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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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JENNIFER 8 (Bruce Robinson/USA 1992)


"I'm running out of questions... and you're running out of lies."

Jennifer 8 ~ USA 1992
Directed By: Bruce Robinson

Der großstadtflüchtige, privat frustrierte Cop John Berlin (Andy Garcia) stößt auf die Spur eines bereits seit längerer Zeit umtriebigen Serienkillers, der es ausschließlich auf blinde Frauen abgesehen hat. Zusammen mit seinem Partner und besten Freund Freddy Ross (Lance Henriksen) verfolgt er die Fährte des Mörders zu einem Blindeninstitut, wo er die sensible Helena (Uma Thurman) kennenlernt und sich in sie verliebt. Als Berlin und Ross ausgerechnet in der Weihnachtsnacht und angetrunken zum Institut fahren und dort nach dem Killer suchen, wird Ross von diesem erschossen. Der Verdacht fällt auf Berlin, dessen Hauptsorge jedoch Helena gilt, die als Zeugin nunmehr in besonderer Gefahr schwebt.

Wie Robinson verlauten lässt, bereitete ihm diese vorletzte seiner aktuell auf vier angestiegenen Regiearbeiten wenig Vergnügen. "Jennifer 8" bedeutete nämlich den nicht selten frustrierenden Schritt heraus aus der künstlerischen Autarkie und hinein ins Studiosystem, was eine Vielzahl von Einmischungen und Änderungszwängen nach sich zog, die sich zu einer erbitterten Kopfschere ausgewachsen haben müssen. Als Prä-"Se7en"-Serienkillerfilm enthält sich "Jennifer 8" einer später verpflichtenden Düternis und legt deutlich mehr Gewicht auf die Silhouettierung seiner Hauptfiguren, wobei mit Ausnahme des wie immer brillanten, leider jedoch nur as Joker eingesetzten John Malkovich, kein darstellerisches Schwergewicht zu erwarten ist. Die Enthüllung der Identität des Killers ist ganz offensichtlich der nur allzu selten durchbrochenen Konvention geschuldet, dass jener sich aus dem der Zuschauerschaft bekannten Figurenkreis zu rekrutieren hat. Entsprechend unglaubwürdig und verquer ist seine Motivik und entsprechend uninteressant letzten Endes der eigene Fall. Reizvoller erscheinen da eher der innere Stoizismus und die ungestörte Ruhe, mit der "Jennifer 8" seinem Erzählfluss nachgeht - offensichtlich ein gutes trademark Robinsons.

7/10

Kalifornien Bruce Robinson Serienmord Weihnachten


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STARMAN (John Carpenter/USA 1984)


"You're not from around here, are you?"

Starman ~ USA 1984
Directed By: John Carpenter

Als Aliens interplanetarische Grüße von einer Voyager-II-Sonde abfangen, entsenden sie einen diplomatischen Vertreter zur Erde. Dieser landet in der Nähe des ländlich gelegenen Hauses der jungen Witwe Jenny Hayden (Karen Allen), die ihren Mann Scott (Jeff Bridges) erst vor kurzem verloren hat. Der Außerirdische nimmt die Gestalt einer exakten Kopie von Scott an und reist mit der zunächst völlig verdatterten Jenny per Auto nach Arizona, wo sein Volk ihn drei Tage später wieder abholen wird. Der "Starman" lernt zwar schnell, verhält sich gegenüber den normierten Amerikanern jedoch trotzdem höchst auffällig. Bald ist die Nationalgarde unter dem schießwütigen NSA-Obersten Fox (Richard Jaeckel) hinter dem Pärchen her, das derweil innige Gefühle füreinander zu entdecken beginnt.

