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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE PALM BEACH STORY (Preston Sturges/USA 1942)


"You have no idea what a long-legged woman can do without doing anything."

The Palm Beach Story (Atemlos nach Florida) ~ USA 1942
Directed By: Preston Sturges

Obschon sie Ihren Ehemann Tom (Joel McCrea) noch liebt wie am ersten Tage, sitzt Gerry Jeffers (Claudette Colbert) der fixen Idee auf, sie müsse ihn verlassen, um ihm endlich ermöglichen zu können, auf einen beruflich grünen Zweig zu kommen - die arme Gerry versteht sich als berufliche Bremse. Ihr Plan sieht vor, sich kurzfristig einen reichen Neu-Gatten zu suchen, um Tom eine gebührliche Abfindung zahlen zu können, mit der er sein Traumprojekt - einen schwebenden Flughafen über Manhattan - finanzieren kann. Ebenjener wohlhabende Patron scheint sich in der Person des Millionenerbes John D. Hackensacker III (Rudy Vallee) einzustellen. Doch Tom lässt sich nicht ohne Weiteres abservieren.

"Isn't it romantic?" Unfortunately, it isn't truly, because:
"The Palm Beach Story" gehört zu den anerkanntesten künstlerischen Nachlässen des Autorenfilmers Preston Sturges - und doch hat er nie das internationale Renommee vergleichbarer zeitgenössischer Screwball Comedies von Hawks, Cukor oder Lubitsch erreicht, in denen ebenso wie hier leidenschaftlich verblendete Eheleute nicht einsehen wollen, dass sie ihren Traumpartner längst im heimischen Doppelbett liegen haben, nur um nach einem kurzen Irrweg Richtung Scheidung wieder in die traute Zweisamkeit zurückkehren. Ein weiterer Beleg für die speziell hierzulande sträfliche Unterschlagung Sturges', der nachzuspüren wohl eine Dissertationsarbeit füllen könnte.
In "The Palm Beach Story" verfügt der von brillanter Dialogkunst beseelte Sturges zudem über ein besonders bezauberndes Ensemble: Die quirlige Colbert, den maskulinen McCrea sowie die beiden flippigen Filmgeschwister Rudy Vallee und Mary Astor. Dazwischen spukt noch ein aufgedrehter Sig Arno umher, der seine jeweils furiosen Auftritte nutzt, um eine wundervoll anarchische One-Man-Show abzuziehen. Höchste Komödienklasse, sag' ich da nur.

9/10

Ehe Screwball Florida New York Scheidung Preston Sturges


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SOULBOY (Shimmy Marcus/UK 2010)


"Be where you belong to."

SoulBoy ~ UK 2010
Direced By: Shimmy Marcus

Stoke-on-Trent in den frühen Siebzigern: Der Arbeitersohn Joe McCain (Martin Compston) entdeckt über die hübsche Frisörin Jane (Nichola Burley) sein Herz für die um sich greifende Soulszene in Nordengland. Allwochenendlich geht es ins Wigan Casino, wo der Zamapano und Angeber Alan (Craig Parkinson), dummerweise zugleich Janes Freund, große Allnighter veranstaltet, in denen die Jugendlichen ihre Liebe zur schwarzen Musik mit exponiertem Tanz ausdrücken können. In all seiner Bewunderung für Jane übersieht Joe allerdings, dass das wahre Glück viel näher wartet...

