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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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FINAL DESTINATION 2 (David R. Ellis/USA 2003)


"What? Pigeons?"

Final Destination 2 ~ USA 2003
Directed By: David R. Ellis

Aufgrund einer Schreckensvision verzichtet die junge Kimberly (A.J. Cook) darauf, auf den Highway Richtung Daytona einzubiegen und siehe da: Kurz darauf erschüttert ein gewaltiger Unfall die Straße, dem Kimberly und ein paar Andere wegen ihrer übernatürlichen Voraussicht entkommen konnten. Doch schon bald holt sich der Sensenmann nach und nach auch die ihm kurzfristig Entfleuchten. Bizarr wird es, als Kimberly mithilfe der in diesen Dingen erfahrenen Clear Rivers (Ali Larter) feststellt, dass sämtliche der involvierten Personen irgendwie mit den Opfern des vor einem Jahr stattgefundenen "Todesflug" 180 in Zusammenhang stehen...

Ellis' Sequel legte im Grunde erst den eigentlichen Kurs der "Final Destination"-Reihe fest: Hier werden die Inszenierungen der Tode und Todesarten zu wahren Höhepunkten des guten schlechten Geschmacks, denen man in großer Runde spätestens ab der "Taubenszene" praktisch nurmehr tosende Ovationen mitsamt hysterischem Gelächter schenken muss. Das ist dann förmlich Eventkino, in dem Plot und dramaturgische Vernetzung kaum mehr denn eine Alibifunktion besitzen, es sei denn, man wird fintenmäßig auf ein dann doch nicht stattfindendes Schreckensereignis eingestimmt, s. etwa der fehlschlagende Pistolen-Selbstmord. Ebendiese Klaviatur beherrscht Ellis vorzüglich und kann dem Erstling von Wong somit einen durchweg ebenbürtigen Nachzügler zur Seite stellen, der mit wirklich einfallsreichen Splattereinlagen trumpft und spätestens in der Schlusseinstellung versichert, dass man mit "Final Destination 2" so ziemlich alles anstellen darf, nur eines bitte nicht: Ihn ernst nehmen.

7/10

David R. Ellis Splatter Sequel Unfall


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FINAL DESTINATION (James Wong/USA 2000)


"This gives me a rush!"

Final Destination ~ USA 2000
Directed By: James Wong

Der Schüler Alex Browning (Devon Sawa) sitzt schon im Flugzeug zu seiner bevorstehenden Exkursion nach Paris, da jagt ihm eine realistische Absturzvision gewaltige Panik ein. Zusammen mit fünf Mitschülern, Clear (Ali Larter), Carter (Kerr Smith), Terry (Amanda Detmer), Billy (Seann William Scott),
seinem besten Freund Tod (Chad Donella) und einer Lehrerin (Kristen Cloke) verlässt Alex den Flieger, der kurz darauf tatsächlich explodiert. Als nur wenige Wochen später Tod eines unerwarteten Todes stirbt, den Alex per Vision vorausahnen konnte, ist dieser sich sicher: Der Tod hat einen Plan und lässt sich nur höchst ungern in die Karten pfuschen!

Seit nunmehr rund zwölf Jahren versichert uns die "Final Destination"-Serie mit ihrem stets neu aufgewärmten (und letztlich beliebig dehnbarem) Konzept, dass der effektivste aller Mörder immer noch der Tod selbst ist. Bevor mir morgen der fünfte Teil ins Haus flattert, wollte ich also die Reihe nochmal fix Revue passieren lassen, wobei eine solche Maßgabe wohl speziell bei diesem Franchise komplett unnötig ist. Wie dem auch sei; der Originalfilm ist wohl immer noch der, der sich und seine Story am Ernstesten nimmt, ohne permanent in Richtung Grand Guignol und Splatterkomödie zu schielen, wie es die Nachfolger dann ja mit zunehmender Intensität praktizieren sollten. Der unangenehmste Tod, der in "Final Destination" gestorben wird, ist zugleich einer der unangenehmsten der gesamten Reihe: Nämlich Tods Strangulationstod in der Wanne, den ich noch immer als höchst unerträglich empfinde und der praktisch ohne einen Tropfen Blut exerziert wird. Wenn ab dem zweiten Teil permanent Leute zerfetzt werden, dann ist das jedenfalls nurmehr komisch und von eher pervertierter (oder zweckdienlicher - je nach Perspektive) Natur. Über die wong'sche Nominal-Hommage mit all den nach im klassischen Genrefilm beschäftigten Prominenten benannten Charakteren mag man kurz schmunzeln, sich dann aber ganz schnell über die effektive Unoriginalität dieser Idee bewusst werden. Genau dieselbe hatte Joe Dante nämlich schon rund zwanzig Jahre zuvor. Insgesamt bleibt ein inhaltlich passables, formal gelungenes Genreprodukt, das in Kombination mit seinen Sequels der Gattung einen der nettesten Motivschübe seit langem zu versetzen mochte.