Als eine Art ""E.T." for adults" lässt sich Carpenters bis dato glattester, angepasstester Film vielleicht am Ehesten umschreiben; und was Wunder, ist "Starman" mit wenigen Abstrichen doch tatsächlich ein beinahe exaktes Remake des spielbergschen Erfolgsfilms. Auch hier muss ein intelligentes außerirdisches Wesen permanent um seine Entdeckung fürchten, fraternisiert sich mit einem Erdenbewohner bis hin zur physischen Vereinigung, droht dann zu sterben, um sich am Ende auf ewig von unserem existenzfeindlichen Planeten zu verabschieden. Die reaganesken US-Militärs und -Forscher erweisen sich dabei jeweils als stark kurzsichtige Gesellen, die wahlweise aus xenophobischen Beweggründen oder für den Preis des technischen Fortschritts lieber den Tod des Fremden in Kauf nähmen als ihn einfach wieder ziehen zu lassen. Eine - wenn auch nicht unbedingt wesentliche- Änderung findet sich bei Carpenter lediglich in den Ursachen für die Ankunft des Aliens sowie in der Beziehungsnatur zu seiner irdischen Passform: Während E.T. praktisch versehentlich zurückgelassen wurde, ist der Starman als Friedensbotschafter unterwegs, der im Endeffekt bloß auf eine Audiobotschaft von Kurt Waldheim (!) hin zur Erde kommt. Schließlich blieb E.T. und Elliott die Freuden einer koitalen Verbindung versagt - für alle beide und die in moralischer Lauerstellung befindliche Zuschauerschaft vermutlich ein Segen. In "Starman" finden sich derweil zwei attraktive Erwachsene, die pikanterweise ohnehin eine, wenn auch fast vergessene, körperliche Anziehungskraft prägt. Fragt sich angesichts der furchteinflößenden Kommissköpfe bloß, was mit Karen Allens Alienfilius dereinst werden soll. Ein Fall für "Starman II", der dann, wenn schon nicht das Licht der Leinwand, so doch zumindest in Form einer kleinen TV-Serie das der Welt erblickte.

6/10

Road Movie Militaer Aliens John Carpenter Las Vegas


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CHRISTINE (John Carpenter/USA 1983)


"You better watch what you say about my car. She's really sensitive."

Christine ~ USA 1983
Directed By: John Carpenter

Der schüchterne Teenager Arnie (Keith Gordon) ist ein Außenseiter, wie er im Buche steht: Von den Eltern bevormundet, von den Mitschülern spöttisch belächelt, von den lokalen Bullys drangsaliert. Nur sein Kumpel Dennis (John Stockwell), eigentlich das komplette Gegenteil von Arnie, hält zu ihm. Als Arnie in der Nachbarschaft einen schrottreifen 58er Plymouth Fury entdeckt, ist er gleich Feuer und Flamme für den Wagen. Allerdings ändert sich parallel zu dem Erwerb und der fortschreitenden Restaurierung des Fahrzeugs auch Arnies Wesen. Zunächst wirkt er deutlich selbstbewusster und kommt mit Leigh (Alexandra Paul), dem hübschesten Mädchen der Schule zusammen, dann erscheint er zunehmend arrogant und schließlich neurotisch und sogar gefährlich. Als Dennis und Leigh feststellen, dass "Christine", wie bereits der Vorbesitzer des Plymouth ihn getauft hat, nicht nur ein höchst brisantes Eigenleben führt, sondern zudem mit Arnie eine mörderische Romanze pflegt, gilt es für sie buchstäblich, das Auto aus dem Verkehr zu ziehen...