Vorweg: Es gibt nur einen einzigen Grund, sich "SoulBoy" anzusehen: Die Liebe zu Northern Soul nämlich, das Verständnis und die Empathie für eine der enthusiastischsten und beständigsten Subkulturen der modernen Popmusik. Irgendwann im Zuge der Dekadenwende 1960/70 überlief das Fandom für amerikanische Soulmusik die Modszene und breitete sich auf die proletarische Jugend Nordenglands aus. Findige Sammler und Händler reisten regelmäßig in die großen Soulmusik-Zentren der USA und erwarben dort kistenweise von in kleiner Stückzahl gepressten 7"-Singles, die fernab und unabhängig von der Plattenindustrie und den großen Labels wie Motown, Stax oder Atlantic entstanden waren. Jene Vinylscheibchen sind, wahrscheinlich heute mehr denn je, begehrte Sammlerobjekte. Die Northern-(oder Rare-)Soul-Szene ist darüberhinaus eine der wenigen Musikbasen, in denen veritable Hits strenggenommen nichts verloren haben. Vielmehr kommt es für die DJs darauf an, den Fans immer neue, bislang ungehobene Schätzchen unter die Nasen bzw. Füße zu halten - tanzbar ist sowieso prinzipiell alles, was aus dem großen Schmelztiegel des Soul kommt.
Diese Szene porträtiert "SoulBoy" mit viel Liebe zum Detail und dem gewaltigen Bonus, der erste Spielfilm zum Thema zu sein. Ansonsten bewegt sich Marcus' Film auf dem Subniveau eines mäßigen Achtziger-Coming-Of-Age-Dramas, erzählt eine völlig ausgelutschte Story, und das auch noch vergleichsweise desinteressiert, jedenfalls im Verhältnis zu der spürbar energetischeren Motivation, Northern Soul zu präsentieren. Die Tatsache, dass "SoulBoy" vielleicht ein wenig zum Überleben dieser Subkultur beitragen kann, macht ihn außerdem per se ansehnlich. Jeder, der einen guten Film zu sehen wünscht, sollte allerdings besser auf Distanz bleiben...

6/10

England Shimmy Marcus Clubszene Subkultur Northern Soul Musik Tanz Coming of Age Teenager


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THE BLACK SWAN (Henry King/USA 1942)


"What is that?" - "The devil looking after his own!"

The Black Swan (Der Seeräuber) ~ USA 1942
Directed By: Henry King

Auch wenn es den britischen Piraten der Karibik zu glauben schwerfällt: Ihr oberster Anführer Captain Morgan (Laid Cregar) ist vom König persönlich geadelt und zum neuen Gouverneur von Jamaica ausgerufen worden, um die hiesigen Gewässer endlich zu befrieden. Der mürrische Captain Leech (George Sanders) sagt sich jedoch von Morgan los und frönt weiter der Freibeuterei, woraufhin Morgan seinen alten Freund Jamie Waring (Tyrone Power) ersucht, Leech und seine Leute dingfest zu machen.

"The Black Swan" ist einer der Filme, die die Definition des schwammigen Begriffs 'Farbdramaturgie' erst gänzlich visualisieren: Die wunderschön leuchtende, knallige Bildsprache duch perfekt eingesetztes 3-Strip-Technicolor ist ein einziges, großes Poem, das allein und für sich schon den Genuss des ansonsten konventionellen, naiven Piratenabenteuers abrundet. Zwar waren die Piratenfilme mit Flynn aus den Dreißigern die eigentlichen Genre-Vorreiter, erst "The Black Swan" jedoch und ansätzlich (ansätzlich, weil das Thema nur streifend) DeMilles etwas früher gestarteter "Reap The Wild Wind", brachten die für das Freibeutergenre eigentlich doch unerlässliche Farbe ins Spiel und übernahmen damit eine ebenso wichtige Vorreiterfunktion wie "Captain Blood" und "The Sea Hawk". Wen wundert's: Nach dem fast halluzinatorischen Genuss von "The Black Swan" hätte wohl fürs Erste niemand mehr einen Piratenfilm in schwarzweiß sehen wollen.

8/10

Henry King period piece Piraten Karibik Jamaica Kolonialismus


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SYNECDOCHE, NEW YORK (Charlie Kaufman/USA 2008)


"Well, fuck everybody. Amen."

