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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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LA MORTE NEGLI OCCHI DEL GATTO (Antonio Margheriti/I, F, BRD 1973)


"Too many books never did a woman any good."

La Morte Negli Occhi Del Gatto (7 Tote in den Augen der Katze) ~ I/F/BRD 1973
Directed By: Antonio Margheriti

Die Internatsschülerin Corringa (Jane Birkin) kommt auf das schottische Schloss ihrer Tante Mary (Françoise Christophe), wo zugleich ihre Mutter (Dana Ghia) zu Besuch ist. Mary ist nicht nur hoch verschuldet und sucht nach allen möglichen Wegen, das Geld für den Erhalt des Familienbesitzes aufzutreiben; ihr Sohn James (Hiram Keller) ist außerdem noch ein vorgeblich Wahnsinniger, der sich aus Spaß einen riesigen Menschenaffen im Käfig hält. Als es mit ihrer Mutter die erste Tote gibt, ist sich die arme Corringa zunächst überhaupt nicht sicher, wer hier nun eigentlich wirklich sein mörderisches Unwesen treibt: Ist es James, seine Mutter, der unurchsichtige Butler (Konrad Georg), oder vielleicht doch der zwielichtige Psychiater Dr. Franz (Anton Diffring) oder dessen undurchsichtige, bisexuelle Gespielin Suzanne (Doris Kunstmann)...?

Mit "La Morte Negli Occhi Del Gatto" verfolgt Margheriti mit ein wenig Verspätung die Linie der zunehmend zeigefreudigeren (und um diese Zeit bereits wieder zunehmend verschwindenden) Wallace-Verfilmungen: Ein modriges, altes Schloss in mooriger Landschaft mitsamt adligem Innenleben; ein komplett bizarr wirkendes Personeninventar, eine junge Unschuldige als Identifikationsfigur. Auf dieser Basis arbeitet sich "La Morte" denn auch recht annehmbar voran - eine durchweg ominöse und hirnverbrannte Dialogregie gehört allerdings ebenso dazu, wie das ebenso putzige wie zwecklose Unterfangen, das Ganze zu einem leidlich spannenden Whodunit aufzublasen. Erstens ist die am Ende aus dem Hut gezauberte Auflösung für den Rezipienten selbst mit kompetenster detektivischer Vorarbeit nicht zu entschlüsseln (wobei ich Fuchs dennoch ein paarmal über ebendiese Variante nachgedacht habe), zweitens verspielt der Film spätestens mit dem völlig redundanten Auftritt des schlecht kostümierten Darstellers im Affengewand (der Affe soll übrigens ständig als Orang Utan verkauft werden, sieht aber - wenn überhaupt - verdächtig nach einem Gorilla aus) jedwede Ernsthaftigkeit. Es bleibt eine naive, immerhin stimmungsvolle, kleine Trashgranate, die ihren letztlich einzigen Gewinn aus ihrem immerhin ansehnlichen Ensemble (Anton Diffring ist immer eine Bank, egal wo sie steht) bezieht.

5/10

Katzen Antonio Margheriti Schottland Schloss Giallo Europloitation Serienmord Affen


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LOVE IS A MANY-SPLENDORED THING (Henry King/USA 1955)


"We shall now have tea and speak of absurdities."

Love Is A Many-Splendored Thing (Alle Herrlichkeit auf Erden) ~ USA 1955
Directed By: Henry King

Hong Kong, 1949: Der US-Korrespondent Mark Elliott (William Holden) verliebt sich in die eurasische Ärztin Han Suyin (Jennifer Jones), die vor Ort in einem Krankenhaus arbeitet. Die langsam aufkeimende Beziehung ist weit davon entfernt, problemlos zu verlaufen: Nicht genug damit, dass Mark noch eine getrennt von ihm lebende Ehefrau in Singapur hat, die sich weigert, die Scheidung zu akzeptieren, werden er und Suyin bald zudem Opfer des gesellschaftlichen Klatschs in der Kronkolonie. Dennoch stehen sie tapfer zu ihrer Beziehung. Als der Koreakrieg ausbricht, geht Mark als Kriegsberichterstatter dorthin und wird bei einem Bombenangriff getötet.

