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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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KING ARTHUR (Antoine Fuqua/USA, UK, IE 2004)


"What is this madness?"

King Arthur ~ USA/UK/IE 2004
Directed By: Antoine Fuqua

467 n.Chr.: Die Römer geben bereits die ersten nördlichen Provinzen auf, als ihnen auf der britannischen Insel von Norden her die Sachsen unter ihrem Anführer Cerdic (Stellan Skarsgård) den Krieg erklären. Der Hadrianswall wird derweil tapfer gehalten von dem sarmatischen Ritter Arthur (Clive Owen) und seinen Männern, die ihrer baldigen Entlassung aus der Armee entgegensehen. Ihr letzter Auftrag besagt, einen im nördlichen Teil der Insel lebenden römischen Edelmann (Ken Stott) vor den Sachsen in Sicherheit zu bringen und nach Süden zu eskortieren. Unterwegs schließt Arthur Waffenstillstand mit den kriegerischen Pikten und ihrem Anführer Merlin (Stephen Dillane), ständig verfolgt von den sächsischen Häschern. Am Hadrianswall angelangt, entschließt sich Arthur gegen Rom und zum Verbleiben in Britannien und es kommt zur alles entscheidenden, letzten Schlacht.

"King Arthur", den, soviel gleich vorweg, man sich ausschließlich im nicht von den Mickymäusen geschändeten Director's Cut ansehen darf, bietet ein opulentes Festmahl für das Auge. Wie Fuqua das Frühmittelalter an der historischen Zeitgrenze des römischen Reichs ins Bild fasst, das ist ein Musterbeispiel ästhetisch gefälligen Filmemachens. Nicht nur Ausstattung, Sets, Drehorte und Licht sind schmerzhaft perfekt aufeinander abgestimmt, auch die zudem sehr natürlich wirkenden Farbkompositionen lassen einen dahinschmelzen. So muss großes Historienkino aussehen. Die Action- und Schlachtensequenzen sind angemessen wuchtig und deftig arrangiert, die Besetzung mit Bolzbirnen wie Ray Winstone, Ray Stevenson, Mads Mikkelsen und Ioan Gruffudd und deren Spiel mehr als erfreulich. Selbst Til Schweiger als Sachsensohn kommt absolut unverdorben herüber. Der Ansatz, die üblicherweise als Mär in der Kulturgeschichte verankerte Artussage unter weitgehender Aussparung oder Umformulierung der üblichen Requisiten und Artefakte wie Arthurs Erziehung durch den Zauberer Merlin, dem Schloss Camelot, dem Heiligen Gral oder Excalibur im Stein in einen historisch weitgehend authentischen Kontext zu überführen, ist nicht uninteressant, kann aber, besonders angesichts ihrer natürlich hollywoodreinen Transponierung sicherlich diskutiert werden.
Ich mag diesen Film in seiner Gesamtheit jedenfalls sehr und empfinde ihn auch als Bestandteil des Fuqua'schen Werks als seinen im Modernen angesiedelten Actiondramen vollkommen ebenbürtig.

8/10

Ritter Director's Cut period piece Artussage Mittelalter Historie Roemisches Reich Antoine Fuqua


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TRAINING DAY (Antoine Fuqua/USA 2001)


"My nigga."

Training Day ~ USA 2001
Directed By: Antoine Fuqua


Der junge Police Officer Jake Hoyt (Ethan Hawke) verspricht sich verbesserte Karrierechancen durch eine Bewerbung beim Drogendezernat. Mit seinem neuen Vorgesetzten Detective Harris (Denzel Washington), einer lebenden Legende beim LAPD, soll Hoyt zunächst eine eintägige Probestreife in der Stadt begehen. Rasch bemerkt der unfreiwillige 'Azubi', dass Harris selbst längst jede Grenze zwischen Recht und Unrecht hinter sich gelassen hat und teils skrupelloser vorgeht als die Gangster, die es zu bekämpfen gilt. Als Hoyt dann feststellt, dass er außerdem Teil eines komplexen Plans ist, mittels dessen Harris die ihm gegenüber ungehaltene Russenmafia zu beschwichtigen sucht und zu allem Überfluss in eine Mordfalle gerät, wendet er sich gegen seinen anfangs geachteten Trainer.

