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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ROAD TO PERDITION (Sam Mendes/USA 2002)


"I'm glad it's you."

Road To Perdition ~ USA 2002
Directed By: Sam Mendes

Im Winter 1931 gerät Michael Sullivan (Tom Hanks), Auftragskiller für die irische Mafia, in Konflikt mit seinem Boss und Ziehvater John Rooney (Paul Newman). Dessen leiblicher Sohn Connor (Daniel Craig), ein gieriger Soziopath, Neider und Alkoholiker, entfesselt eine Intrige gegen Sullivan und ermordet dessen Frau (Jennifer Jason Leigh) und jüngsten Sohn (Liam Aiken). Sullivan flüchtet mit seinem Ältesten, Michael Jr. (Tyler Hoechlin), und setzt, Rache schwörend, das gesamte Syndikat bis hinein in die Machthallen Capones in Chicago unter Druck, indem er Teile von deren Einnahmen und Finanzbücher stiehlt. Sullivan will Connor Rooneys Tod um jeden Preis und geht dafür über Leichen.

Sam Mendes' zweiter Film, die Verfilmung einer DC-Graphic-Novel, ähnelt im Hinblick auf seine Qualitäten und Nachlässigkeiten dem Vorgängerwerk "American Beauty". Wiederum sind Zurückhaltung und Reserviertheit des Briten deutlich zu spüren, der sich förmlich zu mühen scheint, allzu emotionale Elemente aus seiner Arbeit auszuklammern und das Hauptaugenmerk stattdessen auf die formale Kraft des Werkes zu legen. In diesem Punkt sind sich der Film und Max Allan Collins' Comic nicht einmal unähnlich. Den Bruch stellt erwartungsgemäß Tom Hanks dar. Der Michael Sullivan der Vorlage ist eine gefürchtete mörderische Naturgewalt, deren Entfesselung in etwa der Ankunft eines apokalyptischen Reiters gleichkommt. Dieses Element versucht der Film, hinüberzuretten, gestattet sich dann aber doch eine gewisse Weichzeichnung von Hanks' Charakter und Spiel. Die schonungslose Härte und Konsequenz der Graphic Novel wandelt sich - ganz offensichtlich zu Hanks' "professionellen Gunsten" - in eine differenzierte, hier und da sogar durch augenzwinkernde Intermezzi aufgelockerte Vater-Sohn-Geschichte und lässt einen Schuss "Paper-Moon"-Romantik in das Geschehen einfließen. Dem gegenüber stehen Weltklasse-Momente wie die nächtliche, regennasse Exekutierung des alten Rooney (ein abschließendes Geschenk für Paul Newman und sein letztes Geschenk an die Welt) und seiner Gorillas: Mendes lässt irgendwo aus dem dunklen, unfokussierten Hintergrund heraus Sullivans Thompson aufblitzen wie ein höllisches Fanal, derweil Rooney ohne ein Augenzwinkern seinen stillen Frieden mit Gott machen kann. Hätte "Road To Perdition" die ebenso denkwürdige wie gewalttätige Poesie dieser einen Szene auf seine Gesamtausführung projiziert, er wäre wahrscheinlich ein Meisterwerk geworden. So reicht es immerhin noch für ein unterhaltsames Gangsterpiece und auch eine - leider - vertane Chance.

7/10

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AMERICAN BEAUTY (Sam Mendes/USA 1999)


"Welcome to America's weirdest home videos."

American Beauty ~ USA 1999
Directed By: Sam Mendes

Mit 42 realisiert der Vorstadtbewohner und Familienvater Lester Burnham (Kevin Spacey), dass sein Leben nurmehr ein Schutthaufen ist. Seine Frau Carolyn (Annette Benning), eine erfolglose Immobilienmaklerin, hat die Spießigkeit zu ihrer Privatreligion erklärt und seine fünfzehnjährige Tochter Janie (Thora Birch) ist ein Musterbeispiel der Generation "Emo". Als Lester in Janies Freundin Angela (Mena Suvari) sein persönliches Lustfanal entdeckt und parallel dazu nebenan die Familie Fitts einzieht, ändert sich alles. Deren Sohn Ricky (Wes Bentley), etwas älter als Jane, kultiviert das letzte bisschen an Rebellion, das es im Amerika vor der Jahrtausendwende überhaupt noch zu kultivieren gibt: Er dealt im vergleichsweise großen Stil mit Marihuana und ist dazu Amateurkunstfilmer. Seinem fanatischen Vater Frank (Chris Cooper), Marine-Offizier denkbar härtester Prägung, hat er gelernt, aus Selbstschutzgründen stets das Wort zu reden, da Diskussionen mit ihm nicht möglich sind. Ricky und Janie verlieben sich ineinander, Lester kündigt seinen Job und tut erstmals im Leben, was er wirklich will, und ist, wenngleich sein Verhalten hoffnungslos regressiv ist, endlich einmal sein eigener Herr. Ein solch hohes Maß gelebter Autonomie ist in seiner Welt jedoch zu viel des Guten...