Wie man liest, verkaufte die Ärztin und Autorin Han Suyin die Filmrechte an ihrem Roman "A Splendoured-Thing" nur, um das Geld für eine lebensnotwendige Operation ihrer Adoptivtochter zusammenzubekommen. Das vorliegende Kinostück hat sie sich nach eigenem Bekunden niemals angesehen. Angesichts der Tatsache, dass King mit dem unverhohlen kitschigen Studiovehikel der Fox, der mit CinemaScope und der berühmten Musik von Alfred Newman (das von Sammy Fain komponierte, bombastische Titelthema wird alle naselang eingespielt), welche in der Folge zu einer Hitsingle der 'Four Aces' kulminierte, sein womöglichstes weichgespültestes Werk auf Kurs brachte, verwundert diese aufrechte Entscheidung nicht sonderlich.
Wenn in Fachkreisen von der 'hohlen Orientierungslosigkeit' des 50er-Jahre-Hollywood gesprochen wird, dann ist man in heutiger Zeit ja nur allzu sehr dazu geneigt, derlei Aussagen angesichts alles überstrahlender Arbeiten von Ford, Hawks, Hitchcock, Mann, Ray oder Wilder als nichtig abzustempeln, vergisst dabei jedoch gern, dass das Gros der Kinolandschaft von ganz anderen "Schätzchen" besiedelt wurde. Natürlich konnte King ein famoser Regisseur sein, wenn er hinreichend Ambition mitbrachte; zum Zeitpunkt von "Love Is A Many-Splendoured Thing" jedoch war er bereits um die 69 Jahre alt und wohl doch nicht mehr ganz so taufrisch und von Elan beseelt, wie ihn andere Produktionen dieser Zeit (so z.B. die gefällige, immerhin noch zwei Jahre jüngere Hemingway-Verfilmung "The Sun Also Rises") nachträglich erscheinen lassen. Nicht, dass "Love" unansehnlich wäre, das ist er ganz gewiss nicht. Er ist jedoch hinter all seinen touristischen Schauwerten lediglich von mediokrem Routinement und abgeklärter Bedeutungslosigkeit, sowohl künstlerisch als auch intellektuell. Und dass dies absolut nicht im Sinne der Erfinderin gewesen sein kann, verwundert am Ende kaum mehr.

5/10

Henry King Hong Kong Koreakrieg period piece amour fou Han Suyin


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THE SONG OF BERNADETTE (Henry King/USA 1943)


"The spring is not for me."

The Song Of Bernadette (Das Lied von Bernadette) ~ USA 1943
Directed By: Henry King

Lourdes, Südfrankreich, 1858: Der vierzehnjährigen, ständig kränkelnden und immer leicht minderbemittelt wirkenden Tagelöhnertochter Bernadette Soubirous (Jennifer Jones) erscheint in einer auf dem Land liegenden Grotte, die eigentlich zur Müllabladung dient eine "schöne Dame". Diese entpuppt sich als Inkarnation der Jungfrau Maria, die jedoch nur Bernadette zu sehen im Stande ist. Während die Stadtoberen und besonders der agnostische Anwalt Dutour (Vincent Price) diese Ereignisse für reine Spinnerei halten und um die Seriosität ihrer Gemeinde fürchten, mehren sich die Wunder: Aus der Grotte entspringt eine von Bernadette entdeckte Quelle, deren Wasser vermeintlich Kranke heilen kann. Dutour geht nur noch umso vehementer gegen Bernadette vor und versucht sie sogar für psychisch unmündig erklären zu lassen. Schließlich geht Bernadette ins Kloster, wo sie mit nur 35 Jahren an Knochentuberkulose stirbt.

