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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ONE MAN FORCE (Dale Trevillion/USA 1989)


"Damn. I forgot to bring the marshmellows."

One Man Force ~ USA 1989
Directed By: Dale Trevillion


Jake Swan (John Matuszak) und sein Freund und Partner Pete (Sam Jones) sind einem Kokaindealer-Ring auf der Spur, als Pete im Einsatz erschossen wird. Wie ein Berserker fährt Jake fortan auf seine Gegner herab und nimmt dafür unter anderem diverse Blessuren und seine Suspendierung vom Dienst in Kauf.

"One Man Force" bietet schlagkräftiges Actionkino der Kategorie B, wie man es vermutlich besonders innig mag, wenn man mit dergleichen aufgewachsen ist. Die Besetzung des Films erweist sich unter Aufbietung von Köpfen wie Richard Lynch, Charles Napier, Robert Tessier, Sam Jones und Ronny Cox als kleines who's who des zeitgenössischen Genrekinos, wobei Matuszak in der Protagonistenrolle offenbar ganz gezielt zu einem neuen Action-Zugpferd hochgejubelt werden sollte. Dass der massige Hüne nur kurz darauf mittelbar wegen eines Drogencocktails das Zeitliche segnete, erscheint andererseits nicht als ein Wunder. In "One Man Force" wirkt er geradezu, als laufe er permanent auf Wolken und stilisiert sich dabei zu allem Überfluss selbst zu einer Art 'Kinski aus Eichenholz' - cholerisch und ohne Unterlass brüllt er, während er seine Feinde zur Hölle schickt, etwas von Gerechtigkeitsprinzipien und freut sich dann umso mehr, je unappetitlicher sich die von ihm verursachten Abgänge gestalten. Eine wahre tour de coke. Das Ganze Potpourri ist jedoch schön kurzweilig, hohlköpfig und auf naive Weise charmant - zum Liebhaben eben, besonders wenn, wie in meinem Fall, als Wiedersehensfeier umrahmt.

5/10

Dale Trevillion Selbstjustiz Rache Los Angeles


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IRON MAN 2 (Jon Favreau/USA 2010)


"I want my burd."

Iron Man 2 ~ USA 2010
Directed By: Jon Favreau

Nachdem der narzisstische Milliardär Tony Stark (Robert Downey jr.) seine Geheimidentität preisgegeben und sich als Mensch hinter der Maske des Superhelden Iron Man geoutet hat, sieht er sich mit diversen neuen Problemen konfrontiert. Der Rüstungsmagnat Justin Hammer (Sam Rockwell) will Starks Technologie, vorgeblich, um sie für die Verteidigung der USA zu benutzen, der Russe Ivan Vanko (Mickey Rourke) will sich an Tony für die vergangenen Sünden seines Vaters Howard Stark (John Slattery) rächen und kennt dabei kein Pardon, Tonys Herz hält der physischen Belastung, speziell jener bei den Iron-Man-Einsätzen, derweil kaum mehr Stand. Hinzu kommt das undurchsichtige Spiel durch den S.H.I.E.L.D.-Kopf Nick Fury (Samuel L. Jackson) und dessen Aghentin Natasha Romanoff aka Black Widow (Scarlett Johansson).