Das amerikanische Vorstadtspießertum gehörig aufs Korn zu nehmen wird der Konsens von Sam Mendes und Alan Ball, beide eigentlich vom Theater kommend, gewesen sein. In Form dieser finsteren Satire, die mit Lester Burnhams Gehirn an seiner weiß getünchten Küchenwand endet, just in jenem Augenblick, als er sich wieder seiner Verantwortung als Ehemann und Vater zu besinnen scheint, verwirklichen sie ihren Plan recht effektiv. Formal und darstellerisch gibt es daher auch wenig bis nichts anzukreiden. Von seiner einstmalig durchschlagenden Wirkung scheint mir "American Beauty" allerdings hier und da etwas eingebüßt zu haben. Die Figuren erscheinen mir recht stereotyp angelegt und auch realisiert worden zu sein, was allerdings durch den angestrebten Charakter der Allgemeingültigkeit der Story noch zu rechtfertigen ist. Weniger gut gefällt mir ein eher vage greifbarer, sich einstellender Eindruck der inszenatorischen Arroganz. Mendes baut eine distanzierte Kühle auf, als fürchte er sich vor Konsequenzen. 'Theatralik' ist vielleicht das beste Attribut für diese sicherlich sehr persönliche Impression: Eine wirkliche Identifikation mit dem Ensemble bleibt stete Behauptung, so dass "American Beauty" trotz des vielfachen Einsatzes filmischer Mittel immer bühnenhaft und im nachteilig konnotierten Wortsinne 'inszeniert' wirkt. Die Auseinandersetzung mit seinem ja doch recht gewaltigen Topos bleibt mir am Ende zu schematisch. Was nicht heißen soll, dass es insgesamt betrachtet kein guter Film wäre; das ist und bleibt er dann doch ganz bestimmt.

8/10

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GONE WITH THE WIND (Victor Fleming/USA 1939)


"Frankly, my dear, I don't give a damn."

Gone With The Wind (Vom Winde verweht) ~ USA 1939
Directed By: Victor Fleming

Georgia, 1861: Scarlett (Vivien Leigh), älteste Tochter des Plantagenbesitzers Gerald O'Hara (Thomas Mitchell), wird von jungen Männern umschwirrt wie ein Gaslicht von Motten, doch sie interessiert sich nur für den Nachbarssohn Ashley Wilkes (Leslie Howard), der wiederum bereits seiner Cousine Melanie (Olivia de Havilland) das Eheversprechen gegeben hat. In diese romantischen Wirren platzt der Sezessionskrieg, der die kriegslüsternen Konföderierten schwer in die Schranken weist und die eilends mit einem Jungspund (Rand Brooks) verheiratete Scarlett erstmals zur Witwe macht. In unregelmäßigen Abständen begegnet sie auch immer wieder dem zynischen Filou Rhett Butler (Clark Gable), der als bekennender Opportunist mit dem Krieg Geschäfte zu machen versteht, immer wieder jedoch Durchbrüche der Moral erlebt. Als Butler einige Jahre später schließlich Scarletts mittlerweile dritter Ehemann wird, lebt das Paar trotzig aneinander vorbei, obgleich man sich tief im Herzen doch liebt.