7/10

James Wong Splatter Teenager Flugzeug


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THE TOOLBOX MURDERS (Dennis Donnelly/USA 1978)


"Burn, Joey. Burn."

The Toolbox Murders (Der Bohrmaschinenkiller) ~ USA 1978
Directed By: Dennis Donnelly

Nach dem Unfalltod seiner Tochter Cathy ist der Hausbesitzer Vance Kingsley (Cameron Mitchell) dem Wahn erlegen, er müsse die Welt von allem (weiblichen) Schmutz und Übel befreien. Hinreichend "Missionierungsobjekte" findet er in seinem eigenen Appartment-Komplex, in dem Kingsley mehrere junge Frauen mit dem Inhalt seines Werkzeugkoffers hinmordet, ehe er die junge Laurie (Pamelyn Ferdin) kidnappt und sie fortan als Reinkarnation seiner toten Tochter gefangenhält. Lauries Bruder Joey (Nicholas Beauvy) riecht zwar den Braten, übersieht in seinem Eifer jedoch, dass Vance nicht das einzige irrsinnige Mitglied der Kingsley-Familie ist...

Fieser kleiner Schlitzer aus dem Grindhouse-Milieu, der erneut einen in diesen Jahren auf Psychos abonnierten Cameron Mitchell vorschiebt, um sein anrüchiges Geschäft zu absolvieren. Interessant ist vor allem die ungewöhnliche dramaturgische Konstruktion des Films: Nachdem Mitchell im ersten Viertel der Spielzeit eine rauschhafte (und fantasievoll umgesetzte) Mordtour hinlegt, kümmert er sich danach nurmehr um sein Kidnapping-Opfer und darf in diesem Zuge ein paar seinen Wahnsinn untermalende Monologe hinlegen, derweil sich der Bruder der Bedauernswerten detektivisch betätigt und es noch einen komplett im Dunkeln tappenden Polizisten (Tim Donnelly) bei seinen "Ermittlungen" zu sehen gibt. So hat Donnelly sichtlich Mühe, seinen Film auf eine handelsübliche Länge zu bringen, da er sein gar nicht mal übles Exploitation-Pulver gleich zu Beginn verschießt und hernach bis zum Finale nurmehr laue Lüftlein wehen lässt. Aber dieses Problem ist ja wohl eines von diversen immanenten Gattungsinterna. Und vermutlich wollte "The Toolbox Murders" sowieso keinen Kritikerpreis gewinnen.

6/10

Dennis Donnelly Serienmord Slasher Exploitation Kidnapping Terrorfilm Independent


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ODD MAN OUT (Carol Reed/UK 1947)


"We're all dying."

Odd Man Out (Ausgestoßen) ~ UK 1947
Directed By: Carol Reed

Nach einem Überfall wird der unter Panikattacken leidende IRA-Flügelmann Johnny McQueen (James Mason) wird bei einem Banküberfall angeschossen und während der anschließenden Flucht von seinen Kameraden getrennt. Schwer verletzt schleppt sich Johnny durch das winterliche Belfast und von Versteck zu Versteck, stets auf der Fliucht vor der Polizei und verräterischen Zeitgenossen, die ihn aus Angst oder aus Gier bezüglich des auf seinen Kopf ausgesetzten Preisgeldes zu denunzieren trachten.

