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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DAS INDISCHE GRABMAL (Fritz Lang/BRD, F, I 1959)


"Ich bin durstig. Bring mir Wasser."

Das indische Grabmal ~ BRD/F/I 1959
Directed By: Fritz Lang

Nachdem eine Karawane die beiden Entfohenen Harald Berger (Paul Hubschmid) und Seetha (Debra Paget) halbverdurstet in der Wüste gefunden hat, machen sie sich von einem Provinzdorf aus weiter ins Gebirge auf. Doch dort finden sie die Häscher des Maharadschas Chandra (Walter Reyer). Derweil verweilen Bergers Schwester Irene Rohde (Sabine Bethmann) und deren Mann Walter (Claus Holm), die während der Flucht des Paares nichtsahnend im Palast angekommen sind und von Chandra eine Lügengeschichte bezüglich Bergers Verbleib aufgetischt bekommen in den Gemächern des Maharadscha. Rohde soll für diesen, der vor Eifersucht rast, ein Grabmal bauen, das für die illoyale Seetha bestimmt ist. Zuvor soll sie allerdings noch Chandras Gemahlin werden. Über dem Usurpator braut sich derweil bereits ein aufständisches Unwetter zusammen...

Der Nachfolgefilm zum "Tiger von Eschnapur" ist im Vergleich etwas weniger schwelgerisch und stattdessen um einiges zügiger und flotter geraten als der Erstling. Er genießt somit die Vorteile vieler konzeptueller Sequels - Handlungsträger und Ausgangssituation sind etabliert und der Film kann dramaturgisch sogleich aus den Vollen schöpfen. So gibt er sich denn auch um Einiges spektakulärer: Debra Paget wiederholt ihren Tempeltanz aus dem ersten Teil in weitaus gewagterer Garderobe, hinzu kommen schön ranzige Elemente wie eine künstliche Kobra, Krokodile und besonders die zombieesk gezeichneten Leprösen, die als eine Art ungeliebter Horror-Schandfleck ihr Dasein im hinterletzten Katakombenverlies fristen und schließlich unter einigem Gestöhne ausbrechen. Harald Berger entwickelt sich mehr und mehr zu einer gutdeutschen, may'schen Heldenfigur vort exotischer Kulisse mit Bärenkräften und unablässigem Mut.
Für den langsam erblindenden Lang und dessen Kunst, die danach nur noch "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" für Atze Brauners CCC hervorbrachte, im Prinzip kein Ruhmesblatt, muss man die Dublette in etwa analog zu "Land Of The Pharaos" im Œuvre Howard Hawks' betrachten: Hier machen große Regisseure ganz bewusst Schund für die Massen. Und eben weil sie groß waren, ist auch ihr Schund groß - im allerbesten Wortsinne.

7/10

Fritz Lang Indien Camp Remake


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DER TIGER VON ESCHNAPUR (Fritz Lang/BRD, F, I 1959)


"Ist das Indien?"

Der Tiger von Eschnapur ~ BRD/F/I 1959
Directed By: Fritz Lang

Der deutsche Architekt Harald Berger (Paul Hubschmid) soll für Chandra (Walter Reyer), den Maharadscha der indischen Provinz Eschnapur, ein neues Krankenhaus entwerfen und bauen. Bereits auf der Reise zum Palast Chandras lernt Berger die Tempeltänzerin Seetha (Debra Paget) kennen und beschützt sie vor einem menschenfressenden Tiger. Seetha ist ebenfalls auf dem Wege zum Maharadscha, der als Witwer ein Auge auf sie geworfen hat und sie insgeheim zu heiraten plant. Als seine Untergebenen davon erfahren, beginnt es zu brodeln - eine ordinäre Tänzerin darf niemals den Platz der verstorbenen Maharani einnehmen. Zudem verliebt sich Seetha in Berger. Als Chandra davon erfährt, sieht er rot. Berger und Seetha bleibt nurmehr die Flucht in den Dschungel...

