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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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IM JULI (Fatih Akin/D, HU, TR 2000)


"Und das hast du alles erlebt?"

Im Juli ~ D/HU/TR 2000
Directed By: Fatih Akin


Als die Hamburger Tandverkäuferin Juli (Christiane Paul) den Referendar Daniel Bannier (Moritz Bleibtreu) entdeckt, verliebt sie sich schnurstracks in ihn und versucht, ihn zu Gegenseitigem zu bewegen. Die mittels metaphysischem Symbolismus durchgeführte Aktion geht jedoch nach hinten los: Daniel verguckt sich am selben Abend in die Türkin Melek (Idil Üner), soeben auf dem Weg nach Istanbul, um dort ihren freund zu treffen. Kurzentschlossen reist Daniel ihr per PKW hinterher - zusammen mit Juli, die ihm zufällig bei Anbruch seiner Tour als Tramperin über den Weg läuft. Eine turbulente Reise folgt, die für alle Seiten unerwartet endet.

Trotz sehr differierender stilistischer und geistiger Orientierung ist die direkte Blutsverwandtschaft zwischen "Kurz und schmerzlos" und "Im Juli", mit dem Akin zugleich der letzten großen Sonnenfinsternis im August 99 ein Denkmal setzte, unübersehbar: Der eine Film endet mit dem prägnanten Antlitz Mehmet Kurtulus', der andere beginnt mit selbigem - wobei die jeweils von ihm interpretierten Parts beinahe identisch sein könnten. In beiden Werken inszeniert Akin sich selbst in Minirollen als wichtigen Stichwortgeber für den Plot; ganz abgesehen davon, dass diverse weitere Bekannte aus "Kurz und schmerzlos" hier wieder auftauchen. Allerdings hat es auch feine Gastauftritte wundebarer "neuer" Gesichter, darunter die atemberaubende, zuvor Kusturicas fulminantem "Crna Macka, Beli Macor" aufgetretene Serbin Branka Katic sowie erstmals Birol Ünel, die vermutlich coolste Sau des deutschen Films seit der Jahrtausendwende. Dass "Im Juli" nebenbei als eine einzige große Liebeserklärung an sein Protagonistenpaar durchgeht, beweist, wie mit welch familiärer Warmherzigkeit der Regisseur seine Darsteller beäugt. Ansonsten demonstriert Akin erneut, dass er in Filmgeschichte aufgepasst hat: Christiane Paul und Moritz Bleibtreu sind späte Nachfahren der Screwball-Urkonstellation Hepburn und Grant (bzw. später dann Streisand und O'Neal) und auch die Road-Movie-Kiste, die wesentlich beinhaltet, dass am Reiseende ein anderer Mensch ankommt als jener, der sie einst angetreten hat, beläuft sich auf klassisches Kinogut (s. "Sullivan's Travels"). Dabei will "Im Juli" nicht innovativ sein, er will berühren. Und das schafft er, mühelos sogar. Falls es die Porno-Verballhornung "In Juli" übrigens noch nicht geben sollte, beanspruche ich hiermit schonmal gleich die Rechte.

8/10

Drogen Osteuropa Fatih Akin Road Movie LSD Tuerkei Marihuana


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KURZ UND SCHMERZLOS (Fatih Akin/D 1998)


"Was'n los mit ihm?" - "Er versucht, erwachsen zu werden. Und wir hindern ihn dran."

Kurz und schmerzlos ~ D 1998
Directed By: Fatih Akin


Hamburg Altona. Der Türke Gabriel (Mehmet Kurtlus) wird aus dem Knast entlassen und schon sehnsüchtig von seinen beiden Busenfreunden seit Kindertagen, dem Serben Bobby (Aleksandar Jovanovic) und dem Griechen Costa (Adam Bousdoukos), erwartet. Wenig hat sich seit damals geändert: Gernegroß und Pseudo-Scarface Bobby ist soeben dabei, in die Albanermafia, respektive bei der Kiezgröße Muhamer (Ralph Herforth) einzusteigen; Costa begnügt sich mit kleineren Gaunereien und einem Tütchen von Zeit zu Zeit. Erste schwerwiegende Probleme bereiten die Frauen: Während Costas langjährige Freundin Ceyda (Idil Üner) - zugleich Gabriels Schwester - sich einen Neuen (Marc Hosemann) angelt und mit dem am Boden zerstörten Costa Schluss macht, verguckt sich Bobbys Mädchen (Regula Grauwiller) ausgerechnet in Gabriel. Als sich derweil Muhamer als brutaler, selbst vor Mord nicht zurückschreckender Gewaltverbrecher entpuppt, sieht sich Gabriel vor die Wahl gestellt: Verteidigung der Freudesehre oder Rückfälligwerden.

