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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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WINTER'S BONE (Debra Granik/USA 2010)


"Is this gonna be our time?"

Winter's Bone ~ USA 2010
Directed By: Debra Granik

Die siebzehnjährige Ree (Jennifer Lawrence) hat es nicht leicht: Im winterlich-kalten Missouri-Hinterland muss sie sich als einziges halbwegs mündiges Familienmitglied um ihre schwer depressive Mutter (Valerie Richards) und ihre beiden kleinen Geschwister (Isaiah Stone, Ashley Thompson) kümmern, und das bei prekärem Haushaltsetat. Als Sheriff Baskin (Garret Dillahunt) der couragierten Ree eröffnet, dass ihr Vater Jessup, ein Drogenkoch, kautionsflüchtig ist, sich seiner anstehenden Gerichtserhandlung zu entziehen versucht, und das Grundstück der Familie auf dem Spiel steht, versucht Ree mit allen Mitteln, Jessup ausfindig zu machen. Sie stößt jedoch nur auf eine Mauer des Schweigens: Niemand will oder kann etwas über Jessups Verbleib sagen, am wenigsten der patriarchalisch auftretende Milton (Ronnie Hall), inoffizieller Chef der ganzen Gegend. Als Ree ihm zu nahe kommt, muss sie selbst um ihr Leben fürchten.

Eine Geschichte aus dem provinziellem Hinterhof von Prekariats-Amerika, dessen Topographie wirkt wie aus einer Parallelwelt stammend. Mit Missouri assoziiert man als Europäer ja normalerweise das typische Südstaatenflair mit sattem Grün und schwirrenden Mücken, nicht jedoch eine solche Endzeit-Atmosphäre, wie sie Debra Granik in ihrem zweiten Langfilm kredenzt. Bitterkalt ist es, ein deprimierendes Grau in Grau bestimmt die alltägliche Tristesse und die Menschen machen sich es durch nachbarschaftliche und/oder familiäre Beziehungen etwas behaglicher. Bestimmte Dinge werden grundsätzlich tabuisiert oder bleiben einfach unausgesprochen, das gehört zur lokalen Tradition. Als Ree zu stochern beginnt, um sich und ihrer Familie die drohende Obdachlosigkeit zu ersparen, empfinden die Alten der Gegend das als eine inoffizielle Kampfansage an den Filz ihrer stoischen Verschwiegenheit und stellen sich noch sturer dar als ohnehin schon. Durch ihre nicht nachlassende Schnüffelei provoziert Ree schließlich sogar gewalttätige Aggressionen, vor denen sie letzten Endes nur ihr selbst höchst fadenscheinig auftretender Onkel Teardrop (John Hawkes) bewahren kann.
Für ihre kleine Geschichte eines jugendlichen Sturms in hillbilly country, den die Regisseurin offenbar auch als eine Art Chance verstanden wissen will, wählt Debra Granik eine verfänglich schöne Bildsprache. Unabhängig von dem überall herumliegenden Schrott und Müll, der Schäbigkeit der gottverlassenen Gegend und der latenten Feindesligkeit der inzestuös verbandelten Menschen scheint es, als habe sich Granik ähnlich wie ihre Protagonistin in diese Landschaft, das innere Amerika, verliebt. So ist "Winter's Bone" weniger seine vorgebliche Coming-Of-Age-Story denn in erster Linie intimes Porträt und klärende Bestandsaufnahme für all jene, die mit den USA nur noch irgendwelche Sitcom-Realitäten assoziieren.

8/10

Debra Granik Familie Missouri Südstaaten Drogen


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DIE SÄGE DES TODES (Jess Franco/BRD 1981)


"Mord! Dufte!"

Die Säge des Todes ~ BRD 1981
Directed By: Jess Franco

In einer kleinen, von der eleganten Manuela (Nadja Gerganoff) bewirtschafteten Hotelanlage an der Costa Blanca findet ein Spanisch-Intensivkurs für deutsche Touristen statt. Dort geht jedoch auch ein wahnsinniger Mörder um, der sich für seine ausschließlich weiblichen Opfer besonders unangenehme Todesarten ersinnt. Die Studentin Angela (Olivia Pascal) lebt bald nurmehr in Todesangst, zumal sie keine Ahnung hat, wer denn nun der Schlitzer ist: Der junge Ladykiller Antonio (Peter Exacoustos), der verrückte Gärtner (Otto W. Retzer) mit der Heckenschere, oder vielleicht doch Manuelas geisteskranker, entstellter Bruder Miguel (Alexander Waechter)?