Synecdoche, New York ~ USA 2008
Directed By: Charlie Kaufman

Während der Vorbereitungen zu seiner Adaption von Millers "Death Of A Salesman" ereilt den Theaterregisseur Caden Cotard (Phillip Seymour Hoffman) ein nervöses Leiden, das sich zu Beginn dergestalt äußert, dass bestimmte Körperfunktionen - so die Speichelproduktion und die Pupillenerweiterung bei Lichteinfluss - ausgebremst werden, später jedoch noch illustrere Symptome zeigt. Damit einhergehend wendet sich seine Frau (Catherine Keener) von ihm ab und zieht in eine Berliner Bohèmien-WG, um dort ihrer Kunst der Miniaturölmalerei nachzugehen. Das vierjährige Töchterchen Olive (Sadie Goldstein) nimmt sie einfach mit. Den Gewinn des just gewonnenen, hoch dotierten MacArthur-Preises nutzt Caden derweil, zur Anmietung einer alten Kaufhalle, wo sein neuestes Stück spielen soll - eine Eigenkreation, die, soviel weiß Caden sogleich, zur Aufarbeitung seines Seelenschmerzes dienen soll. Die Vorbereitungen für das Stück umfassen schließlich Jahrzehnte, werden immer gewaltiger und epischer, bis Kunst und Realität ineinander zerfließen, sich nicht mehr unterscheiden lassen; bis Cadens Leben zu seinem Stück geworden ist - und umgekehrt.

Eine gewaltige Meditation darüber, wie Kunst und Realität sich wechselseitig beeinflussen; im Prinzip eine logische Wahl für Kaufmans Regiedebüt. "Synecdoche, New York" schlägt einen Pfad ein, dem vermutlich kein anderer Metteur-en-scène mehr folgen kann als Kaufman selbst; hier sind selbst ein Jonze und ein Gondry passé - von einem Clooney gar nicht zu reden. Die Metalepsen seiner bisherigen Filme, die jeweils einer seelischen und/oder narrativen und /oder dramaturgischen Transzendierung dienten, zerfließen nun endgültig zu einem lustvoll-surrealen Potpourri und machen es dem Zuschauer nicht leicht, den Überblick über sie zu behalten. Aber darin liegt auch der Zweck des Dargestellten; Caden Cotard verliert ja selbst den Überblick und es geht auch ums Überblick-Verlieren und dass man den Mut dazu haben soll, sich an der Nase fassen und daran geradewegs durch die determinierte Ungeheuerlichkeit ziehen zu lassen. "Synecdoche, New York" erscheint zuweilen selbst wie gefilmtes Improvisationstheater, als habe Kaufman sich sein Buch täglich autark weiterentwickeln lassen, ähnlich wie Cotards Stück, das irgendwann alle inneren und äußeren Begrenzungen hinter sich lässt. Am Ende gibt's dann einen Krieg; wohl, weil ausgedehnte Biographien irgendwo in ihrem Ablauf immer einen Krieg verzeichnen müssen.
Fragt sich wie's für Kaufman von hier an weitergehen soll und ob er überhaupt noch etwas zu sagen hat nach einem solch definitiven künstlerischen Statement. Wir warten. Warten auf Cotard. Verzeihung, Charlie. Kaufman.

9/10

Surrealismus Charlie Kaufman Theater New York Berlin Zukunft Bohème Biopic Groteske


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ETERNAL SUNSHINE OF THE SPOTLESS MIND (Michel Gondry/USA 2004)


"Constantly talking isn't necessarily communicating."

Eternal Sunshine Of The Spotless Mind (Vergiss mein nicht!) ~ USA 2004
Directed By: Michel Gondry

Aus verschmähender Rache an seiner Ex-Freundin Clementine (Kate Winslet), die zuvor denselben Schritt unternommen hat, wendet sich der Angestellte Joel Barish (Jim Carrey) an die Firma 'Lacuna Inc.', die damit wirbt, ihren Kunden Gedanken an unliebsame Personen oder Ereignisse vollständig aus dem Gedächtnis zu löschen und somit ein unkomlizierteres Leben zu ermöglichen. In einer wie üblich nächtlichen Aktion nehmen sich zwei Mitarbeiter (Mark Ruffalo, Tobey Maguire) also das Hirn des schlafenden Joel vor, dessen Unterbewusstsein sich jedoch stark zu wehren beginnt gegen die bevorstehende Zwangs-Amnesie. Schließlich müssen sowohl Joel als auch Clementine lernen, dass Gehirne sich vielleicht austricksen lassen, Herz und Schicksal jedoch (noch) nicht.

