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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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KICK-ASS (Matthew Vaughn/USA, UK 2010)


"Good call, baby doll!"

Kick-Ass ~ USA/UK 2010
Directed By: Matthew Vaughn

Der Teenager, Außenseiter und Comicfan Dave Lizewski (Aaron Johnson) fragt sich, warum es im wahren Leben keine Superhelden gibt. Nach ein paar altersgemäßen Initialerlebnissen mit Bullys und Abzockern bestellt er sich einen Dress im Netz, um fortan als Vigilant 'Kick-Ass' auf Verbrecherjagd zu gehen. Seine erste Mission geht jedoch schwer in die Hose und endet mit diversen Knochenbrüchen sowie einer Stahlplatte im Schädel in Krankenhaus und Reha. Doch Dave gibt nicht auf, landet nach einem weiteren, erfolgreicheren Einsatz auf youtube und ist bald der Held der Generation Internet. Als er das wesentlich ernsthafter zur Tat schreitende Vater-Tochter-Gespann Big Daddy (Nicolas Cage) und Hit-Girl (Chloe Moretz) kennenlernt, wird Kick-Ass automatisch zu einem Dorn im Auge des Gangsterbosses Frank D'Amico (Mark Strong) und muss um sein Leben fürchten.

Nachdem der Vorlagenautor Mark Millar bereits in "Wanted" seinen Nerd-Phantasien freien Lauf gelassen hatte und einen erklärten Verlierer in supercoole Metawesenssphären aufsteigen ließ, transferierte er sein Konzept auf die Highschool-Ebene und ließ in "Kick-Ass" in etwa dasselbe Schicksal einem belächelten Schüler widerfahren, der weniger zum kostümierten Helden wird, weil er in diese Rolle gedrängt wird, oder gar um einem wie auch immer gearteten moralischen Kodex stattzugeben, sondern um eigene Probleme zu kompensieren. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Adaption geht, obschon durchaus gelungen, in etlichen Punkten wesentlich zimperlicher zu Werke als Millars Comic. Wo jenes seinen "Helden" nach sukzessiver Mythenkonstruktion wieder brutal demontiert und schließlich dorthin zurücksetzt, wo er angefangen hat, nämlich in den grauen(haften) Alltag, romantisiert Vaughn die Geschichte bis zur letzten Konsequenz, beschert Dave unter anderem eine Romanze mit seinem Traummädchen (Lyndsy Fonseca), lässt ihn am Ende als strahlenden Gewinner einer glorreichen Superheldenzukunft entgegensehen und ist damit im klassischen Sinne wesentlich 'comicesker' als das Comic selbst. Zudem steht Vaughn damit in direkter Tradition der Schwemme von Losergeschichten, die ja in jüngerer Zeit das Kino fluten und peu à peu auch - mal mehr, mal weniger erfolgreich - in den Genre-Bereich vordringen.
Bezeichnend weiterhin, wie sich speziell hierzuland zum einen die Ästhetikgrenzen und zum anderen die zensurbedingte Toleranzschwelle bezüglich Gewaltdarstellungen auf der Leinwand verschieben. Im Grunde ist "Kick-Ass" rein graphisch betrachtet nicht viel weniger gewalttätig als ein "Punisher: War Zone"; nur scheint ersteren die Einbettung in eine "teenage dream fantasy" nicht bloß a priori vor dem Index zu bewahren, sondern eine ungeschnittene 16er-Freigabe sogar absolut tolerabel zu machen. Und das, wo die meisten toten Gangster auf das blutgetränkte Konto einer Elfjährigen gehen. Da können Léon und seine Mathilda wahrlich einpacken.

7/10

Comic Vigilantismus Superhelden Matthew Vaughn New York Coming of Age Teenager


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ROMAN POLANSKI: WANTED AND DESIRED (Marina Zenovich/USA, UK 2008)


"Before you finish this interview, let me ask you the following: Are you interested in something else about me than my relation to young women?"