Endlich weiß ich alter Atheist auch, warum Madonna ihr Töchterchen Lourdes genannt und was es mit diesem südfranzösischen Wallfahrtsort überhaupt auf sich hat. Jennifer Jones, die bereits bei ihrem späteren Ehemann, dem Mogul David O. Selznick unter Vertrag stand, wurde von ebenjenem an die Fox ausgeliehen und spielte ihre erste große Rolle in diesem sakral angelegten Film von Henry King. "The Song Of Bernadette" enthält sich dennoch weitgehend einer eindeutigen Aussage bezüglich Wahrheit und Unsinn der Bernadette-Sage - glücklicherweise, muss man wohl konstatieren, denn King war ein zu talentierter und zu intelligenter Regisseur, um seinen Film zu bloßem Christentrash verwursten zu lassen. Eine tendenziösere Verwertung hätte "The Song Of Bernadette" auch höchst ungenießbar machen können. Stattdessen wird prologisch wie epilogisch der Ökonom Stuart Chase zitiert: "For those who believe, no proof is necessary. For those who don't believe, no proof is possible.” Zuletzt spricht jene Zeilen ein brillant aufspielender Vincent Prise, der es bedauert, nie geläutert worden zu sein. Die Stärken des Films liegen in seiner Diskursivität: Die Art, in der Politik, Klerus und Ökonomie auf eine eigentlich ganz private Epiphanie reagieren, wird recht hellsichtig und mit gesundem Verstand beleuchtet, während die durch geschickte dramaturgische Evokation höchst bemitleidenswerte Jennifer Jones kuhäugig durch die Provinz schreitet. Man mag davon halten, was man will, aber seine Butter lässt sich der Film nicht vom Brot nehmen.

7/10

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ELECTION (Alexander Payne/USA 1999)


"Anybody?"

Election ~ USA 1999
Directed By: Alexander Payne

Die alljährlichen Wahlen zur Präsidentschaft der Schülervertretung an der Carver Highschool in Omaha stehen an. Während für jedermann sonnenklar ist, dass nur die ehrgeizige Oberstreberin Tracy Flick (Reese Witherspoon) dafür in Frage kommt, bringt eine böse midlife crisis den beliebten Politiklehrer Jim McAllister (Matthew Broderick) dazu, die Grundfesten der Demokratie zu beschwören und zwei weitere Kandidaten, die Geschwister Paul (Chris Klein) und Tammy Metzler (Jessica Campbell) nämlich, für die Wahlaufstellung zu gewinnen. Der folgende, besonders von der rücksichtslosen Tracy buchstäblich bis aufs Blut geführte Wahlkampf nimmt mancherlei irrwitzige Wendung...

Alexander Paynes bislang unerreichtes Meisterwerk, eine der scharfsinnigsten, gemeinsten und dabei so unschuldig wie möglich dreinblickendsten Komödien zur Jahrtausendwende. Ein wunderbar schnittig-satirischer Humor bereichert "Election", der absolut keinen ungeschoren davonkommen lässt und Wahrheiten über die perfide Verlogenheit der WASP-Gesellschaft verbreitet wie eine mittelalterliche Ratte das Pestvirus. Die brave Musterschülerin mit dem Engelsgesichtchen ist in Wahrheit ein brutaler Todesengel mit durchaus möglicher Diktatorenzukunft, der beliebte Footballstar ein treudoofer Muskelprotz und viel zu gut für diese Welt und der von allen geschätzte, auf Moral (und Ethik) pochende Lehrer ein Fremdgänger, Betrüger und Heuchler, der sich am Besten beim Genuss von Schulmädchenpornos entspannt. Die einzige Figur, der Paynes Sympathien gehören (und selbst dies nur mit einem deutlichen Augenzwinkern) ist die lesbische Tammy, deren pubertäres Wesen freie Entwicklung und Anarchie predigt, während sie ihre Pläne in bestem Wissen und Gewissen vor ihren kurzsichtigen Eltern durchboxt. Im Gebrauch der Absurdität all seiner urkomischen narrativen Dreher und Gags reicht "Election" beinahe an den Wes-Anderson-Kosmos heran, wobei die Figuren andererseits nicht verschroben genug sind und viel zu genüsslich denunziert werden. Ein ewiges Highlight ist auch das Zitat von Morricones durch infernalisches Kreischen eingeleitete "Navajo Joe"-Titelmusik, das stets in Konnexion mit der intriganten Tracy Flick bemüht wird - jene übrigens eine der leidenschaftlich-hassenswertesten Figuren der Filmgeschichte, zu vergleichen höchstens mit ähnlich gelagerten Charakteren wie dem sadistischen Captain Bligh aus "The Bounty Mutiny". Reese Witherspoon spielt diese Rolle mittels einer derart bewundernswerten Identfikation, dass ich mir seither nie mehr einen Film mit ihr ansehen mochte, so zum Kotzen finde ich sie. Der Film indes: Eine veritable Kinodelikatesse, durch und durch.