Ganz patenter Superhelden-Film, mehr als ordentlich gefertigt, mit kleinen Favreau-Macken wie der altmanscher Dialogüberlappung garniert, und, wenn man ehrlich ist, im Prinzip kaum mehr als ein neuerliches Präludium für den in zwei Jahren anstehenden "Avengers"-Film. Mehrere Figuren, die dafür wichtig sind, werden eingeführt bzw. bekommen eine größere Aktionsgewalt, darunter eben Black Widow und die bereits aus dem ersten Film bekannten War Machine und Nick Fury. Dass nach dem Abspann noch ein leckerer Appetizer für "Thor" gereicht wird, ist da bloß das ohnehin antizipierte Sahnehäubchen. Die Actionszenen krachen zwar adäquat, bleiben betreffs ihrer Quantität und Lauflänge aber dankenswerterweise überschaubar. Stattdessen stehen intensivierte Charakterzeichnung und ein wendungsreiches Wechselspiel im Vordergrund; die Beziehungsgeflechte zwischen Stark und seinem verstorbenen Vater einerseits und zwischen ihm und seiner höchst lebendigen Sekretärin Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) andererseits bekommen jeweils neue Impulse. Schließlich kann Favreau nicht umhin, sich selbst ein paar Gags auf den Leib zu schreiben. Eine jeweilige Schau sind der hyperagierende Sam Rockwell sowie natürlich Mickey Rourke, dessen Figur im allgemeinen Wirrwarr leider nur unzureichenden Platz zugestanden bekommt und der, ähnlich wie die villains im letzten "Spider-Man"-Film, etwas profillos bleibt. Möge Wiplash irgendwann nochmal zurückkehren, dann aber mit viel mehr Wumms. Ansonsten harre ich freilich mit zunehmend feuchten Händen "Thor", "Captain America" und ganz besonders der "Avengers". Auf bald dann, wenn es endlich auf der Leinwand heißen soll: "Rächer sammeln!"

7/10

Superhelden Jon Favreau Comic Marvel Technokratie Iron Man


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SUNSET (Blake Edwards/USA 1988)


"It's all true, give or take a lie or two."

Sunset ~ USA 1988
Directed By: Blake Edwards


1929: Der legendäre Marshal Wyatt Earp (James Garner) wird vom Filmproduzenten Alfie Alperin (Malcolm McDowell) nach Hollywood engagiert und als produktionstechnischer Berater des neuesten Tom-Mix-Films abgestellt. Wildwest- und Kinolegende (Bruce Willis) verstehen sich als jeweilige Haudegen von echtem Schrot und Korn auf Anhieb und haben ihre neue Freundschaft gleich auf eine gewichtige Probe zu stellen - Alperin entpuppt sich nämlich als gewissenloser Schweinehund, der sowohl seiner Frau (Patricia Hodge) als auch seinem Stiefsohn (Dermot Mulroney) allerlei Ärger beschert.

Edwards' Gipfeltreffen zweier amerikanischer Mythenfiguren fällt genau so aus, wie man es erwarten darf: Von gut aufgelegten Stars getragen, glanzvoll und opulent ausgestattet, ist "Sunset" ein wahres Heimspiel für die Glamour-Metropole, das in einem oftmals und gern als 'leer' denunzierten Filmjahrzehnt ein wehmütiges Zeichen setzte. Getreu Fords berühmtem Liberty-Valance-Ethos, demzufolge Legenden für die historische Wahrheitsbildung unerlässlich sind, fabuliert Edwards eine wilde Geschichte von Gangstern, korrupten Polizisten und machtbesessenen Größenwahnsinnigen beim Film zusammen, die sich auf dem Papier sehr abenteuerlich liest, in ihrer Umsetzung aber zu kleinen Begeisterungsstürmen zu veranlassen weiß. Nicht nur die Buddy-Paarung Mix und Earp, auch andere zu jener Zeit berühmte Figuren wie Dutch Schultz (Joe Dallesandro) und Charlie Chaplin (McDowell) kommen bei Edwards zu Ehren, wenn auch in teils bös karikierter oder abstrahierter Form.
Garners Interpretation des Marshal ist dabei ein besonderer Coup, denn fast genau zwanzig Jahre zuvor hatte er diese Rolle bereits für Sturges in "Hour Of The Gun" übernommen.

8/10

Film im Film period piece Wyatt Earp Hollywood Blake Edwards


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SPUN (Jonas Åkerlund/USA 2002)


"Call it what you will. It's all methamphetamine. That's what I'm here for."