Der Schwulst dieses monumentalen Epos kann seine tiefe innere Schönheit zum Glück trotz aller Bemühungen nicht zukleistern. Ebensowenig wie der ihm innewohnende, akute Rassismus, der gegenüber Margaret Mitchells literarischer Vorlage immerhin noch deutlich abgemildert wurde. Dennoch graust es einem doch bisweilen, mit welchem Selbstverständnis das alte Hollywood noch das zwangsläufige Untermenschentum des Afroamerikaners thetoretisierte. Die bloße szenische Darstellung der Schwarzen im Film kann man ihm nicht anlasten, die entspricht vermutlich (wohl eher noch in beschönigender Form) dem südstaatlichen Zeitkolorit der Sklavenära. Dass die 'Neger' allerdings stets als unterbelichtete comic relieves herhalten müssen, deren dunkle Pigmentierung mit einer eindeutigen Form geistiger Behinderung parallelisiert wird, lässt sich nur angesichts des Alters von "Gone With The Wind" guten Gewissens ertragen. Doch welcher Pomp, welch große Gefühle lauern über diesem Trübsal: Eine Farbenpracht von größtmöglicher Schönheit, Verschwendungssucht allerorten und natürlich ein bleibend aktueller Antikriegsfilm. Bei der Betrachtung des Werkes stellt sich unweigerlich eine ganz spezielle Gefühlslage ein; diese kenne ich nur hierher und von den Filmen David Leans. Große Traurigkeit, schicksalhafte Endgültigkeit. Diese Menschen wussten offensichtlich noch, wie man mit Würde zu leiden hatte. Und wie unglaublich die Vergänglichkeit der Zeit: Bei der Kinopremiere von "Gone With The Wind" in Atlanta waren noch wirkliche konföderierte Veteranen unter den Gästen (die von der MGM freilich mit großem Trara dorthingerollt wurden, doch egal) und die Distanz zwischen der Gegenwart und der Filmentstehung entspricht in etwa der zwischen dem Ende des Sezessionskrieges und seiner Premiere. Ein Wahnsinn, das alles.

9/10

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THE BAREFOOT CONTESSA (Joseph L. Mankiewicz/USA, I 1954)


"I'm a frightened tramp in need to go home."

The Barefoot Contessa (Die barfüßige Gräfin) ~ USA/I 1954
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

Am verregneten Grab der Hollywood-Aktrice und Gräfin Maria Torlato Favrini bzw. Maria Vargas (Ava Gardner) stehen die Männer ihres Lebens und gedenken ihrer letzten Jahre und Wochen: Ihr intimer Freund und Gönner, der Filmemacher Harry Dawes (Humphrey Bogart), der erfolgssüchtige PR-Agent Oscar Muldoon (Edmond O'Brien), der reiche Playboy Alberto Bravano (Marius Goring) und ihr Ehemann und Mörder, der Graf Torlato Favrini (Rossano Brazzi). Sie alle hatten eine spezielle zu der verschlossenen Schönheit und jeder liebte sie auf seine spezielle Weise.

Meisterhaft erzählt und komponiert entpuppt sich "The Barefoot Contessa" rein inhaltlich als wildromantischer Kitschroman, der auf dem Papier jede Hausfrau in höchste Wallungen versetzungen dürfte. Erst Mankiewicz' bravouröse Inszenierung macht aus dem typischen Ava-Gardner-Stoff - die Diva spielt faktisch dieselbe Rolle wie immer in dieser Ära, eine ebenso astronomische wie verletzliche Schönheit mit feurigem Charakter, die ihre Vulnerabilität durch Nymphomanie und Promiskuität, vorwiegend in Hinwendung zu hengstischen latin lovers, sublimiert - eine neuerliche Abrechnung mit der Glitzerwelt der Filmproduktion, der Stars und Starlets. Als phantastischer Dialogschreiber lässt Mankiewicz in seinem von Jack Cardiff photographierten, ersten Farbfilm seine Figuren, allen voran Bogey, der hier nochmal eine herrliche Spät-Appearance vom Stapel ließ, sich in Zynismen und Sarkasmen ergehen und speit aus vor der armseligen Welt des Reichtums, der Oberflächlichkeiten und des an sich selbst krankenden Aristokratismus.

8/10

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JULIUS CAESAR (Joseph L. Mankiewicz/USA 1953)


"Yet, Brutus is an honorable man."

