Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

TATORT - SCHWARZES WOCHENENDE (Dominik Graf/BRD 1986)


"Ich hab' Zeit."

Tatort - Schwarzes Wochenende ~ BRD 1986
Directed By: Dominik Graf

Ein schwarzes Wochende für Schimanski (Götz George): Nachdem er Zeuge wurde, wie ein amoklaufender Geiselnehmer (Martin May) sich selbst mit einer Handgranate in die Luft gejagt hat, gerät er in die blutige Fehde der Möbelfabrikanten-Familien Möhlmann und Hencken, die mehrere Todesopfer fordert. Dabei ist der Auslöser des jüngsten, harschen Familienstreits eigentlich ein denkbar banaler...

Der erste von bislang zwei "Tatort"-Filmen, die Dominik Graf inszeniert hat. Sowohl in inhaltlicher als auch in inszenatorischer Hinsicht übersteigt "Schwarzes Wochenende" deutlich die bisherigen zwölf Duisburg-Beiträge der Reihe. Graf meistert die Gratwanderung zwischen einer Spiegelung des Innenlebens Schimanskis, der sich hier im Gegensatz zu seinem eher diametral charakterisierten Kollegen und Freund Thanner (Energhard Feik) als sehr angreifbar und verletzlich zeigt, wenn es um die Gewalt-Ausübung bei der Feld-Arbeit geht. Aus genau diesem Umstand bezieht "Schwarzes Wochenende" ja überhaupt erst Idee und Titel. Ingesamt gibt es nicht weniger als vier Mordopfer zu beklagen - deutlich mehr als gewohnt - und jedes einzelne davon nimmt Schimanski als weitere, persönlich eingeschätzte Fehlleistung nur noch umso mehr mit. "Das nächste Mal bin ich rechtzeitig zur Stelle," flüstert er nach der Entdeckung des gewaltsamen Todes von Vera Karpinski (Mariele Millowitsch) - und behält - Graf gesteht im zumindest das zu, vor dem endgültigen moralischen Rückgratbruch - Recht. Danach konnte dann alles wieder eine Spur entspannter und komplexitätsreduzierter angegangen werden. Zumindest bis zu Grafs erschütterndem 95er-Meisterwerk "Frau Bu lacht".

9/10

Dominik Graf Schimanski Tatort TV-Film Duisburg Ruhrpott Familie Fehde


Foto

TATORT - DAS HAUS IM WALD (Peter Adam/BRD 1985)


"Du hast jetzt Funkstille, Kaffer."

Tatort - Das Haus im Wald ~ BRD 1985
Directed By: Peter Adam

Schimanski (Götz George) wird just in der Nacht vor einem Gerichtstermin, bei dem er als Hauptzeuge gegen einen Unterweltboss aussagen soll, von der mysteriösen Ulla Mangold (Christiane Lemm) in eine Stadtkneipe bestellt. Ulla bittet Schimmi um Hilfe bezüglich ihres Ehemannes, des Entrhüllungsjournalisten Michael "Mungo" Mangold (Nicholas Brieger): Dieser hat offenbar wichtige Beweise gegen die Machemschaften eines Kaffefahrten-Unternehmers gesammelt. Schimanski soll Ulla nach Hause zu begleiten, wo er die entsprechenden Unterlagen sichten könne. Im abgelegenen Haus der Mangolds angekommen, ist der Ermittler zum Dortbleiben und Übernachten gezwungen, denn Ullas Wagen springt nicht mehr an. Am nächsten Morgen fallen plötzlich Schüsse aus dem angrenzenden Wald. Zusammen mit dem Milchlieferanten Franz (Dominic Raacke) finden sich Ulla und Schimanski im Haus eingeschlossen und belagert, ohne die Möglichkeit der Kontaktaufnahme nach draußen. Glücklicherweise wird Thanner (Eberhard Feik) schon bald stutzig...