Roman Polanski: Wanted And Desired ~ USA/UK 2008
Directed By: Marina Zenovich


Im März 1977 wird der Regisseur Roman Polanski verhaftet, weil er das dreizehnjährige Mädchen Samantha Geimer unter Drogen gesetzt und vergewaltigt haben soll. Die Anklageschrift wird später und nach intensiverer Recherche auf "Unzucht mit Minderjährigen" reduziert und entsprechend abgewandelt. Mehrere Deals, die die Anwälte über ein adäquates Strafmaß aushandeln, lässt der verhandelnde Richter jeweils platzen, bis Polanski nach Europa geht und den Staaten endgültig den Rücken kehrt. In den USA legt man ihm sein selbstauferlegtes Exil als definitives Geständnis und Strafflucht aus.

Der Fall Polanski/Geimer darf wohl als einer der unseligsten der letzten Jahrzehnte amerikanischer Justizgeschichte betrachtet werden. Eine Hexenjagd, die ganz besonders durch die Massenmedien und die entsprechende Affinität des Richters "Gnadenlos" Rittenband geschürt wurde. Die Regisseurin der vorliegenden Dokumentation, die sich ausschließlich mit diesem Fall befasst und nicht, wie ich zunächst fälschlich glaubte, einen umfassenden biographischen Abriss des Filmemachers liefert, begeht glücklicherweise nicht den Fehler, tendenziös an ihr Sujet heranzutreten, sondern gewährt sämtlichen relevanten Beteiligten eine Stimme, so dass das letztendliche Urteil jedem selbst überlassen bleibt. Zenovich präsentiert also einen angemessen meinungsunabhängigen Überblick der Ereignisse, in der nur einer sich, dankenswerterweise, eines abschließenden Urteils enthält: der Titelgeber selbst. Die vordringlichste Frage, die sich mir, auch angesichts Zenovichs Film stellt, ist, wann Polanski für seinen Fehltritt endlich ausgeblutet haben wird.

7/10

Roman Polanski Marina Zenovich Courtroom


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THE GHOST WRITER (Roman Polanski/F, UK, D 2010)


"You're not to be written out of history."

The Ghost Writer ~ F/UK/D 2010
Directed By: Roman Polanski


Da der vorherige Ghostwriter für die Memoiren des bei der Öffentlichkeit zunehmend unpopulären Ex-Premierministers Adam Lang (Pierce Brosnan) einem Unfall zum Opfer gefallen ist, wird dringend ein neuer benötigt. Ein Ersatz (Ewan McGregor) ist rasch gefunden, doch der neue Ghostwriter stößt bald auf einige biographische Ungereimtheiten in der Vergangenheit Langs, die ihn vermuten lassen, dass der Tod seines Vorgängers keineswegs ein simpler Unfall war und ihn selbst um sein Leben fürchten lassen.

Ganz. Schön. Kaltschnäuzig, wie Polanski unbeirrt seinen Kurs fährt und einen Kriminalfilm inszeniert, wie er, von den zeitgenössischen Requisiten vielleicht abgesehen, so auch vor zwanzig oder dreißig Jahren hätte aussehen können. Gerade so, wie man es von ihm gewohnt ist, rückt Polanski weniger Personen als Räume, Architekturen, Landschaften und Stimmungen ins Bild. Die scheinbare Behäbigkeit seiner in aller gebotenen Seelenruhe erzählten Geschichte erweist sich rasch als trügerisch und schon bald gewinnt, Hitchcock lässt grüßen, ein zunächst noch ungreifbarer Faktor des Beunruhigenden an Präsenz. Etwas stimmt nicht mit der gesamten Situation, das Bild sowohl von Lang als auch von seinen politischen Gegnern rückt sich in eine zunehmend unharmonische Position. Dass Polanski dies auf eine unendlich subtile, ja, fast schon frech gemächliche Weise geschehen lässt, rechne ich ihm als großes Verdienst an. Von etwaigen Publikumszugeständnissen findet sich hier keine Spur, der Mann macht - wie eh und je - seinen Film und nie den eines anderen.