Formal betrachtet hervorragender Polizeithriller, deutlich besser als ich ihn in Erinnerung hatte und vor allem mit Fuquas seither um einige weitere bedeutende Arbeiten angewachsenen Œuvre im Hinterkopf außerordentlich sehens- und wiederholenswert. Vor allem in seiner komplexen Zeichnung der Metropole Los Angeles, ihrer chaotischen urbanen Struktur und unübersichtlichen Vielzahl von Vororten und Stadtteilen erweist sich "Training Day" als herausragend; er muss sogar zweifellos zum Kanon der großen L.A.-Filme gezählt werden. Dass die auf einen Tag begrenzte, von großer formaler Strenge geprägte Kriminalgeschichte besonders gegen Ende hin zuweilen recht abenteuerlich konstruiert wirkt, lässt sich angesichts der sonstigen, überragenden Qualitäten von Fuquas Regie verschmerzen. Washingtons ungewohnte Darstellung als korrumpierter, größenwahnsinniger Machtpervertierer, der sich für den ungekrönten König der Stadt hält, ist wahrhaft brillant und lässt einen leicht wehmütig feststellen, dass der Mann viel zu selten den Bösewicht gegeben hat, als der er doch eigentlich um so Vieles interessanter ist.

8/10

Drogen David Ayer Antoine Fuqua Los Angeles


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ARMY OF DARKNESS (Sam Raimi/USA 1992)


"Gimme some sugar, baby."

Army of Darkness (Die Armee der Finsternis) ~ USA 1992
Directed By: Sam Raimi


Nachdem Ash (Bruce Campbell) in die Vergangenheit befördert wurde und dort auf zwei verfeindete Ritterorden trifft, die jeweils Probleme mit den allseits bekannten Dämonen haben, muss er feststellen, dass er nur eine Möglichkeit für die Rückkehr in seine eigene Zeit gibt: Er muss das Necronomicon mithilfe einer Zauberformel aus den Klauen des Bösen befreien. Dummerweise erweist sich Ash als Trottel, der keine drei Worte behalten kann und die Armee der Finsternis tritt an...

Mit dem zweiten Sequel zu "The Evil Dead", das als solches konsequenterweise erst gar nicht mehr verkauft wurde, vollzog Raimi den Schritt zum familienfreundlichen Spaßkino. Selbstverständlich sind sein inszenatorischer Fundus und sein Ideenreichtum nach wie vor beachtlich, mit Horror oder gar Splatter hat "Army Of Darkness" aber nurmehr wenig bis gar nichts zu tun. Stattdessen lässt Raimi den liebgewonnenen Horrorhelden und Splatter-Don-Quijote Ash jetzt zum modernen, sprücheklopfenden Quasi-Jerry-Lewis mutieren, der sich irgendwann in zwei Hälften dividiert und fortan selbst verprügeln muss. Zum Showdown gibt es dann den beeindruckend perfekt gemachten Stop-Motion-Aufmarsch einer Knochenarmee, die Ray Harryhausen einigen Respekt abgenötigt haben wird. Ob man das Ganze nun braucht oder gar will, sei jedem selbst überlassen; mir hat die Entwicklung von der irrwitzigen Horrorachterbahn hin zum lustigen Fantasyspektakel nie so recht zugesagt, schon damals im Kino nicht, als ich mit der (allerdings bereits durch die Altersfreigabe gedämpften) Erwartung einen "echten" dritten "Tanz der Teufel" zu sehen das Ticket gezogen hatte. Immerhin kann ich heuer vermelden, mit der Erstbetrachtung der Originalfassung zumindest in einer Beziehung dazugelernt zu haben: Die deutsche Synchronisation von "Army Of Darkness" ist nämlich aller Professionalität zum Trotze eine reine Zumutung, unter deren Aussparung der Film sich gleich deutlich weniger albern geriert.