Spun ~ USA 2002
Directed By: Jonas Åkerlund


Der süchtige Ross (Jason Schwartzman) verdingt sich als Fahrer auf Abruf für den Amphetaminbrauer Cook (Mickey Rourke) seine alltäglichen Sniffs. Bei Cooks Dealer Spider Mike (John Leguizamo) treffen sich derweil allenthalben die wirrsten Junkies der Gegend. Als der picklige Frisbee (Patrick Fugit) von den Cops hochgenommen und mit einem Abhörgerät ausgestattet wird, ist es aus mit der trippigen Idylle.

"Spun" war der bis heute letzte Film, für den ich mir wirklich den Arsch aufgerissen habe, um ihn im Kino sehen zu können. Wenn ich ihn mir aufs Neuerliche anschaue, weiß ich auch wieder, warum und finde regelmäßige Bestätigung für meinen damals regen Aktionismus: Åkerlunds Shake aus grobkörniger Videoclip-Ästhetik, Drogenmissbrauchsporträt und vorsätzlich dargebotenen Widerwärtigkeiten ist und bleibt einfach nur großartig. Jede Szene, jede Einstellung beinhaltet, abgesehen von der wahnwitzigen Schnittfrequenz, eine kleine Überraschung - sei es in Form irgendeines hübschen Cameos oder mittels eines weiteren, erstklassigen Songeinspielers.
Selbstverständlich gibt es auch, bei einem extrem stilisierten Werk wie diesem kaum weiter verwunderlich, nicht unerhebliche, zwangsläufig in Augenschein zu nehmende Kritikpunkte: Die Coolness von "Spun" kommt nicht aus dem Bauch, sondern aus dem Kopf und ist damit grundsätzlich hinterfragbar; der aus der Clipbranche stammende Åkerlund weiß sehr genau, was er da wie und mit wem kredenzt; die visuelle Darstellung des Wirkungsradius der Drogen ist stark an Aronofskys nur zwei Jahre älteren "Requiem For A Dream" angelehnt. Ich darf und muss freimütig konstatieren, dass mir all das wenig bis gar nichts ausmacht und ich mich mindestens ebenso berauschen wie erfreuen kann an Jason Schwartzmans ungepflegtem, übernächtigten Speed-Gesicht, an den Auftritten von Ikonen wie Debbie Harry, Rob Halford, Larry Drake, Ron Jeremy, Eric Roberts und natürlich dem über allem thronenden Mickey Rourke, für den "Spun" sich nach langer beruflicher Durststrecke wie ein Geschenk ausnehmen musste, sowie an Songs wie Mötley Crües "Dr. Feelgood", Ozzys "Junkie" und natürlich dem abschließenden "Instant Repeater '99" von The Soundtrack Of Our Lives. Gottgegeben, sage ich.

9/10

Insomnie Speed Jonas Åkerlund Drogen Los Angeles


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WHATEVER WORKS (Woody Allen/USA 2009)


"You can't win 'em all."

Whatever Works ~ USA 2009
Directed By: Woody Allen


Der retirierte Quantenmechaniker Boris Yellnikoff (Larry David) ist zu einem alten Misanthropen und Hypochonder geworden, dem nichts mehr im Leben echte Freude bereitet. Erst die deutlich jüngere Ausreißerin Melody (Evan Rachel Wood), eine naive Provinz-Pommeranze, vermag es, mittels eines langwierigen Prozesses, Boris aus seinem eingeschleiften Trott herauszuzlösen und ihm neuen Lebensmut zu verleihen.