Fatih Akins rohes, grobkörniges und hartes Langfilmdebüt, im Grunde nichts anderes als eine deutsche "Mean Streets" - Variation, hat mich seinerzeit, als ich es (glücklicherweise gleich bei Erscheinen) zum ersten Mal sehen durfte, schwer überrollt. Akins unbestechlicher, zugleich herzlicher und ein wenig mitleidsvoller Blick für die kleinen Migrantenmöchtegerngangster aus der Hamburger Urbanität, die gerne so wären wie die großen Vorbilder aus dem (fiktionalen) italoamerikanischen Milieu oder von MTV, dabei aber doch bloß im Elfenbeinturm bedauernswerter Sozial- und Bildungsopfer verbleiben müssen, ist eine echte Einladung. Das so unterschiedlich geartete Freundestrio wächst dem Zuschauer - zumindest mit Ausnahme des schmierigen Ekels Bobby (eine mutige Leistung von Jovanovic, seinen Charakter so unangenehm auszuformulieren) - schnell ans Herz; besonders Bousdoukos, den Akin für "Soul Kitchen" endlich "wiederentdeckt" hat, repräsentiert eine unnachahmliche Authentizität. In seinen paar Gewaltszenen, obgleich visuell vergleichsweise rücksichtsvoll, erreicht "Kurz und schmerzlos" dann eine unglaubliche Intensität, mittels derer sich die zuvor aufgestaute, permanent bedrohliche Atmosphäre des Films klimaxgleich entlädt. Einer der beeindruckendsten mir bekannten Debütfilme.

9/10

Kiez Coming of Age Freundschaft Hamburg Fatih Akin


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FANTASTIC MR. FOX (Wes Anderson/USA, UK 2009)


"Just buy the tree." - "Okay."

Fantastic Mr. Fox (Der fantastische Mr. Fox) ~ USA/UK 2009
Directed By: Wes Anderson


Der Fuchs Mr. Fox verspricht seiner Frau, nachdem es einmal besonders brenzlig wird, und sie ihm offenbart, dass sie bald Eltern würden, in Zukunft die Finger vom Hühnerdiebstahl zu lassen und stattdessen einer "ehrlichen" Arbeit nachzugehen. Mr. Fox wird also Zeitungskolumnist, doch es dauert nicht allzu lange, da juckt es ihm wieder in den Fingern und mit seinem gemütlichen Freund, dem Opossum Badger, macht er sich daran, die drei Bauern der Gegend um ihre jeweiligen Hauptprodukte zu erleichtern. Diese reagieren sehr ungehalten und gehen zum Gegenangriff auf Fox, seine Familie und die anderen Waldbewohner über, was einen regelrechten Kleinkrieg zwischen Mensch und Tier entfesselt.

Auf der Leinwand erlebt der gescheite Kindergeschichtenautor Roald Dahl bereits seit den neunziger Jahren eine Renaissance, die sich schon aufgrund der unikalen, atmosphärischen Erzählweise des Literaten je in sicheren Regisseurshänden wie denen von Nicolas Roeg, Henry Selick und Tim Burton lag, allesamt recht eigensinnige Filmemacher mit einer jeweils entsprechend persönlichen, teils bekanntlich durchaus morbiden Signatur. Wes Anderson nun, den ich nicht von ungefähr bereits einen Eintrag tiefer als 'Familienchronist' bezeichnete, knöpfte sich - na was wohl - eine von Dahls die Familie thematisierenden Fabeln vor. Zwar behalten die zivilisierten Tiere ihre jeweils typischen Eigenschaften; sind also wahlweise neugierig, flink, gefräßig, klug, solipsistisch veranlagt und so fort; sind jedoch auch den Menschen zivilisatorisch ebenbürtig, der Menschensprache mächtig, können Motorrad fahren, Erpresserbriefe schreiben, philosophieren etc.. Dass Anderson diese Gegebenheiten als selbstverständliche Rahmenbedingungen für seine herrlichen, erdfarbenen Stop-Motion-Bilder verwendet, war zu erwarten, ebenso wie die Tatsache, dass der pubertierende Sohn des Ehepaars Fox in Ermangelung der Allmacht rettender väterlicher Achtung einen mittelschweren Neurotiker abgeben durfte. Bis auf die ungewohnte, respektive ungewöhnliche Art der Erzählung - nebenbei ist dies des Regisseurs erster Film seit "Bottle Rocket", für den er auf das Scope-Format verzichtet - bleibt dieses Anderson-Erlebnis, was seinen Skurillitätsfaktor und den Oszillationsgrad zwischen tieftraurig und juchzend komisch anbelangt, irgendwie ein angenehm vertrautes.