10/10

Alexander Payne Omaha Schule Satire Ehe Politik Wahlkampf


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REMEMBER THE NIGHT (Mitchell Leisen/USA 1940)


"If all men were like you there wouldn't be any nice girls left."

Remember The Night (Die unvergessliche Nacht) ~ USA 1940
Directed By: Mitchell Leisen

Der eherne New Yorker Staatsanwalt John Sargent (Fred MacMurray) will kurz vor Weihnachten noch schnell die angeklagte Juwelendiebin Lee Leander (Barbara Stanwyck) hinter schwedische Gardinen bringen. Da jedoch ein wichtiges psychiatrisches Gutachten erst nach den Feiertagen erstellt werden kann und Lee solange in Untersuchungshaft bleiben muss, wird John weich und stellt ihre Kaution. Lee glaubt zunächst, dies würde auf ein spezielles Arrangement hindeuten, befindet sich damit jedoch im Irrtum. Schließlich reisen die beiden über die Festtage gemeinsam zu ihren jeweiligen Verwandten in die Provinz - eine Erfahrung, die sie nicht nur einander verstehen, sondern schließlich sogar lieben lässt. Nach dem Jahreswechsel wartet jedoch wieder die kalte Großstadtrealität auf sie.

In Leisens baumwollweicher, romantischer Dramödie, für die Preston Sturges das Buch geschrieben hat, fanden Stanwyck und MacMurray erstmals zusammen, bevor Billy Wilder sie vier Jahre später in jenen tiefschwarzen, unter dem Namen "Double Indemnity" wohlbekannten Beziehungsclinch stürzen sollte. "Remember The Night" lässt sich durchaus wie eine milde Vorstudie zu diesem großen, harten Meisterwerk lesen: Er, ein eigentlich höchst standfester Charakter von eisernen Prinzipien, ist am Ende bereit, für sie, eine Kleinkriminelle mit von ihr selbst eingeräumtem, wackligem Wesen, seine Integrität und Professionalität über Bord zu werfen. Bei Sturges und Leisen, die den bei Bedarf harten, von seinen altweltlichen Lebebserfahrungen geprägten Zynismus Wilders nie teilen mochten, stehen jedoch noch wahre Liebe und wechselseitige Güte im Vordergrund, so dass am Ende alles rechtens zugeht und dem Paar die Türen für eine geläuterte Beziehung offenstehen. Ob sie ihre Chance nutzen, lassen die Autoren bewusst offen - zu gönnen wäre es ihnen aber ganz bestimmt.

7/10

Mitchell Leisen Preston Sturges New York Courtroom Familie Road Movie Weihnachten Silvester


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FORTRESS (Stuart Gordon/USA, AU 1992)


"Intestinate!"

Fortress ~ USA/AU 1992
Directed By: Stuart Gordon

Das Amerika der Zukunft beherbergt ein totalitäres, von der Überbevölkerung bedrohtes System, in dem strengste Geburtenkontrolle an der Tagesordnung ist. Als der Polizist John Brennick (Christopher Lambert) und seine Frau Karen (Loryn Locklin) bereits ihr zweites Kind nach einer Totgeburt erwarten, werden sie verhaftet und ins 'Fortress' gesperrt, ein gigantisches, unterirdisches Hochsicherheits-Gefängnis mitten in der Wüste. Zur Sicherheit bekommen sämtliche Gefangenen eine Sonde eingepflanzt, den sogenannten 'Intestinator', der dem überwachenden Computersystem nicht nur ermöglicht, die Insassen ferngesteuert mit Schmerzensschüben zu foltern und zu töten, sondern es sogar ihre Gedanken und sogar ihre Träume lesen lässt. Als der Direktor des Fortress (Kurtwood Smith), ein Androide, Karen zu becircen beginnt und Brennick mithilfe seiner Zellengenossen eine Möglichkeit entdeckt, den Intestinator loszuwerden, ist die Zeit für einen Ausbruch reif.