Es ist gar nicht mal so sehr die Geschichte des 'dead man running' Johnny McQueen, denn primär das von Belfast und seinen Einwohnern entworfene Kaleidoskop, das "Odd Man Out" zu einem Meisterwerk macht. Der große Kameramann Robert Krasker, der kurz darauf für Reed auch dessen monolithischen "The Third Man" photographieren sollte, ist ein Poet der Städteabbildung. In ungeschönter und zugleich faszinierend realistischer Manier präsentieren sich die taumelnden Metropolen bei ihm als Horte der Angst und Verunsicherung, zugleich jedoch auch stets als solche pulsierender Vitalität und des ungebrochenen Überlebenswillens des Ungeziefers Mensch. Dazu liefern Krasker und Reed ihren Zuschauern ein Panopticon expressionistischer Tableaux, harte, geometrische Formanordnungen und Licht-Schatten-Übergänge. Der zugegebenermaßen (wie eigentlich immer) völlig großartig agierende Mason dient der Geschichte im Prinzip lediglich als Motor; man ahnt schon zu Beginn, dass ihn eine latente Todessehnsucht begleitet und die Sühne für sein Verbrechen in nicht sehr weiter Ferne auf ihn wartet. Deutlich spannender sind da all die mehr oder weniger opportunistischen, verschrobenen Typen, mit denen McQueen während seiner Odyssee ins Jenseits in Berührung kommt: Ängstliche Kinder und Krankenschwestern, Droschkenführer, Kneipiers, Tagelöhner, Bohèmiens und Studienabbrecher kreuzen Johnnys Weg und beeinflussen ihn in jeweils entscheidender Weise.

10/10

Heist Winter Belfast Nacht Carol Reed IRA Nordirland


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INSIDIOUS (James Wan/USA, CA 2010)


"Leave this vessel!"

Insidious ~ USA/CA 2010
Directed By: James Wan

Die dreifache Mutter Renai Lambert (Rose Byrne) glaubt fest daran, dass der Umzug in das mysteriöse neue Haus verantwortlich ist für den urplötzlich eingetretenen, komatösen Zustand ihres Ältesten Dalton (Ty Simpkins) sowie an den geisterhaften Erscheinungen, die sich permanent mehren. Doch selbst ein erneuter Umzug bringt keinerlei Besserung. Erst die über die ihre Schwiegermutter (Barbara Hershey) hinzugezogene Parapsychologin Elise (Lin Shaye) vermag Abhilfe zu schaffen: Sie erklärt den Lamberts, dass Daltons Astralkörper fernab seiner physisch manifesten Gestalt von einem Zwischenweltdämon gefangengehalten wird und zurück in das Diesseits geführt werden müsse. Diese Aufgabe soll Renais Mann Josh (Patrick Wilson) übernehmen, der als Kind selbst schon mit dem Zwischenreich und einem weiblichen Dämonen Kontakt hatte, dies jedoch lange Jahre verdrängt hat...

"Kadir, machssu eima schön "Poltergeist" auf Tasche mit alles, abba schaffe Sose weglasse!"
In seinem "Insidious", nach "Death Sentence" erneut ein modern aufbereiteter Relaunch eines persönlichen Jugendklassikers, bleibt Wan ganz der domestizierte Rezitator, der seine Vorbilder gut studiet hat, sich aus Ehrfurcht vor ihnen jedoch a priori ein ernsthaftes Kratzen an ihren Sockeln versagt zu haben scheint. Fast sämtliche Motive aus Hoopers "Poltergeist" greifen Wan und sein Hausschreiber Leigh Wannell auf: Die typologische weiße, amerikanische Vorstadtfamilie mit mehreren Kindern, das Jenseits als metaphysikalisch erklärbares Zwischenstadium, den einen bösen Finsterling, der sich der unschuldigen seele des übersinnlich begabten Kindes bemächtigen will. Und schließlich die verschworene, rettende Kraft der Familie unter Anleitung einer ebenso verschrobenen wie liebenswerten Paratante mitsamt ihren technisch versierten Spinnerkollegen. Reihenweise Spiegelbilder also, die jedoch bei weitem nicht so reibungslos, klug und vor allem perfekt abgearbeitet werden wie im fast dreißig Jahre älteren Vorbild. "Poltergeist", das scheinen Wannel/Wan übersehen oder ignoriert zu haben, war nämlich auch und insbesondere eine Satire an die Adresse Vorstadtexistenz und den rücksichtslosen "Pioniergeist" des amerikanischen Volkes, den indiskreten Charme der US-Bourgeoisie sozusagen, die am Ende die wohlfeil aufbereitete Quittung für ihre Arroganz erhält. In "Insidious" ist von solcherlei Subtilität nichts zu verzeichnen; Wan pflegt und bedient einzig den Schock und die Phantasiebereitschaft seines Publikums, dies jedoch professionell wie eh und je. Gruselige und bedrohlich wirkende Momente hat es tatsächlich einige, wenn auch das entsprechende Moment bei "Paranormal Activity" mir als deutlich wirkungsvoller in Erinnerung ist. Unter all diesen Abstrichen dennochdurchaus ansehbar.