8/10

Verschwoerung Roman Polanski


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THE EXPENDABLES (Sylvester Stallone/USA 2010)


"I need more money."

The Expendables ~ USA 2010
Directed By: Sylvester Stallone


Barney Ross (Sylvester Stallone) und seine Söldnertruppe nehmen einen Auftrag in dem lateinamerikanischen Kleinstaat Vilena an, bei dem es darum geht, swohl einen Diktator (David Zayas) als auch dessen "Berater", den Ex-CIA-Agenten und Drogendealer James Munroe (Eric Roberts) auszuschalten. Nach einer anfänglichen Sondierung der Situation entscheiden sich Ross und seine Männer zunächst gegen die Mission, lassen sich dann aber doch von "höherem" Gerechtigkeitsdenken umstimmen.

Den genreimmanenten Rang seiner "Rambo"-Revision erreicht Stallones "The Expendables" zwar in keiner Weise, auf eine sehr entspannte Art vermeidet er jedoch jedweden Anschein, dass ihm daran auch nur im Mindesten gelegen wäre. Im Gegenteil begreift sich der Film als nichts anderes denn als eine Revitalisierung des ordinären 80er-Actionkinos mit all seinen anachronistischen Vorzügen und vorprogrammierten Fehlern. Allerdings beschränkt sich jener Nostalgiefaktor auf atmosphärische Elemente; ästhetisch bleibt der vor Testosteronschüben berstende "The Expendables" stets auf Augenhöhe mit all den Modernismen, die der Actionfilm in jüngeren Jahren hervorgebracht und fest inventarisiert hat. Dass dieser heterogene Ansatz zur Gänze aufgeht liegt zum einen fraglos an der Flut von personellen und dramaturgischen Reminszenzen, die Stallone der von ihm damals entscheidend mitkreierten Epoche zuteil werden lässt und zum anderen an der wörtlichen Schwerelosigkeit, mit der hier unzählige gesichtsloser, antagonistischer Probanden ins Jenseits befördert werden, derweil Stallone/Ross nicht einen einzigen seiner Alliierten opfert und im Gegenteil den kurzfristigen Wankelmut eines seiner Männer mit Nachsicht bedenkt. Ein metaphorisches Bad in längst vergessen geglaubter, naiver Unschuld.

8/10

Sylvester Stallone Söldner Freundschaft car chase


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THE LAST STARFIGHTER (Nick Castle/USA 1984)


"I'm just a kid from a trailer park." "If that's what you think, then that's all you'll ever be!"

The Last Starfighter (Starfight) ~ USA 1984
Directed By: Nick Castle


Sein heißgeliebtes Videospiel 'Starfighter' ist so ziemlich das Größte in Alex Grogans (Lance Guest) Leben - neben seiner Freundin Maggs (Catherine Mary Stewart) versteht sich. Ansonsten hat die Existenz in einem kleinen Wohnwagenpark aber auch nicht viel zu bieten. Als Alex eines Tages den Millionenrekord im 'Starfighter' knackt, landet kurz darauf der Außerirdische Centauri (Robert Preston) bei ihm, nimmt ihn mit ins All zu dem belagerten Planeten Rylos und offeriert Alex, dass er von jetzt ab zur interplanetarischen Starfighter-Garde gehöre, die gegen den bösen Xur (Norman Snow) und die kodanische Armada zu kämpfen haben. Alex hält zunächst wenig von seinem neuen Status und lässt sich lieber wieder zu Hause absetzen, doch die Ereignisse überschlagen sich und bald ist Alex Grogan die letzte Hoffnung des zivilisierten Universums.