6/10

Sam Raimi Sequel period piece Mittelalter Dämon Groteske Slapstick Zeitreise


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EVIL DEAD II (Sam Raimi/USA 1987)


"I'll swallow your soul!"

Evil Dead II (Tanz der Teufel II - Jetzt wird noch mehr getanzt) ~ USA 1987
Directed By: Sam Raimi


Als der Städter Ash (Bruce Campbell) mit seiner Freundin Linda (Denise Bixler) Urlaub in einer abgelegenen Waldhütte macht, werden sie von entfesselten Dämonen heimgesucht. Ash wehrt sich tapfer gegen die Versuche der Wesen, ihn unter ihre Gewalt zu bringen, unterliegt aber zumindest phasenweise. Mitten im Trubel kommt Annie (Sarah Berry), die Tochter des verschwundenen Altertumsforschers Professor Knowby (John Peakes), jener zugleich Besitzer der Hütte, nebst drei anderen Personen (Dan Hicks, Kassie Wesley DePaiva, Richard Domeier) in Ashs neuem Domizil an um den fröhlichen Teufelsreigen mitzufeiern.

Um mit größeren monetären Mitteln im Gepäck das offenbar noch längst nicht abgegraste Ideen-Reservoir von "The Evil Dead" weiter ausbeuten zu können, reduzierte Sam Raimi für den Prolog die im ersten Teil erzählte Vorgeschichte kurzerhand auf zwei Personen und setzte dann dort an, wo der rasante Vorgänger aufhörte. Der arme Ash wird zum Spielball der Dämonen und sein Leben zu einem sadistischen Perpetuum mobile des Bösen - eine Flucht aus der Hütte ist für ihn nicht mehr möglich, ebensowenig wie ein langfristiges Bezwingen der frechen Spukgestalten. Erst die auf den fehlenden Seiten des Necronomicon verborgenen Zaubersprüche, die Annie Knowby glücklicherweise im Gepäck hat, können, so erfahren wir, die Dämonen aus unserer Zeit verbreiben. Am Ende landet der mittlerweile einhändige Ash mitsamt Kettensägenprothese und doppelläufiger Winchester dann unter lautem Protest im Mittelalter.
Auch wenn Raimis Zugeständnisse an den Mainstream und ein größeres Zelpublikum hier bereits deutlich werden - "Evil Dead II" präsentiert sich als immer noch verrückt genug, um aufgeschlossene Freunde und Fans des Originals hinreichend zu erfreuen. Der Slapstick-Humor wird hier zum Hauptmotiv; Ashs Duell gegen seine eigene, separierte Hand, die ihrem ehemaligen Besetzer unverhohlen den Stinkefinger zeigt, ist dafür lediglich das vordringlichste Beispiel. Ansonsten reduzieren sich die Ekelsequenzen auf zwei, drei Momente und das wars damit.
Auf Kenner des Vorgängers wartet ein lustiges Spiel mit ihren Erfahrungen und Erwartungen, die dann oftmals lustvoll unterminiert oder zerstreut werden. Geschmacklosigkeiten wie eine Vergewaltigung durch das Unterholz schenkt sich Raimi nun und macht daraus lieber anderweitigen visuellen Blödsinn. Ansonsten bleibt dieser zweite Teil eine - wenn auch sehr spaßige und sehenswerte - Variation des Erstlings und letzten Endes reine Zurschaustellung einer optionalen alternativen Herangehensweise.

8/10

Sam Raimi Sequel Independent Splatter Hand Dämon Haus Groteske Slapstick


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THE EVIL DEAD (Sam Raimi/USA 1981)


"Join us..."

The Evil Dead (Tanz der Teufel) ~ USA 1981
Directed By: Sam Raimi


Zusammen mit vier Freunden (Ellen Sandweiss, Richard DeManincor, Betsy Baker, Theresa Tilly) fährt der sympathische Ashley (Bruce Campbell) auf eine Blockkate in den Appalachen. Im Keller der Hütte finden sich neben einer Scrotflinte auch ein uraltes Buch sowie ein Tonbandgerät, auf dem ein Wissenschaftler erklärt, was es mit jenem Buch, dem sogenannten 'Necronomicon' auf sich habe - damit, so erfahren die Freunde, könne man nämlich Dämonen heraufbeschwören. Da der Besprecher des Tonbandes auch gleich die passende summerische Formel hinterlassen hat, geht es bald los mit dem Spuk und ash muss sich mit vier Besessenen herumärgern, die vor Unappetitlichkeiten nicht zurückschrecken.