Das Thema des alternden, intellektuellen, jüdischen Emotionskrüppels und Pygmalion, der sein spätes Glück bei einer jungen, geistig noch formlosen Frau findet, die von altersher mindestens seine Tochter - wenn nicht gar seine Enkelin - sein könnte, verfolgt Allen bereits seit Jahrzehnten. In "Manhattan" trieb in dieses Motiv um, in "Husbands And Wives" und in "Mighty Aphrodite". "Whatever Works" ist insofern bloß die Fortsetzung eines vermutlich noch längst nicht beendeten Zyklus. Eine Neuerung liegt darin, dass Allen mit dem Komiker Larry David ein ihm nicht ganz ebenbürtiges Substitut gesucht und gefunden hat, dass aber, wie so häufig, wenn der Meister mal nicht selbst auftritt, lediglich einen physischen Ersatz darstellt. Verhalten und Kommunikation von Boris Yellnikoff könnten ebensogut auch die eines jeden Charakters sein, den Allen selbst irgendwann mal in den letzten dreißig Jahren auf die Leinwand gezaubert hat. Wer nach Überraschungen fahndet, ist bei Allen aber sowieso verraten und verkauft, das ist nichts bahnbrechend Neues. In punkto Wortwitz und dessen Pikanterie bleibt selbstverständlich ebenfalls alles wie gehabt:
Patricia Clarkson: "Wo kann man in Manhattan hingehen, wenn man sich mal richtig gut amüsieren möchte?"
Larry David: "Ins Holocaust-Museum."

8/10

Woody Allen Pygmalion New York


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TOOTSIE (Sydney Pollack/USA 1982)


"I think we're getting into a weird area here."

Tootsie ~ USA 1982
Directed By: Sydney Pollack


Frustriert von den ewigen Absagen, die ihm jeder einzelne Regisseur der Stadt entgegenzuschmettern scheint, hüpft der New Yorker Schauspieler und Schauspiellehrer Michael Dorsey (Dustin Hoffman) in einen spießigen Fummel und bekommt unerwarteterweise eine Rolle in einer Krankenhaus-Soap. Beim Publikum avanciert 'Dorothy Michaels', wie Michael sich als Frau nennt, zum Renner, Michaels von ihm angeschmachtete Kollegin Julie (Jessica Lange) lässt sich jedoch ebenfalls blenden - ganz zum Leidwesen des Frischverliebten, der Julie doch viel lieber als ganzer Mann zu Leibe rücken würde.

Jetzt bin ich also über meinen Schatten gesprungen und habe mir die erste Travestiekomödie seit Gottliebs "Tanten-Trilogie" mit Rudi Carrell und Ilja Richter gefallen lassen. Die vorherige Aufregung erwies sich, wie meistens in solchen Fällen, zwar vornehmlich als heiße Luft; der Überzeugung, einen Weltklassefilm gesehen zu haben, bin ich aber dennoch kaum. Zum einen war ich nie in der Lage, den ja offenbar akuten Reiz von Kerlen im Fummel zu durchschauen, weder im künstlerischen noch im rein komödiantischen Sinne, zum anderen ist der Film kaum weniger bieder als jedes andere stromlinienförmige Familienprodukt Hollywoods und damit per se fernab von jeder wahren Brillanz.
"Tootsie" beläuft sich im Gros auf eine ganz nette Emanzipationskomödie, die mit dem alten Traumfabrik-Prinzip kokettiert, einen Probanden für einen begrenzten Zeitraum in eine fremde Identität schlüpfen zu lassen, um ihn dann mit den Wehen der neu repräsentierten, in irgendeiner Form zumeist unter- oder minderprivilegierten Kaste zu konfrontieren. Aber eben kaum mehr.
Einige Gags sind wirklich stark, die gehen dann aber weniger auf das Konto des fistelnden Hoffman (obgleich dieser natürlich wie immer toll ist), sondern auf die von Dabney Coleman als schmierigem Produzenten, Bill Murray als Hoffmans WG-Kumpel und ganz besonders das dees göttlichen George Gaynes, ohne dessen leider viel zu sparsame Auftritte der Film vermutlich bloß halb so gut wäre. Pollack macht seinen Job gewohnt professionell, seine Siebziger-Filme mit Redford bleiben aber gefahrlos auf den vorderen Rängen.