Ein recht ungewöhnlicher Beitrag zur Reihe, der hermetischen, kammerspielartigen Handlungsprämisse, des, mit Ausnahme der Parallel-Ermittlungen von Thanner, strikt eingegrenzten Schauplatzes sowie der überschaubaren Personalsituation wegen. "Das Haus im Wald" begreift sich als Hommage an all die großen Belagerungs-Filme des Kinos, von "Escape From Fort Bravo" über "Rio Bravo" und "Night Of The Living Dead" bis hin zu "Assault On Precinct 13": Eine unüberblickbare Anzahl fast durchweg anonymer Gegner wartet im Verborgenen, um die kleine "Heldenschar" der Eingeschlossenen wahlweise zu erpressen, zu dezimieren, oder gleich komplett auszuradieren - im Zweifelsfall alles drei. Hauptbösewicht in "Das Haus im Wald" ist ein gelackter, psychotischer Drogendealer namens Sonny (Andras Friskay), dessen überborderndes, größenteils improvisiert wirkendes Overacting genau den beabsichtigten Effekt erzielt: Man hat schlichtweg Angst vor seiner potenziell irrationalen Handlungsweise, seiner Unberechenbarkeit. Adams Film geriert sich deutlich spannender als das Gros der übrigen Schimanski-Tatort-Filme, was auch von immenser Bedeutung ist, da der sonst übliche, charakteristische Milieu-Effekt der Sub-Serie hier fast völlig außen vor gelassen wird. Da bedarf es anderer Reizauslöser, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. In einer schönen Nebenrolle als Drogenfahnder dabei: Rolf Zacher.

8/10

Tatort Peter Adam Schimanski Duisburg Wald Belagerung TV-Film Drogen Heroin


Foto

THE MERCENARIES (Jack Cardiff/UK, USA 1968)


"Piss off!"

The Mercenaries (Katanga) ~ UK/USA 1968
Directed By: Jack Cardiff

Kongo, zu Beginn der sechtiger Jahre: Kurz nach dem Abzug der belgischen Kolonialregierung herrscht Aufruhr und Anarchie im Land. Die Söldner Curry (Rod Taylor) und Ruffo (Jim Brown) sollen im Auftrage einer Mining Company und des kongolesischen Präsidenten Ubi (Calvin Lockhart) eine Gruppe Kolonialisten sowie ein größeres Kontigent Diamanten aus einer von Rebellen kontrollierten Zone herausholen. Dazu steht ihnen ein Güterzug zur Verfügung sowie eine mittelmäßig ausgebildete Soldatengruppe, der der nazistische Offizier Henlein (Peter Carsten) vorsteht. Während Curry von dem ursprünglich im Lande beheimateten Ruffo Manches über Moral und menschliche Integrität lernt, schmiedet Henlein bereits eigene Pläne bezüglich der Diamanten. Nachdem der Auftrag unter harten, besonders zivilen Verlusten durchgeführt werden konnte, schlägt Henleins Stunde...

Beinharter Söldnerkracher, der immerhin zehn Jahre vor McLaglens "The Wild Geese" nahezu alles Wichtige zum Thema formuliert und zeigt - in Bildern freilich, deren Farbkompositionen lediglich die Kategorsierung 'Poesie' gerecht wird; die, wenngleich sichtlich nicht in Afrika, sondern in der Karibik aufgenommen, der visuellen Sprache eines Jack Cardiff würdig sind. Wobei das Kameragenie es hier beim Inszenieren belassen hat. Dennoch wird der Mastermind sich nicht lumpen lassen haben, hier und da auch einmal eine Einstellung vorzunehmen. "The African Queen" lässt grüßen.
An "The Mercenaries" ist neben seiner Bildpracht jedoch noch vieles andere denkwürdig: Sein antirassistischer Habitus etwa, der freilich um den Preis einer deutlich expliziteren Gewaltdarstellung als damals im Studiofilm üblich, seinen Platz einnahm; die Musik Jacques Loussiers und die feine Besetzung, innerhalb derer man auch die schöne Yvette Mimieux oder den altgedienten Hammer-Recken André Morell antrifft. Die Jahre haben "The Mercenaries" ein wenig von seiner früheren Wuchtigkeit einbüßen lassen, dennoch ist und bleibt er einer der elementaren Urväter des in den Folgejahrzehnten zur Blüte gereiften Söldnerfilms.