Ich bin ja ein großer Freund all der King-Adaptionen, die so in den Achtzigern, besonders in den frühen, entstanden sind, obgleich etliche der Anhänger des Autors meinen, es handle sich dabei größenteils um eher schlechte Romanverfilmungen. Da Kings Prosa mir andererseits nie viel bedeutet hat, kam ich mit diesem Vorwurf stets gut zurecht, um nicht zu sagen: ich mag die Filme lieber als die ihnen zugrunde liegenden Romane. "Christine" bildet da keine ausgesprochene Ausnahme. Nachdem Carpenter für seine, respektive Rob Bottins Make-Up-Eskapaden in "The Thing" harsche Kritik einzustecken hatte, folgte eine eher softe Phase moderat gemachten Genrekinos, deren Startpunkt "Christine" markiert. Nachdem sich mit De Palma, Kubrick, Hooper und Cronenberg bereits einige namhafte Kollegen kingscher Stoffe angenommen hatten, hielt nun ein weiterer Filmemacher mit klangvollem Renommee Einzug in die entsprechende Phalanx, mit einem nach meinem Dafürhalten qualitativ brauchbarem Resultat. Zwar wurde der Besessenheitsfaktor der Vorlage zugunsten einer Art "regressiven Coming-of-Age-Story" fast völlig getilgt, in filmischer Hinsicht erweist sich diese Entscheidung jedoch als eine durchaus glückliche. Keith Gordon, der den teenage nerd bereits mehrfach interpretiert hatte, konnte seinem Rollenschema als Arnie Cunningham eine tiefgehende Schicht hinzusetzen. Die Wandlung vom klischiert gezeichneten Prügelknaben hin zum Psychopathen, der weit über das freundschaftliche Ziel der bloßen Defloration, das ihm sein Kumpel Dennis abzuverlangen sucht, hinausschießt, interpretiert er mit einer geradezu denwürdigen Intensität. Andererseits merkt man dem Film eine gewisse inszenatorische Zurückhaltung an - Carpenters Regiesignatur lässt sich nicht verleugnen, der Mut (oder die Freiheit, je nach Betrachtung) zu einer etwas krasseren, transzendenteren Regie hätte "Christine" allerdings keinesfalls geschadet. Was bleibt, ist ein stark zeitbezogener, guter, wenn auch nicht überragender Genrebeitrag.

7/10

John Carpenter Stephen King Auto Coming of Age Teenager Schule Freundschaft


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THE YOUNG LIONS (Edward Dmytryk/USA 1958)


"You're in a splendid constitution for a man of your age. Are you a vegetarian?" - "No, alcoholic."

The Young Lions (Die jungen Löwen) ~ USA 1958
Directed By: Edward Dmytryk

Drei sehr unterschiedliche Männer erleben den Zweiten Weltkrieg auf ebenso unterschiedliche Art: Der bayrische Skilehrer Christian Diestl (Marlon Brando) gibt sich betont unpolitisch, fällt jedoch auf die großen Reden der Nazis herein und lässt sich bereitwillig als Wehrmachtsoffizier instrumentalisieren. Der New Yorker Sänger und Showstar Michael Whiteacre (Dean Martin) zieht überhaupt nur in die Armee ein, um nicht vor seiner dräuenden Freundin (Barbara Rush) als Feigling dastehen zu müssen und für den stillen, sensiblen Verkäufer Noah Ackerman (Montgomery Clift), den Whiteacre zufällig bei der Musterung kennenlernt und mit dem er sich anfreundet, bedeutet der Krieg genau jene kleine Notwendigkeit, als die ihn die meisten alliierten Soldaten auffassen. Am Ende werden nur zwei von ihnen lebend zurückkehren, obwohl alle drei es verdient hätten.

Großatmiges Kriegsdrama des für pathetische Heldenstoffe alles andere als ungeeigneten Edward Dmytryk. Vorzüglich besetzt mit zumindest zwei der größten method actors ihrer Tage (Brando und Clift), dem ewigen Vorzeigeentertainer und charmanten Tunichtgut Dean Martin und nicht zuletzt dem großen Maximilian Schell gehört "The Young Lions" zu jenen Filmen, die ihr "angeborenes" inneres Strahlen bis heute bewahren konnten und die exemplarisch demonstrieren, welch versierte Handwerker und Könner einst in Hollywood tätig waren. Im Rahmen seiner Gattung unterscheidet sich Dmytryks Werk nicht wesentlich von den anderen teuren, zeitgenössischen Kriegsfilmen. Bemerkenswert vielleicht, dass hier ein Wehrmachtssoldat nicht allein zum Protagonisten ausgerufen wird, sondern ferner einen gewissen, tragischen Heldenstatus zugesprochen bekommt. Weiterhin wird gegen Ende unverblümt von den deutschen Vernichtungslagern und der "Effizienz" ihrer grauenhaften Zweckmäßigkeit gesprochen, sowie die Befreiung eines (fiktiven) KZ gezeigt. In diesen Punkten geht "The Young Lions" dann schon über das übliche inhaltliche und dramaturgische Genre-Einerlei hinaus. Dass der Film unterschwellig ein Hohelied auf den Heldenmut der G.I.s anstimmt, vermag er wegen seiner vollendeten Gesamtheit durchaus zu tragen.