6/10

James Wan Spuk Dämon Parapsychologie Familie Oren Peli Geister


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SUPER 8 (J.J. Abrams/USA 2011)


"Production Value!"

Super 8 ~ USA 2011
Directed By: J.J. Abrams

Im Sommer 1979 übernimmt der jüngst zur Halbwaise gewordene Kleinstadtteenager Joe (Joel Courtney) die Maskeneffekte für einen Amateur-Zombiefilm seines Freundes Charles (Riley Griffiths). Darin tritt auch Joes großer Schwarm, die hübsche Alice (Elle Fanning) auf, mit der Joe jedoch zugleich ein tragisches Schicksal verbindet. Als die Kids eines Nachts Zeuge eines gewaltigen Zugunglücks werden, in das ihr Biolehrer (Glynn Turman) verwickelt ist, ändert sich ihr Leben spontan. Denn irgendetwas Monströses, für das sich ganz besonders das Militär interessiert, ist aus dem Zug entfleucht und kurz darauf steht das ganze Städtchen unter Ausnahmezustand.

Ironischerweise kein Film für Kids, sondern für jene, die vor 25 Jahren selbst Kids waren, mit Filmen wie "E.T.", "The Goonies", "Explorers", "Something Wicked This Way Comes" und "Stand By Me" aufgewachsen sind und die primär am an der Familie ausgerichteten Blockbusterkino Spielbergs sozusagen auf unmittelbarem Wege partizipieren konnten. Genau dieser Rezipientenschaft, und damit auch ein wenig sich selbst, macht Hollywood-Wunderkind Abrams, unter der produzierenden Ägide des Genre-Großmeisters natürlich, "Super 8" zum Geschenk. Der Film steckt voller mehr oder minder subtiler Zitate und Reverenzen, läuft im Großen und Ganzen recht gut rein, hat ein paar hübsche Szenen und schafft es hier und da sogar, wirklich witzig zu sein, wobei die meisten Gags dann doch eher Zugeständnisse an ein modernes Publikum sind. Über bekiffte Disco-Teens hätte anno 80 jedenfalls niemand lachen mögen oder können; das ist dann doch wieder der Postromantisierung der Periode geschuldet, dem, wie ich jüngst bei Woody Allen gelernt habe, "Golden-Age-Syndrom". Ansonsten geht ohne Monster heuer ja sowieso kaum noch was, wobei ich persönlich es schade finde, dass sich so gut wie alle modernen Kreaturen dieser Sparte noch in irgendwelchen insektoiden und/oder Tentakelform inkarniert finden. Wo sind die behaarten Affenmonster, die Yetis, Bigfoots etc.? Können ja meinethalben auch vier Arme haben, aber so eine riesige Gottesanbeterin jagt mir nicht sehr viel Angst ein.

7/10

Coming of Age Familie J.J. Abrams period piece Film im Film Steven Spielberg Hommage Militär Aliens embedded filming


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DIP BIN (Tsui Hark/HK 1979)


Zitat entfällt.

Dip Bin (Die Todesgrotten der Shaolin) ~ HK 1979
Directed By: Tsui Hark

Das ehrwürdige Haus Chum ist in Aufruhr: Immer wieder werden die Familienmitglieder und Bediensteten von Schwärmen todbringender Schmetterlinge attackiert, die ihre Opfer mit tausenden kleiner Bisswunden und vergiftet zurücklassen. Dies führt dazu, dass sich sämtliche Bewohner des Palasts ind die weit verzweigten, unterirdischen Gänge zurückziehen mussten. Der Schriftsteller und Chronist Tian Feng (Shu-Tong Wong) und die beiden Krieger Fang (Siu-Ming Lau) und Grüner Schatten (Michelle Yim) machen sich auf, diesen schrecklichen Zuständen Abhilfe zu leisten. Später stoßen noch zwei weitere Kämpfer (Wong Cheung, Eddy Ko) hinzu. Doch wer trägt wirklich die Schuld an den - ganz offensichtlich von außerhalb gelenkten - Schmetterlingsmorden?