8/10

Jack Cardiff Afrika Kongo Söldner Diamanten


Foto

TATORT - DOPPELSPIEL (Hajo Gies/BRD 1985)


"Jetzt ma' langsam hier, Bruder..."

Tatort - Doppelspiel ~ BRD 1985
Directed By: Hajo Gies

Über den anscheinenden Selbstmord einer depressiven, jungen Frau stoßen Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik) auf die global existente Sekte "Kirche der Gemeinschaft", deren Stifter, ein Südkoreaner, in den Staaten lebt. Verteter der Gruppe im Duisburger Raum ist der gelackte Gassmann (Franz Buchrieser), der jede Beteiligung der Sekte am Tod der Frau leugnet und auch ihren gestörten Ehemann, den Makler Stark (Wolf-Dietrich Sprenger) in Schutz nimmt. Doch sind die Methoden der Sekte Schimanski nicht geheuer. Und siehe da: Bald stößt er hinter den Kulissen auf Drogen- und Waffengeschäfte. Zusammen mit der Aussteigerin Ann Silenski (Angelika Bartsch) kommt Schimmi Gassmann auf die Schliche.

Wenngleich das Mitte der Achtziger nochmal boomende Sektenwesen als periodisches Sujet eines Schimmi-Klassikers durchaus seinen Reiz besitzt, muss der Film zu den unausgereiftesten der Serie gezählt werden. Die Handlung wurde mühselig um das Sektenthema herumgestrickt und mit dem banalen TV-Krimi-Rahmen und illegale Deals kontextualisiert. Dabei konnte man es sich nicht verkneifen, der (akzentuiert) antikommunistischen Gruppierung ein intensives Martial-Arts-Training zu verordnen, wobei die entsprechenden Sequenzen wirken, wie aus dem Christian-Anders-Heuler "Brut des Bösen" abgeschaut. Da speziell Gies - man merkt es der oftmals desinteressierten Inszenierung deutlich an - "Doppelspiel" merklich wenig ernst nimmt und ihn scheinbar als Schnellschuss und/oder Abschreibungsproduktion begreift, bleibt sein Film bis auf ein paar mittelmäßige bis gute Gags, die sich vor allem aus dem respektlosen bis beleidigenden Umgang Schimanskis mit den Religionsheinis ergeben, eher farblos.

5/10

Tatort Schimanski TV-Film Hajo Gies Duisburg Ruhrpott Sekte


Foto

TATORT - KIELWASSER (Hajo Gies/BRD 1984)


"Man tut, was man kann."

Tatort - Kielwasser ~ BRD 1984
Directed By: Hajo Gies

Der Internist Dr. Waldorf (Felix von Manteufel) platzt mit einer Mordanklage in Schimanskis (Götz George) und Thanners (Eberhard Feik) Büro. Der Industrielle Baumgarten (Hermann Treusch) habe den alternden Schiffer Kaiser so lange ungeschützt mit chemischem Giftmüll hantieren lassen, bis dieser irgendwann an Krebs gestorben sei. Zudem müsse Waldorf nun selbst um sein Leben fürchten - just dieser Anschuldigung wegen. Schimanski und Thanner wimmeln den hysterischen Mann ab. In der folgenden Nacht wird Waldorf ermordet aufgefunden. Der Hauptverdächtige Baumgarten gibt sich den Anschein des respektablen Großbürgers, was Schimanski alles andere als behagt.