Unabhängig von der einmal mehr allen Pfaden der Vernunft spottenden, hiesigen Zensurgeschichte dieses Films ist Raimis Kinodebüt natürlich ein veritabler Klassiker des anarchischen Undergroundkinos. Bereits hier erweist sich der spätere Blockbusterregisseur als wahrer Inszenierungs-Derwisch, und demonstriert, wie man aus einem Kleinstbudget mit der angmessenen Motivation ein Werk für die Ewigkeit schaffen kann. Raimi benennt und hofiert pausenlos seine unzähligen kulturellen Einflüsse, was das Zeug hält: Über Lovecraft, Superman-Comics, Wes Craven, Tobe Hooper, William Blake und Ray Harryhausen bis hin zur Swingmusik der zwanziger Jahre und zum Slapstick-Humor der "Three Stooges" geht die wilde Remiszenzenachterbahn; die scheinbar entfesselte Kamera vollführt jede Menge Kunstückchen, darunter die berühmten Irrsinnsfahrten über Waldboden und Wasseroberflächen, diverse Close-Ups von Augenpaaren, 360°-Schwenks - gern auch kopfüber - und eine um 45° verdrehte Perspektive. Raimis Ideenkiste scheint wahrhaft unerschöpflich. Dass der Film dabei trotzdem noch seine urtypisch-unbequeme Atmosphäre aus der Taufe hebt, die ihm ja seinen ach so berüchtigten Ruf eintrug, ist da eigentlich fast nur Makulatur. Regelmäßiges Auffrischen lohnt sich nichtsdestotrotz, wie ich gestern erneut begeistert feststellen durfte.

9/10

Independent Sam Raimi Splatter Daemon Underground


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PEEPING TOM (Michael Powell/UK 1960)


"Take me to your cinema."

Peeping Tom (Augen der Angst) ~ UK 1960
Directed By: Michael Powell


Der junge, schüchterne und krankhaft skopohile Londoner Mark Lewis (Karlheinz Böhm) tut alles für die Kamera - ob Film, Photos, oder bloße Technik - das Abbilden und Festhalten von Gesichtern ist sein Leben. Eines Tages entdeckt er die Lust daran, Frauen mit Todesangst in den Augen zu filmen - dummerweise muss er seine Opfer zur vollends authentischen Evozierung dieser Todesangst tatsächlich ermorden. Als seine Nachbarin Helen (Anna Massey) sich für ihn zu interessieren beginnt, spürt Mark, dass dies vielleicht seine letzte Möglichkeit der Erlösung ist.