Für die mittlerweile dritte Verfilmung des einst von Fritz Langs damaliger Frau Thea von Harbou erdachten Stoffes um eine wildromantische Liebesgeschichte in schwülem indischen Klima gelang Arthur Brauner einer seiner größten Coups: Er holte Lang, der zuvor insbesondere seine Arbeit an dem Kostümfilm "Moonfleet" als im Nachhinein frustrierend empfand und auf Besuch in Deutschland weilte, mittels eines Vertrags mit der CCC langfristig zurück aus Hollywood in die alte Heimat. Zunächst sollte Lang ein "Nibelungen"-Remake drehen, was sich jedoch fürs Erste zerschlug. Brauner produzierte dieses sieben Jahre später trotzdem - mit Harald Reinl als Regisseur. Lang übernahm stattdessen eine alte Herzensangelegenheit: Mit dem Zweiteiler "Der Tiger von Eschnapur" und "Das indische Grabmal" verband ihn eine fast 35 Jahre alte Beziehung. Nachdem von Harbou das Originalscript verfasst hatte, wurde es nämlich ehedem von Joe May, der das Prestige-Projekt nicht dem Jungspund überlassen wollte, inszeniert. Lang hatte nun die Möglichkeit, sich mittels prachtvoller Farbgestaltung und einer deftig-campigen Aufbereitung des Stoffs für die einstige Schmach zu revanchieren. Trotz des für Brauner-Verhältnisse großzügigen Budgets wurden die beiden mit gut zweimonatigem Abstand gestarteten Filme ein nationaler Erfolg, avancierten zur beständigsten der drei Versionen und haben sich bis heute ihren Status als Fernseh-Evergreens vom Schlage der "Sissi"- oder Karl-May-Filme bewahren können.

6/10

Fritz Lang Indien Camp Remake


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ROPE OF SAND (William Dieterle/USA 1949)


"You must have been such a sweet girl once."

Rope Of Sand (Blutige Diamanten) ~ USA 1949
Directed By: William Dieterle

Der Abenteurer Mike Davis (Burt Lancaster) kennt den exakten Fundort eines kleinen Diamantenfeldes innerhalb eines riesigen, eingezäunten Areals nahe Kapstadt. Nachdem der örtliche, machthungrige Polizeichef Vogel (Paul Henreid) bereits vor zwei Jahren vergebens versuchte, Mike sein Geheimnis durch Folter zu entlocken, kehrt dieser nun zurück, um sich die Edelsteine unter den Nagel zu reißen. Doch sowohl Vogel als auch der Diamantenhändler Martingale (Claude Rains), der die Glücksitterin Suzanne (Corinne Calvet) engagiert um Mike weichzukochen, sitzen ihm im Nacken.

Die Erinnerung an "Casablanca" kommt nicht ganz von ungefähr: Hal Wallis produzierte dieses in Afrika spielende, flamboyante Abenteuer um Gier, Opportunismus, Kriegstraumata, Verrat und Glücksspiel mit Burt Lancaster in der (beileibe nicht so elegant interpretierten) Rolle von Bogey, Paul Henreid in der Rolle von Conrad Veidt und Claude Rains und Peter Lorre in Wiederholung ihrer eigenen Rollen aus dem unerreichten Vorbild. Selbst einen neuen 'Sam' gibt es, in Gestalt von Davis' "Boy" John (Kenny Washington). Viele Szenen spielen in einer bezüglich Interieur und Atmosphäre an 'Rick's Café' gemahnenden Spelunke. Henreid genießt den Wandel vom aufrechten Widerstandskämpfer zum diabolischen Ekel, Sam Jaffe kommt noch vor als versoffener Arzt und die besten Auftritte hat - wie könnte es anders sein - Lorre als undurchsichtiger, kleinkrimineller Schnorrer, der wie ein kleines Gespenst immer dann auftaucht, wenn man es am wenigsten erwartet. Ein kleiner Diamant im Camp-Wust der Spätvierziger.