Ein - darf man's überhaupt so formulieren ohne rot zu werden? - typischer Kaufman, der sich diesmal der Mental-Science-Fiction eines Phillip K. Dick befleißigt, um sein wiederum metaleptisches Storykonstrukt zu installieren und damit einmal mehr bahnbrechendes Erzählkino zu liefern. "Eternal Sunshine" beginnt mit einer Vorausblende, die bereits vorwegnimmt, dass am Ende eine glückliche conclusio wartet, nachdem zuvor die tragikomische Leidensgeschichte eines hirninternen Beziehungs-Aborts vorgenommen werden muss. So steht denn auch die Flucht Joels durch die Windungen seines Geistes und seiner Erinnerungen im dramaturgischen Vordergrund; er versucht, Clementine überall dort zu verstecken, wo die Gedächtnisklempner von Lacuna nicht hinfinden, doch ist die organische Topographie eines Hirns leider wesentlich überschaubarer als die grenzenlose Imaginationsbefähigung des menschlichen Geistes. Am Ende wird zwar Joels Kopf ein Schnippchen geschlagen, nicht jedoch der längst existenten Seelenverwandtschaft zwischen ihm und seiner Clementine, die trotz entlarvend-gehässiger Audio-Cassetten (!) mit gegenseitigen Hasstiraden startklar sind für einen Neuanfang wider (?) aller Vernunft.
Ich mag die beiden Zusammenarbeiten von Gondry und Kaufman nicht so sehr wie die von Jonze und Kaufman, da letztere mir nicht nur wagemutiger erscheinen, sondern sie mich auch an intellektuell und emotionalio deutlich erregbareren Punkten zu treffen vermögen. Dennoch hat "Eternal Sunshine" natürlich seine spezielle Poesie, seinen speziellen Reiz und lohnt nicht zuletzt deshalb, weil er Carrey und Winslet einmal recht weit außerhalb ihrer üblichen Bahnen präsentiert.

8/10

Michel Gondry Amnesie New York Charlie Kaufman


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ADAPTATION. (Spike Jonze/USA 2002)


"You are what you love, not what loves you."

Adaptation. (Adaption.) ~ USA 2002
Directed By: Spike Jonze

Der Drehbuchautor Charlie Kaufman (Nicolas Cage) erlebt eine böse midlife crisis. Während sein Script zu "Being John Malkovich" verfilmt wird, erhält er den Auftrag, das nächste Drehbuch zu verfassen - eine Adaption von Susan Orleans' (Meryl Streep) teilbiographischem Porträt "The Orchid Thief". Darin geht es um den in Florida lebenden Orchideenzüchter John Laroche (Chris Cooper), der auf ein höchst interessantes Leben nebst außerordentliche Kenntnissen in diversen Fachgebieten zurückblicken kann und dem die Autorin auf eine seltsame Weise verfallen zu sein scheint. Über die Lektüre des Buchs gerät Charlie in eine mittelschwere Schaffenskrise, die sich noch dadurch intensiviert, dass sein extrovertierter Zwillingsbruder Donald (Nicolas Cage) auch mit dem Scriptschreiben anfängt, als erstes einen konventionellen Serienkillerfilm ersinnt und damit gleich einen Volltreffer landet.

Das muss man sich mal vorstellen: Einen Film über seine eigene Entstehung zu machen, diesen mit fiktionalen Elementen anzureichern und somit einen ganzen Fächer sich überlappender Realitätsebenen zu präsentieren - etwas so Waghalsiges schafft in mittels einer solch gleichermaßen intellektuellen Schlüssigkeit und eleganten Emotionalität wohl nur ein Charlie Kaufman. Ich bin geneigt, "Adaptation" als sein bisheriges Meisterstück zu bezeichnen; die zutiefst ergreifende, einem kompromisslosen Seelenstriptease gleichzusetzende Achterbahnfahrt in die Gefühlsklause dieses rätselhaften Menschen, der sogar soweit geht, für einen/diesen Film einen den kompletten Widerpart seiner Selbst symbolisierenden Zwillingsbruder zu ersinnen und auch gleich wieder ins Jenseits zu schicken, womöglich nur, weil ein Seminare abhaltender "Drehbuchfachmann" (Brian Cox) dazu rät, Ereignisse walten zu lassen. Und dann Nicolas Cage in dieser monolithischen (oder besser: stereolithischen) Performance als Zwei-Seiten-Medaille. Spätestens nach dem Genuss seiner hiesigen Darbietung kann man jede seiner Action- und Bruckheimerrollen nurmehr als Finanzbettung und offensive Selbstsatire begreifen. Spike Jonzes Inszenierung schließlich krönt das Ganze zu jenem glücksfälligen, überwältigenden Kunstwerk, dass es am Ende werden konnte, weil praktisch alle Beteiligten wirklich ausnahmslos Zenitleistungen darboten. "So happy together..."
Vollkommen überwältigend.