Powells für seine Mitwirkenden auf verhängnisvolle Weise autodestruktiver "Peeping Tom" wird häufig in einem Atemzug mit Hitchcocks "Psycho" genannt - beide Filme präsentieren jeweils einen jungen Serienmörder, der durch grauenhafte Kindheitserlebnisse und eine diesbezüglich beanspruchte Sollbruchstelle in seiner Biographie eine tief verwurzelte Psychose davonträgt und die Kompensation dafür in Frauenmorden sucht. Dennoch differieren beide Arbeiten bereits im Ansatz; wo Hitchcock sich stilsicher mittels expressionistischer Schattenmotive fortbewegt, benutzt Powell beinahe obszön leuchtendes Eastman Color; wo Hitchcock tief in die innere Welt seines Protagonisten eintaucht, reflektiert Powell das Wesen seiner Kunst und nimmt sich darüberhinaus ausgiebig Zeit, das britische Spießbürgertum zu observieren. Dabei ist er auch dem ein oder anderen humorigen Moment nicht abgeneigt, etwa gleich zu Beginn, als das große britische Horror-Faktotum Miles Malleson bei seinem fast obligatorischen Auftritt den Zeitschriftenladen von Marks Arbeitgeber betritt, um eine Serie pornographischer Bilder zu erstehen - ganz inoffiziell natürlich.
Der vorsätzlich unbequeme und in seiner angemessenen Trägheit nicht eben leicht zu genießende "Peeping Tom" hat ja mittlerweile zahlreiche prominente Fürsprecher wie Martin Scorsese und ist in jedem respektablen Meisterwerks-Kanon auffindbar. Für den Hauptdarsteller Böhm, der hiermit sein Kaiser-Franz-Josef-Stigma abzuschütteln trachtete, bedeutete die fast archetypische Rolle des perversen Londoner Bohèmiens und Rollerfahrers Mark Lewis einen empfindlichen Karriereknick. Weniger bekannt ist indes ein meines Erachtens viel interessanteres Faktum, nämlich, dass "Peeping Tom" als Mittelstück einer inoffiziellen Mördertrilogie der für den Verleih von kommerziell vielversprechenden Billigproduktionen bekannten Anglo-Amalgamated gilt. Powells Film landet damit genau zwischen den ungleich weniger bekannten, dabei jedoch kaum minder wunderbaren "Horrors Of The Black Museum" von Arthur Crabtree und "Circus Of Horrors" von Sidney Hayers, die wegen ihrer deutlich plüschigeren Machart nie das Renommee von Powells Film für sich verbuchen konnten. Dennoch funktioniert diese herrlich bunte, makabre Trilogie des Todes als Ganzes immer noch am besten.

9/10

Psychologie Michael Powell London Serienmord Skandalfilm


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BLUE CITY (Michelle Manning/USA 1986)


"I want some fuckin' justice."

Blue City ~ USA 1986
Directed By: Michelle Manning


Als der junge Billy Turner (Judd Nelson) in sein Heimatstädtchen Blue City auf den Florida Keys zurückkehrt, muss er erfahren, dass sein Vater, der frühere Bürgermeister, ermordet worden ist. Für Billy liegt der Fall klar - hinter dem Mord kann nur der Glücksspielhai Perry Kerch (Scott Wilson) stecken, der nicht nur ein Casino eröffnet, sondern sich außerdem noch Billys wenig traurige Stiefmutter (Anita Morris) unter den Nagel gerissen hat. Zusammen mit seinem alten Kumpel Joey (David Caruso) und dessen Schwester Annie (Ally Sheedy) zieht Billy rigoros gegen Kerch und seine Gorillas zu Felde.

Der Walter-Hill-Film, der gar kein Walter-Hill-Film ist; fürderhin eine weitere Auffrischung alter Kindheits- und Jugenderinnerungen dank meines lieben, nicht nur in dieser Beziehung überaus wackeren Freundes Oliver. Das Regiefeld bei diesem dennoch unverkennbar von Hill gestempelten Rachefilm überließ der Altmeister der Nachwuchs-Directrice Michelle Manning - vermutlich jene Entscheidung, die nachhaltig für den schlechten Ruf verantwortlich ist, der "Blue City" bis heute vorauseilt. Der aus deutlichen Westernmotiven und der typischen, an "Streets Of Fire" gemahnenden urbanen Hill-Mythologie kombinierte Film wagt zudem noch eine Kreuzung mit der damals bei jugendlichen Kinogängern beliebten Brat-Pack-Schiene. Der Einsatz von Judd Nelson jedoch, eines, wie man nachträglich konstatieren muss, verdammt miesen Schauspielers, der kaum mehr als eine Reprise seiner kultisch verehrten, rotzlöffeligen John-Bender-Figur aus "The Breakfast Club" gibt, gereicht "Blue City" dabei ebenso zum Nachteil wie die unerfahrene Inszenierung seiner Regisseurin. Der Film weiß nicht, wo er eigentlich hingehören möchte; schließt er nun an die schwerelose Flockigkeit der Achtziger-Teen-Comedy an oder entschließt er sich doch zur notwendigen Konsequenz einer Vigilanten-Story? Bis zum Ende bleibt diese Crux ungelöst. Dennoch hat "Blue City" seinen eigentümlichen Reiz, der vornehmlich in der sorglosen Beschwörung ästhetischer zeitgenössischer Oberflächlichkeiten zu finden ist oder in kleinen darstellerischen Highlights wie dem von Paul Winfield gesetzten. Außerdem gestaltet er sich angemessen kurz und kurzweilig und ebenso unkompliziert konsumierbar.