Lustige und vor allem absolut einzigartige Mischung aus Discokomödie und Slasher, von der Münchner LISA unter Wolf C. Hartwig produziert und von Tausendsassa Jess Franco so lustlos wie nur eben möglich inszeniert. Das Script stammt von dem seinerzeit nicht minder vielbeschäftigten Erich Tomek, der hier unter dem flotten Pseudonym "Rayo Casablanca" tätig war, vermutlich, damit ihn niemand prompt mit dieser ziemlich schmuddeligen Episode in Verbindung bringen musste. Irgendwann kommt aber sowieso mal alles raus, Señor Casablanca, wenn auch manchmal mit einiger Verspätung. "Die Säge des Todes" ist natürlich beseelt von lupenreinem Schwachsinn, vollkommen dämlich und unübersichtlich erzählt. Ein paar der auf der Tonspur blubbernden Klänge stammen wohl vom damaligen Synthiegott Frank Duval, der Anfang der Achtziger sogar mit ein paar Singles die Charts anführte. Nicht, dass sie hier dazu taugten, besondere Spannung zu evozieren, aber der Atmosphäre abträglich sind sie ebensowenig. Leider gibt sich Olivia Pascal hier ausnahmsweise sehr zugeknöpft (was wohl überhaupt der Grund war, warum sie die Rolle annahm - einmal nicht blankziehen zu müssen). Das Beste am Film ist freilich LISA-Faktotum Otto W. Retzer, der am Ende nochmal richtig bekloppt kucken und mit der Gartenschere herumfuchteln darf. Ein treffender Kommentar zu der ganzen dullen Chose, die hier serviert wurde.

4/10

Jess Franco Spanien Slasher Splatter Europloitation Trash Lisa-Film


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RUN OF THE ARROW (Samuel Fuller/USA 1957)


"I got no stomach for politics."

Run Of The Arrow (Hölle der tausend Martern) ~ USA 1957
Directed By: Samuel Fuller

Der Konförderierten-Private O'Meara (Rod Steiger) erlangt traurige Berühmtheit als der die letzte Kugel des Bürgerkriegs abfeuernde Soldat von Appomatox. Sein Opfer Lieutenant Driscoll (Ralph Meeker) überlebt den Anschlag jedoch schwer verletzt und wird von O'Meara eigens zum nächsten Lazarett gebracht. Schwer frustriert über Lees Kapitulation dreht O'Meara seiner Heimat den Rücken und zieht als Abenteurer gen Westen, wo er dem alten, vormals als Scout beschäftigten Ogalala-Sioux Walking Coyote (Jay C. Flippen) begegnet, der zu seinem Volk zurückkehren möchte. Als O'Meara und Walking Coyote schließlich dem Sioux Crazy Wolf (H.M. Wynant) begegnen, wird ihr Leben der Prüfung des "Laufs des Pfeils" überantwortet: Das Opfer bekommt eine Pfeilschusslänge Vorsprung und muss dann barfuß vor seinen Häschern fliehen. Wird es erreicht, obliegt sein Leben den Verfolgern. Walking Coyote überlebt die Prüfung nicht, O'Meara wird von der Indianerin Yellow Moccasin (Sarita Montiel) in Obhut genommen. Als erster die Prüfung überlebender Mann wünscht sich O'Meara als Yellow Moccasins Gatte in den Stamm der Sioux aufgenommen zu werden, was ihm der kluge Häuptling Blue Buffalo (Charles Bronson) gewährt. Bald darauf zieht eine Kavallerieabteilung durch das Land, der auch der mittlerweile genesene Lieutenant Driscoll angehört und von der O'Meara sich als Scout anheuern lässt. Als dieser nach dem Tode des Kommandanten (Brian Keith) ranghöchster Offizier des Bataillons wird, begeht er einige folgenschwere militärische Fehler, die einen Krieg mit Blue Buffalo heraufbeschwören. O'Meara muss sich nunmehr für eine Seite entscheiden.