10/10

Spike Jonze Charlie Kaufman Film im Film Hollywood Biopic Zwillinge Pflanzen Sumpf Florida Los Angeles New York Drogen Groteske


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CONFESIONS OF A DANGEROUS MIND (George Clooney/USA, UK, D 2002)


"When you're in a relationship, it means you are obligated to give a shit."

Confessions Of A Dangerous Mind (Geständnisse - Confessions Of a Dangerous Mind) ~ USA/UK/D 2002
Directed By: George Clooney

Der Werdgang des Game-Show-Erfinders und angeblichen CIA-Killers Chuck Barris (Sam Rockwell), basierend auf dessen "unautorisierter Autobiographie" gleichen Titels.

Nachdem sein Script zu Michel Gondrys "Human Nature" verfilmt worden war, ergab sich als nächstes diese Adaption des unter seinen Kennern vornehmlich als bizarr kategorisierten Barris-Buchs, dessen Wahrheits- bzw. Legendengehalt bis heute nicht auf den Grund gegangen werden konnte. Dem Vernehmen nach machte Barris, als er mit dem Schreiben seiner Autobiographie beschäftigt war, eine "schwere Lebenskrise" durch, was sich ja in vielerlei Ausprägung interpretieren lässt. Chuck Barris' erstes Geschenk an die Popkultur bildete der von Freddy Cannon eingesungene Hit "Palisades Park". Später wagte sich dann die ABC an seine teils trashigen Showformate wie "The Dating Game" oder "The Gong Show", die später sogar international adaptiert wurden und die basalen Wurzeln für die noch heute das Fernsehen beherrschenden "Talentshows" legten, welche natürlich nicht dazu dienen, Talente ausfindig zu machen, sondern primär dafür geschaffen sind, einsame Öffentlichkeitssuchende großflächig zu denunzieren. Irgendwann im Anfangsstadium seiner Erfolge will Barris dann von einem CIA-Mann angeworben worden und zum Profikiller ausgebildet worden sein. Im Laufe seiner "Parallelkarriere" im Nachrichtendienst hat Barris dann angeblich 33 Menschen getötet, als letztes einen weiblichen "Maulwurf" (Julia Roberts), der diverse andere Mitarbeiter der "Firma" ausgeschaltet hatte.
Barris' zusammenfabulierter Biographiewahnsinn schreit natürlich nach einer Verfilmung, zumal wenn ein fertiges Drehbuch von Charlie Kaufman dafür vorliegt. George Clooney wählte den Stoff mit großzügiger Schützenhilfe von Miramax und seinem Kumpel Soderbergh als sein Regiedebüt und machte seine Sache soweit in Ordnung. Allerdings muss man ganz klar sehen, dass Clooney sich in ebenjener Unterstützung durch Freunde und Kollegen förmlich suhlt und seine Eigenständigkeit sich in Bildmanipulationen erschöpft. Ansonsten gehört der Film ganz dem wie immer phantastischen Rockwell und natürlich Charlie Kaufman, für dessen Verhältnisse "Confessions" allerdings recht konventionell daherkommt.

7/10

Fernsehen DDR Kalter Krieg Biopic Los Angeles New York Berlin Steven Soderbergh Charlie Kaufman George Clooney period piece


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BEING JOHN MALKOVICH (Spike Jonze/USA 1999)


"Hey Malkovich, think fast!"