Ein wiederum wilder Film, den der wilde Stuart Gordon da - erstmalig mit einem größeren Budget gesegnet - gefertigt hat. Erwartungsgemäß sind viele dystopische Vorbilder darin vereint, man denkt gleich unwillkürlich an Orwell, Bradbury und/oder entsprechende Filme zum Thema Überbevölkerung. Doch Gordon ist immer noch autarker Dickkopf genug, um dieser Schreckensvision seinen höchst eigenen, albtraumverhafteten Stempel aufzudrücken: Die klaustrophobische Enge eines Gefängnisses etwa findet man selten besser visualisiert als hier. Zumal die Produktionsdesigner nicht den verlockenden Fehler befangen haben, die "Fortress"-Kulisse in irgendeiner Form beeindruckend erscheinen zu lassen. Der subterrane Bau wirkt schlicht kalt, funktional und uneinladend, so, wie ein Gefängnis eben sein soll. Die Folter- bzw. Ordinationsmethoden, etwa eine mehrtägige Gehirnwäsche, sind mal was anderes und wirken tatsächlich höchst unangenehm. Von der sahnigen Nebenbesetzung mit Tom Towles, Vernon Wells, Clifton Collins Jr. (der sich damals noch Clifton Gonzalez Gonzalez nannte) und natürlich dem obligatorischen Jeffrey Combs mal gar nicht zu reden. Lohnt die Wiederentdeckung, wie sowieso alles von Gordon.

8/10

Stuart Gordon Dystopie Zukunft Gefängnis


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MR. NICE (Bernard Rose/UK, E 2010)


"Any plainclothes policemen in here?"

Mr. Nice ~ UK/E 2010
Directed By: Bernard Rose

Nach einem Stipendium und erfolgreichem Studienabschluss in Oxford produziert sich der bereits seit längerem mit Marihuana liebäugelnde Howard Marks (Rhys Ifans) als Shitdealer, der bald einen gigantischen Markt mit global operierendem Netzwerk mitkontrolliert. Dabei unterstützt ihn unter anderem der soziopathische IRA-Terrorist Jim McCann (David Thewlis). Zudem genießt Marks einen besonderen Immunitätsstatus: Jedesmal, wenn er wegen seiner Dealerei mit dem Gesetz in Konflikt gerät, beruft er sich auf seine - tatsächlich existenten - Verbindungen zum britischen Geheimdienst. Irgendwann helfen ihm jedoch auch diese nicht mehr und Marks, der sich mittlerweile "Nice" nennt, wandert für mehrere Jahre in den Bau.

Eine jener typischen Filmbiographien schillernder, in den Sechzigern/Siebzigern/Achtzigern wirkender Outlaw-Gestalten, wie man sie bereits häufiger zu sehen bekam: Man erinnere sich an Ted Demmes mäßigen "Blow", Richets "Mesrine"-Filme, Refns meisterlichen "Bronson" oder jüngst Assayas' "Carlos". "Mr. Nice" von Bernard Rose (den ich seit seinem tollen "Candyman" gar nicht mehr auf dem Schirm hatte) fügt sich nahtlos in diese zwischen Zeitverklärung und vorgeblichem Kritizismus befindliche Filmphalanx. Dabei erscheint mir Roses Werk, wenngleich er einen durchaus schillernden Charakter porträtiert, weniger von inhaltlichem denn von formalästhetischem Wert. Rose, der "Mr. Nice" höchstselbst photographiert hat, verleiht selbigem durch nachträgliche Materialbearbeitung im Studio ein rundum authentisches Flair als Zeitdokument: Die Bilder wirken grobkörnig und wie leicht vergilbt von der Patina der Jahre, was der Atmosphäre des Films sehr zuträglich ist. Ansonsten schleppt er sich über diverse Strecken dahin, etwa, wenn uns einmal mehr versichert ist, was für ein verdammt netter Kerl Marks doch ist, wie er seine Familie und ganz besonders seine Kinder liebt etc.pp. Die besten Szenen gehören David Thewlis, der als wirrköpfiger, erznationalistischer und paraphiler Terrorist, für den Pornofilme, Dope und Geld in Wahrheit sehr viel wichtiger sind als aller Patriotismus, eine wahrliche grandiose Performance liefert.

7/10

Marihuana IRA period piece Drogen Biopic Familie Bernard Rose Gefängnis


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RISE OF THE PLANET OF THE APES (Rupert Wyatt/USA 2011)


"No!"