8/10

William Dieterle Südafrika Afrika Diamanten


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THE TALK OF THE TOWN (George Stevens/USA 1942)


"I like people who think in terms of ideal conditions. They're the dreamers, poets, tragic figures in this world, but interesting."

The Talk Of The Town (Zeuge der Anklage) ~ USA 1942
Directed By: George Stevens

Sweetbrook, Massachusetts: Der sozialpolitisch engagierte Arbeiter Leopold Dilg (Cary Grant) wird zum Opfer eines Komplotts. Er soll die örtliche Textilfabrik niedergebrannt und das Leben eines Mitarbeiters auf dem Gewissen haben. Um der drohenden Todesstrafe zu entgehen, flieht Dilg und versteckt sich im Dachboden des Landhauses von Nora Shelley (Jean Arthur), in das sich just zur selben Zeit der berühmte Rechtsgelehrte Professor Lightcap (Ronald Colman) eingemietet hat. Die drei so unterschiedlichen Individuen lernen sich bald besser kennen und werden gute Freunde, bis Leopold, der sich bislang als Gärtner Joseph verkauft hat, seine wahre Identität preisgeben muss. Auf den ehern rechtsverhafteten Professor wartet nun die Entscheidung für oder gegen seine langjährige Überzeugung.

Eine große Menge an Stoff steckt drin in George Stevens' schnippischer Komödie, die im Grunde gleichsam eine etwas komplexere Capra-Geschichte darstellt. Die ernsten Topoi der Korruption und der willkürlich verhängten Todesstrafe bieten die Basis für eine Dreiecks-Romanze nebst philosophischen Grundsatzdiskussionen darüber, wie blasse Akademiker überhaupt Überlegungen über das existenzielle Fragen anzustellen vermögen, wenn sie sich doch stets vom wahren Leben fernhalten. Welche Berechtigung haben graumelierte, bärtige Habilitierte, moralische Maximen aufzustellen und zu verteidigen, wenn sie doch stets vom humanistischen Idealfall ausgehen? Cary Grant als unschuldig Vorverurteilter, der angesichts seiner sich mit dem Professor abtauschenden Wortgefechte neuen Lebensmut und Vertrauen in die Institutionen fasst und seinen vormailgen Sarkasmus wie beiläufig fallen lässt, präsentiert sich als ebensolch ein Gewinn wie Colman als steifer Rechtsphilosoph, der die kleinen Dinge des Lebens nicht vermisst, weil er sie nie kennen gelernt hat und wechselseitig von Leopold Dilg ins Sonnenlicht gestoßen wird. Jean Arthur ist ohnehin wie immer ersatzlos.

9/10

George Stevens Kleinstadt Massachusetts Freundschaft


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THE TARNISHED ANGELS (Douglas Sirk/USA 1957)


"You'll be sorry."

The Tarnished Angels (Duell in den Wolken) ~ USA 1957
Directed By: Douglas Sirk

New Orleans, um die Mitte der dreißiger Jahre. Der Weltkriegsveteran und Pilot Roger Shumann (Robert Stack) tritt im Rahmen einer Flugshow während des alljährlichen Mardi Gras auf. Im Schlepptau hat er Frau LaVerne (Dorothy Malone), Sohn (Christopher Olsen) und seinen besten Freund und Mechaniker Jiggs (Jack Carson). Auf der Suche nach einer ausgefallenen Story wird der lokale Reporter Burke Devlin (Rock Hudson) auf die seltsame Gruppe aufmerksam und durchschaut rasch das eigenartige Beziehungsgeflecht: Roger zeigt Anflüge von Todessehnsucht und Selbstkasteiungen; er will vorgeblich nichts mehr von seiner Frau wissen, für die sich im Gegenzug jedoch auch Jiggs interessiert. Mit dem hoch dotierten Sieg bei einem Flugzeugrennen hofft Roger, für sich und seine Familie auszusorgen, doch er kommt ums Leben. LaVerne lässt sich in ihrer Verzweiflung von dem feisten Werbeunternehmer Ord (Robert Middleton) einfangen, doch Devlin hält dagegen.