8/10

Edward Dmytryk Irwin Shaw WWII Nationalsozialismus Nordafrika-Feldzug


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NIGHT TIDE (Curtis Harrington/USA 1961)


"Good luck, my boy."

Night Tide ~ USA 1961
Directed By: Curtis Harrington

Der Navy-Matrose Johnny Drake (Dennis Hopper) verbringt seinen ersten Landurlaub im lebenslustigen Venice Beach. In einem Jazzkeller lernt er die geheimnisvolle Mora (Linda Lawson) kennen, die sich zunächst abweisend gibt, dann aber auf Johnnys zaghafte Annäherungsversuche eingeht. Wie Johnny erfährt, arbeitet Mora als "lebensechte Meerjungfrau" in einer Sideshow des alten Kapitäns Murdock (Gavin Muir), und auch sonst scheint sie sich über Gebühr mit jener Sagengestalt zu identifizieren. Als Johnny erfährt, dass Moras letzte beiden Freunde im Pazifik ertrunken sind und ihr Verhalten sich zunehmend seltsam gestaltet, beginnt er sich Sorgen zu machen, um Mora und um sich selbst...

Curtis Harringtons erster Langfilm, ein zauberhaftes, kleines Schauermärchen für Erwachsene in der Tradition der Lewton-Produktionen, das seinen Handlungsschauplatz Venice Beach ganz hervorragend porträtiert als eine Art westamerikanischen Ausläufer der Träume, Mysterien und Sonderbarkeiten. Das Küstenstädtchen firmiert hier als Ort der Gegenkultur; eine Combo gemischter Hautfarbe spielt pulsierenden Jazz, Percussionisten laden am Strand zum Tanzen ein, an der Promenade gibt's Kirmesangebote und Sideshows. Es ist ein Venice aller Zeiten, das Harrington hier beschwört, zugleich seine illustre Vergangenheit bewahrend als auch wegweisend Richtung Zukunft. Der junge, auf einer Art schmalem Grat zwischen Biederkeit und latenter Exzentrik zu balancieren scheinende Dennis Hopper passt wunderbar in dieses entrückte Ambiente in seiner Mischung aus Einzelgängertum, Einsamkeit und Sehnsucht. Der alte Kapitän Murdock hätte ursprünglich von Peter Lorre gespielt werden sollen. Nicht, dass Gavin Muir enttäuschend wäre, nur hätte Lorres Mitwirkung "Night Tide", zumindest was mich anbelangt, auf eine noch höhere Ebene gehievt. Glücklicherweise erspart Harrington uns erläuternde Eindeutigkeit am Ende. Für ein rationalitätsfixiertes Publikum liefert er eine plausible, "natürliche" Erklärung für die Geschehnisse, der zuvor konstruierte Mystizismus muss darunter jedoch nicht leiden. Sozusagen ein Abschluss zum Selbstentscheiden.

8/10

Meerjungfrauen Ozean Kalifornien Venice Beach Independent Curtis Harrington Erwachsenenmärchen Carnival


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DEEP END (Jerzy Skolimowski/UK, BRD 1970)


"I love her." - "You perverted little monster!"

Deep End ~ UK/BRD 1970
Directed By: Jerzy Skolimowski

Der fünfzehnjährige Londoner Mike (John Moulder-Brown) nimmt einen Job in einer Badeanstalt in Fulham an. Dort lernt er die ein paar Jahre ältere Angestellte Susan (Jane Asher) kennen, auf die sich bald Mikes geballte adoleszente, erotische Phantasien projizieren. Allerdings wurmt speziell die Tatsache, dass Susan, die Mikes verzehrende Gefühle durchaus wahrnimmt und ihn damit neckt, sich zum einen mit einem fatzkenhaften Verlobten (Christopher Sandford) und zum anderen mit Mikes früherem, wesentlich älteren Sportlehrer (Karl Michael Vogler) abgibt, den jungen Mann immens. Durch ein umständliches taktisches Manöver kann Mike Susan schließlich zu einem eher hektischen Beischlaf bewegen, der für ihn enttäuschend ausfällt. Und so einfach will er seine Eroberung dann doch nicht ziehen lassen...