Julius Caesar ~ USA 1953
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

44 v. Chr.: Am Idus des März wartet auf den römischen Imperator Julius Cäsar (Louis Calhern) seine Ermordung durch einige Verschwörer im Senat, angeführt von seinen einstmaligen Vertrauten Cassius (John Gielgud) und Brutus (James Mason), die eine diktatorisch geprägte Monarchie durch den Politpatriarchen fürchten. Nachdem Brutus zunächst die Plebejer beschwichtigen kann, nutzt jedoch Cäsars Intimus Marcus Antonius (Marlon Brando) die Gunst der Stunde und wiegelt das Volk gegen die Meuchelmörder auf. Brutus und Cassius fliehen und sehen sich bald darauf dem sie verfolgenden Antonius und seinen Heerscharen gegenüber.

Mankiewicz' ehrgeizige Shakespeare-Adaption stellt den seltenen Fall einer Studiogroßproduktion dar, die sich an den originalen Dramentext hält und ihren monumentalen Aufwand hinter sinnierende Monologe und nicht minder "unterhaltungsfeindliche" Dialoge stellt. Eine grandiose Darstellergarde gibt es zu bewundern, an deren vermeintlicher Spitze der soeben im kometenhaften Aufstieg begriffene Brando steht, die jedoch tatsächlich von James Mason angeführt wird, dessen klassische Schauspielausbildung in herrlicher Weise mit Brandos method acting kollidiert bzw. sich durch jenes ergänzt. Dass diese beiden so unterschiedlichen professionellen Ansätze sich zusätzlich ausgerechnet durch eine inhaltsgebundene Antagonistenschaft niederschlagen, sollte im Nachhinein betrachtet kein Zufall sein.
Altehrwürdiges mit Stecken und Stab.

8/10

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5 FINGERS (Joseph L. Mankiewicz/USA 1952)


"There's nothing as real as money."

5 Fingers (Der Fall Cicero) ~ USA 1952
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

Ulysses Diello (James Mason), der Kammerdiener des britischen Botschafters (Walter Hampden) in der kriegsneutralen Türkei 1944, fasst einen gewaltigen Plan: Er will die im Tresor seines Arbeitgebers lagernden Geheimdokumente abfotografieren und ihren inhalt an die Deutschen verschachern, um sich selbst und seiner heimlichen Liebe, der verarmten Gräfin Staviska (Danielle Darrieux), mit dem Erlös ein unabhängiges Leben in Rio finanzieren zu können. Zunächst funktioniert Diellos Spiel fast reibungslos, doch als die Gräfin ihn hintergeht, verrät und sich mit dem zusammengeklaubten Vermögen in die Schweiz absetzt, ist Diello zu lebensgefährlicher Improvisation gezwungen...

Dieser Spionagefilm um einen authentischen Fall, der seinem Chronisten L.Z. Moyzisch (Oscar Karlweis) zufolge um ein Haar die Preisgabe der Details der kriegsentscheidenden "Operation Overlord" an die Nazis bedeutet hatte, ist Mankiewicz' gelungener Versuch, ein hitchcocksches Sujet ohne die manieristischen formalen Signaturen des Meisters aufzubereiten. Dabei unterstützen ihn Bernard Herrmanns Musik und der wie immer exzellente James Mason, zu dieser Zeit noch einer der wenigen großen Weltschauspieler, die (noch) nicht mit Hitchcock zusammengearbeitet hatten (was sich dann freilich sieben Jahre später mit "North By Northwest" endlich ändern sollte). "5 Fingers" veranschaulicht, wie subtil und dennoch wirkungsvoll sich eine Spionagestory verarbeiten lässt, wenn der Regisseur sich nicht selbst zum latenten Nebenschauplatz macht und lediglich subtil bis unmerklich aus dem Hintergrund heraus agiert. Mankiewicz verlässt sich ganz auf seine Ressourcen und verarbeitet diese zugunsten des Gesamtwerks, ohne sein Publikum unentwegt mit der Nase auf seine persönliche Könnerschaft zu stoßen. Manch einer mag dies vielleicht als ordinär oder gar langweilig empfinden, dennoch ist "5 Fingers" ein formvollendeter Genrefilm, von dessen schnörkelloser Funktionalität nicht nur heutige Filmemacher, sondern auch Mankiewicz' Zeitgenossen reihenweise träumen bzw. geträumt haben dürften.

9/10

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ALL ABOUT EVE (Joseph L. Mankiewicz/USA 1950)


"I'm nobody's fool, least of all yours."