5/10

Brat Pack Walter Hill Michelle Manning Florida


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KÆRLIGHED PÅ FILM (Ole Bornedal/DK 2007)


Zitat entfällt

Kærlighed På Film (Bedingungslos) ~ DK 2007
Directed By: Ole Bornedal


Der Kopenhagener Polizeiphotograph Jonas (Anders W. Berthelsen), ein in seinem Alltagstrott gefangener Familienvater, verursacht aus Nachlässigkeit einen Autounfall, bei dem die junge Julia (Rebecka Hemse) schwer verletzt wird. Als der sogleich merkwürdig von Julia faszinierte Jonas diese im Krankenhaus besuchen will, hält alle Welt ihn für einen gewissen 'Sebastian', jener offenbar Julias Ehemann, an den sie selbst wegen einer Amnesie jedoch keine Erinnerung hat und der zudem auf seltsame Weise in Kambodscha verschwunden scheint. Jonas spielt das Verwechslungsspiel mit und verliert dabei immer mehr den Bezug zu seiner eigenen Identität - bis plötzlich der echte Sebastian auftaucht...

Nachdem die von von Trier oktroyierte "Dogma"-Hysterie im hohen Norden wieder weithin abgeebbt ist - wobei mir diese "kulturelle Rekonaleszenz" manchmal wie ein hörbares Aufatmen erscheint - kommen jetzt aus dem Skandinavischen also vermehrt stark stilisierte Filme, so auch dieser hingebungsvoll an US-Vorbildern orientierte Identitätskrisen-Thriller. "Kærlighed På Film" begreift sich offenbar als eindeutige Reminiszenz an Hitchcocks Klassiker, arbeitet mit psychoanalytischen Motiven wie sexueller Obsession, Paraphilie und Morbidität. Der eigentliche, im Kern präsente Aufzug der Story um einen sich in Selbstillusionen verlierenden Biedermann machte auf mich dabei durchaus den Eindruck kompetenter Umsetzung. Was den Film jedoch leider eines hohen Maßes seiner sonstigen Wucht beraubt, ist die kriminalistische Aufschlüsselung des Ganzen, die einen ziemlich platten Handlungsstrang um Diamantenschmuggel und Triaden miteinbezieht und für den ironischerweise frappant nach Jörg Kachelmann aussehenden Jonas als eine Art Schicksalsschlüssel fungiert. Ohne dieses überflüssige Zugeständnis an die Konvention wäre "Kærlighed På Film" vielleicht wesentlich tragfähiger geworden, so langt es leider bloß zu einer - immerhin hübsch polierten - Teilnehmer-Medaille.

7/10

film noir Dänemark Kopenhagen neo noir Ole Bornedal


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UP IN THE AIR (Jason Reitman/USA 2009)


"I stereotype. It's faster."

Up In The Air ~ USA 2009
Directed By: Jason Reitman


Im Auftrage seiner Firma, einer Entlassungsagentur, reist Ryan Bingham (George Clooney) an den meisten Tagen des Jahres quer durch die Staaten, um Menschen aus ihren teils langjährig ausgeübten Jobs zu feuern. Als "Perspektivgespräche" werden die entsprechenden Konversationen bezeichnet, um ihnen den trügerischen Anstrich von Konstruktivität zu verleihen, was letztendlich jedoch selten funktioniert. Zudem hält Ryan regelmäßig Motivationsseminare ab, in denen er Rücksichtslosigkeit, Ellbogenmentalität und Egozentrik predigt. Als er eines Tages auf seinen Reisen die sympathische Alex (Vera Farmiga) kennenlernt, scheint eine Zäsur in Ryans uniformem Lebensalltag nicht mehr fern...