8/10

Fabel Roald Dahl Wes Anderson


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THE DARJEELING LIMITED (Wes Anderson/USA 2007)


"The characters are all fictional."

The Darjeeling Limited ~ USA 2007
Directed By: Wes Anderson


Der sich soeben von einem schweren, mit Absicht selbstverschuldetem Unfall erholende Francis (Owen Wilson) holt seine beiden Brüder Peter (Adrien Brody) und Jack (Jason Schwartzman) nach Indien, um mit ihnen eine "spirituelle Reise" durch das Land zu unternehmen, die schließlich bei ihrer als Missionarin tätigen Mutter (Anjelica Huston) sowie einer überfälligen Aussprache mit dieser enden soll. Die drei jeweils auf ihre höchstpersönliche Art schwer neurotischen Männer, zudem allesamt starrsinnige Individualisten, müssen sich mühevoll zusammenraufen um den spirituellen Zweck ihres Trips sich tatsächlich erfüllen zu lassen.

"Family isn't a word... It's a sentence." ziert als Tagline das Plakat meines Lieblingsfilms, "The Royal Tenenbaums". Und wie vortrefflich passt diese auch gleich zu einigen anderen Werken ihres eigenbrötlerischen Regisseurs Wes Anderson, so eben auch zu "The Darjeeling Limited", in dem drei Brüder eine neuerliche Blutallianz schmieden, bzw. die alte wiederauffrischen - das erfährt man nicht genauer. Nachdem meine erste Betrachtung dieses wunderbaren Films an Gründen, die darzulegen müßig wäre, gescheitert ist, nun endlich die verspätete Heimkehr.
Der Terminus 'Lakonie' als Attribut scheint mir nach wie vor eigens für Anderson gemacht. Obschon seine Szenarien und wie er sie filmt von teils brüllender Komik sind, käme man nie auf die Idee, lauthals zu lachen; schon allein, weil man das Gefühl hätte, die oft tieftraurigen, innerlich nachhaltig stark verletzten Figuren vor sich einem unverdienten Spott auszusetzen und damit zu denunzieren. Wes Anderson ist ja auch ein Regisseur der Farben, einen Schwarzweißfilm von ihm kann und mag ich mir erst gar nicht vorstellen. Da Indien auch ein Land der Farben (und sonstiger Sinneseindrücke) ist, haben sich Mensch und Topographie hier sozusagen gesucht und gefunden.
Dass "The Darjeeling Limited" so kurz ausfällt, macht übrigens nichts; man ist mehr als gut beraten, sich gleich im Anschluss den prologisch angelegten Kurzfilm "Hotel Chevalier" (der Jacks unmittelbaren vorherigen Werdegang nebst einer atemberaubend erotischen Natalie Portman zeigt und damals als Appetizer für "Darjeeling" im Netz veröffentlicht wurde) anzuschauen. Kein Problem für Besitzer der DVD, auf welcher "Hotel Chevalier" darauf wartet, im Verbund mit dem "Hauptfilm" genossen zu werden.

9/10

Brueder Road Movie Familie Reise Wes Anderson Indien


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UN PROPHÈTE (Jacques Audiard/F, I 2009)


Zitat entfällt.

