyp so einen zweimaligen Filmauftritt.
Nach "Angel And The Badman" fanden Duke und die aparte Gail Russell, die bereits eine inoffizielle Romanze verband, neuerlich zusammen - ihre zweite und letzte Partnerschaft, was relativ eindeutig dekodierbar wäre. Die schöne Schauspielerin starb 1961 mit nur 36 Jahren als schwere Alkoholikerin an Leberversagen.
Ein Hollywoodstück par excellence also, getragen von einem Geschichtendunst, den seine eigentliche Form wohl nicht ganz einzulösen weiß. "Wake Of The Red Witch" hält sich als günstig produzierter, herziger Abenteuerfilm, der vor allem infolge dessen punktet, dass er eindrucksvoll vor Augen führt, dass der Begriff 'Routinement' vor 65 Jahren beim Film und auch für Regisseure wie dem emsigen Auftragsarbeiter Edward Ludwig noch eine ganz andere Bedeutung hatte als es heute der Fall ist.

7/10

Edward Ludwig Seefahrt period piece Südpazifik Duell Rache


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BOBBY DEERFIELD (Sydney Pollack/USA 1977)


"I'm starting finding you irresistable."

Bobby Deerfield ~ USA 1977
Directed By: Sydney Pollack

Der Formel-1-Fahrer Bobby Deerfield (Al Pacino) lebt eine sinnentleerte Existenz. Einerseits setzt er sich mit jedem Rennen der Gefahr aus, tödlich zu verunglücken, andererseits veranlasst ihn die Karambolage zweier Kollegen, dei der einer stirbt und der andere, Karl Holtzmann (Stephan Meldegg) nach dem Bruch eines Halswirbels gelähmt ist, zum Grübeln und zu mehrfacher Sicherheitsüberprüfung an seinem Wagen. Als Bobby Holtzmann in einem Schweizer Sanatorium besucht, lernt er die ungestüme Krebspatientin Lilian (Marthe Keller) kennen. Die impulsive, am Leben hängende Frau, die jede einzelne Minute so gut es geht auskostet, bringt den stillen Bobby zum Nachdenken. Immer wieder sucht er die Gesellschaft Lilians, die ihn mit ihren manchmal halsbrecherischen Aktionen zunehmend fasziniert.

Zum Niederknien schöne Remarque-Verfilmung, eines von Pollacks führenden Werken und in den Darstellungen von Pacino und Keller herzensbrecherisch. Letzten Endes geht es darum, über den Tod eines geliebten Menschen die Erkenntnis zu gewinnen, dass das eigene Weiterleben ein Geschenk ist - eine so gemeingültige wie existenzielle Maxime. Somit ist weniger das Resultat von Bobby Deerfields mentaler Edukation das eigentliche Ziel des Films, sondern vielmehr der ebenso beschwerliche wie romantische Weg dorthin; der Weg vom eigenbrötlerischen, trotz einer millionenstarken Anhängerschar völlig vereinsamten, erstarrten Angstneurotiker hin zum selbstbestimmten Individuum. Dass dieser Pfad wie zufällig über wunderschöne Alpenpässe, die Toskana und Florenz führt, ist dem vollendeten filmischen Genuss nicht eben abträglich. Durchweg wunderbar.

10/10

Sydney Pollack Frankreich Italien Schweiz Florenz Paris Formel 1 Krebs Erich Maria Remarque Autorennen


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THE JANUARY MAN (Pat O'Connor/USA 1989)


"I'm going to go home, mix some paint, and try to create something original."

The January Man (Im Zeichen der Jungfrau) ~ USA 1989
Directed By: Pat O'Connor

Um einen seit elf Monaten immer wieder zuschlagenden Serienkiller dingfest zu machen, beordert der New Yorker Bürgermeister Flynn (Rod Steiger) den mittlerweile als Feuerwehrmann tätigen, exzentrischen Profiler Nick Starkey (Kevin Kline) zurück in den Polizeidienst, der einst wegen einer ungeklärten Korruptionsaffäre den Hut nehmen musste. Sewinem Bruder, dem Commissioner Frank Starkey (Harvey Keitel) sowie Captain Alcoa (Danny Aiello), ist Nicks Re-Aktivierung ein Dorn im Auge, nicht so jedoch des Bürgermeisters Tochter Bernadette (Mary Elizabeth Mastrantonio), die sich heftig in Nick verliebt.

Ein höchst eigenartiger Film ist "The January Man", dennoch mochte ich ihn aus naheliegenden Gründen immer recht gern. Wer eine konventionelle Serienkiller-Hatz erwartet, der ist zunächst einmal schiefgewickelt und wird sich nachhaltig enttäuscht finden: Spannend ist O'Connors Film nämlich faktisch gleich null und die obligatorische Konfrontation zwischen Held und Übeltäter am Ende ist zu allem Überfluss eine burleske Farce. Der Serienmörder, der immerhin elf Opfer zu verantworten hat, entpuppt sich trotz vorheriger Geheimnistuerei als geschminkte, bislang uneingeführte Figur, vorheriges Rätselraten und Verdächtigen seitens des Publikums läuft somit frontal vor die Wand. Als Krimi oder gar Thriller ist "The January Man" somit ein lupenreiner Rohrkrepierer, nicht so jedoch als Schauspielerfilm, der über sieben bestens aufgelegte Musterexemplare ihrer Gattung verfügen kann und diese so gut es geht, unter einen Hut bringt. Neben den Erwähnten finden sich noch Susan Sarandon und Alan Rickman als exzentrischer Maler ein, letzterer im Zuge einer figural betrachtet vollkommen redundanten Vorstellung, der im Prinzip nichts zum Plot beiträgt, mit Ausnahme seiner reinen Präsenz. Da es sich jedoch um Alan Rickman handelt und dieser in jenen Tagen zu den coolsten Darstellern des Planeten zählte, nimmt man einen solch überflüssigen Luxus nur umso lieber mit. Nein, "The January Man" ist kein Genrefilm, nötigenfalls kann man ihn als "Genrefilm" bezeichnen, "der keiner ist". Aber gerade in seiner lässig dargebrachten Enttäuschung von Erwartungshaltungen gefällt er mir.

7/10

Serienmord Pat OConnor New York Norman Jewison





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