Schimmi als Öko-Cop. Dass der Pott stinkt, rußig ist und grau, versucht "Kielwasser" gar nicht zu verheimlichen - im Gegenteil macht er ganz klar, dass dies einer typische Prä-Strukturwandels-Charaktereigenschaft der Region ist. Dennoch: als irgendwann blutrote Toxine in den Rhein sprudeln, wird es selbst dem unverwüstlichen Kommissar zu viel. Schließlich will man hier auch in dreißig Jahren noch ungestört seine Currywurst mit Pommes essen. Dass ausgerechnet ein Lackaffe wie der arrogante Baumgarten - ein gespuckter Antagonist für Schimanski (den man bald darauf in der Figur des von Charles Brauer gespielten Grassmann in "Zahn um Zahn" nochmal reanimierte) - verantwortlich ist für all dieses üble Gestinke, kommt dem Mann mit der Rotzbremse nur gelegen. Trotzdem, Selbstjustiz lässt Schimmi - hier(!) - noch nicht durchgehen. Dafür trinkt er mit der würdevollen Vigilantin (Elizabeth Kasa) noch einen letzten Kaffee, bevor er sie schweren Herzens einbuchten muss.

8/10

Tatort Schimanski Hajo Gies TV-Film Hafen Duisburg Ruhrpott Umweltverschmutzung Rhein


Foto

THE COURT-MARTIAL OF BILLY MITCHELL (Otto Preminger/USA 1955)


"Just because you read a lot of books about golf, doesn't make you a good golfer."

The Court-Martial Of Billy Mitchell (Verdammt zum Schweigen) ~ USA 1955
Directed By: Otto Preminger

Der im Ersten Weltkrieg hochdekorierte Kampfflieger Colonel Billy Mitchell (Gary Cooper) moniert schon seit Längerem die maroden Zustände innerhalb der amerikanischen Luftwaffe. Mehrere Verwarnungen wegen Insubordination sorgen da kaum für Entspannung. Als sein alter Freund Zack Lansdowne (Jack Lord) einen unnötigen Tod während eines Manöverflugs mit einer völlig veralteten Maschine stirbt und auch einige Mitglieder von Mitchells eigener Flugstaffel das Leben lassen müssen, beruft der Offizier eine unautorisierte Pressekonferenz ein, in der er ganz offen den katastrophalen status quo der Air Force anprangert. Wegen Untreue gegenüber der Armee kommt Mitchell vor ein Militärgericht, das viel Aufsehen erregt und in dem unter anderem seine visionäre Analyse der künftigen Fliegereirolle im Kriegswesen (unter anderem sagt Mitchell minutiös den Angriff auf Pearl Harbor voraus) deutlich wird, das schließlich jedoch mit seinem Ausscheiden aus dem Kampfverband endet.

Weniger spannender denn geschichtsbewusster Gerichtsfilm, der sich einmal mehr auf die Suche nach unbesungenen amerikanischen Heldenfiguren macht, die, wären sie ihrer inakzeptablen Hexenjagd entgangen und hätte man sie bloß gelassen, Großes hätten leisten können. In dieser naiven Selbstüberzeugung ist "The Court-Martial Of Billy Mitchell" mit dem alten Nationalheroen Gary Cooper unerschütterlich und auf rührende Art sympathisch. Immerhin - Billy Mitchells Bestandsaufnahmen der Luftwaffen-Situation in den frühen Zwanzigern zogen einen mittelfristig großen Effekt nach sich. Zu dieser Zeit, und darin ist Premingers Film am Interessantesten, erschienen technologisch absehbare Fakten den Kommissköpfen der Admiralität als pure, futuristische Spinnerei. Der Überschallflug, gar die pausenlose Überquerung des Ozeans oder allein das Flugzeug als Linienverkehrsmittel hielten die Ankläger Mitchells für völlig undenkbar. Abgesehen davon, dass es Mitchell vor allem um die Sanierung und Etablierung der Air Force als elementares drittes Standbein des Heers ging, war er ein heller Kopf mit einigem Potenzial. Dass Cooper ihn im Film darstellen darf, ist diesem Eindruck nochmal überaus zuträglich.

7/10

Otto Preminger Fliegerei Militär Courtroom period piece Historie Biopic


Foto

SHATTERED (Wolfgang Petersen/USA 1991)


"That could keep a guy on his toes, huh?"