6/10

Sydney Pollack New York Travestie Fernsehen


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THE POSTMAN ALWAYS RINGS TWICE (Bob Rafelson/USA 1981)


"It's an act of God those lights went out!"

The Postman Always Rings Twice (Wenn der Postmann zweimal klingelt) ~ USA 1981
Directed By: Bob Rafelson


Ex-Knacki, Gelegenheitsgauner und Herumtreiber Frank Frank Chambers (Jack Nicholson) landet während der Tage der Depression im Highway-Diner des Griechen Papadakis (John Colicos). Dessen hübsche Frau Cora (Jessica Lange) verdreht Frank so schnell den Kopf, dass dieser einen Job als Laufbursche in Papadakis' Laden annimmt und schon bald mit Cora in den Federn landet. Sie überredet Frank, ihren ihr überdrüssigen Gatten zu beseitigen, um gemeinsam in eine neue Zukunft gehen zu können. Nachdem der erste Mordversuch fehlschlägt, gelingt der zweite zwar, bringt das verbrecherische Pärchen jedoch vorübergehend ins Gefängnis. Nachdem das Schicksal sie hernach zu weiter auseinandertreiben droht, finden sie zwar wieder zusammen, doch sie haben noch nicht hinreichend für ihre Schandtat gesühnt.

James M. Cains berühmter Roman "The Postman Always Rings Twice" wurde dreimal fürs Kino adaptiert. Die beste und renommierteste Version ist zugleich die erste, 1943 von Visconti vornehmlich motivisch übernommen und als früher Markstein des soeben aufkommenden Neorealismus in das faschistische Italien verlegt. Nur drei Jahre später zog Hollywood mit einer ebenfalls großartigen Variante nach, diesmal mittels eines Beitrags zur Schwarzen Serie. Dann ruhte die Geschichte des in heißer Liebe zum diabolischen Gespann avancierenden Paars einge Dekaden, bis Bob Rafelson mit seinem Stammdarsteller Nicholson eine der letzten Regungen New Hollywoods vollzog. Wohlweislich beließ er die Story dort, wo sie ursprünglich hingehört, nämlich in der Depressionsära. Die Radikalität, mit der Frank und Cora zu Werke gehen, um ihre in mehrerlei Hinsicht verbotene Beziehung durchzusetzen, fußt ja ohne Frage in einer Zeit, in der bezüglich Überlebensfragen nicht lang gefackelt wurde und Opportunismus zeitweilig eine obere Existenzmaxime darstellte. Die Ernsthaftigkeit und Dramatik, mit der Rafelson und sein Autor David Mamet Cains so nervenzerrende wie traurige Geschichte beackern, wurde zu Zeiten der Kinopremiere leider übersehen. Vielmehr ereiferte man sich über die drei Sexszenen zwischen Lange und Nicholson, die berühmt-berüchtigte erste und hitzigste davon gleich auf dem Küchentisch, in der Nicholson der Lange mit voller Handbreite in den zumindest durch einen Slip bedeckten Schritt langt. Später kommt es dann noch zu einer nicht minder gewagten Cunnilingus-Sequenz. Die Leute bewegte dann auch weniger der Existenzialismus der Dreiecksstory als vielmehr die Authentizität der koitalen Verrenkungen. Aber so sind und waren wir, die Kinogänger.

8/10

Bob Rafelson James M. Cain Great Depression Skandalfilm


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SOLINO (Fatih Akin/D 2002)


"Und glaub nur ja nich, dat ich nich weiß, wer dat andere oberdämliche Arschloch war..."

Solino ~ D 2002
Directed By: Fatih Akin


Die Geschichte zweier italienischer Brüder, Gigi (Barnaby Metschurat) und Giancarlo Amato (Moritz Bleibtreu), die als Kinder von dem süditalienischen Kleinstädtchen Solino nach Duisburg emigrieren, wo ihre Eltern die erste Pizzeria im Ruhrgebiet eröffnen. Gigi und Giancarlo sind allerdings weniger am Gastronomiegewerbe interessiert als ihrem Vater (Gigi Savoia): Während Gigi, der jüngere der beiden, schon früh seine Faszination für Bilder und Film entdeckt, hat Giancarlo vornehmlich Flausen im Kopf, die sich in zunehmend großem Opportunismus äußern. Als sie erwachsen sind, kommt es zum Knall und zwischenzeitlichen Bruch der Brüder.