All About Eve (Alles über Eva) ~ USA 1950
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

Der gefeierten New Yorker Theaterschauspielerin Margo Channing (Bette Davis) stellt sich eines Abends Eve Harrington (Anne Baxter) vor - eine unbeschäftigte Laiendarstellerin, die in grenzenloser Bewunderung für Margo schwelgt. Diese stellt, von Eves rührender Vita gepackt, die junge Frau vom Fleck weg als Sekretärin und Mädchen für alles ein. Doch bald schon zeigt die unterwürfige Eve ihr wahres Gesicht - sie ist eine intrigante Hochstaplerin, die es darauf abgesehen hat, Margos Ruhm für sich selbst zu beanspruchen und der alternden Diva Rollen und Publikum auszuspannen.

Mankiewicz' Meisterwerk, im selben Jahr wie "Sunset Boulevard" entstanden, bedeutete für die Theaterszene an der westküste das, was Wilders Film für Hollywood darstellte - gnadenlose Abrechnung, bitterböse Satire und Entzauberung. Bei Mankiewicz wird die Filmindustrie allerdings noch mehr deklassifiziert, sie gerät zur Fußnote, zum Schrotthaufen der Schauspielkunst. Wer sich an Hollywood verkauft, so der Tenor der Geschichte, korrumpiert sich und verrät sein Fach. Doch auch sonst bewahrt die Geschichte den Odem klassischen Dramas - ein ruchloser Emporkömmling, hinter der Fassade von Glamour und Jugend ein menschlicher Trümmerhaufen aus Verlogenheit und Intriganz, erarbeitet sich mit Schmeicheleien und Skrupellosigkeiten den Weg nach oben. Das ist die Geschichte der Welt, komprimiert auf ein strahlendes Milieu und versehen mit einer dialogischen Brillanz, die ihresgleichen sucht.
Hier wäre außerdem der seltene Fall absolut formvollendeter Sprach-Transkription: Die deutsche Synchronfassung stammt von Erich Kästner und schafft das vermeintlich unmögliche - sich der Eleganz und rhetorischen Gewandtheit des Originals anzugleichen. Ein stimulierender Hochgenuss.

9/10

Theater Joseph L. Mankiewicz Satire New York


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DER ARZT VON ST. PAULI (Rolf Olsen/BRD 1968)


"Und du willst Arzt sein?"

Der Arzt von St. Pauli ~ BRD 1968
Directed By: Rolf Olsen

Alle auf St. Pauli lieben Dr. Jan Diffring (Curd Jürgens), Hurendoktor mit Herz, der nicht nur mit Spritze und Pinzette anderen aus der Klemme hilft. Als er dahinterkommt, dass ausgerechnet sein mutmaßlich viel erfolgreicherer Bruder Klaus (Horst Naumann), Gynäkologe mit schmutzigem Berufsethos in Hamburgs besseren Kreisen, unschuldige Patientinnen an die Orgien des schmierigen Industriellen Gersum (Friedrich Schütter) vermittelt, um die marode Praxiskasse zu sanieren, schreitet Jan zur lange überfälligen Abrechnung.

Mit dem "normannischen Kleiderschrank" Curd Jürgens verband Rolf Olsen eine fruchtbare Partnerschaft, beginnend mit diesem einmal mehr prächtig klischierten Sittengemälde aus Hamburgs weltberühmtem Hafenviertel. Hurerei, Boxkämpfe und besoffene Matrosen - das volle Kiezprogramm gibt es hier zu bestaunen und Olsen versichert uns glaubwürdig, dass erst die moralischen Instanzen vor Ort - Doktor, Pastor (Dieter Borsche) und Polizist (Hans W. Hamacher) mitsamt ihrer väterlichen Liebe fürs Milieu - den existenziell notwendigen Kitt für die hier zu jeder Tages- und Nachtstunde stattfindenden Exzesse darstellen. Besonders Jürgens' unnachahmlich-patriarchalische Art passt zu dieser ollen Binsenweisheit wie die Faust aufs Auge. Ansonsten verfügt "Der Arzt von St. Pauli" über exakt jene Grellheit, die man wünscht, wenn man es mit dieser Art Film aufnimmt. Dieser Rolf Olsen, das war schon eine Marke.