Für einen der schönsten und wichtigsten Western seiner Dekade ist es eine Schande, dass Fullers Meisterwerk "Run Of The Arrow" bis heute keine adäquate Veröffentlichung erfahren hat. Die kürzlich bei uns erschienene DVD jedenfalls macht ihm alles andere als seine verdiente Ehre und auch sonst gibt es weltweit bislang keine ernsthafte Alternative. Man kann nur hoffen, dass sich irgendwann ein renommiertes Label wie Criterion oder Eureka dieses großartigen Films annimmt und ihm ein gebührliches Release spendiert.
"Run Of The Arrow" ist ein Film über Lektionen und Identitätssuche, über Schuld, Sühne und charakterliche Borniertheit. Die das komplette Werk durchziehende Unkonventionalität beginnt bereits mit der Wahl des Protagonisten: Der zu einer strahlenden Heldenfigur sowieso wenig taugliche, weil im klassischen Sinne hässliche Rod Steiger spielt mit der ihm eigenen professionellen Brillanz einen unverbesserlichen, intellektuell schlicht gestrickten Kommisskopf, der große Mühe hat, die Zeichen der Zeit anzuerkennen, geschweige denn zu akzeptieren, und der mit seiner nach dem Krieg übrigbleibenden Missgunst gegenüber der nationalen Situation nicht fertig wird. Seine zuletzt abgefeuerte Kugel, mit der er jenen (instinktiv zu Recht) verhassten Nordstaaten-Offizier verwundete, behält er als eine Art Tailsman, der am Ende dann doch noch, als Akt der Gnade freilich, seiner ursprünglichen Determination zugeführt werden kann.
Dann ist da die Annäherung zwischen Weiß und Rot. Da wir es mit einem Fuller-Film zu tun haben, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass "schmalzige Romantik", wie der Regisseur sie vermutlich im thematisch ähnlich gestrickten "Broken Arrow" von Delmer Daves ausgemacht haben wird, großräumig zu umschiffen ist; ein Maximum an narrativen Wendlungen wird in ein relatives Minimum an Erzählzeit gepresst. Dennoch wirkt sein Film niemals gehetzt, bleibt im Gegenteil stets vollends schlüssig, konzentriert und pointiert. Und trotz jener oberflächlich ausbleibenden Emotionalität gibt es herzzereißende Szenen: Ein Kavalleriesoldat bezahlt die Rettung eines stummen Indianerkindes (Billy Miller) aus Treibsand mit dem eigenen Leben; für O'Meara ein Anlass, seine misanthropische Haltung gegenüber den verhassten Nordstaatlern vielleicht doch noch einmal zu überdenken. Ebenso wie die sich behutsam aufbauende Freundschaft zu dem Regimentskommandaten Clark (Keith), der als ebenso geduldiger wie deutlich intellektuellerer Diskussionspartner dem sturen O'Meara einige neue Perspektiven zu eröffnen weiß. "Run Of The Arrow" feiert auch die Individualität. Ihm geht es nicht um Nationen, Stämme, Rassen oder verfeindete Armeen, sondern um Menschen; er reduziert das Wesen der Zwischenmenschlichkeit sozusagen auf seinen kleinsten gemeinsamen Nenner. Darüberhinaus wartet seine Inszenierung mit immens unbequemem Naturalismus auf. Unter anderem dürfte "Run Of The Arrow" einen der ersten Kopfschüsse in Großaufnahme zeigen - ein regelrechter visual shock.

10/10

Samuel Fuller Indianer Sezessionskrieg Kavallerie Militär


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CATTLE QUEEN OF MONTANA (Allan Dwan/USA 1954)


"New job, new gun."

Cattle Queen Of Montana (Königin der Berge) ~ USA 1954
Directed By: Allan Dwan

Kaum an ihrem neu erworbenen Stück Land in Montana angelangt, werden Pop Jones (Morris Ankrum) und seine Tochter Sierra (Barbara Stanwyck) von dem abtrünnigen Blackfoot Natchakoa (Anthony Caruso) und seinen Männern überfallen. Der Indianer tötet den alten Jones nebst fast aller seiner Mitarbeiter und stiehlt die gesamte mitgebrachte Viehherde. Als der wohlerzogene Häuptlingssohn Colorados (Lance Fuller) Sierra und den alten Nat (Chubby Johnson) findet, nimmt er sie mit und pflegt sie gesund. Sierra muss lernen, dass Indianer nicht gleich Indianer ist, zumal der längst dem Feuerwasser verfallene Natchakoa nur im Auftrag des gierigen Ranchers McCord (Gene Evans) handelt. In Colorados und dem verdeckt ermittelnden Agenten Farrell (Ronald Reagan) findet Sierra treue Gefährten im Kampf gegen McCord und Natchakoa.