Reitman Jr.s "Thank You For Smoking" habe ich in nicht besonders vorteilhafter Erinnerung und "Juno" habe ich genau aus diesem Grunde bereitwillig ausgespart. "Up In The Air" hat nun eher zufällig meinen Weg gekreuzt, und, wie geschah mir: Der aktuelle Film ist doch tatsächlich ganz, ganz toll! Nachdem der Anfang mit der Vorstellung eines berufsbedingten Verzweiflungstouristen sich als unbarmherzige Satire zur globalen Rezession gestaltet, verwandelt sich die Story mehr und mehr in Richtung "Death Of A Salesman" - dieser Ryan Bingham ist zwar noch nicht im Rentenalter, die Lebenslüge, mit der er sich selbst über Wasser hält, dürfte im Endeffekt jedoch nicht minder verhängnisvoll sein als die eines Willy Loman. Umso tragischer erwächst sich das Ganze, als Bingham zaghaft seinen zuvor undurchdringlichen Panzer öffnet, nur um einen gezielten Stich ins Herz abzubekommen, an dem er selbst ferner nicht ganz unschuldig ist.
Auch wenn Clooney nicht unbedingt der glaubwürdigste Darsteller für dieses filmische Manifest der Einsamkeit sein mag (ich hätte mir angedenk "Punch-Drunk Love" auch sehr gut Adam Sandler in der Rolle des Ryan Bingham vorstellen können), es läuft, und es läuft sauber! Wären allerdings die letzten fünfzehn Minuten nicht, "Up In The Air" käme schwerlich über ein gefälliges "nett, aber mithin gewöhnlich" hinaus. Der konsequente Mut auf den Verzicht eines happy endings und die so aufrichtige wie realitätsverpflichtete Traurigkeit, mit der der Film sich zu schließen getraut, machen ihn jedoch geradezu erhaben. Wunderbar, wirklich und ehrlich.

9/10

Satire Jason Reitman Fliegerei Finanzkrise Geld Firma


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CASS (Jon S. Baird/UK 2008)


"Finally I grew up."

Cass ~ UK 2008
Directed By: Jon S. Baird


Der farbige Carol 'Cass' Pennant (Nonso Anozie) wächst bei weißen Adoptiveltern in East London auf. Von den meisten Kids wegen seiner Hautfarbe verspottet und gemobt, findet Cass schließlich eine willkommene Möglichkeit zur Kanalisierung seiner tief verwurzelten Aggressionen: Er wird Hooligan für seinen Lieblingsclub West Ham United. Bald übernimmt Cass die Führung der Hooliganorganisation ICF und wird zum gesellschaftlichen Feindbild erklärt. Nachdem er für einige Jahre ins Gefängnis muss, schwört er der offensiven Gewalt ab und nimmt einen Job als Türsteher an. Doch seine Vergangenheit lässt ihn nicht ruhen.

Biopic über den authentischen Fall des Cass Pennant, der nach seiner früheren Karriere als Hooligan eine Autorenlaufbahn eingeschlagen und diverse dokumentarische Bücher über das Milieu verfasst hat. Bairds Werk hebt sich in keiner Weise von der üblichen Machart dieser Art Film ab; Belehrend und in zumindest erträglichem Maße moralinsauer, unterscheidet ihn im Prinzip lediglich der sich über knappe drei Dekaden ausdehnende epische Atem der Geschichte und die Tatsache, dass hier das Hooligantum als eine Form der Sublimierungstaktik für rassischen Hass fungiert, von den vielfach gefertigten Subkulturporträts der letzten Jahre. Hervorzuheben sind weiterhin die entschiedene Haltung gegen die Tory-Regierung unter Maggie Thatcher, die in gewisser Weise mitverantwortlich gemacht wird für die in den Achtzigern rapide ansteigenden Jugendaggressionen und die brillante Songzusammenstellung auf der Soundtrack-Spur, die ein Wiederhören mit diversen vielgeliebten Klassikern spendiert. Ansonsten verpasst man wahrscheinlich wenig, wenn man auf "Cass" verzichtet.

6/10

Fußball Biopic Hooligan Jon S. Baird Subkultur London





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