Rise Of The Planet Of The Apes (Planet der Affen: Prevolution) ~ USA 2011
Directed By: Rupert Wyatt

Als der fieberhaft an einem Mittel gegen Alzheimer forschende Pharmakologe Will Rodman (James Franco) eines Tages das Schimpansenbaby Caesar (Andy Serkis) aus seinem Forschungslabor mit heim nimmt und adoptiert, kann er noch nicht ahnen, dass exakt jener, genetisch modifizierte und hochintelligente Primat in ein paar Jahren als Auslöser für eine globale Rebellion der Menschenaffen fungieren wird.

"Homo homini simius" hämmert es einem während und nach dem Genuss von Wyatts absolut phantastischer Affen-Fortführung und -Renovierung durch den Kopf. Dass das "Planet Of The Apes"-Universum noch einmal durch einen derart gelungenen Beitrag erweitert würde, hätte zuvor sicher niemand so ohne Weiteres für möglich gehalten, ich selbst vermutlich am Allerwenigsten. Und da kommt dieser tadellose, ebenso poetische wie kluge Stück Kino daher, das eher in der Tradition von Orwells "Animal Farm" und Gilliams "Twelve Monkeys" steht als in jener Boulles und der bisherigen filmischen "Affen"-Werke. "Rise Of The Planet Of The Apes", der narrativ in etwa zwischen dem dritten und dem vierten Film der Originalreihe angesiedelt werden könnte (letztlich aber einen komplett neuen, eigenen Handlungsstrang verfolgt und etabliert) entbehrt sowohl der ironischen Konnotation von Schaffners Original als auch der Fabulierfreude von Burtons Remake und erst recht des trashigen Charmes der alten Sequels. Stattdessen predigt er leidenschaftlich die Revolution und erzeugt eine radikale Empathie für jedes Tier, das in irgendeiner Form unter dem Menschengeschlecht zu leiden hat. Der Affe Caesar, meisterlich durch die Rechnerkünstler Hollywoods (und natürlich die "vorbildliche" Mimik des Fachmannes Andy Serkis) vitalisiert, steht dabei lediglich als zur Intelligenz zwangsmutierter Stellvertreter für all die geknechteten und gequälten Lebewesen der Welt und sorgt für das unbequeme Faktum, dass das destruktive Ende des Films mit seinen wohlbekannten Folgen keinesfalls als bedrückendes Armageddon wahrgenommen wird, sondern als großer kathartischer Befreiungsschlag, der in der Weltgeschichte ohnehin längst überfällig ist. Das Franchise bekommt damit ein völlig neues Gesicht und Gewicht verpasst, "Rise" versichert uns nämlich - und dies absolut glaubhaft - dass die Affen die besseren Humanoiden sind. Und die wunderbare Freida Pinto, eine der allerschönsten Frauen des Planeten der Menschen, gibt's quasi noch gratis obendrauf.
Für mich noch kurz vor Jahresende die denkbar größte und gelungenste Filmüberraschung!

10/10

Zukunft Rupert Wyatt Affen Apokalypse Prequel Planet Of The Apes Dystopie


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THE BIG SLEEP (Michael Winner/UK 1978)


"So many guns lately; so few brains."

The Big Sleep (Tote schlafen besser) ~ UK 1978
Directed By: Michael Winner

Philip Marlowe (Robert Mitchum) wird von dem alten General Sternwood (James Stewart) beauftragt, herauszufinden, wer ihn und seine beiden Töchter Charlotte (Sarah Miles) und Carmilla (Candy Clark) erpresst und womit. Marlowe stößt schon bald auf ein undurchdringliches Netz aus Lügen und Irrsinn sowie mehrere kleine und große Gangster, den windigen Joe Brody (Edward Fox), den ängstlichen Harry Jones (Colin Blakely) und den Casinochef Eddie Mars (Oliver Reed) mitsamt seinem Killer Canino (Richard Boone).