Un Prophète (Ein Prophet) ~ F/I 2010
Directed By: Jacques Audiard


Mit neunzehn Jahren kommt Malik (Tahar Rahim) ins Zuchthaus um eine sechsjährige Haftstrafe abzusitzen. Nach kurzen lernt der junge, sich später zu einem Weissager mausernden Analphabet auf unangenehme Weise César Luciani (Niels Arestrup), den Chef der lokalen Korsenmafia kennen. César missbraucht Malik zunächst als Attentäter und lässt ihn einen unliebsamen arabischen Widersacher (Hitchem Yacoubi) ausschalten. Danach wird Malik mehr und mehr zu Césars rechter Hand und schließlich zu dessen engstem Vertrauten. Mithilfe seines neu gewonnen Freundes Ryad (Adel Bencherif) lernt Malik lesen und schreiben und reift zu einem scharfsinnigen Beobachter der ihn umgebenden Dinge. Als Malik schließlich Freigänge bei der Gefängnisleitung erwirkt, beginnt er, seine eigenen Pläne zu verwirklichen...

Ein Aufstieg; vom kleinen Gelegenheitsgauner zum mächtigen Gangsterboss: In seinem epischen, emotional hintergründigen Knastfilm demonstriert Jacques Audiard, wie das Rechtssystem seine Sanktionierungsmaßnahmen auf höchst widersinnige Art zur eigenen Nemesis herangedeihen lässt. Mal mehr, mal weniger stark inspiriert von den großen Klassikern des Genrefilms erzählt Audiard zwar keine sensationell neue Geschichte - der sich mehr und mehr emanzipierende Zögling in einer Verbrecherhierarchie verfügt bekanntermaßen über eine generationenlange Tradition -, verbindet diese jedoch mit seiner bereits aus "De Battre Mon Coeur S'Est Arrêté" bekannten, kühlen und wortkargen Perspektive. Audiard, wiederum auch stark orientiert an Melvilles sensorischem Blick, überlässt viel seinen starken Darstellern; der mehr als beachtenswerte Tahar Rahim erinnerte mich mit seiner unruhigen Physiognomie auf seltsame Weise an den jungen William Petersen aus "To Live And Die In L.A." und "Manhunter" und lässt mindestens genausoviele seiner umwälzenden psychischen Prozesse sich auf dem scheinbar reglosen Gesicht widerspiegeln wie eben weiland Petersen.
Wie extrem realitätsangebunden Audiard zu inszenieren weiß, wenn es darauf ankommt, lässt sich gleich anhand der Mordszene an Reyeb ersehen - eine der intensivsten ihrer Art, die Töten und Sterben als jeweils wahnsinnig anstrengenden Kraftakt zeigt und nur ganz schwer erträglich ist.

8/10

Mafia Jacques Audiard Gefaengnis


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WILL SUCCESS SPOIL ROCK HUNTER? (Frank Tashlin/USA 1957)


"What? Lover Doll is here?"

Will Success Spoil Rock Hunter? (Sirene in blond) ~ USA 1957
Directed By: Frank Tashlin


Um einen Vertrag mit einem Kosmetik-Hersteller für seine Agentur unter Dach und Fach zu bringen, hat der New Yorker Reklamefachmann Rockwell Hunter (Tony Randall) die zündende Idee: Er will den soeben in der Stadt weilenden Hollywood-Star Rita Marlowe (Jayne Mansfield) zum Werbeträger machen. Die kieksige Blondine jedoch verkuckt sich in Rock und will nur unter der Bedingung zusagen, dass dieser für ein paar Wochen ihren persönlichen Gigolo spielt. Das zähneknirschend zugesagte Engagement beschert Rock einen rasanten Karriereaufstieg - aber auch schwerwiegende private Probleme.

Der "Girl Can't Help It"-Nachfolger geriet noch um einiges anarchischer, turbulenter und treffsicherer als sein Vorgänger. Hier wurde, wiederum im Verbund mit einem komödiantisch versierten, braven Durchschnittsamerikaner (nun der auf der Leinwand bislang noch selten gesehene Tony Randall anstelle von Tom Ewell), selbst die Mansfield böse aufs Korn genommen, ihr reales Image aufs Schärfste durch den Kakao gezogen und ihr damaliger Spezi und zukünftiger Ehemann, der Bodybuilder Mickey Hargitay, gleich mit. Nicht weniger offensiv sprang Tashlin mit Hollywood, dem Fernsehen, der Werbung und der Presse um, kurz gesagt: Sämtliche der damals in den USA relevanten Massenmedien wurden, goldenen Kälbern gleich, Tashlins Slapstick-Humor rauschhaft geopfert. Die daraus resultierende Komik geriert sich atemlos. Praktisch im Sekundentakt gibt es immer neue Reizimpulse und Gags, die so perfekt arrangiert und orchestriert sind, dass Tashlins Film mit dem wirklich wundervollen Titel zu den schönsten Komödienklassikern überhaupt gezählt werden muss. Sollte man mindestens dreimal sehen, um behaupten zu können, auch nur ansatzweise alles mitbekommen zu haben!