So weit ich Laie das übersehe, Tsui Harks Regiedebüt und sicherlich kein allzu übles Martial-Arts-/Fantasy-Vehikel aus der ehemaligen Kronkolonie. Dennoch ganz klar nicht meine Art Film. Mir ging das pausenlose Gequatsche um Ehre, Kampfeswille und Passivität ziemlich auf den Geist. Ferner nervte mich der schlecht ausgeleuchtete, unterirdische Schauplatz des Ganzen, der dafür sorgt, dass gut drei Viertel des Films kaum mehr zu erahnen sind (zugegeben - jetzt übertreibe ich vielleicht geflissentlich). Ob die in ihrer Quantität zudem recht rar gesäten Kämpfe gut choreographiert sind, vermag ich wiederum kaum zu beurteilen; wenn ich jedoch an andere Vertreter des körperbetonten Hong-Kong-Kinos denke, konnte ich hier nicht viel Besonderes vorfinden. Kann sein, dass andere in solchen Filmen ihr persönliches Taj Mahal finden - mich reißt sowas nicht vom Melkschemel.

5/10

Tsui Hark China period piece Schmetterlinge Martial Arts


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MIDNIGHT IN PARIS (Woody Allen/USA, E 2011)


"You can fool me, but you cannot fool Ernest Hemingway!"

Midnight In Paris ~ USA/E 2011
Directed By: Woody Allen

Der amerikanische Drehbuchautor und versuchsweise Romancier Gil Pender (Owen Wilson) reist mit seiner Verlobten Inez (Rachel McAdams) nach Paris, wo seine Schwiegereltern (Kurt Fuller, Mimi Kennedy) in spe einige Geschäfte zu tätigen haben. Schnell bemerkt Gil zu seinem Leidwesen, dass Inez das künstlerische Flair der Seine-Metropole in keinster Weise wahrzunehmen imstand ist und sich stattdessen liebe von dem altklugen Geschwätz ihres Ex-Kommilitonen Paul (Michael Sheen) einlullen lässt. Ein mitternächtlicher Ausflug Gils sorgt dann für ein eruptives Erlebnis: Eine alte Limousine bringt ihn geradewegs in das Paris der zwanziger Jahre zurück, in dem sich alle von Gils künstlerischen Vorbildern, darunter das Ehepaar Fitzgerald, Hemingway, Faulkner, Picasso, Dalí, Buñuel, Gertrud Stein, Cole Porter und T.S. Eliot, praktisch gegenseitig auf die Füße treten. In dieser entrückten Zeit, die Gil fortan immer nur zu mitternächtlicher Stunde besuchen kann, lernt er zugleich die Künstlermuse Adriana (Marion Cotillard) kennen, die jedoch, ebenso wie Gil, ihrer Gegenwart am Liebsten in die Vergangenheit entfliehen würde...

Zeitreise au Woody Allen, natürlich nicht mit einem feurigen DeLorean, sondern mit einem Peugeot, Baujahr 1920-irgendwas und letzten Endes als faktisch unaufklärbarer Trip ins Innere eines unter dem "Golden-Age-Syndrome" leidenden Künstlers inmitten einer seiner Lebenskrisen. Ob Gil Pender tatsächlich in der Zeit zurückreist oder lediglich weingeschwängerten Phantasien, Träumerein, und/oder dem Flair seiner sommerlichen Lieblingsstadt aufsitzt, ist auch völlig nebensächlich - von Belang ist einzig der progressive Wert seiner regressiven Robinsonade, die ihn am Ende lehrt, dass alles, was vom aufrechten Arrangement mit der Gegenwart abweicht, nichts als bloße Selbsttäuschung wäre. Woody Allen mit 76 ist auch ein edukativer Filmemacher, der, anders als sein jüngeres alter ego, der tragikomischen Stagnation innerhalb der Neurose abgeschworen hat und seine Figuren stattdessen einen therapeutischen Reifeprozess zu durchleben zwingt, der sie am Ende gesicherten Fußes zurück in die Realität des Hier und Jetzt entlässt. Und glücklich dazu, wohlgemerkt. Dies ist ja selbst ein mittlerweile etabliertes, künstlerisches Syndrom, das des alternden Filmautoren, der mit seinem Spätwerk einen Funken Hoffnung sowohl für seine Anhänger als auch für seine Märchen-Ichs aufblitzen lassen will.

8/10

Woody Allen period piece Paris Literatur Autor Bohème Zeitreise


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CARODEJUV UCEN (Karel Zeman/ČSSR, BRD 1978)


Zitat entfällt.