Nach Dick Richards' famosem "Farewell My Lovely" der zweite und letzte Auftritt Robert Mitchums als Philip Marlowe. Mitchum ist wie immer grandios, der Film ist es nicht. Dass Chandler sich relativ problem- und kompromisslos in die Gegenwart transponieren lässt, demonstrierte bereits Robert Altman mit seinem grandiosen "The Long Goodbye"; einen kapitalen Fehler begeht Winner jedoch darin, Marlowe seinen lokalen Wurzeln zu entreißen und ihn nach London und in die englische Provinz zu verfrachten. Zu Marlowe gehört schlichterdings Los Angeles und seine verkommene Unterwelt wie der Senf zum Würstchen, was besonders manifest wird angesichts der Tatsache, dass Winner sich an der Neuadaption eines bereits von Howard Hawks absolut vollkommen verfilmten Klassikers abarbeitet. Eindrucksvoll zeigt "The Big Sleep" zudem die Grenzen seines Regisseur auf: Sind seine zahlreichen Filme mit Charles Bronson wenn auch nicht durchweg meisterlich, so zumindest aber doch sehenswert, wirkt "The Big Sleep" nicht zuletzt ob seines bekanntlich höchst verwirrenden Handlungskonstrukts teilweise verloren und zerfasert. Die Verfilmung einer Marlowe-Geschichte bedarf einer stilsicheren, sensiblen Hand und nicht der eines inszenatorischen Rüpels wie Winner einer ist. Dafür gibt es zahlreiche Gastauftritte von teilweise fast vergessenen Altstars wie Richard Todd und Richard Boone, wobei letzterer mit seinen 61 Jahren reichlich steif daherkommt. Eine Schau ist außerdem die völlig hyperagierende Candy Clark, die sich - für den männlichen Betrachter - erfreulich offenherzig präsentiert. Insgesamt ein zwiespältiges Vergnügen.

5/10

Michael Winner Raymond Chandler Remake Philip Marlowe London England film noir neo noir hardboiled


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DRIVE ANGRY (Patrick Lussier/USA 2011)


"Even in hell there is compassion."

Drive Angry ~ USA 2011
Directed By: Patrick Lussier

Die Hölle ist ein Riesenknast und Luzifer sein Manager. Als der darin Einsitzende John Milton (Nicolas Cage) erfährt, dass seine Tochter das Opfer einer Satanistensekte wurde und seine Enkeltochter von den Unholden entführt und bald geopfert werden soll, flieht er zurück auf die Erde, den 'Buchhalter' (William Fichtner), einen teuflischen Bluthund, auf den Fersen. Zusammen mit der White-Trash-Biene Piper (Amber Heard) jagt Milton den Sektenchef Jonah King (Billy Burke) und muss sich nebenbei noch mit der idiotischen State Police herumschlagen.

Erwartungsgemäß total doof (wenn auch weitaus erträglicher als sein Kollege Clive Owen im unsäglichen "Shoot 'Em Up") ballert sich ein untoter Nicolas Cage durch dieses Feuchter-Traum-Szenario eines jeden weißen Südstaatenproleten und hinterlässt dabei allenthalben seine Duftmarke in Form von Exploitation, Explosionen und extrem übel zugerichteten Leichen. Dass Cage immer dann am Besten ist, wenn er sich das Grinsen über seine Rolle(n) und deren unweigerliche Dialogzeilen mal wieder nicht verkneifen kann, versteht sich dabei auch im Falle "Drive Angry" von selbst. Ansonsten bietet Lussiers neuestes Werk eben typisches, stromlinienförmig-postmodernistisches "Exploitation"-Gehampel anno 11: Ausgefüttert mit viel Geld und großer Klappe empfiehlt es seine Derivate sozusagen bereits "pränatal" als total geile Kultfilme, zu deren Wesenszügen es eben grundsätzlich zählt, dass es besonders cool und witzig ist, wenn die Weiber sich möglichst vollbusig, blond und nymphoman gebärden, bzw. wenn irgendwelche bedauernswerte Zeitgenossen aus Oberflächengründen denunziert werden, mental unterbelichtet sind und/oder ihnen die halben Gesichter weggeschossen werden. Da hilftet ooch weenich (bis garnix), dass als kleines Zugeständnis an den bildungsbürgerlichen Rezipientenzirkel die Hauptfigur genannt wurde wie jener große englische Dichter, der einst über die Unterwelt sinnierte.
Ich muss ja zugeben, dass ich mich von dergleichen in unregelmäßigen Abständen selbst gern bespaßen lasse. Nun, am Ende ist wohl doch alles bloß eine Geschmacksfrage.

5/10

Rache Exploitation Hölle Louisiana car chase 3-D Satanismus Patrick Lussier Oklahoma





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