Überaus putzige kleine space opera in der kurzen "Star Wars" - Tradition und bis heute vielleicht das ultimative 'nerd movie'. Der american dream weitet sich hier mal eben auf das gesamte Universum aus; derweil der (Anti-)Held mittels der seit der Zeit König Artus' altbekannten "Schwert-im-Stein-Methode" rekrutiert wird und seine großspurigen Lebenspläne, mehr aus sich zu machen als seine selbstzufriedenen Altersgenossen (die ihn darob freilich bloß belächeln) plötzlich aufs buchstäblich Astronomische potenziert sieht. Das alles leistet sich zwar von vorn bis hinten von einer luziden Naivität Vorschub, ist andererseits aber so nett, beseelt und herzerwärmend gemacht, dass man den Film letztlich wohl mögen muss. Sein verhältnismäßig großzügiges Budget wurde nahezu durchweg in den Effektezauber investiert, der "The Last Starfighter" im Übrigen den kinohistorischen Status sichert als erster Film, dessen Effekte durchweg am Rechner entstanden sind. Zwar sehen diese dann noch entsprechend possierlich aus; aber das ändert ja nichts an ihrem Vorreiterstatus. Außerdem hat "The Last Starfighter" den ersten fliegenden DeLorean.
Ein Meilenstein des familienorientierten Genrekinos.

7/10

Coming of Age Weltraum Nick Castle


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THE 'HUMAN' FACTOR (Edward Dmytryk/UK, I 1975)


"Oh noooo!"

The 'Human' Factor (Ein Mann rechnet ab) ~ UK/I 1975
Directed By: Edward Dmytryk


Der für die NATO in Neapel tätige Computerfachmann John Kinsdale (George Kennedy) wird aus heiterem Himmel mit dem Antlitz des Schreckens konfrontiert, als seine gesamte Familie eines Tages von Terroristen aufgesucht und ermordet wird. Wie sich herausstellt, sind die Kinsdales nur die ersten Opfer einer Kette von Anschlägen, die ausschließlich in Italien lebenden, amerikanischen Familien gilt. Kinsdale gibt sich äußerlich ruhig und gelassen, plant insgeheim jedoch längst das gezielte Ausfindigmachen und Töten der Attentäter.

George Kennedy, zur Entstehehungszeit des Films etwa fünfzig Jahre alt, verleiht dem Antlitz des Familienvaters, dem urplötzlich der Boden unter den Füßen fortgerissen wird, eine fast erschreckende Glaubwürdigkeit. Allzu schnell vergisst man, was für ein vielseitiger und hochklassiger Akteur der wegen seiner imposanten Statur besonders in späteren Karrierejahren so gern als Teddybär und hero's best friend missbrauchte Kennedy ist. Hier, als rächender Selbstjustizler, dessen innerer brodelnder Vulkan erst in den letzten Filmminuten unerbittlich zum Ausbruch gelangt, walzt er sich wie ein menschlicher Dreißigtonner durch ein pittoreskes Südeuropa, das mit seiner geballten, amerikanischen Wut weder rechnen kann, noch sie zu bremsen in der Lage ist. Es erweist sich als erfreulich und vor allem abwechslungsreich, zu sehen, dass ausnahmsweise einmal nicht der drahtige, klischierte Actionheros im Mittelpunkt steht, sondern der einstmals knuffige Typ von nebenan.
Dennoch bleibt festzuhalten: Für den großen Edward Dmytryk, der Hollywood nach dem Western "Alvarez Kelly" endgültig den Rücken zuwandte und fortan nurmehr in Europa tätig war, hätte man sich eine bravourösere Abschlussvorstellung gewünscht als diesen Vigilantenthriller. Andererseits hätte es auch noch sehr viel schlimmer kommen können. Insgesamt liegt Dmytryk mit "The 'Human' Factor" dann auch genau auf der Linie der anderen großen Regisseure des golden und silver age, die in den Siebzigern vor dem Zusammenbruch des tradierten Studiosystems kapitulierten.

6/10

Edward Dmytryk Rache Italien Terrorismus


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DIE FÄLSCHUNG (Volker Schlöndorff/BRD, F 1981)


"In Beirut bleibt man besser nirgends länger stehen."