Čarodějův Učeň (Krabat) ~ ČSSR/BRD 1978
Directed By: Karel Zeman

Die Lausitz zu Beginn des 18. Jahrhunderts: Der lebenslustige Betteljunge Krabat wird durch einen magischen Ruf zur Mühle am schwarzen Wasser gerufen, wo er künftig als einer von zwölf Lehrlingen in die Schule des Meisters geht. Diese besteht allerdings nicht nur darin, sich im Müllerhandwerk ausbilden zu lassen, sondern vor allem im Erlernen der schwarzen Künste. Jedes Jahr muss sich einer der Lehrlinge mit dem Meister im Zauberkampf messen - und unterliegt, so dass immer wieder ein Nachfolger gesucht werden muss. Als Krabat sich in eine schöne Kantorka aus einem benachbarten Dorf verliebt, ist die Reihe an ihm, gegen seine Meister zu bestehen.

Spätes Meisterwerk des großen Animationskünstlers Karel Zeman, der verschiedene Stile von Trickkunst auf eine beinahe schmerzlich schöne Weise miteinander kombiniert: "Herkömmliche", zweidimensionale Zeichenkunst, Scherenschnitt, Rotoskopie und die Kombination mit real abfotografierten Naturelementen komponiert Zeman zu einem prachtvollen, höchst atmosphärischen Kaleidoskop von (und für) höchste(n) ästhetische(n) Ansprüche(n). Dass Preußlers große Vorlage um ein paar schauerliche Elemente und Details (darunter die allquartärliche Ankunft des mysteriösen Höllenkutschers, für den der Müller Säcke von Leichen zermahlen muss) erleichtert bzw. um einige Phantasmagorien (etwa die Magieduelle des Meisters mit seinen Schülern) angereichert wurde, ist der kreativen Freiheit des Adapteurs geschuldet und gliedert sich derart harmonisch in Zemans Variation ein, dass dessen Homogenität und Integrität niemals angetastet werden. Tadellos, als Literaturadaption wie als eigenständiges Kunstwerk.

10/10

Märchen Lausitz Großer Nordischer Krieg Coming of Age Ottfried Preußler Zeichentrick Sage period piece Karel Zeman Magie


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NIGHTMARE IN WAX (Bud Townsend/USA 1969)


"Cry! Cry! Cry!"

Nightmare In Wax (Das Wachsfigurenkabinett des Grauens) ~ USA 1969
Directed By: Bud Townsend

Nachdem der eifersüchtige Hollywood-Produzent Max Black (Barry Kroeger) dem renommierten Maskenbildner Vincent Renard (Cameron Mitchell) eine Gesichtshälfte verbrannt hat, zieht dieser sich in die vier Wände eines Wachsfigurenkabinetts zurück und verfällt dem Wahnsinn. Renard erfindet ein Mittelchen, mit dem er unliebsame Zeitgenossen in willenlose Zombies verwandeln kann und stellt sie dann in seiner Menagerie zwischen Clark Gable, Gary Cooper und Gloria Swanson aus. Bald kommt ihm die Polizei jedoch auf die Schliche.

"Einer der geschmacklosen Killerfilme Cameron Mitchells", konstatierten Hahn und Jansen ihrerzeit knapp angesichts Bavas "Sei Donne Per L'Assassino", dabei passt diese wie immer bei den beiden legendär fehlbeschäftigten Herren völlig unzureichende Kategorisierung viel besser zu dem kleinen Schundstreifen "Nightmare In Wax". Das Ding glänzt förmlich vor unzureichender Laienschaft in allen Belangen und macht gerade daher viel Freude beim Anschauen. Weit entfernt von der Zeigefreudigkeit eines Herschell Gordon Lewis merkt man Townsends kleinem Grindhäusler an, dass er gern in eine ganz andere Kerbe schlagen würde, angesichts der besorgten Produzenten aber wohl mit einem R-Rating versehen und damit einer potenziell größeren Zuschauerschaft zugänglich gemacht werden sollte. So verbleiben viele Stellen des miesen Filmchens noch in den Vorhöfen schmutziger Altherrenphantasien und es passiert eigentlich nichts Aufregendes, mit Ausnahme von ein paar Ausrastern Mitchells hier und da, die intern wahrscheinlich auf seine total beschissene Maske zurückzuführen waren. Lustig und amüsant ist "Nightmare In Wax" aber durch die Bank, da gibt's nichts.

4/10

Bud Townsend Trash Independent Zombies Wachs Hollywood





Filmtagebuch von...

Funxton

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