Falls es so etwas wie eine "pandeutsche Migrantenseele" geben sollte, ist Fatih Akin mit diesem Film ganz nah dran, ihr auf den Grund zu gehen, zumindest, soweit ich als Nichtmigrant aber von Berufswegen sehr mit Migrantenfamilien vertrauter Mensch das zu behaupten wagen darf. Als türkischstämmiger Regisseur eine so herzhaft tief im italienischen Wesen verwurzelte Geschichte zu erzählen, das scheint mir in der Tat ein klarer Fall von Seelenverwandtschaft zu sein. Die Geschichte der sich zwar innig liebenden Brüder, deren Beziehung zueinander wegen der nachlässigen und egoistischen Art des einen jedoch immer wieder tief kriselt, bis der Verrat eines Tages allzu nachhaltig wird, ist großer dramatischer Stoff, der von Akin entsprechend großatmig dargeboten wird. Ganz fabelhaft geglückt ist dem Regisseur auch die Hommage an Visconti, hier von dem fischgesichtigen Forman-Faktotum Vincent Schiavelli als Substitut "Signore Baldi" interpretiert, und seinen Dreh von "La Caduta Degli Dei". Von der Schroffheit eines "Kurz und Schmerzlos" ist hier zwar nicht mehr viel hängengeblieben, dafür erfreut Akin (ab) jetzt mit einer anderen Art emotionaler Tiefe, die nicht minder berührt.

8/10

Fatih Akin Italien Restaurant Brueder Familie Migration Film im Film


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AD OGNI COSTO (Giuliano Montaldo/I, E, BRD 1967)


Zitat entfällt.

Ad Ogni Costo (Top Job - Diamantenraub in Rio) ~ I/E/BRD 1967
Directed By: Giuliano Montaldo


Der soeben in Pension gegangene, ehemals in Rio de Janeiro tätige Englischlehrer Professor Anders (Edward G. Robinson) will seine Rente aufbessern, indem er vier über einen Mittelsmann (Adolfo Celi) angeheuerte Profis (Klaus Kinski, Robert Hoffmann, Ricardo Cucciolla, George Rigaud) einen Multimillionenraub in einem Hochsicherheitsgebäude gegenüber seiner früheren Arbeitsstelle durchführen lässt. Die nicht unproblematische Aktion verläuft exakt nach dem Plan des Professors, der sämtliche Eventualitäten eingerechnet hat - bis auf eine...

Im Stile von Dassin inszeniertes heist movie, das, wie bei italienischen Mainstream-Filmen üblich, aufgrund seines plagiatorischen Charakters zwar weder sonderlich innovativ noch sonstwie revolutionär, dafür aber kurzweilig und spannend um die Kurve kommt. Die ausführliche Einbruchsszene ist ziemlich toll, Montaldos Regie auch sonst durchweg professionell und Rio als Kulisse hält, was es verspricht. Einzig die moralische Keule, die bei den meisten Bruch-Filmen seit Hustons "The Asphalt Jungle" offenkundig unabdingbar zu sein scheint, nervt auch hier. Man wollte den Kriminellen, und mögen sie noch so symathisch sein, ehedem einfach keine Erfolge zugestehen. Sauerei, das.

7/10

Giuliano Montaldo Rio de Janeiro Heist Diamanten


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ROBIN HOOD (Ridley Scott/USA, UK 2010)


"You're English?" - "When it suits me."