Warum Douglas Sirk dieses späte Meisterwerk nicht in Farbe drehte, wo er doch seit bereits neun Filmen ausschließlich mit von ihm mehr und mehr perfektioniertem Technicolor als dramaturgischem Stilmittel arbeitete, ist wohl der Mutmaßung überlassen. Dennoch entledigte er sich für seine im postiven Sinne larmoyante Faulkner-Adaption ein letztes Mal der Farbe und verwandte für die komplexe Darstellung einer Fünfecks-Beziehung mit einer Frau im Zentrum ferner dasselbe Ensemble wie für "Written On The Wind" (mit Ausnahme der Bacall, für die es in "Tarnished Angels" schlicht keinen angemessenen Platz gab). Doch nicht nur als psychologisch konnotiertes Südstaatendrama brilliert Sirks Film, auch als Porträt des vom Mardi Gras in Ausnahmezustände versetzte, zumal just von der Prohibition befreite, brodelnde New Orleans gibt es kaum Besseres im klassischen US-Kino. Allenthalben platzen grauenhaft maskierte Karnevalsnarren ins Bild, die die zerrissenen Seelenzustände und Beziehungsgeflechte der Protagonisten abbilden; selbst für Sirk eine ungewohnt düstere Art der Symbolsprache. Rock Hudson derweil ist einer seiner schönsten Rollen zu sehen: Als einsamer Autor und Journalist, stark dem Alkohol zusprechend, durch Poesie, Intellekt und Weitblick jedoch dem Rest der Figuren weit überlegen, muss er am Ende die Erfüllung der Ratio beugen. Bedenkt man, wie binnen weniger Jahre aus dem gern naiv porträtierten Kuhjungen ein solch diffiziler Charakter wurde, einfach nur beklatschenswert.

9/10

Douglas Sirk New Orleans Louisiana amour fou Ehe Familie Freundschaft period piece William Faulkner Mardi Gras


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OVER THE EDGE (Jonathan Kaplan/USA 1979)


"Man, I'm through with LSD."

Over The Edge (Wut im Bauch) ~ USA 1979
Directed By: Jonathan Kaplan

Im Trabantenort 'New Granada' treibt die Stadtflucht faule Blüten: Als eine Handvoll Jungfamilien hierher zieht, in ein um steten Zuwachs bemühtes, durchgeplantes Reihenhaus-"Paradies" mitten im Nirgendwo von Colorado, entkommt man zwar vermeintlich dem urbanen Stress, ignoriert jedoch die brodelnden Energien der sich zusammenrottenden Teenager. Diese vertreiben sich die überkochende Zeit mit Nichtstun, abgeschoben in ein kärgliches Jugendzentrum, herumlungernd, mit Drogen und zunehmend delinquenten Spielchen, die vom bösen Streich bis hin zur offenen Kriminalität reichen. Die paar Polizisten sind mit den Kids hoffnungslos überfordert, ebenso wie die ratlosen Eltern. Als der flüchtende Richie (Matt Dillon) von dem übereifrigen Cop Doberman (Harry Northup) erschossen wird, kommt es zu einer offenen Revolte Jung gegen Alt.