Sozusagen die naturalistische, europäische Antwort auf Nichols' "The Graduate" ist "Deep End" eine besondere cinematographische Ausnahmeerscheinung. Ein in London spielendes Coming-of-Age-Drama, von einem Jungregisseur der polnischen Nouvelle Vague zum Teil in den Bavaria-Studios inszeniert - sowas gab's selbst damals nicht alle Tage. Ein Glücksfall des dekadenwechselnden Kinos zwischen den Sechzigern und Siebzigern war die Folge, der das besondere Kunststück bewerkstelligt, sich gänzlich in das Gefühlschaos eines Heranwachsenden fallen lassen zu können, sozusagen kompromisslos. Heute wird "Deep End" häufig in einem Atemzug genannt mit "Blowup" und "Repulsion", die jeweils das "Swingin' London" jener Tage aus der unbestechlichen Sicht junger internationaler Filmemacher karikierten und in einen albtraumhaften Kontext einbetteten. So falsch ist diese Analogie nicht, aber auch kaum gänzlich zutreffend. Skolimowski weidet sich nicht groß an urbanen Ansichten, sondern verharrt ganz in seinen zwei, drei Schauplätzen, als da wären: das halbverfallene Schwimmbad, ein Stück Rotlichtmeile und der winterliche Stadtpark (freilich im Englischen Garten abgefilmt) und konzentriert sich auf seinen omnipräsenten Hauptcharakter und dessen sich zunehmend irrational gestaltendes Innenleben. Einer der wichtigsten, repräsentativsten Filme seiner Zeit ist die verpflichtende Folge, mit einem aus Songs von Cat Stevens und Can kompilierten Wahnsinns-Soundtrack.

9/10

London Jerzy Skolimowski Kiez Coming of Age


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CLOAK AND DAGGER (Fritz Lang/USA 1946)


"Everyone to leave leaves a hole."

Cloak And Dagger (Im Geheimdienst) ~ USA 1946
Directed By: Fritz Lang

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs lässt sich der amerikanische Nuklearspezialist Alvah Jesper (Gary Cooper) vom Geheimdienst anheuern, um herauszufinden, wie weit die faschistische Achse in Europa mit dem Bau der Atombombe gediehen ist. Die Aussicht, seine alte Schriftkorrespondentin Katerin Lodor (Helen Thimig) wiederzusehen, erscheint ihm allzu verlockend. In der Schweiz will er die Lodor zunächst aufsuchen und in Sicherheit bringen, doch die widerständischen Befreiungsversuche scheitern. Als nächstes gilt es, den in Italien festgehaltenen Professor Polda (Vladimir Pokoff), der mit der Gefangenschaft seiner Tochter erpresst wird, herauszuholen. Zusammen mit der Widerstandskämpferin Gina (Lilli Palmer), in die er sich verliebt, gelingt Jesper das waghalsige Unternehmen.

Erfrischend sorgfältig gemachter Spionagethriller unter Prononcierung starker, dem Mannsvolk ebenbürtigen Frauencharakteren, der wie viele der um diese Zeit von Lang gemachten Kriegsfilme mit knallharter Kritik am Faschismus nicht spart. "Cloak And Dagger" zeigt ein Mitteleuropa der Verunsicherung und des Schweigens, in dem jeder Verdacht und jede falsche Bewegung umgehend zur Verhaftung führen kann. Anders als die späteren Agentenabenteuer, die den Kalten Krieg als Weltkulisse für ihre poppig-exotische Action benutzten, kann hier von "classic excitement" kaum die Rede sein. Das Dritte Reich liegt wie eine bleierne Kuppel über dem bereits teilzerbombten Kontinent und die Angst vor Massenvernichtungswaffen in den Händen Hitlers oder Mussolinis ist allgegenwärtig. Filme wie "Cloak And Dagger", "Ministry Of Fear" oder auch "The Seventh Cross", die eben allesamt von Immigranten gemacht sind, verdeutlichen weit über das übliche propagandistische Hollywood-Schema dieser Tage hinaus die äußere Besorgnis über die Zustände und sind damit durchweg immens wichtige Zeitzeugnisse.