9/10

Werbung New York Frank Tashlin Satire


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THE GIRL CAN'T HELP IT (Frank Tashlin/USA 1956)


"Ask my agent."

The Girl Can't Help it (Schlagerpiraten) ~ USA 1956
Directed By: Frank Tashlin


In dem abgehalfterten und versoffenen Schlagerstar-Agenten Tom Miller (Tom Ewell) wittert der höchstselbst abgehalfterte Gangsterkönig Fats Murdock (Edmond O'Brien) eine Chance zur Reüssierung: Tom soll die Sexbombe Jerri Jordan (Jayne Mansfield) managen und in der Musikszene ganz groß herausbringen, bevor Fats sie dann zu ehelichen gedenkt. Jerri jedoch interessiert sich mitnichten für eine Karriere als Rock 'n' Roll-Sternchen; sie träumt von einem gesetzten Familienleben als Mutter und Herdheimchen. Tom würde ihr diesen Wunsch mit sich selbst als Zukünftigem nur allzu gern erfüllen, doch Fats hat eine Menge dagegen.

Der große Komödienregisseur und Jerry-Lewis-Mentor Frank Tashlin stellte in den Jahren 56/57 zwei köstliche Mansfield-Vehikel in Scope und DeLuxe für die Fox her, die auf wundersame Weise zugleich Prestigeobjekte fürs Studios und bissige Showbiz-Satiren wurden und beide zu Tashlins schönsten Filmen zählen. Tom Ewell, von Billy Wilder bereits für "The Seven Year Itch" als Inbegriff des kopfschlawinernden, dabei harmlos-ängstlichen all american man entdeckt und entsprechend veredelt, muss sein Spiel aus diesem Klassiker nur in Nuancen variieren. Angesichts seiner ersten Begegnung mit der Mansfield hängt ihm (wie allen anderen Männern im Film auch) die Zunge bis zum Boden und es dauert ziemlich lange, bis der vormalige Verlierer endlich seinen Heldenkern entdeckt und seine innigsten Wünsche durchzusetzen in der Lage ist. In erster Linie bietet "The Girl Can't Help It" jedoch eine Plattform für diverse der damals unter den Jugendlichen angesagten Rock 'n' Roll- und Schlager-Acts, darunter Fats Dominoe, Gene Vincent, Julie London, Eddie Cochran, die Platters und natürlich den Titelsongstifter Little Richard, die allesamt mit Live-Auftritten glänzten und so ihr Öffentlichkeits-Image vertiefen konnten. Dabei springt Tashlin keinesfalls freundlich mit ihnen um; im Gegenteil lässt er ziemlich verächtlich durchblicken, dass er die ganze neue Hit-Baggage für einen ziemlich untalentierten Haufen und dessen picklige Fangemeinde für geistesentrückte teenage zombies hält. Aber weil das Ganze eben von einem Spaßvogel und sehr lustig inszeniert híst, hat's ihm niemand übel genommen. Im Gegenteil amüsieren sich offensichtlich alle Beteiligten und sind sichtlich zufrieden mit dem bunten Happening, an dem sie mitwirken dürfen.

8/10

Rock 'n' Roll New York Musik Frank Tashlin Satire


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LOST COMMAND (Mark Robson/USA 1966)


"Well, what the hell can I do..."

Lost Command (Sie fürchten weder Tod noch Teufel) ~ USA 1966
Directed By: Mark Robson


Nach der desaströsen Niederlage von Dien Bien Phu kehren Colonel Raspeguy (Anthony Quinn) und sein Batallion von Fallschirmjägern nach Frankreich zurück. Die ersehnte Beförderung zum General bleibt dem sturköpfigen, bauernstämmigen Offizier weiterhin versagt, weswegen er sich einen baldigen Folgeeinsatz erhofft und findet: Raspeguy soll nach Algerien ziehen, um dort eine Gruppe Rekruten zu schleifen und den noch vereinzelt stehenden Separatisten entgegenzutreten. Ausgerechnet einer von Raspeguys eigenen Männern, Lt. Mahidi (George Segal), erweist sich als Guerilleraanführer, der diverse Anschläge gegen die Franzosen von den Bergen aus leitet. Pikanterweise verliebt sich zudem des Colonels rechte Hand, Capitan Esclavier (Alain Delon), ungewahr in Mahidis nicht minder radikale Schwester Aicha (Claudia Cardinale)...