7/10

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WENN ES NACHT WIRD AUF DER REEEPERBAHN (Rolf Olsen/BRD 1967)


"Diesmal bin ich präpariert wie Django!"

Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn ~ BRD 1967
Directed By: Rolf Olsen

Hotte (Jürgen Draeger), Till (Fritz Wepper) und ein paar ihrer Kumpels haben ein florierendes Geschäft am Laufen: Sie setzen ihre Schulfreundinnen unter LSD, so dass sie sich ungehemmt geilen alten Böcken aus der Hamburger Schickeria hingeben. Als ihre ruchlosen Aktionen ein erstes Todesopfer fordern, wird der Journalist Danny Sonntag (Erik Schumann) hellhörig: Der LSD-Clique gehört das unverantwortliche Handwerk gelegt! Till verliebt sich zudem in die brave Lotti (Marianne Hoffmann) und verspricht ihr, dem kriminellen Sumpf den Rücken zuzukehren. Doch da überschlagen sich die Ereignisse...

Die rücksichtslose Jugend schlägt wieder zu, mit ihren viel zu schnellen Flitzern, üblem Rauschgift aus dem Chemielabor und dazu auch noch versaut bis nach Kairo! Am Schlimmsten sind, man weiß das, die Vernachlässigten, aus reichen Elternhäusern, der Senior mit 'nem dicken Mercedes und der Filius zu faul zum Arbeiten. Das Weltbild von "Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn" ist so hausbacken wie verlogen - auf der einen Seite die semiehrlichen Kleinluden mit der harten Faust und der verbeulten Birne, die sich zwar manchen Fehlgriff leisten, das Herz aber garantiert am rechten Fleck tragen (ein solches Hamburger Original kann nur und muss ergo natürlich von Heinz Reincke gespielt werden), die unbestechlichen Reporter vom "Abendblatt" und die seriösen Polizisten, auf der anderen das schmierige Reichenpack; die verdorbenste Kaste deutschen Witschaftsgebahrens! Solch brachial vorgetragener Linkskonservativismus ist Olsen pur - und natürlich St.-Pauli-Kino, wie die ausgehenden Sechziger und frühen Siebziger es so liebten.
Hämburch is schon eine Sünde wert, aber stets dran denken: Sag was wahr ist, iss was gar ist und trink was klar ist! Prrroust!

8/10

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NECRONOMICON - GETRÄUMTE SÜNDEN (Jess Franco/BRD 1968)


Zitat entfällt.

Necronomicon - Geträumte Sünden ~ BRD 1968
Directed By: Jess Franco

Die Künstlerin Lorna Green (Janine Reynaud) tritt in einem Lissaboner Club in einer Avantgarde-Show des Impressario Mulligan (Jack Taylor), zugleich ihr Liebhaber. Immer wieder verfällt Lorna in luftigeTagträumereien, die nach romantischen Einleitungen und erotischen Höhepunkten in Gewaltakten enden. Realität und Fantasie vermengen sich zusehends. Am Ende gibt es tatsächlich jeweils einen Toten, doch hat wirklich Lorna sie auf dem Gewissen?

Ein jazziges Vexierspiel, getränkt in Whiskey und Acid, das es unheimlich schick findet, Kunst zu zitieren um daraus selbst im besten Falle welche zu machen. Unaufhörliches Namedropping gehört ebenso dazu wie lax geführte Diskurse zu Psychoanalyse, unmoderne und zeitlose Kultur. Die vordergründige, abgehobene Arroganz von "Necronomicon" verleiht ihm jedoch zugleich einen höchst campiges Flair, denn bei aller mehr oder weniger angestrengt demonstrierten Unzugänglichkeit befindet man hier natürlich immer noch bei Franco und nicht bei Godard oder Resnais. Dennoch ist "Necronomicon", der trotz seines Titels freilich nichts mit Lovecrafts unheilvollem Zauberbuch zu tun hat, ein merkwürdig wunderbarer, vor allem fest mit seiner Entstehungszeit verketteter Film. Die Reynaud wirkt etwas wie eine verruchte, verdrogte Zwillingsschwester von Jane Fonda und der notorische Howard Vernon ist mal wieder ziemlich lustig. Am Ende raucht einem etwas die Birne, aber der Trip war trotzdem ziemlich 'square'.

8/10

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Filmtagebuch von...

Funxton

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