Mit "Over The Edge" schuf Corman-Zögling Jonathan Kaplan inmitten der um diese Zeit brodelnden 'Juvenile-Delinquent'-Welle ein weiteres Meisterwerk, das im Gegensatz zu den vergleichsweise aktionistischen Klassikern "Saturday Night Fever" oder "The Warriors" weniger mit urbanen Subkulturen befasste, sondern mit der vergessenen Provinzjugend, eben jenen Kids, die die 'scenes' im Prinzip bloß vom Hörensagen kennen und aufgrund erzwungener Passivität versuchen, ihr im staubigen Nichts nachzueifern. Etwas Ähnliches probierte Dennis Hopper kurz darauf mit "Out Of The Blue" Immerhin: Punk- und Gitarrenrock schaffen es selbst bis New Granada, 'teenage lobotomy' und parental 'surrender' greifen zumindest via Audio in Hirne und Herzen hinab. Die Saat ist gesetzt und wartet auf die Explosion, der der gierige, unwissende Architekt Jerry Cole (Richard Jamison) forcierten Vorschub leistet, indem er versucht, die Kids exekutiv mundtot zu machen: Es gibt eine abendliche Ausgangssperre, öffentliche Treffen werden zerschlagen, Partys verboten, der Jugendclub geschlossen, Zwangsseparation probiert. Irgendwann knallt es dann und es gibt Tote.
Dabei verzichtet Kaplan auf simple Schuldzuweisungen oder Erklärungen; seine Milieustudie ist sozusagen 'selbstführend', betreibt Eskalationsanalyse im Kammerspielformat und enthält sich jedweder Zeigefreude. Ob sich an der verfahrenen Situation am Ende wirklich etwas ändert, bleibt offen; neue Märtyrer gibt es jedenfalls - und nicht auf Seiten der gleichfalls dezimierten Erwachsenen.

9/10

Jonathan Kaplan Colorado Coming of Age Teenager teenage angst Marihuana LSD Drogen


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THE QUILLER MEMORANDUM (Michael Anderson/UK, USA 1966)


"Do you smoke?"

The Quiller Memorandum (Das Quiller-Memorandum - Gefahr aus dem Dunkel) ~ UK/USA 1966
Directed By: Michael Anderson

Der US-Agent Quiller (George Segal) soll im Falle zweier Morde an britischen Geheimdienstlern ermitteln, die von einer Neonazi-Untergrund-Loge in West-Berlin ermordet wurden. In der Mauerstadt angelangt sieht sich Quiller sowohl von den "eigenen" Leuten als auch denen der Gegenseite unentwegt beschattet und beobachtet. Eine der Spuren führt zu der Lehrerin Inge Lindt (Senta Berger), mit der Quiller bald eine Liebesaffäre verbindet. Dabei ist auch Inge nie wirklich durchschaubar: Arbeitet sie tatkräftig bei den Neonazis mit oder ist sie tatsächlich so unschuldig, wie sie zu sein vorgibt? Am Ende kann Quiller das Hauptquartier der Gegner unter deren Obmann 'Oktober' (Max von Sydow) lokalisieren und auffliegen lassen, die Beziehung zu Inge jedoch verläuft kärglich im Sande.

Als eine der vielen "seriöser" formulierten Repliken zur Bond-Reihe, die das Leben eines Geheimagenten im Kalten Krieg als das darzustellen versuchten, was es vornehmlich bedeutete, nämlich unglamourös, einsam, bedrohlich und paranoid zu sein, entstand auch dieses beachtenswerte Werk von Anderson. Dabei gestalteten sich wenige Parallelen zum bewussten Pop-Spion, zumal in der deutschen Fassung, als augen- bzw. ohrfällig: Die Musik stammte auch im Falle "The Quiller Memorandum" von John Barry, was bereits eine auditive Analogie herstellte und Segal erhielt Sean Connerys deutsche Stimme, wobei der Sprecher Gert-Günther Hoffmann sich mühte, dasselbe sonor-arrogante Timbre zu treffen. Damit erschöpften sich jedoch die Gemeinsamkeiten bereits wieder: Der unexotische Handlungsort blieb stets derselbe, Quiller ist vergleichsweise unpromisk und auf die immerselbe Erkennungsparole angewiesen, ohne je selbst wirklich klar zu sehen. Er ist kaum zur Aktion gezwungen, wird quälend verhört und zeigt sich alles andere als heldenhaft, wenn er seine Geliebte als mögliches Mitglied der Nazi-Verschwörer im Stich lässt. All diese eher unangenehmen Geschicke machten Quiller ebenso wie Alec Leamas oder Harry Palmer zum veritablen Anti-007.

7/10

Michael Anderson Harold Pinter Berlin Verschwörung Kalter Krieg Spionage


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DAS HERZ VON ST. PAULI (Eugen York/BRD 1957)


"Das is mir schiet-egal!"