Über den Algerienkrieg sind nur wenige bedeutsame Filme gemacht worden, in erster Instanz und unerreicht natürlich "La Battaglia Di Algeri". Robsons "Lost Command", im selben Jahr entstanden, dürfte so ziemlich das diametrale Gegenstück und als Basis einen gänzlich differerierenden Ansatz zu Pontecorvos Meisterwerk repräsentieren: Als buntes, stargespicktes Hollywoodkino hat er so wenig mit einer realitätsorientierten Darstellung der Ereignisse zu tun wie wohl jedes andere im silver age entstandene Monumentalstück auch.
Der Betrachtungsansatz muss also bereits a priori ein ganz anderer sein. Robson, der aus der Val-Lewton-Schule stammt und einige der schönsten Filme aus dessen RKO-Zyklus angefertigt hat, war stets ein immens wechselhafter Filmemacher. Von ebenjenen intimen kleinen Psychostudien in expressionistischem Schwarzweiß bis hin zu großem, teurem Katastrophenkino in den Siebzigern reicht seine Bilanz. "Lost Command" steht irgendwo unentschlossen dazwischen. Augenscheinlich bewusst enthält sich Robson des großen Pathos und betrachtet die zeigenössische Militärgeschichte des traditionellen Kolonialstaats Frankreich aus einer an sich gesunden Distanz heraus (und, wie die überaus libenswerte letzte Einstellung beweist, einem deutlichen Sympathieüberhang für die Algerier). Für eine runde Filmdramaturgie ist diese emotionale Askese allerdings nur bedingt förderlich; "Lost Command" wirkt über weite Strecken unbeteiligt und unpersönlich. Dass er darüberhinaus jedoch nicht langweilt, ist vor allem Anthony Quinns wie immer unglaublicher Präsenz zu verdanken, der wie so oft nicht nur ganze Szenen dominiert, sondern sogar den gesamten Film in seiner Hand zu halten scheint. Allein seine Darstellung macht "Lost Command", abseits von dessen technischer und formaler Strenge, bereits sehenswert.

7/10

Mark Robson Kolonialismus Indochinakrieg Algerienkrieg


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TANGO & CASH (Andrej Konchalovskij/USA 1989)


"I believe in Perestroika!" - "Welcome to America."

Tango & Cash ~ USA 1989
Directed By: Andrej Konchalovskij


Um die beiden emsigen, wenn auch sehr gegensätzlichen Polizisten Ray Tango (Sylvester Stallone) und Gabe Cash (Kurt Russell), der eine ein geschniegelter Yuppie mit Börsenambitionen, der andere ein waschechter Prolet vor dem Herrn, loszuwerden (ohne sie gleich "zu Märtyrern zu machen") sorgt Gangsterboss Perret (Jack Palance) dafür, dass sie zunächst unschuldig im Gefängnis landen, um sie dann später von den Insassen abservieren zu lassen. Doch die zwei Haudegen sind schneller wieder draußen als Perret lieb ist und stürmen im Duett Perrets Wüstenfestung.