Robin Hood ~ USA/UK 2010
Directed By: Ridley Scott


Gegen Ende des 12. Jahrhunderts: Der Ritter Robin Longstride (Russell Crowe) kehrt im Gefolge Richard Löwenherz' (Danny Huston) vom Dritten Kreuzzug in Palästina zurück. Während der Belagerung einer französischen Burg kommt Richard ums Leben; später wird auch sein Botschafter Robert Loxley (Douglas Hodge) ermordet. Longstride nimmt Loxleys Identität an, um mit seinen Begleitern gefahrlos nach England überschiffen zu können. Daheim wird Richards Bruder John (Oscar Isaac) umgehend zum neuen König gekrönt, derweil die Adligen im Lande über die hohen Staatsabgaben jammern und gegen das Staatsoberhaupt zu revoltieren beginnen. Angesichts der von Frankreich herannahenden Armeen Philipps II benötigt der König jedoch jegliche Unterstützung und sichert den Dissidenten die Unterzeichnung einer Rechte garantierenden Charta zu. Nachdem die Franzosen unter entscheidender Beteiligung des mittlerweilec "offiziell" legitimierten "Ersatz-Loxley" zurückgeschlagen werden konnten, bricht John sein Versprechen und erklärt Robin offiziell zum Vogelfreien.

Mit dem streitbaren Anspruch, die historisch plausible Fassung einer Legende zu erzählen und diese somit zu entromantisieren ging Ridley Scott an dieses neuerliche Version der bereits dutzdenfach für das Kino aufbereiteten Mär um den titelspendenden Volkshelden Robin. Dass dabei viele ihrer beliebten, klassischen Bestandteile weichen mussten, steht bereits bei einer ersten rationalen Betrachtung außer Frage. Tatsächlich fielen Löwenherz' Gefangenschaft in Österreich und Robin Hoods Wirken im Sherwood Forest bei genauerer Betrachtung zeitlich nicht zusammen und auch die Mär von Robins Bekanntschaft mit seinem hünenhaften Busenfreund Little John (Kevin Durand) muss einer weitaus nüchterneren Betrachtung weichen. berhaupt spielen Robins Vasallen bei Scott eine sehr untergeordnete Rolle. Trösten kann/muss sich der wehmütig an Errol Flynn und Kevin Costner denkende Mittelalter-Romantiker damit, dass Scott ja im Prinzip nur von der Vorgeschichte des Mythos berichtet; tatsächlich endet seine Erzählung an dem Punkt, da Longstride/Loxley sich in die Wälder zurückziehen und sein berühmtes Outlaw-Dasein führen muss. Ob Scott jemeils eine Fortsetzung dreht, in der John ein Bogenschießen veranstaltet, zu dem Robin als Kesselflicker verkleidet erscheint, bleibt allerdings mehr als fraglich. Hier geht es weniger darum, Männer im grünen Wams durchs Unterholz hüpfen zu lassen, sondern um die kompromisslose Darstellung des grauen Mittelalters, politischer und gesellschaftlicher Ränke und die mögliche Identitätenbildung einer Sagengestalt. Auf diesen Gebieten punktet Scotts Film; hat man sich einmal damit abgefunden, dass der neue Robin Hood mit seinen früheren Inkarnationen (abgesehen vielleicht von der von Richard Lester aus den Siebzigern) nur wenig bis gar nichts mehr zu schaffen hat, mag man auch diese Perspektive der Dinge schätzen lernen. Da ich zweierlei an und in Film besonders liebe; nämlich sowohl ausufernd illustrierte Historizität als auch Ridley Scotts stets sorgfältige, penible Inszenierung; fiel mir das Aufbringen der erforderlichen Grade an Empathie und Sympathie nicht schwer. Kurz gesagt: Ich halte Scotts "Robin Hood", trotz einem gerade im Bereich monumentalen Kostümkinos gefährlichen Mangel an Emotionalität, für einen guten Film.

8/10

Kreuzzuege Robin Hood Ridley Scott England period piece Mittelalter Ritter Historie





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