Das Herz von St. Pauli ~ BRD 1957
Directed By: Eugen York

Jonny Jensens (Hans Albers) spärlich besuchte, aber urige Eventpinte, 'Das Herz von St. Pauli', droht unter der hohen Steuerschuld in die Pleite zu gehen. Da vermittelt Jensens Sohn Hein (Hansjörg Felmy) dem alten Käpt'n eine Partnerschaft mit dem zwielichtigen Halbweltler Jabowski (Gert Fröbe). Dieser buttert einige Tausender in die Sanierung des Ladens, macht schlüpfrige Attraktiönchen als Publikumsmagneten und nutzt Jensens Rumkeller als Umschlagsplatz für seine krummen Geschäfte, derweil Jensen selbst als rührende Volkslieder schmetternder Tattergreis verheizt wird. Als Jabowski die erst siebzehnjährige Helga (Karin Faber) auftreten lässt und begrapscht, steht Ärger ins Haus...

Fast noch ein bisschen schöner als Albers' vorhergehender Pauli-Film "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" nimmt sich Eugen Yorks Krimödie aus. Albers ist hierin das letzte Mal in seiner ollen Paraderolle als tüchtiger Seebär im Trockendock zu bewundern, merklich steifer werdend, aber doch noch immer der Alte. Seine Anschreigefechte mit dem cholerischen Fröbe, der hier unbewusst bereits Vorübungen für die Rolle des Auric Goldfinger exerziert, sind pures Nachkriegs-Schauspielgold, das durch Nebendarsteller wie Werner Peters noch zusätzlich aufgewertet wird. Zudem markiert "Das Herz von St. Pauli" einen noch vergleichsweise zaghaften, aber doch recht wichtigen Schritt in später folgende Exploitationgefilde des Deutschen Kinos: Nicht nur ein Paar blanker Busen stolzierten durch diesen "Film, wie ihn sich das Publikum wünscht" (Verleihwerbung), auch Karin Faber zeigt in einer beiläufigen Szene elementare Teile ihres "Balkons" (Fröbe). Da werden einige der etwas biedereren Zuschauer, die mit Albers noch goldenen Kniep und Knapp anno Kautaback assoziierten, seinerzeit ähnlich aufgestöhnt haben, wie die gute Frau "Ich bin nicht prüde, aber DAS geht zu weit" Pingel (Elly Burgmer) in Jensens Etablissement.

7/10

Eugen York St. Pauli Kiez Hamburg Familie Vater & Sohn


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LES AVALEUSES (Jess Franco/F, B 1973)


Zitat entfällt.

Les Avaleuses (Entfesselte Begierde) ~ F/B 1973
Directed By: Jess Franco

Einsam, stumm, depressiv, jahrtausendealt, dauergeil: Die Vampirin Irina Karlstein (Lina Romay) hat's nicht leicht. Auf der schönen Insel Madeira sucht sie sich ihre Opfer, denen sie sämtliche Lebenssäfte bei Fellatio und Cunnilingus aus den Genitalien saugt und sie hernach glücklich, aber tot zurücklässt. Für den Gerichtsmediziner Dr. Roberts (Jess Franco) ein klarer Fall, ebenso wie für den mysteriösen, blinden Parapsychologen Dr. Orloff (Jean-Pierre Bouyxou). Selbst die Liebe zu dem Lyriker Baron Von Rathony (Jack Taylor) vermag Irina nicht auf den rechten Weg zu führen und so ist sie am Ende froh, dass ihre Ahnen sie wieder zurück in die nebulöse Dunkelheit rufen, aus der sie einst emporstieg.