Die Fälschung ~ BRD/F 1981
Directed By: Volker Schlöndorff


Der Hamburger Journalist Georg Laschen (Bruno Ganz) flieht vor seiner kriselnden Ehe in den Libanon, um direkt aus Beirut vom Irrsinn des Bürgerkriegs zu berichten. Zwischen den Polen Ratlosigkeit und Faszination umherirrend lernt er die Witwe Ariane Nasser kennen und lieben, die sich auf seltsame Weise mit der Situation in der Stadt arrangiert hat und statt zu resignieren alles tut, um ein vitales Lebenszeichen inmitten des fortschreitenden Vernunftzerfalls zu setzen. Als Laschen erkennt, dass Ariane mittlerweile stärker von der Landeskultur assimiliert wurde, als er zunächst wahrhaben wollte, wählt er selbst die Ratio und kehrt zu seiner Ursprungsexistenz und Familie nach Deutschland zurück - im Libanon hat sich derweil nichts verändert.

Der Dreh von "Die Fälschung" verlief dem Vernehmen nach deutlich spektakulärer als der ruhige Film sich letzten Endes päsentiert: Mit seinem Produktionsleiter Eberhard Junkersdorf entschied sich Schlöndorff, vor Ort zu filmen, in der zu diesem Zeitpunkt unter einem heillos chaotischen Dauerbeschuss stehenden City von Beirut, in dem die vielen unterschiedlichen Milizen sich abwechselnd so rasch fraternisierten und wieder entzweiten, dass die Situation für Außenstehende und erst recht für regionale Fremdlinge nahezu komplett undurchschaubar blieb. Einzig die drei Hauptparteien der Syrer, der Maroniten und der PLO schälten sich deutlich heraus; die diversen weiteren, von unterschiedlichsten internationalen Interessengruppen finanzierten Clans und Sippen kochten jeweils ihre eigenen Süppchen. Schlöndorff berichtet heute recht gelassen von diesem Arbeitsabenteuer, zumal die Dreharbeiten, bis auf eine kurzzeitige Entführung Junkersdorfs durch eine Miliz, die den Deutschen mutmaßlich für einen israelischen Spion hielt, weitgehend abgesegnet und unbehelligt blieben.
Was den Film abseits von seiner für diese Zeit wohl typischen deutschen Emotionsakese so großartig macht, ist tatsächlich dessen Status als einzigartiges Zeitdokument eines regierungslosen, in der Anarchie erstarrten Landes, in dem Banken und Hochfinanz die letzte noch vorhandene Autorität stellten. Der unbeteiligt erscheinende, tatsächlich aber von einem tiefen inneren Brodeln erfasste Georg Laschen wird für den im Alltagstrott dahinlebenden Abendländer zum Medium und Fenster in eine Krisenregion ohne mittelfristige Besserungsaussichten.
"Die Fälschung" ist der einzige Spielfilm, der während des Bürgerkriegs vor Ort im Libanon gedreht wurde; die während dieser Jahre teils gern im Nahen Osten angesiedelten Actionfilme aus Hollywood entstanden, zumal keine Versicherungsgesellschaft für anderes gerade gestanden hätte, derweil auf verhältnismäßig sicherem Terrain in Israel. Ein waghalsiges Stück Film also, das die Beschäftigung mit sich reich entlohnt.

8/10

Volker Schloendorff Nahost-Konflikt Journalismus


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DE BATTRE MON CŒUR S'EST ARRÊTÉ (Jacques Audiard/F 2005)


Zitat entfällt.