Naiver Klischeewestern, der seinen weiblichen Star und Titelhelden, die damals immerhin 46-jährige Stanwyck, als junges Gör zu verkaufen sucht und seinem bildungsfernen Publikum einige erleuchtende Weisheiten über die natives mitgibt: Richtig böse war nämlich eigentlich keiner von denen, nur der ihnen vom weißen Mann verabreichte Whiskey hat das Monster in ihnen hervorgelockt. Dann gab es noch die, die eine weiße Edukation genießen durften, wie den braven Colorados, dessen Lieblingssatz denn auch der folgende ist: "Mein Herz ist schwer". Solche domestizierten Insmen sind uns und dem Film natürlich am liebsten. Der als Schauspieler immerhin noch mittelmäßig talentierte Reagan sorgt für einige Twists in der mauen Geschichte. Man ahnt gleich bei seinem ersten Auftritt, dass der Kerl eigentlich ganz okay sein muss, später gibt er sich dann undurchsichtig, bis der erlösende Knutscher von Barbara alle Zweifel beseitigt.
"Cattle Queen" ist, um mich nochmals fazitär zu wiederholen, ein - bis auf seine schönen Farbkompositionen - ziemlich einfältiger, kleiner Film, der Liberalität heuchelt, in Wahrheit jedoch erzkonservativ daherkommt und dem immerhin die Krautwestern der Sechziger viel Fleisch für ihrer Illustration des "edlen Wilden" verdanken.

5/10

Allan Dwan Montana Indianer


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THE CALL OF THE WILD (William A. Wellman/USA 1935)


"I'll take bourbon. It kills you slower, but a lot more pleasant like."

The Call Of The Wild (Goldfieber In Alaska) ~ USA 1935
Directed By: William A. Wellman

Alaska, 1900: Durch Zufall erfährt der Glücksritter Jack Thornton (Clark Gable) von einem vakanten Claim in der Wildnis, dessen ehemaliger Besitzer kürzlich verstorben ist. Zusammen mit seinem Kumpel Shorty (Jack Oakie) und dem ungebärdigen, aber treuen Bernhardiner Buck macht sich Thornton auf, die Schürfstelle zu finden und in Beschlag zu nehmen. Mitten im Schnee lesen sie die verlassene Claire Blake (Loretta Young) auf, deren Ehemann John (Frank Conroy) von einer Jagd nicht zurückgekehrt ist. Jack verliebt sich in Claire, nicht ahnend, dass John noch lebt.

Brave London-Adaption von William Wellman, die weniger von einer Romanze in den eisigen Weiten des nördlichsten US-Staates erzählt, denn von der Freundschaft eines Mannes zu seinem Hund. Der knuffige Buck dient dabei als etwas plump codiertes Symbol des typisch maskulinen Freiheits- und Paarungsdranges: Während der bärenstarke Bernhardiner eine Romanze mit einer Wolfsdame pflegt, hat der arme Thornton beziehungstechnisch leider das Nachsehen. Wenngleich sich sich ihm die schöne Loretta bereits zur Hälfte hingegeben hat, so ergreifen ganz fix wieder zivilisatorische Domestizierung und Ratio Besitz von ihr, als ihr totgeglaubter Ehemann schließlich doch wieder auf der Bildfläche erscheint. Immerhin ist Buck mittlerweile stolzer Papa ein paar süßer kleiner Berner-Wolf-Bastarde und Jack und Shorty werden stinkreich. Auch nicht die schlechteste Entwicklung für ein Trio gestandener Mannsbilder.

7/10

William A. Wellman Alaska Goldrausch period piece Hund Jack London


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THE MORTAL STORM (Frank Borzage/USA 1940)


"I've never prized safety. I prized courage."

The Mortal Storm (Tödlicher Sturm) ~ USA 1940
Directed By: Frank Borzage

Als Hitler und die Nazis 1933 in den Reichstag einziehen, stehen Deutschland selbst im tiefsten Bayern noch einschneidende Veränderungen bevor. Der biologische Gleichheit und Antirassismus predigende, jüdische Professor Roth (Frank Morgan) landet alsbald im KZ, sein familiärer Freund Martin Breitner (James Stewart), der Roths Tochter Freya (Margaret Sullavan) liebt, zieht indes die Flucht über die österreichische Grenze vor. Als auch Freya in tödliche Gefahr gerät, kehrt Martin ein letztes Mal zurück, um sie zu sich zu holen.