Es gibt nur einen Weg, wie man "Tango & Cash" halbwegs verdaulich genießen kann - man muss ihn als reine Satire begreifen. Der Film spitzt die Genreentwicklung des vorangegangenen Jahrzehnts so zu, dass er im Gegenzug nicht mehr als ein bloßer Scherenschnitt bleibt: Sämtliche der auftretenden Figuren sind nichts anderes als ihre eigenen, stilisierten Ikonografien; vom Heldengespann über seine Alliierten bis hin zum Bösewicht und dessen Handlangern ist jeder einzelne ein Abziehbild Dutzender bereits bekannter Prototypen. "Tango & Cash" legt dabei im Gegensatz zu den meisten seiner zeitgleich entstandenen Konkurrenzproduktionen auch nicht den geringsten Wert auf einen bloßen Hauch von Realitätsanbindung; alles ist rein comicesk und behauptet; - die Stadt bei Tag, das Gefängnis bei Nacht, die Räume und Appartments, Büros und Clubs, schließlich die Festung von Jack Palance und schließlich Michael J. Pollards waffenstarrender Straßenpanzer, der bei der Erstürmung derselben hilft, derweil der Oberboss vor seinen Beobachtungsmonitoren herumhampelt und -zetert wie weiland Herbert Lom als Inspector Dreyfus oder Christopher Lee als Fu-Manchu. Den Gipfel des Nonsens erreicht der Film schließlich in der Wiedergabe des Dialogscripts - falls von einem solchen überhaupt gesprochen werden kann. Es gibt tatsächlich nicht eine Person im gesamten Film, die mehr als einen normalen Satz zustande bringt; die verbale Kommunikation spielt sich ausschließlich über an Markanz wie an Lächerlichkeit kaum zu überbietende Sprüche ab, die das dem Genre zugrunde liegende machismo bis zur letzten Instanz karikieren und im Prinzip der Lächerlichkeit preisgeben. Dazu dudelt permanent - wie passend - ein von Harold Faltermeyer nur unwesentlich variierter "Axel F." -Score.
Die Produktionsgeschichte des Films beweist, dass seine spür- und sichtbare Untentschiedenheit und Inhomogenität nicht von ungefähr kommt; das kostensprengende Budget hängen nicht zuletzt damit zusammen, dass diverse Mitarbeiter gefeuert und ersetzt wurden, darunter der aus einem beflisseneren Kino stammende Konchalovskij selbst und auch der dp Barry Sonnenfeld. Im besten Falle mag man "Tango & Cash" als einen subtilen Vorläufer von "The Last Action Hero" begreifen, im schlechtesten als hoffnungslos dämliches Manifest der Infantilie und Verrat an seiner eigenen Historie. Wie würden Sie entscheiden?

5/10

Andrej Konchalovskij Gefaengnis Buddy Movie Los Angeles


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AN AFFAIR TO REMEMBER (Leo McCarey/USA 1957)


"Winter must be cold for those with no warm memories... we've already missed the spring."

An Affair To Remember (Die große Liebe meines Lebens) ~ USA 1957
Directed By: Leo McCarey


Auf der 'Constitution', einem Luxusliner von Europa nach New York lernen sich der berüchtigte Jet-Set-Playboy Nickie Ferrante (Cary Grant), soeben im Begriff zu heiraten, und Terry McKay (Deborah Kerr), Geliebte eines Finanztycoons (Richard Denning), kennen und lieben. In Manhattan angekommen schwören sie sich, ihre Leben innerhalb von sechs Monaten in Ordnung zu bringen und sich dann auf dem Dach des Empire State Building zu treffen. Ein Autounfall ausgerechnet am Stichtag durchkreuzt jedoch Terrys Pläne und Nickie wartet umsonst auf sie. Terry landet fürs Erste im Rollstuhl und weigert sich beharrlich, Nickie eine Nachricht über ihren Zustand zukommen zu lassen. Erst ein halbes Jahr später erfährt der sich enttäuscht Wähnende, zusätzlich geläutert durch weitere persönliche Schicksalsschläge, die Wahrheit.

Zugleich Remake eines von McCareys eigenen Filmen ("Love Affair") und eines von Hollywoods klassischsten Herzschmerz-Dramen, so wunderbar und formvollendet inszeniert, dass, wäre die witzige erste Hälfte nicht, sie auch einem Douglas Sirk alle Ehre gemacht hätte. Charmeur Cary Grant jedoch in einem bloßen Melodrama zu "verheizen" war für die Fox undenkbar und so lässt die vordere Halbzeit von "An Affair To Remember" dem stets penibelst Geschniegelten allerlei Freiraum für witzige Auftritte, Improvisationen und Comedy. Erst im zwoten Kapitel, als die brutale Realität Nickie Ferrante gleich auf mehrerlei Weise auf den Boden der Tatsachen zurückbefördert, muss Grant endlich auch mal ein langes Gesicht ziehen, was ihm, nebenbei, zwar nicht sonderlich gut steht, er aber gebührend professionell zu meistern bewerkstelligt. Scope und Technicolor scheinen wie gemacht für diesen wunderbar schmalzigen Romantikkitsch (oder umgekehrt), der nebst einer weisen, französischen Großmaman (Cathleen Nesbitt) beispiellos selbstbewusst auch vor der Präsentation eines Sangeschors benachteiligter Kinder nicht zurückschreckt. Prächtig.

8/10

Schiff Remake Leo McCarey New York





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