Shattered (Tod im Spiegel) ~ USA 1991
Directed By: Wolfgang Petersen

Nach einem schweren Autounfall in den Bergen leidet der Industrielle Dan Marrick (Tom Berenger) nicht nur an einem völlig entstellten Gesicht, sondern zudem an Gedächtnisverlust. Er kann sich nicht mehr an seine eigene Identität erinnern und muss erst nach und nach wieder lernen, im Leben zurecht zu kommen. Dabei unterstützt ihn seine liebevolle Frau Judith (Greta Scacchi). Nachdem Dans Gesicht von der plastischen Chirurgie komplett wiederhergestellt werden konnte und er gerade dabei ist, sich wieder in seinen früheren Alltag einzugliedern, stößt er auf den Detektiv Gus Klein (Bob Hoskins), den Dan offenbar vor dem Unfall mit dem Auftrag betraut hatte, Judith eine Affäre mit einem gewissen Jack Stanton (Scott Getlin) nachzuweisen. Es ist also doch nicht alles so eitel Sonnenschein wie es scheint, zumal Stanton mitnichten verschwunden ist, sondern sich bald wieder in das Leben der Merricks einmischt...

Eher trivialer Kriminalfilm, der sich wohl primär als Hommage an Hitchcock und die schwarze Serie versteht, insgesamt jedoch allzu oberflächlich und nachlässig bleibt, als dass er wirklich begeistern könnte. Am besten funktioniert "Shattered" immer noch als bares Erzählkino, denn die mit einem schönen twist versehene Story, der man beim ersten Mal noch mit einiger Atemlosigkeit folgt, ist recht spannend konstruiert und wird auch entsprechend wiedergegeben. Ist die Auflösung jedoch einmal bekannt, bleibt nicht allzu viel übrig, was das wiederholte Ansehen des Films reizvoll macht. Da wären immerhin ein paar gekonnte Einstellungen von dem wortwörtlich nebulösen Schiffswrack oder vom nächtlichen San Francisco nebst seiner Brücke. Petersens zweite reine Hollywood-Produktion nach "Enemy Mine" demonstriert jedoch vor allem eines: die überdeutlichen Bemühungen des Regisseurs, sich von seiner deutschen (Film-)Vergangenheit zu emanzipieren. Dabei soll ergo alles möglichst amerikanisch wirken und aussehen; der interkontinental-distanzierte Blick bleibt jedoch stets allgegenwärtig - ein Umstand, den erst Petersens nächster Film, "In The Line Of Fire", endgültig ausräumen konnte. Manches läuft auch über die unsympathische Darstellerriege quer. Mit Ausnahme von Bob Hoskins, der nach "Who Framed Roger Rabbit" gleich nochmal den bewährten, im Trüben fischenden Schnüffler mit Herz zu geben hatte, und dies erwartungsgemäß erfolgreich, hat man es durch die Bank mit Akteuren und Aktricen zu tun, die sich ihre Meriten nicht umsonst allesamt in Bösewichtsrollen verdient haben. Ich habe Tom Berenger im Grunde nie etwas anderes abgenommen als den ewigen Sergeant Barnes.

6/10

Wolfgang Petersen Amnesie San Francisco film noir neo noir


Foto

THE MAN FROM THE ALAMO (Budd Boetticher/USA 1953)


"That's the answer you're going to get."

The Man From The Alamo (Der Mann aus Alamo) ~ USA 1953
Directed By: Budd Boetticher

Texas, 1836: In Fort Alamo stehen die letzten Überlebenden gegen die Truppen General Santa Annas. Um den Farmen und Familien der Milizkämpfer weiter nördlich gegen den drohenden mexikanischen Ansturm zu beschützen, wird John Stroud (Glenn Ford) per Losverfahren ausersehen, Alamo zu verlassen und in der Heimat nach dem Rechten zu sehen. Dort angelangt, muss Stroud feststellen, dass sämtliche Farmen dem Erdboden gleichgemacht und ihre Bewohner wurden - von amerikanischen Banditen in mexikanischer Kleidung, wie er von dem Waisenjungen Carlos (Marc cavell) erfährt. Im benachbarten Städtchen Franklin machen sich die Bewohner derweil soeben auf, vor den Mexikanern zu fliehen - Alamo ist gefallen. Als bekannt wird, dass Stroud kurz zuvor von dort weggeritten ist, wird er als Feigling und Deserteur gebrandmarkt. Doch er kann fliehen, die verhassten Gangster aufspüren und seine ehrliche Gesinnung beweisen.