Eine der ersten Hollywood-Reaktionen auf den von Hitler vom Zaun gebrochenen Zweiten Weltkrieg in Europa, sozusagen ein Avantgarde-Propaganda-Stück. Borzage inszeniert sein Plädoyer für Freiheit und Gleichheit geradeheraus; mit beeindruckender, poetischer Leidenschaft. "The Mortal Storm" wühlt in den Emotionen seines Publikums, besonders denen des deutschen (wenn selbiges auch erst zwölf Jahre nach Kriegsende erstmals offiziell in den Genuss dieses wunderbaren Films kommen durfte), auf eine für die damalige Zeit unerhört intime Weise. Wenn auch nicht sonderlich differenziert, so wird doch versinnbildlichend dargestellt, wie schnell es mit jedweder Entspannung vorbei sein kann, wenn urplötzlich Faschisten das Sagen haben und alles und jeden Andersdenkenden bereits kurz nach der Machtübernahme sukzessive auszumerzen beginnen - durch Drohungen, aktive Gewalt, Wegsperren, Exekution, wenn nötig. Bücherverbrennungen erschüttern die ohnehin von Sorgenfalten gekrauste Stirn des Professors, ehemalige Nachbarn und Freunde, Familienmitglieder gar, lassen sich blind und euphorisch von der braunen Welle mitreißen. Wie gut nachvollziehbar sich da in des jungen Jimmy Stewarts Gesicht Unverständnis, Wut, Trauer und Fassungslosigkeit widerspiegeln angesichts solcher Entwicklungen im einstmals geliebten Vaterland - das lässt staunen und evoziert sogar Empathie, wenngleich hier Hollywood dabei ist, altweltliche Geschichte zu illustrieren.
Mit Ward Bond als sadistischem Nazischergen.

9/10

Frank Borzage Holocaust Nationalsozialismus Widerstand Flucht Bayern Alpen Berge Familie period piece WWII


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THE PRINCE AND THE PAUPER (William Keighley/USA 1937)


"Thank you, your majesty."

The Prince And The Pauper (Mit eiserner Faust) ~ USA 1937
Directed By: William Keighley

London, 1537: Zeitgleich mit dem englischen Thronfolger Edward VI (Robert Mauch) wird der bettelarme Tom Canty (Billy Mauch) geboren. Als sich die sich zum Verwechseln gleichenden Jungen im Alter von etwa neun Jahren durch einen ganz profanen Zufall begegnen, schließen sie rasche Freundschaft. Ein dummes Verwechselspiel sorgt dafür, dass sie fortan gezwungenermaßen die Rollen tauschen müssen, eine Situation, die der intrigante Lord Hertford (Claude Rains) trefflich für sich auszunutzen weiß. Während der unbedarfte Tom die Nachfolge des soeben verstorbenen Königs (Montagu Love) antreten soll, lernt der als Bettelknabe lebende Prinz den aufrechten Soldaten Miles Hendon (Errol Flynn) kennen, der ihm schließlich zu seinem Geburtsrecht verhilft.

Launige Twain-Verfilmung, in dem eigentlich gar nicht Flynn, der nach einer knappen Stunde überhaupt zum ersten Mal im Film erscheint, die Hauptrolle gibt, sondern die sympathischen Mauch-Zwillinge, die der alten Weise von den Kleidern, die Leute machen, neuen Zunder geben. Überhaupt nimmt sich diese Verfilmung von "The Prince And The Pauper" ganz als harmloses Familienkino aus und symbolisiert exakt das, was der Hays Code gern in flutender Quantität auf der Leinwand gehabt hätte: Sauberes, antiseptisches Unterhaltungskino, in dem selbst die Bösen (Claude Rains mit Bart und Tudor-Stramplern erkennt man ohnehin kaum) nicht wirklich böse sind und am Ende sogar noch das Weite suchen dürfen. Die schönsten Szenen des Films sind die, in denen der designierte, junge König Mäuschen bei seinen niedersten Untertanen spielen und deren Nöte und Sorgen unverblümt zu Gehör bekommen darf. Solcherlei forcierte Gehirnwäsche täte auch heute noch manchen Herrschaften mehr als wohl...

7/10

William Keighley Renaissance England Mark Twain London Doppelgänger William Dieterle period piece


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MIRAGE (Edward Dmytryk/USA 1965)


"Now that all the Westerns have gone psycho, this is the only place where you can tell who the bad guys are."

Mirage (Die 27. Etage) ~ USA 1965
Directed By: Edward Dmytryk

Dem Angestellten David Stillwell (Gregory Peck) wird nur schleichend bewusst, dass er unter einer schweren Amnesie leidet - die letzten zwei Jahre sowie entscheidende Details seines Lebens sind wie aus seinem Gedächtnis ausradiert. Dummerweise kann er dem Grund und dem Geheimnis seines Erinnerungsverlusts nicht ungestört auf die Spur kommen - einige bewaffnete Finsterlinge (Jack Weston, George Kennedy) verfolgen ihn und verlangen Dinge von ihm, deren Sinn er selbst nicht versteht. Was hat der geheimnisvolle "Major" mit dem Ganzen zu tun? Und was der Selbstmord des berühmten Pazifisten Charles Calvin (Walter Abel)?

Recht hübscher, ein wenig an Stanley Donens elegante Filme "Charade" und "Arabesque" (in welchem Peck in direkter Folge von "Mirage" auftrat) erinnernder Krimi aus den paranoiden Mittsechzigern, dessen innovative Montagetechnik jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Story, wenn auch neu durchdekliniert, im Prinzip aus der Mottenkiste des Genrefilms stammt. Und nicht allein das: Gregory Peck spielt exakt dieselbe Rolle, die er genau zwanzig Jahre zuvor in Hitchcocks "Spellbound" zu geben hatte; die eines durch ein Schockerlebnis amnesisch gewordenen Unfallopfers, das ein kompliziertes Erinnerungspuzzle zusammenzusetzen hat, um dann einer bösen Verschwörung auf die Spur zu kommen. Während Hitch das Thema jedoch etwas radebrechend als Illustration der Psychoanalyse vorschob, geht es "Mirage" eher um die kriminalistischen Inhalte - wie die Ära es vorschreibt, kommen gewissenlose Militärs mitsamt ihren Gorillas und natürlich die Atombombe darin vor. Der Weltfrieden liegt unter steter Bedrohung, nach wie vor. Als Schmankerl präsentiert der bald darauf ins europäische Kino emigrierte Dmytryk einen gut aufgelegten Walter Matthau als Privatschnüffler, der seinen aus "Charade" resultierenden Misstrauens-"Bonus" wieder etwas wett machen kann. Ansonsten gibt es in dieser Filmgattung bessere Werke. Aber auch massig deutlich schlechtere.

7/10

Edward Dmytryk Kalter Krieg Atomkraft Amnesie


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FATAL BEAUTY (Tom Holland/USA 1987)


"Don't call me bitch."

Fatal Beauty ~ USA 1987
Directed By: Tom Holland

Detective Rita Rizzoli (Whoopi Goldberg) vom LAPD hat eine ganz persönliche Motivation, mit den Drogengangstern der Stadt aufzuräumen. Dabei sind ihr sowohl ihre locker sitzende Knarre als auch ihr freches Mundwerk jeweils große Hilfen. Als sie den schwerreichen Unternehmer Kroll (Harris Yulin) als einen der Hauptvertreiber des neuen, höchst gefährlichen Rauschgifts 'Fatal Beauty' ausmacht, stehen die Karten für diesen schlecht, besonders, da sich einer seiner Leibwächter (Sam Elliott) mit Rita zusammentut.