Bilder und Töne in meditativer Einheit - als solcher und nur solcher muss man "Les Avalseuses" begegnen. Der Film ist denkbar purster Franco, schundig, schäbig, imbezil, avantgardistisch und höchst poetisch, er findet wie so häufig wieder (s)eine erstaunliche Nische zwischen Konzeptkunst und unverhohlenem Trash. Francos jüngste Muse und Ehefrau Lina Romay erwies sich ja als überaus zeigefreudig und stets bereit, jede noch so schmutzige Avance ihres Gatten vor der Kamera umzusetzen, so dass sie auch dieses Machwerk zur Gänze trägt. Die Szenen derweil, in denen der Meister selbst oder der noch hölzernere Bouyxou vor der Kamera zu agieren haben, präsentieren unglaubliches Schmierentheater hinter kaum fassbarem, ominösem Dialog (für dessen Einsprechung sich in der deutschen Vertonung selbst ein Erik Schumann nicht zu schade war). Aber das ist eben, wie hinreichend erwähnt, die höchsteigene Signatur dieses zu Lebzeiten nimmermüden Kino-Dynamos (oder, wie Schifferle ihn so schön nennt, 'Cinemanen').

5/10

Vampire Portugal Madeira Insel Sucht Jess Franco Europloitation


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LA VÉNUS À LA FOURRURE (Roman Polanski/F, PL 2013)


Zitat entfällt.

La Vénus À La Fourrure (Venus im Pelz) ~ F/PL 2013
Directed By: Roman Polanski

Nach einem ermüdenden Vorsprechen voller dilettantischer Augenblicke freut sich Stückeautor Thomas (Mathieu Amalric) auf einen geruhsamen Feierabend. Doch da schneit aus Wind und Wetter eine weitere Bewerberin herein, die etwas vulgär erscheinende Vanda (Emmanuelle Seigner), die Thomas überrumpelt und ihn zu einer doch noch anzuberaumenden Audienz nötigt. Höchst überrascht von ihren darstellerischen Qualitäten lässt sich Thomas, dessen aktuelles Drama eine stark persönlich gefärbte Adaption der Sacher-Masoch-Novelle "Venus im Pelz" ist, in die gemeinsame Lesung fallen. Ohne es recht zu bemerken, verwandelt er sich mehr und mehr in Severin von Kusiemski, den Protagonisten des Stücks, der in der zunehmend die Situation bestimmenden Vanda seine lang herbeigesehnte Herrin findet.

Nach "Carnage" 'reduziert' sich Polanski inszenatorisch noch weiter; auf zwei Personen und einen einzigen, schrankenlosen Raum. Weniger Sozialsatire (wenngleich auch davon noch ein Funken vorhanden ist) denn Vivisektion zeitgenössischer Gender-Bilder sowie die Auslotung einer privat-sexuellen Untiefe ist diesmal das Thema, ähnlich wie schon "Bitter Moon", zu dem ich bereits keine innige, ja, vielleicht gar von allen Polanski-Filmen (einschließlich "Pirates" wohlgemerkt) die unpersönlichste pflege. Womöglich ist es so: wenn Polanski beginnt, seinem Figureninventar dessen sexuellen Nöte und Bedürfnisse zu entlocken, ist er für mich am uninteressantesten, von dem erfrischend-anarchischen "Che?", der das Ganze auf ein absurd-flockiges Level hievte, vielleicht einmal abgesehen. Amalric, wohl nicht von ungefähr von einer auffälligen physiognomischen Ähnlichkeit mit dem jungen Polanski geprägt, steht als der femininen Übermacht ausgelieferter Gummimann, der seine intellektuelle Überheblichkeit am Ende mit der Lächerlichmachung vor sich selbst bezahlt, in der Tradition klassischer Polanski-Figuren wie George aus "Cul-De-Sac" oder Trelkovsky in "Le Locataire", die ja jeweils auch am Ende ihres Filmweges als traurige Kapitulierer in Frauenschminke dazustehen hatten.
Innerhalb Polanskis Œuvre ist "La Vénus" ergo ein mit Leitmotiven gespickter Anknüpfpunkt vollster Existenzberechtigung und sowieso Pflichtprogramm für jeden Connaisseur. Das heißt jedoch nicht, dass man ihn wirklich lieben müsste.

7/10

Roman Polanski based on play Theater Paris Leopold von Sacher-Masoch Groteske Satire





Filmtagebuch von...

Funxton

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