Das Boetticher immer wieder begegnende Thema des loners, der seine Frau oder seine Familie an skrupellose Bösewichte verloren hat und sich nun auf einen blutigen Rachefeldzug begibt, findet auch in "The Man From The Alamo" seinen Platz. Ein harter, gänzlich humorfreier Western ist dieser geworden, zwar eher routiniert und noch nicht ganz so formvollendet wie die späteren Filme mit Randolph Scott, aber doch von einiger Qualität. Nicht nur um Rache, Schuld und Sühne geht es allerdings bei Boetticher, auch um die Reinwaschung des guten Namens des Helden - oftmals befindet sich dieser nämlich in einer schicksalhaften, prekären Situation, die ihn in einem völlig falschen Licht dastehen lässt, das erst wieder zurecht gerückt werden will - so auch in "The Man From The Alamo", in dem es um Feigheit vor dem Feinde und damit auch gegenüber der Heimatflagge geht. John Stroud ist allerdings viel zu stolz, um gegen die populistische Dummheit seiner Widersprecher anzugehen sowie, erschüttert über den Verlust seiner Familie und seines KJampfes, schon bereit, sein Verleumdungs-Schicksal anzunehmen. Schließlich bestimmt aber doch der Wunsch nach Gerechtigkeit sein Wirken. Glenn Ford, eher der hausmännliche, bürgerliche Typ, war nie ganz der große Star wie seine Kollegen, dennoch zählen viele seiner Western zu den bemerkenswertesten Genrebeiträgen. Warum das so ist, demonstriert Boettichers Film wieder einmal zur Genüge.

7/10

Budd Boetticher Alamo Texas Rache


Foto

OFFSPRING (Andrew van den Houten/USA 2009)


"Baby!"

Offspring (Jack Ketchums Beutegier) ~ USA 2009
Directed By: Andrew van den Houten

Eine verwilderte Kannibalensippe macht bereits seit vielen Jahren den gesamten Küstenstreifen Neuenglands unsicher. Vor elf Jahren schienen die Unholde, nachdem sie entdeckt und von Sheriff George Chandler (Art Hindle) dezimiert wurden, von der Bildfläche verschwunden. Jetzt tauchen sie jedoch wieder auf - auf der Suche nach Menschenfleisch für die Vorratshöhle und insbesondere nach zarten Babys. Als George Chandler vom Wiederauftauchen der Kannibalen erfährt, macht er sich erneut auf die Jagd.

Mit "Offspring" wurde ausgerechnet und letztlich unsinnigerweise der zweite Teil von Jack Ketchums bisher drei Romane umfassenden Kannibalensaga erstadaptiert. Im Gegensatz zum letztjährig verfilmten Zweitsequel "The Woman", in der die letzte Überlebende (Polyanna McIntosh) des Stammes gefangen und ausgerechnet von einer nicht minder barbarischen Zivilisationsabordnung domestiziert werden soll, erscheint mir "Offspring", der Film, momentan leider einigermaßen leer und gleichgültig. Dennoch teile ich die überwiegend negativen Stimmen nicht so ganz, denn der überaus raue Ton der Geschichte erscheint wiederum wenig selbstzweckhaft, sondern als gegebenes Faktum, was wohl auch der Mitwirkung Ketchums himself an dem Projekt zuzuschreiben ist. Man wird ziemlich gnadenlos in die Story der marodierenden Menschenfresser hineingeschubst und rasch wird bereits der erste Oberschenkel abgenagt. Natürlich flößt auch hier wiederum ein vordergründig respektiertes Gesellschaftsmitglied (Erick Kastel), das förmlich nach Bestrafung schreit, dem Betrachter einen wesentlich subtileren Schrecken ein als die "lediglich" ihrer autoevoultionären Natur folgenden Kannibalen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die seltsam unbeteiligte Inszenierung des Regisseurs vielleicht doch eher als positiv angesichts des grellen Stoffes werten soll. Irgendwie gehe ich jedenfalls mit dem unwillkürlichen Gefühl schwanger, mit "Offspring" noch nicht ganz fertig zu sein. Werde ich mir bald nochmal anschauen und den Eintrag dann vielleicht überarbeiten oder entgegen meinen üblichen Gewohnheiten einen zweiten schreiben.