Urtypischer L.A.-Actionthriller aus den späteren Achtzigern, mittels dessen nach "Jumpin' Jack Flash" nochmal offensiv-forciert probiert wurde, die damals aufstrebende Whoopi Goldberg als weibliches Eddie-Murphy-Pendant zu hypen. In diesem Falle geht die Tendenz stark in Richtung "Beverly Hills Cop" - wie Axel Foley ist auch Rita Rizzoli als selbstbewusste dunkelhäutige Polizistin der Albtraum aller weißen Mittelstandsamerikaner, sie pflegt zudem ethnische Vorbilder und kombiniert sie mit ihrem eigenen Stil, fährt ein verbeultes altes Cabrio, reißt die Klappe auf bis dorthinaus und ist kaum durch etwas zu stoppen. Dazu gibt es sogar noch Musik von Harold Faltermeyer. Dennoch blieb Hollands auch formal durchaus professionell weithin erfolglos. Zum Einen war der Polizeifilm als Männerdomäne noch nicht reif, von Flippi-Whoopi geknackt zu werden, zum anderen passt das im Grunde harmlose Gusto der Story, das den tausend anderen Buddy Movies dieser und der Folgedekade, von "48 Hrs." bis "Turner & Hooch" entlehnt ist, nicht ganz zu den durchaus nicht jugendfreien, blutigen Shoot-Outs, derer es einige im Film zu bewundern gibt. Zudem gehen einmal kurz alle Lichter aus, als Whoopi ihrem Filmpartner Sam Elliott (das Beste an "Fatal Beauty") ihre schmutzige Vergangenheit beichtet - eine "Color-Purple"-Reminiszenz, die voll daneben liegt. Ansonsten ein guter, gewalttätiger Spaß für alle Freunde polierter, bleigeschwängerter cop movies.

5/10

Tom Holland Los Angeles Drogen Buddy Movie


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WESTBOUND (Budd Boetticher/USA 1959)


"I'd appreciate that."

Westbound (Messer an der Kehle) ~ USA 1959
Directed By: Budd Boetticher

Während des Sezessionskrieges wird der Unionsoffizier John Hayes (Randolph Scott) mit der Spezialmission betraut, eine für die Armee strategisch wichtige Postkutschenstation der Overland-Linie in dem Nest Julesburg, Colorado aufzubauen, um von dort aus die Goldtransporte von Kalifornien nach dem Osten besser überwachen und vor konföderierten Plünderern sichern zu können. Zusammen mit dem jungen Kriegsinvaliden Miller (Michael Dante) und dessen Frau (Karen Steele) gelingt das Vorhaben, doch der südstaatentreue Stadtobere Putnam (Andrew Duggan), ein alter Rivale von Hayes, der zudem dessen frühere Geliebte (Virginia Mayo) geheiratet hat, versucht mit allen Mitteln, Hayes' Aktivitäten in Julesburg zu durchkreuzen. Dabei unterstützen ihn besonders der rücksichtslose Bandit Mace (Michael Pate) und dessen Gang.

"Westbound", der fünfte Beitrag des insgesamt siebenteiligen "Boetticher-/Scott-Zyklus", gilt gemeinhin als schwächster Film jener kleinen Serie, die, für vergleichsweise geringes Geld produziert, durchweg gewisse thematische und formale Analogien aufweist und gemeinhin als geheime Meisterwerke des Genres und Spitzenkollaborationen eines Regisseurs und seines Leibdarstellers gilt; ähnlich wie bei Ford/Wayne oder Mann/Stewart. Augenscheinlich war Boetticher selbst nicht ganz mit "Westbound" zufrieden. Zum Einen schätzte er die ausnahmsweise Arbeit für Warner nicht, zum Anderen vermisste er seinen obligatorischen Mitstreiter Burt Kennedy als Scriptautor. Entsprechend oberflächlich die psychologische Zeichnung der Figuren: Scott ist als alternder Kriegsheld deutlich schattierungsärmer und simpler gezeichnet als seine oftmals zerrissenen, nach Rache dürstenden Einzelgänger in den übrigen Filmen der Reihe. Zudem fungiert er eher als väterlicher Freund des jungen Ehepaars im Film, wobei, daran lässt das Ende nur wenig Zweifel, er vermutlich und pikanterweise schließlich die wesentlich jüngere, ihm nachschmachtende Witwe heiraten wird. Auch bemäkelte Scott, dass ihm auf Seiten der Finsterlinge kein Haudegen vom Schlage eines Lee Marvin oder Claude Akins zur Verfügung stand.
Doch, wie sagt man so schön: Das alles ist Jammern auf hohem Niveau. Ein Western von Boetticher, mit Schmiss und Schwung inszeniert, stets fesselnd und unterhaltend, ist auch ohne das letzte Glanzfinish immer noch ein besserer Genrefilm als achtzig Prozent aller übrigen Genrefilme.

7/10

Budd Boetticher Sezessionskrieg Militär Colorado





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Funxton

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