Being John Malkovich ~ USA 1999
Directed By: Spike Jonze

Der arbeitslose, zur Melancholie neigende Marionettenspieler und -schnitzer Craig Schwartz (John Malkovich) tritt eines Tages eine seltsame Stelle als Archivar in der 'Lestercorp' an, einer in der siebeneinhalbten Etage eines Bürohauses untergebrachten Firma. Dort geht nicht alles mit rechten Dingen zu, nicht nur die Sekretärin (Mary Kay Place), sondern auch Craigs Chef (Orson Bean) erweisen sich als bizarre Persönlichkeiten. Dafür lernt Craig eine ihn zutiefst faszinierende Frau kennen - die eiskalte Maxine, der Craig bald mit Haut und Haaren verfällt. Als er in seinem Arbeitsraum hinter einem Aktenschrank ein kleines Türchen entdeckt, hinter dem sich ein Portal befindet, das geradewegs in den Geist des Schauspielers John Malkovich (John Malkovich) führt, versucht Craig, ebendies nicht nur für seine Beziehung zu Maxine gewinnbringend zu nutzen. Diese jedoch lässt Craig weiter links liegen und verliebt sich stattdessen in seine Frau Lotte (Cameron Diaz).

Grandiose Groteske und konspirative Komödie - "Being John Malkovich" bildet das Kindodebüt des zuvor primär als Videoclip-Künstler arbeitenden Spike Jonze und darüberhinaus seine erste Kollaboration mit dem Autor Charlie Kaufman. Dass die geballte, enervierende Kreativität dieses Duo Infernale gar Großartiges zu schaffen in der Lage ist, beweist dieser Film, eine traumhafte, keine Obskuritäten und Widrigkeiten scheuende Verhandlung seelischer Notstände, in der der Titelheld John Malkovich sich auf eine Weise exponiert und zerpflücken lässt, die man nur als höchst wagemutig bezeichnen kann. Andererseits wird er sich vielleicht auch geehrt gefühlt haben, zum inkarnierten MacGuffin dieser absonderlichen Dreiecksgeschichte auserkoren worden zu sein und das Projekt und seine Involvierung mit Kusshand begrüßt haben. Doch ist jedwede Spekulation in dieser Richtung ohnehin redundant, denn dieses vollendete Kunstwerk, das es fertigbringt, die Gratwanderung zwischen seinem bizarren, originär-jüdischem Humor und dem entsetzlichen, todtraurigen Gefühl des Abgeweistwerdens blindlings zu meistern, spricht ganz allein für sich und seine monolithische, innovative Präsenz. Einer jener immer rarer werdenden Filme, die dazu taugen, das Kino zu retten.

10/10

Spike Jonze New York Bohème Charlie Kaufman John Malkovich Groteske


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MOROCCO (Josef von Sternberg/USA 1930)


"Oh, what am I bid for my apple?"

Morocco (Marokko) ~ USA 1930
Directed By: Josef von Sternberg

Der amerikanische Fremdenlegionär Tom Brown (Gary Cooper) und die just per Schiff angekommene Nachtclubsängerin Amy Jolly (Marlene Dietrich) begegnen sich in Marokko und verlieben sich Hals über Kopf und auf Gedeih und Verderb ineinander. Beide wollen sich jedoch nicht eingestehen, dass ihre Herzen ganz und gar ihrem Gegenüber gehören. Erst Amy begreift, gelenkt und gedrängt durch die Avancen des reichen Lebemanns La Bessiere (Adolphe Menjou), wem sie wirklich gehört.