8/10

Widerstand Atombombe Fritz Lang Schweiz Italien WWII Nationalsozialismus


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THE WAY WE WERE (Sydney Pollack/USA 1973)


"Fascists!"

The Way We Were (So wie wir waren) ~ USA 1973
Directed By: Sydney Pollack

Sie: eine erzrote, gegen alles unliberale wetternde, jiddische Kommunistin; er: ein gutaussehender, sportiver Jüngling mit Zukunft in Hollywood, erfolgreich in allem, was er tut. Als Katie (Barbra Streisand) und Hubbell (Robert Redford) sich nach längerer Bekanntschaft ineinander verlieben, ist klar, dass sie keinesfalls füreinander geschaffen sind. Eine überaus komplizierte Beziehung mit anschließender Ehe ist die Folge, die endgültig zerbrechen muss, als der McCarthyismus Hollywood und damit auch die Existenzen von Katie und Hubbell überflutet.

Wenn die Liebe sich nicht mit den Liebenden verträgt, wird es brenzlig: Edler Romantikkitsch, ein typisches Streisand-Vehikel und damit zugleich ein typischer Studio-Gegenentwurf zu New Hollywood, wie er so nur in den Siebzigern entstehen konnte. Mit einem intellektuell durchaus tragfähigen Polit-Fundament versehen und permanent unterlegt von Streisands gleichnamigem Ohrwurm erzählt Pollack sein durchaus hübsches, eine Ära von immerhin gut zwei Jahrzehnten umfassendes Rührstück. Versiert, geradlinig und weithin überraschungsfrei, wie es sich für den Regisseur mit zunehmender Routine gehört, toll gespielt mit feinen Nebenparts für James Woods, Bradford Dillman und Patrick O'Neal, letzten Endes aber doch bloß Patina (wenn auch edle) am kulturellen Monolith seiner Filmdekade. Bedenklich wird es, wenn das durchaus sensible Thema der Kommunistenhatz in schwammiger Weise für das ansonsten eher banale Liebesdrama ausgebeutet wird. Wer einen vorsätzlich schmalzigen Taschentuchtränker sehen will, ist mit "The Way We Were" super bedient, wer sich für einen filmischen Abriss über die erzählte Ära interessiert, kann und sollte indes zu Besserem greifen.

6/10

Sydney Pollack McCarthy-Ära Hollywood New York period piece


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THE MOLLY MAGUIRES (Martin Ritt/USA 1970)


"I am what you think!"

The Molly Maguires (Verflucht bis zum jüngsten Tag) ~ USA 1970
Directed By: Martin Ritt

Pennsylvania, 1876: In einer kleinen, aus Briten und Iren bestehenden Bergmannskolonie begehren einige der Arbeiter gegen die inhumanen Bedingungen auf, unter denen sie dort arbeiten müssen. Da sie dabei in höchstem Maße gewalttätig und gesetzeswidrig vorgehen, sind sie nicht nur den Industriebossen, sondern auch der Polizei ein Dorn im Auge. Der Polizist James McParlan (Richard Harris) lässt sich unter falschem Namen in die engmaschig strukturierte Gesellschaft der Arbeiter eingeschleusen, um die sich selbst "Molly Maguires" nennenden Werkssaboteure von innen sprengen zu können.