De Battre Mon Cœur S'Est Arrêté (Der wilde Schlag meines Herzens) ~ F 2005
Directed By: Jacques Audiard


Thomas Seyrs (Romain Duris) Leben besteht aus Dingen und Aufgaben, die im Grunde eines Arschlochs würdig sind: Wenn er einem unbekannten Gegenüber erzählt, er sei in der Immobilienbranche tätig, dann meint das im Grunde wenig anderes als dass er zusammen mit seinen zwei Kollegen Fabrice (Jonathan Zaccaï) und Sami (Gilles Cohen) sanierungsbedürftige Bauten für einen Appel und ein Ei aufkauft und die oftmals mittellosen Mieter und/oder Besetzer derselben mit rüdesten Methoden auf die Straße setzt. Von Zeit zu Zeit wird er in dieser Funktion auch für seinen Vater (Niels Arestrup) tätig. Eines Tages jedoch erinnert sich Thomas einer längst vergangenen Zeit, als seine Mutter noch lebte und er selbst ebenso wie sie Stunden am Piano verbrachte, um klassische Musik zu spielen. Auf der harten Suche nach diesem längst verloren geglaubten alter ego entscheidet sich Thomas trotz aller Widerstände, wieder etwas aus seinem Leben zu machen.

Charmant. Audiards Mischung aus Gangsterfilm und Liebeserklärung an die aufwühlende Zartheit klassischer Kompositionen von Bach und Haydn revitalisiert die emotionale Kühle der vorgeblich rezeptionsdistanzierten Unterwelt-Dramen eines Melville und transferiert diese zugleich in den ruhelosen Handicam-Habitus aktueller Kino-Gegenwärtigkeit. "De Battre" ist demnach nicht nur eine sorgfältige Charakterstudie und die Geschichte des inneren Kampfes sondern zugleich die einer Auseinandersetzung mit den stilperiodischen Interna des französischen Kinos. Dann geht es auch um den pulsierenden Herzschlag der Großstadt Paris, die besonders nächtens zumindest vor der Kamera noch ein ganz ähnliches Lebensgefühl entfaltet wie vor vierzig, fünfzig Jahren in Godards "À Bout De Souffle" oder Melvilles "Le Doulos" und "Le Samouraï". Das unzufriedene, manchmal sadistische Gesicht Duris' scheint mir derweil als Bindeglied zwischen Delon und Cassel zu fungieren; sowohl die gefährliche Stoizität des einen als auch die aufbrausende Psychotik des anderen treffen sich hier. Erst im DVD-Interview mit Audiard habe ich festgestellt, dass der Film ein Remake ist, diesmal eines - Vorsicht, Ausnahme! -, das sich als französischer Film auf eine US-Produktion stützt, nämlich "Fingers" von James Toback. Scheint von mir schleunigst nachgeholt werden zu wollen...
Ferner freue mich jetzt schon ungemein auf "Un Prophète".

8/10

Paris Musik Jacques Audiard


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DAYBREAKERS (Michael Spierig, Peter Spierig/AU, USA 2009)


"It's not too late."

Daybreakers ~ AU/USA 2009
Directed By: Michael Spierig/Peter Spierig

Im Jahre 2019 sehen die mittlerweile die Welt beherrschenden Vampire sich mit einem empfindlichen Problem konfrontiert: Nahrungsmittelverknappung. Mittlerweile sind nur noch wenige Menschlein zum Aussaugen übrig und es drohen böse Hungerepidemien, die im schlimmsten Falle, nämlich dem des Kannibalismus, sogenannte 'Subsiders', eine Art instinktreduzierte Monstervampire, hervorbringen. Der für den Großindustriellen Charles Bromley (Sam Neill) tätige Hermatologe Edward Dalton (Ethan Hawke) forscht nach einem Blutersatz, bleibt jedoch erfolglos. Dafür entdeckt er mit Hilfe des wieder zum Menschen gewordenen Ex-Vampirs Cormac (Willem Dafoe) und der Untergrundkämpferin Audrey (Claudia Karvan) zwei andere Geheimnisse, von denen der zum Teil ebenfalls informierte, gierige Bromley zumindest eines unbedingt wohlbehütet wissen möchte, um seine Vormachtsstellung in der Welt der Vampire nicht zu gefährden...