Vom "Blauen Engel" und von der Lola war's für die Dietrich und ihren Förderer von Sternberg nur ein Katzensprung weg aus der langsam erbraunenden Republik und nach Hollywood hin. Cooper schien fortan der einzige Star zu sein, dessen kantige Männlichkeit der kühlen, teutonischen Schönheit gewachsen war und der allein jene spezielle, stets von latenter Maskulinität gefährdete Weiblichkeit stets rechtzeitig umzulenken wusste. Ergo gab es noch eine weitere Zelluloid-Begegnung zwischen diesem großen Traumpaar des frühen Tonfilms. Seine erste in "Morocco" ist wohl zugleich die leidenschaftlichere und fiebrigere. Dietrich und Cooper liefern sich eine quälende Balz, eine bissige Brunft, die sie beide zu verzehren droht, bis sie irgendwann einsichtig genug ist, der Übermacht der Hormone stattzugeben und ihm - eines der symbolischsten Bilder der gesamten Kinogeschichte - bedingungslos in die Wüste folgt. Eine solch erzromantische, umfassende Hingabe aller weiblichen Vernunft zugunsten der Liebe eines Mannes, ein solches Waffestrecken, Sich-geschlagen-geben, vermochte in dieser geschlechtlich-naturellen Ordnung wohl nurmehr in der Übergangszeit zwischen Stummfilm und Talkie existieren. Heute würde stattdessen wohl ein verweichlichter, schmalschultriger Verlierer seiner geliebten US-Soldatin Richtung Taurus im Jeep hinterhereiern. Auch ein trauriges Indiz dafür, dass die einstige Traumfabrik in unserer von Alltagsfakten überrannten Zeit längst keine echten Träume mehr fabriziert.

8/10

Nachtclub Josef von Sternberg Afrika Fremdenlegion Marokko Militär


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FROM HERE TO ETERNITY (Fred Zinnemann/USA 1953)


"Nobody ever lies about being lonely."

From Here To Eternity (Verdammt in alle Ewigkeit) ~ USA 1953
Directed By: Fred Zinnemann

Hawaii, 1941: Private Prewitt (Montgomery Clift) lässt sich nach Oahu versetzen, weil er in seiner letzten Kompanie allzu sehr gemobbt wurde. Man hat dort versucht, ihn zum Boxen zu nötigen, obwohl Prewitt dem Faustkampf entsagt hat, seit er einem Gegner beim Sparring das Augenlicht nahm. Doch auch hier macht ihm aus denselben Gründen alle Welt das Leben schwer - bis auf den überaus fairen Sergeant Warden (Burt Lancaster) und Prewitts alten Kumpel Maggio (Frank Sinatra). Warden bändelt seinerseits mit der Frau (Deborah Kerr) des leichtlebigen Captain Holmes (Philip Ober) an und Maggio bekommt Ärger mit dem feisten Sergeant Judson (Ernest Borgnine). Da nehmen die japanischen Verbände Kurs auf Pearl Harbor...

Großes, legendäres Hollywoodkino, das vor allem mit seinem triumphal aufspielenden Ensemble protzen kann. Zinnemanns vergleichsweise zurückgenommene Inszenierung lässt sich kaum mehr mit der seines vorletzten Films "High Noon" vergleichen, so dass man nicht zwingend den Eindruck zurückbehält, dass beide Filme von ein- und demselben Regisseur stammen. Die sich hier abzeichnenden und zutragenden Konflikte sind deutlich romantischerer und weltlicherer Natur; es geht um Rache, Liebe, Leidenschaft, elementare dramatische Topoi also. Entsprechend weniger stilistischer Kniffe bedarf die Bebilderung der Geschichte. Stattdessen so weitschweifende wie kitschige Symbolismen; etwa um den klassischen, erotischen Clinch zwischen Lancaster und Kerr zu verbildlichen, zeigt die Kamera jene berühmten Bilder gewaltiger Meeresbrandung, die sich später so ikonographisch wie spöttisch betrachten ließen. Einen wirklich fiebrigen Hauch erhält "From Here To Eternity" dann gegen Ende, als der Angriff auf Pearl Harbor erfolgt. Die zuvor geschilderten, existenziellen Probleme der Protagonisten werden auf einen Schlag nichtig und klein. Jetzt geht es nurmehr ums nackte Überleben und die ängstlichen Spekulationen bezüglich weiterer Kriegsinvolvierung. Und unser Held, der wie immer Ehrfurcht gebietend traurige Monty Clift, fällt eher zufällig, ohne viel Aufhebens. Nur ein Unfallopfer, unter Vielen.

9/10

Freundschaft Militär James Jones Pazifikkrieg WWII Hawaii Pearl Harbor





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Funxton

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