Undercover-Storys sind stets ein dankbarer Stoff für große Gefühle und altmodische Schuld-und-Sühne-Geschichten. Zumeist wird jemand aus einer mit strengem Ehrenkodex geführten Ethnie zum Verräter oder Denunzianten, weil er irgendwann die Seiten gewechselt hat und nun für die Obrigkeit tätig ist. Ähnlich verhält es sich auch in "The Molly Maguires": Jamie McParlan, der sich kurzum in McKenna umbenennt, kennt die insulanischen Gepflogenheiten noch von der Pike auf und lässt sich von Jack Kehoe (Sean Connery), dem Kopf der Maguires, immer wieder auf seine Seite ziehen, auch wenn er es später nicht zugeben wird. Ferner gilt es zu bedenken, dass die hier untergrabene Vereinigung sich bestenfalls indirekt als 'kriminell' kategorisieren lässt: Die Molly Maguires betreiben lediglich Arbeitskampf in Guerilla-Form, eine Notwendigkeit angesichts der sie uimgebenden, kapitalistischen Willkür. Für sein rußgeschwärztes Drama findet Ritt herrlich nostalgische Bilder (James Wong Howe) und kann mit Henry Mancini einen Komponisten vorweise, der sich auch hervorragend auf irische Folkklänge versteht.

8/10

Bergarbeit Martin Ritt Pennsylvania ethnics Gewerkschaft Working Class Historie period piece


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NEVER LET ME GO (Mark Romanek/UK, USA 2010)


"We all complete."

Never Let Me Go (Alles, was wir geben mussten) ~ UK/USA 2010
Directed By: Mark Romanek

Hinter dem mit strengen erzieherischen Methoden geführten Waisen-Internat Hailsham verbirgt sich ein unfassliches Geheimnis: Sämtliche der hier beheimateten Schülerinnen und Schüler sind Klone, einzig und allein geschaffen, um irgendwann kranke Organe zu ersetzen - menschliche Ersatzteillager sozusagen. Um jedoch eine möglichst gesunde körperliche Entwicklung zu gewährleisten, lässt man den Kindern und Jugendlichen fast alle Freiheiten, die ihre "normalen" Pendants auch genießen können. Bis dann eines Tages als junge Erwachsene die erste "Spende" auf sie wartet, bis sie, in der Regel nach ihrer dritten Spende, 'vollenden', also ihren Existenzzweck erfüllt haben. Inmitten dieser fatalistischen Realität wachsen die drei Freunde Kathy (Carey Mulligan), Tommy (Andrew Garfield) und Ruth (Keira Knightley) auf, und bei dreien ist bekanntlich immer einer zuviel...

Tieftraurige, sich rückwärts wendende Dystopie, die zeitlich von den 1970ern bis in die 1990er hinein angesetzt ist. Innerhalb der alternativen Realität des Films ist bereits in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts der Großteil aller Forschungsgelder in die Heilung schwerer Krankheiten geflossen, wobei die finale Konsequenz vorsieht, dass nur jederzeit verfügbare Ersatzorgane einen langfristigen, ultimativen Sieg über die Menschheitsgeißeln gewährleisten können. Den geklonten Kindern wird ihre medizinische Determinierung keineswegs vorenthalten - bereits in frühen Jahren werden sie mit ihrer Herkunft und ihrem Existenzzweck vertraut gemacht und so sukzessive an ihr künftiges Schicksal adaptiert. Da dennoch für viele menschliche Regungen Platz ist im Leben der Spender, wird Tommy bald zum Mittelpunkt einer amourösen Verflechtung: Während die etwas spröde Kathy ihn aufrichtig liebt, fackelt die eifersüchtige Ruth nicht lange und "nötigt" ihn zur rein körperlichen Beziehung. Dass all das am Ende keine Rolle mehr spielt, müssen alle drei, selbst Kathy, die noch vor ihrer ersten Spende lange Jahre als 'Betreuerin' für ihre Schicksalsgenossen tätig ist, verzweifelt einsehen.
Für den Videokünstler Romanek ist "Never Let Me Go", dessen Romanvorlage (Kazuo Ishiguro) vielerorts zu Begeisterungsstürmen hinriss, erst die zweite Arbeit fürs Kino. Sein Mut zur Tristesse gereicht ihm zur Ehre, anders hätte der Film jedoch auch nicht aussehen dürfen, um seine volle Wirkung zu entfalten. Große Emotionen, die einen planierraupengleich überrollen.

8/10

Internat Klone Organspende England Alex Garland Parallelrealität Kazuo Ishiguro Mark Romanek Schule





Filmtagebuch von...

Funxton

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