Zwiespältige Angelegenheit. Zum einen geriert sich "Daybreakers" sicherlich als durchaus schick, gelackt und auch kurzweilig dazu, zum anderen aber ebenso als substanzlos und als insbesondere für die Weiterentwicklung des Vampirfilms vollkommen unbedeutender Beitrag, dessen prominente Besetzung vielleicht sogar ein paar Sekunden lang über die Tatsache hinwegzutäuschen vermag, dass sich hinter der groß aufgezogenen Fassade - aufrichtig gesprochen - kaum mehr denn ein Häuflein Nichts verbirgt. "Daybreakers", von den beiden "Undead"-Regisseuren und Aussie-Brüdern Spierig inszeniert, bedeutet für selbige sicherleich einen nicht unwesentlichen Karrieresprung; allerdings hätten sie zumindest versuchen sollen, den Hauch einer Eigennote in ihr Projekt einfließen zu lassen. Tatsächlich präsentiert das Resultat nichts anderes als ein Kollektiv aus Einflüssen und Inspirationen - böse Zungen bezeichnen sowas als Plagiatismus -, das Etliches von dem, was im Horror- und Actionfilm in den letzten Jahren 'innovativ' gerufen wurde, in sich vereint, wiederkäut und unpassend hochglänzend über sein Publikum auskotzt. Trotzdem habe ich mich großherzigerdings dazu entschieden, "Daybreakers" zumindest ein bisschen zu mögen und ihn bei Gelegenheit auch nochmals anzusehen - dann allerdings mit genau der geschmälerten Erwartungshaltung, die ihm tatsächlich zukommt.

5/10

Vampire Peter Spierig Michael Spierig Zukunft


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BARABBA (Richard Fleischer/I 1961)


"I'm no nearer than I was before."

Barabba (Barabbas) ~ I 1961
Directed By: Richard Fleischer

Das Volk von Jerusalem darf wählen, wer der dräuenden Kreuzigung entrinnen und begnadigt werden soll: Der Aufrührer Jesus von Nazareth, seines Zeichens der Messias und Sohn Gottes, oder der kleine Proletengauner Barabbas (Anthony Quinn). Die Leute entscheiden sich für letzteren, der mit dieser folgenschweren Entscheidung jedoch nicht ganz glücklich wird. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten gerät der scheinbar nicht alternde Barabbas immer wieder mit den Besatzern aneinander, muss in den Schwefelminen von Sizilien schuften und schließlich als Gladiator im Circus antreten. Als sein treuer Freund und Begleiter, der Christ Sahak (Vittorio Gassman), den Märtyrertod stirbt und der wahnsinnige Pyromane Nero die Christen der Brandstiftung bezichtigt, versteht Barabbas ein letztes Mal alles falsch und endet, schlussendlich doch noch erleuchtet, dort, wo er bereits vor Jahrzehnten hätte hängen sollen: Am Kreuz.

Für seine aufwändige Produktion holte De Laurentiis neben der Columbia als Verleiher und dem Regisseur Richard Fleischer auch eine internationale Starbesetzung nach Italien um ein weiteres bibelinspiriertes Sandalenepos um Glauben und Unglauben herzustellen, das sich hinter seinen zeitgenössischen Konkurrenten nicht verstecken muss. Mit Anthony Quinn hat Fleischer einen Großen in der Titelrolle, der allein durch seine durch und durch mürrische Präsenz wohl als der ultimative Akteur für diesen Part gelten darf. Der innere Kampf Barabbas' um die Anerkennung des christlichen Glaubens als höchste Lebensmaxime bleibt glücklicherweise moderat in seiner Darstellung und wird nie so penetrant vorgebracht, dass es aufdringlich erschiene. Die Sepiafarben von Aldo Tonti wirken deutlich distinguierter und geschmackvoller als die quietschbunte Kolorierung der übrigen um diese Zeit entstandenen Monumentalfilme und auch der Score ist von hoher Qualität. Insgesamt ein überaus beachtens- und sehenswerter Vertreter des Gattung.

7/10

period piece Richard Fleischer Historie Bibel Antike Israel Roemisches Reich Jesus Christus





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