6/10

Andrew van den Houten Kannibalismus Jack Ketchum Maine Wald Splatter


Foto

RED (Trygve Allister Diesen, Lucky McKee/USA 2008)


"You don't always need to see the truth to know it."

Red ~ USA 2008
Directed By: Trygve Allister Diesen/Lucky McKee

Red, der vierzehnjährige Mischlingshund des alternden Ladenbesitzers Avery "Ave" Ludlow (Brian Cox) wird aus rein sadistischem Vergnügen während eines von Aves Angelausflügen von drei Jugendlichen erschossen. Zwei von ihnen (Noel Fisher, Kyle Gallner) sind die Söhne des arroganten Neureichen McCormack (Tom Sizemore), der unbeirrt zu seinen Sprösslingen steht. McCormack hat zudem auch die Eltern (Robert Englund, Amanda Plummer) des dritten Beteiligten (Shiloh Fernandez) in der Tasche. Mit seinem Wunsch nach einer bloßen Entschuldigung und Rechtfertigung für die sinnlose Tat steht Ave ergo allein da. Selbst sein alter Anwaltskumpel Sam (Richard Riehle) und die von diesem eilends herbeigerufene Boulevardjournalistin Carrie (Kim Dickens) können ihm nicht helfen, im Gegenteil: Je mehr Ave bei McCormack insistiert, desto schärfer werden dessen Attacken gegen Aves Hab und Gut. Als Ave schließlich mit dem Körper des toten Red bei den McCormacks auftaucht, eskaliert die Situation.

Da glaubt man blauäugig, "Gran Torino" und "Harry Browwn" hätten den Rentnerthriller spektakulär revitalisiert und erfährt dann mit zwei Jahren Verspätung, dass diese Ketchum-Verfilmung namens "Red" längst denselben Weg eingeschlagen hatte, und das schon ein gutes Jahr zuvor und in nicht minder hervorragender Weise. Leider ist der Film von Diesen und McKee im Vergleich zu seinen beiden Nachzüglern - auch von mir - sträflich missachtet und vernachlässigt worden. Man kann sich bereits im Vorhinein ausmalen, dass der kantige, bärbeißige Brian Cox Eastwood und Caine in Nichts nachsteht und wird darin auch vorbehaltlos bestätigt. Allerdings geht es bei ihm, Vietnam-Veteran und in der provinziellen Gegend beliebter Kauz, nicht so sehr um den offensiven Widerstreit gegen das Altenteil. Jedoch verlegt er, eine Art alternder Michael Kohlhaas der US-Provinz, sich, genau wie Walt Kowalski und Harry Brown, irgendwann auf die Selbstjustiz, als er resignierend zu registrieren hat, dass Law and Order viel leisten, aber nichts für einen allein lebenden Hundebesitzer, der seinen besten Freund vom Baby- bis ins Seniorenalter stets an seiner Seite hatte und dessen Gegenwart zudem das letzte lebendige Relikt einer einstmals glücklichen Familie symbolisiert.
Wie "The Girl Next Door" verkneift sich auch "Red" jedwedes Exploitation-Element, bleibt stets gediegen und moderat gegenüber seinem Personal und zirkuliert mehr im dramatischen Fach denn im Thrillergenre. So oder so ein höchst sehenswerter Film, der, da hatte Freund Pasheko absolut Recht, mir als Hundefreund besonders das Herz hatte berühren können. Und nicht nur dieses: Das wunderschöne, hoffnungsvolle Ende öffnete mir sämtliche Schleusen und ließ mich hemmungslos Rotz und Wasser heulen.

8/10

Tryve Allister Diesen Lucky McKee Hund Familie Rache Jack Ketchum





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare