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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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WUTHERING HEIGHTS (William Wyler/USA 1939)


"Heathcliff, make the world stop right here!"

Wuthering Heights (Sturmhöhe) ~ USA 1939
Directed By: William Wyler

Die Grafschaft Yorkshire im frühen 19. Jahrhundert: Der Gutsherr Earnshaw (Cecil Kellaway) bringt den verlotterten Slumjungen Heathcliff (Rex Downing) mit nach Haus und zieht ihn neben seinen beiden leiblichen Kindern Cathy (Sarita Wooton) und und Hindley (Douglas Scott) wie seinen eigenen Sohn auf. Während Heathcliff und Cathy bald unzertrennlich sind, beäugt Hindley den Findling stets voller Argwohn und Neid. Als Erwachsene, der alte Earnshaw ist längst tot, findet sich Heathcliff (Laurence Olivier) nurmehr zu einem Teil des Gutsgesindes degradiert. Hindley bringt das Erbe seines Vaters mit Spiel und Suff durch und die stolze Cathy lässt sich - zu Heathcliffs größtem Leidwesen - von dem reichen Edgar Linton (David Niven) den Hof machen. Als Cathy und Linton schließlich heiraten, verschwindet Heathcliff für ein paar Jahre, nur um als vermögender Edelmann zurückzukehren und sich für jedwede Unbill, die ihm in Wuthering Heights widerfahren ist, bitter zu rächen.

Emily Brontës großer viktorianischer Roman, dessen Rezeption trotz seines unanfechtbaren Klassikerstatus bis heute zwischen mildem Belächeln und glühender Bewunderung pendelt, wurde schon seit den frühen Stummfilmtagen diverse Male für Kino und TV adaptiert. William Wylers Fassung von 1939 gilt unter all den unterschiedlichen Versionen als die gelungenste und zählt darüberhinaus zu den Meisterwerken des amerikanischen Kinos. Vom Produzenten Samuel Goldwyn anfänglich als "Gone With The Wind"-Konkurrenz konzipiert, war relativ rasch eindeutig, dass der thematisch nicht unähnliche "Wuthering Heights" dem aufwändigen Technicolor-Mammut-Projekt nicht das Wasser würde reichen können. Dennoch weisen beide Filme abgesehen von ihrem Entsttehungszeitrahmen natürlich, noch viele weitere, unübersehbare Analogien auf: Vom 'Schicksal' füreinander determinierte Paare sind zu stolz und zu kurzsichtig, um sich ihre Liebe aufrichtig eingestehen zu können und durchschreiten bloß infolge ihrer jeweiligen Arroganz tiefe, nicht enden wollende Tränentale. In der Konklusion von Brontës wildromantischer Geschichte können Heathcliff und Cathy erst im Jenseits, losgelöst von aller weltlichen Schwere und beschränkt auf die ätherische Reinheit ihrer Seelen, zueinander finden - und der Weg dorthin ist gebrandmarkt. Ein klein wenig Schauergestus und Geisterspuk steckt auch mit darin wie sich gleich im Prolog zeigt, und just dieses Element nutzt Wyler für seine Verfilmung, um die altweltliche, georgianische Atmosphäre des Romans noch umso mystischer erscheinen zu lassen. In seiner schönen Privatanthologie "Mein Kino" schreibt Hellmuth Karasek, dass "Wylers [Werk] in seinen Pappkulissen sicherlich inzwischen reichlich angestaubt", es jedoch "Gone With Wind" unbedingt vorzuziehen sei, habe es doch "Schmelz statt Schmalz". Nun, die letztendliche Verifizierung diese stolzen Worte liegen wohl im jeweiligen Betrachterauge, zitierens- und überprüfenswert sind sie jedoch allemal, wie ich finde.

8/10

England Emily Brontë Biopic Amour fou Standesdünkel Georgianisches Zeitalter period piece William Wyler


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FRATERNITY VACATION (James Frawley/USA 1985)


"I'd prefer an ice-cream."

Fraternity Vacation (American Eiskrem) ~ USA 1985
Directed By: James Frawley

Eine Woche winterlicher Partyurlaub lockt - im schönen Palm Springs, wo Sonne, Bier und Bikinis den drei Studentenboys Wendell (Stephen Geoffreys), Joe (Cameron Dye) und Larry (Tim Robbins), genannt 'Mother' lachen. Wendell ist dabei zwar ein elementares Mosaiksteinchen - immerhin lassen seine Eltern (Max Wright, Julie Payne) das Trio in ihrem Appartment hausen -, doch alles andere als unkompliziert: Er hatte noch nie was mit einem Mädchen und interessiert sich mehr für lauwarme Milch und Astronomie. Als Joe und Larry dann noch eine Flachlegewette mit ihren Kommilitonen Chas (Leigh McCloskey) und J.C. (Matt McCoy) eingehen, wird's erst richtig turbulent!

Interessant an all den College Comedies dieser Dekade ist ja vor allem der dargestellte bzw. intensivst suggerierte Status des Studenten: Offenbar sollen da dereinst durchweg instinktgesteuerte Individuen als Sozietätslenker eingesetzt werden, deren Köpfe ausschließlich von vielgestaltigem Suchtdruck und der Angst vor Geschlechtskrankheiten besetzt sind und deren Lebensinhalte ansonsten lediglich Sex, Drogen, Alkohol und miese Popmusik markieren. Das Ende der Reagonomics lag ergo nicht mehr fern, auch wenn danach noch Zeit für eine weitere republikanische Legislaturperiode herrschte: Die Mühlen besonders des amerikanischen Politbewusstseins mahlen bekanntich langsamer denn langsam.
Als spezifisch liebenswert an "Fraternity Vacation" erweist sich indes gleich mehrerlei: Die Besetzung mit durchweg bekannten Achtziger-Antlitzen, die Songs von Bananarama, die abgestandenen Gags und, betreffs der deutschen Fassung, die alberne Elsholtz-Synchro, die um keinen noch so platten Spruch verlegen ist. Was damals an kalifornischen Schönheitsidealen - die Titulierung 'Knochengestell' wäre im Falle Sheree J. Wilson noch geschmeichelt - aufgetischt wurde, macht derweil noch heute staunen. Dafür hüpft immerhin die schöne Barbara Crampton durch die Reihen. Zusätzlich gibt's John Vernon als miesen (erzrepublikanischen) Polizeichief, der bloß dazu da ist, den Jugendlichen den Spaß zu verderben. Da lugt dann auch "Porky's" nochmal durch die Lotterbettspanten.

6/10

James Frawley Teenager Kalifornien Coming of Age


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DAVID AND BATHSEBA (Henry King/USA 1951)


"It is not for us to question the ways of the Lord!"

David And Bathseba (David und Bathseba) ~ USA 1951
Directed By: Henry King

König David (Gregory Peck) von Israel verliebt sich in seine schöne Nachbarin Bathseba (Susan Hayward) - dummerweise ist diese mit Davids Offizier Urija (Kieron Moore) verheiratet. Die Liebenden finden wider alle Moral trotzdem zusammen, was Gottes Zorn heraufbeschwört: Eine lange Dürrezeit steht dem Lande ins Haus, die in Hunger und Leid kulminiert. Erst Davids offene Reue vermag den Herrn zu besänftigen.

Ausnahmsweise mal kein Hemingway aus dem Haus King, sondern eine etwas simplere Literaturverfilmung, eine, die sich aufs Alte Testament beruft nämlich. "David And Bathseba" ist was für Leute, die Bibeltrash aus Hollywood schätzen, alte Technicolor-Schinken ebendaher präferieren oder schlicht etwas für "Traumpaare" übrig haben - eines wie Peck und Hayward nämlich, die von der Fox unter Darryl F. Zanuck seinerzeit mit einigem Nachdruck gepusht wurden. "David And Bathseba" nimmt sich zudem ein leicht kritisches Wesen heraus; er denunziert nämlich den weisen Propheten Nathan (Raymond Massey) als einen radikalen Sektierer, der einem Gott dient, der zu differenzieren verlernt hat in all seinem Gesetzeswahn und lehrt, dass das Leben auch graue Schattierungen beinhaltet. Insofern löst sich, wie schon im biblischen Kontext, die Geschichte Davids recht prägnant aus ihrem Milieu. Doch keine Sorge: es gibt noch genug zu staunen über Wohl und Wehe der alten Könige - und den Zorn des Gerechten natürlich, der Blitz und Donner niedergehen lässt nach jeweiligem Gutdünken. Bibeltrash halt.

6/10

Henry King Israel Bibel Historie period piece Bundeslade


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GREEN CARD (Peter Weir/USA, F, AU 1990)


"I am the husband!"

Green Card ~ USA/F/AU 1990
Directed By: Peter Weir

Er heiratet, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, sie, um in ihre Traumwohnung ziehen zu können, in der die gestenge Mietervereinigung nur Eheleute lassen möchte. Darum planen Brontë (Andie MacDowell) und Georges (Gérard Depardieu) auch, sich nach dem Tag ihrer Eheschließung nicht wiederzusehen. Als die Einwanderungsbehörde jedoch zu bohren beginnt, wird es brenzlig für die beiden und sie müssen eine traute Zweisamkeit vorspielen, die bald schon weniger getürkt als echt ist.

Neben "Groundhog Day" die für mich einzig gültige Hollywood-RomCom der Neunziger und dies liegt NICHT speziell an der MacDowell, die rein zufällig in beiden Filmen auftritt und deren andere Fiesimatenten wie zum Beispiel "Four Weddings And A Funeral" mir herzlich gestohlen bleiben können. "Green Card" ist schlicht ein Liebesfilm für ein mündiges Publikum und fällt deshalb so traumhaft schön und ungekünstelt aus. Selbst Hans Zimmers afrikanöse Klänge entbehren glücklicherweise ihres späteren Pomps und sind eine bereichernde Untermalung von Weirs Inszenierung. Die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern ist wahnsinnig und sie scheinen sich darüberhinaus in ihrer reizvollen, völligen Diversität noch gegenseitig anzuspornen. Natürlich ist die stille Vitalität des Films zuvorderst Peter Weir zuzuschreiben, der zum ersten Mal seit acht Jahren wieder ein eigenes Script verfilmte und produzierte. Der wunderschöne "Green Card" ist also ganz sein Baby, und ein prachtvoll-bittersüßes noch dazu.

9/10

Peter Weir New York Ehe


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MR. DEEDS GOES TO TOWN (Frank Capra/USA 1936)


"You are not only sane, but you're the sanest man that ever walked into this courtroom!"

Mr. Deeds Goes To Town (Mr. Deeds Goes To Town) ~ USA 1936
Directed By: Frank Capra

Das bodenständige, bei jeder Gelegenheit an den "gesunden Menschenverstand" appellierende Landei Longfellow Deeds (Gary Cooper) erbt unerwartet einen gigantischen Millionenbetrag und muss zu Verwaltungszwecken erstmal aus seiner beschaulichen Heimatstadt Mandrake Falls nach New York. Hier fangen sogleich die Probleme an: Gierige Anwälte, Erbschleicher, Schnorrer und Journalisten verfolgen den prompt als Kindisch und naiv verschrieenen Deeds überall hin. Als er die Wahrheit über die verdeckt arbeitende Reporterin Babe Bennett (Jean Arthur), die sich an ihn rangemacht und dann verächtliche Storys über ihn geschrieben hat, erfährt, ist Deeds schwer betrübt. Er beschließt, sein Vermögen gerecht an zweitausend mittellose Farmer umzuverteilen, damit diese eine neue Existenz gründen können. Die Folge: Deeds wird vor Gericht zitiert, um auf seinen Geisteszustand hin überprüft zu werden.

Und gleich noch mein Lieblings-Capra hinterher. "It Happened One Night" mag der Romantischste sein, "It's A Wonderful Life" der Schönste, "Mr. Smith Goes To Washington" der Leidenschaftlichste. Aber keiner vereint all diese Attribute so erfolgreich und öffnet Capras Weltanschauung selbst für frühkindliches Verständnis in solch vollkommener, luzider Weise wie es bei "Mr. Deeds Goes To Town" der Fall ist. Außerdem hat keiner der anderen Gary Cooper, der trat dann später dafür nochmal in "Here Is John Doe" für Capra an. Trotz dieser kleinen, heutzutage womöglich geradezu ekelhaft erscheinenden Szene, in der Deeds vor Grants Grabmal steht und angesichts dessen Biografie sinniert: "Such things only happen in America!" (man muss natürlich den Zeitkontext in Betracht ziehen, um zu erkennen, wie ernst gemeint diese Worte tatsächlich sind) ist "Mr. Deeds" rote Politisierung in höchster Vollendung. Nichts weniger als Sozialismus und Vermögensumverteilung wird hier gepredigt vor der berechtigten Frage: 'Wofür brauche ich soviel Geld, während andere hungern?' Dass die Anzugträger angesichts dieser so revolutionären wie naheliegenden und zugleich unmöglichen Idee einen politischen Erdrutsch befürchten und Deeds in ihrer Panik flugs unterstellen, geisteskrank zu sein, passt wie die Faust aufs Auge. Eine solch grandiose Finanzsatire kam erst knapp fünfzig Jahre später mit Landis' "Trading Places" wieder ans Tageslicht. Doch "Mr. Deeds" hat noch weitaus mehr zu bieten: Eine schöne Romanze zwischen der Arthur und Cooper beispielsweise (die kurz darauf in DeMilles "The Plainsman" fortgesetzt werden sollte), den tollen Lionel Stander als Deeds' ratio recta und einen herrlichen Kurzauftritt von Walter Catlett als versoffenen Schriftsteller, der in der deutschen Fassung (das Originalzitat habe ich leider gerade nicht zur Hand, ist aber auch egal) ankündigt: "Wir machen eine Sause, dagegen wirkt Omar, der versoffene persische Philosoph, wie ein Wassertrinker!" Daraufhin musste ich mir dann wie immer an dieser Stelle erstmal ein Pils aufmachen und dem großen Mr. Capra auf seiner rosaroten Wolke 7 in stillem Gedenken zuprosten.

10/10

Geld New York Erwachsenenmärchen Satire Frank Capra Simplicissimus


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IT HAPPENED ONE NIGHT (Frank Capra/USA 1934)


"Behold the walls of Jericho!"

It Happened One Night (Es geschah in einer Nacht) ~ USA 1934
Directed By: Frank Capra

Das ebenso verwöhnte wie trotzköpfige Millionärstöchterlein Ellie Andrews (Claudette Colbert) reißt von ihrem Vater (Walter Connolly) aus, da dieser ihr nicht seinen Segen für die kurz bevorstehende Hochzeit mit einem schmierigen Piloten (Jameson Thomas) geben will. So gut wie mittellos macht sich Ellie auf den Weg von Florida nach New York und wählt dazu - ganz unspektakulär - eine Nachtbus-Passage. Dabei wird der windige Reporter Peter Warne (Clark Gable) auf sie aufmerksam und verspricht sich eine profitträchtige Story von Ellies Flucht. Die Liebe jedoch macht beiden einen kräftigen Strich durch ihre Pläne.

Wenn die Tage kurz werden und die Novembernebel wallen, dann sollte man, sofern man nicht gerade an cineastischem diabetes mellitus leidet, sich ein, zwei Capras aus dem Regal greifen, um sein Herz damit nachhaltig etwas anzuwärmen. "It Happened One Night" bildete bekanntermaßen den Durchruch für den amerikanophilen Regisseur und war auch sonst gleich in mehrerlei Hinsicht eine Sensation. Er gewann als erster von bis heute nur drei Filmen die fünf "Hauptoscars" für Film, Regie, Script und Hauptdarsteller und räumte damit in jeder nominierten Kategorie ab. Für die MGM, die ihren Vertragsschauspieler Gable lediglich an die Columbia ausgeliehen hatte, kam dies einem mittleren Skandal gleich. Die als "schwierig" geltende Colbert, sonst bei Paramount daheim, soll den Film anfangs gehasst haben, während Capra sehr von dem Projekt angetan war und in für einen damals tätigen Regisseur ungewohnt löwenhafter Weise für die Realisation des Projekts gekämpft hat. Dass "It Happened One Night" mancherorts als "erste Screwball Comedy" bezeichnet wird, ist derweil natürlich Unsinn.
Erwartungsgemäß sind die allermeisten Lorbeeren für Capras Film als ein Muster seiner Gattung jedoch höchst berechtigt: Eine ebenso sorgfältige wie vielschichtige Charakterzeichnung sowie ein scharfer Blick für die soziale Realität, beides fraglos dem brillanten Drehbuch von Robert Riskin geschuldet, sorgen neben Capras frischer Inszenierung dafür, dass der Film seine Schönheit und Klasse in zeitloser Weise konservieren kann.

9/10

Frank Capra Screwball Road Movie Journalismus Florida New York Bus Great Depression


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THE SNOWS OF KILIMANJARO (Henry King/USA 1952)


"A man should never lose his hand at hunting."

The Snows Of Kilimanjaro (Schnee am Kilimandscharo) ~ USA 1952
Directed By: Henry King

Der zynische Bestsellerautor und Großwilfjäger Harry Street (Gregory Peck) liegt am Fuße des Kilimandscharo im Sterben. Er hat sich eine Wundinfektion zugezogen, ist zu schwach, um zu Fuß transportiert zu werden und das rettende Flugzeug ist seit Tagen überfällig. Unter der Pflege seiner Frau Helen (Susan Hayward) lässt Harry sein Leben Revue passieren und kommt zu dem quälenden, resümierenden Schluss, dass es einerlei ist, ob er weiterlebt oder stirbt. Erst Helens aufopfernde Liebe spendet ihm neuen Lebensmut.

Kings erste Liebäugelei mit Hemingway, einer seiner vielen Filme mit Gregory Peck und ein aufreizend süffiges Melodrama, das einmal mehr eine vom Erdboden losgelöst schwebende Ava Gardner zeigt, die wie das Licht von Motten in Form von sich verzehrenden Galanen umschwirrt wird. Wie so häufig in ihren Rollen als gleichermaßen liebenswertes und verdorbenes Frauenzimmer zieht sie irgendwann mit einem feurigen Spanier ab, nur um dann irgendwann als um eine schmerzliche Erfahrung reicheres Häuflein Elend wieder zu ihrer Lebensliebe zurückgekrochen zu kommen. Diesen in der Regel undankbaren Part pflegt Peck als alter ego Hemingways; einst von unersättlichem Lebenshunger getrieben und nunmehr zerfließend in Selbstmitleid. Daheim unter den Pariser Bohèmiens, zwischen Schreibmaschine und Rotweinflasche und sowieso im Afrika der Kolonialisten und Safaris. Dabei ist es so essenziell (und existenziell), das Gefühl, wiedergeliebt zu werden, wo der Zynismus schleichend die Überhand zu gewinnen droht und wo Hemingway seinem Helden keine Rettung gönnt und seine Fieberträume ihn schließlich übermannen lässt, da reicht Hollywood uns die Hand. Ob man diese dankend ergreifen und sich leiten lassen mag, ist gottseidank freigestellt; ich tu's regelmäßig wieder gern in diesem Fall.

8/10

Henry King Ernest Hemingway Afrika Paris Spanien Spanischer Bürgerkrieg Biopic Bohème period piece


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LEIDENSCHAFTLICHE BLÜMCHEN (André Farwagi/BRD 1978)


"Jestatten, Carlos. Hundert Prozent Spanier. Ick bin jeboren in Berlin!"

Leidenschaftliche Blümchen ~ BRD 1978
Directed By: André Farwagi

Schweiz, 1958: Im Internat "St. Clara" für Töchter gehobener Familien haben es einige der jungen Damen faustdick hinter den Ohren - oder besser: unterm Rock, denn das Einzige, was ihnen durch den Kopf spukt, ist die möglichst baldige Defloration. Als die Amerikanerin Debbie Collins (Nastassja Kinski) nach St. Clara kommt, wird der Laden ordentlich aufgemischt. Nicht nur, dass Debbie ein äußerst kesses Gör ist, sie stiftet ihre neuen Freundinnen auch noch mit der blitzgescheiten Idee an, ein hauseigenes Bordell zu eröffnen, in dem die Herren des benachbarten Jungeninternats verkehren sollen. Spaß und Kommerz soll eine flotte Verbindung eingehen. Dummerweise geht nahezu jedes Tête-à-Tête böse in die Hose. Immerhin findet Debbie ihre große Liebe (Gerry Sundquist).

Habe ich mir gekauft in der voyeuristischen Hoffnung, ein paar gezielte Blicke auf den biegsamen Leib der jungen Nastassja Kinski werfen zu können - für mich immer noch ein absolut ätherisches Symbol formvollendeter Weiblichkeit. Diese Rechnung ging leider nur zu Teilen auf, denn "Leidenschaftliche Blümchen ist weit weniger schmierig, als Titel und Thema es vermuten lassen. Tatsächlich hat das Ganze eher ein naives Flair von "Hanni und Nanni als Puffmütter" und versteht sich als ein flockiges Sittenbild wider die knauserige Prüderie der Nachkriegsära. Die Zielgruppe ist denn wohl auch tatsächlich eher "Bravo"-Leserinnen zu suchen denn beim steifen (ähem) Trenchcoat-Senioren. Dennoch lässt David Hamilton hier und da kurz mal grüßen.
Ob man das toll finden kann, sei mal dahingestellt - ich mag's dann doch lieber ein bisschen derber in Sprache und Gestus. Dennoch gibt es hier und da ein paar lustige Stellen, die zumeist dem feisten Stefano D'Amato zu verdanken sind, dessen komische Auftitte (natürlich mit der Synchronstimme Joachim Tennstedts, der zumeist auch auf Zachi Noy besetzt wurde) dem recht biederen Schwank eine gute Portion Auflockerung spendieren. Ansonsten mag man Verzicht üben - die Bilder der schönen Nasti haben's für mich persönlich aber zumindest noch halbwegs ansehnlich gemacht.

4/10

Sexualität André Farwagi Schweiz Internat period piece Schule Coming of Age Teenager


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GREAT EXPECTATIONS (David Lean/UK 1946)


"In becoming a gentleman, I had only succeeded in becoming a snob."

Great Expectations (Geheimnisvolle Erbschaft) ~ UK 1946
Directed By: David Lean

Der junge Pip (Tony Wager), Ziehsohn seiner älteren Schwester (Freda Jackson) und ihres Angetrauten, eines Schmieds (Bernard Miles), erlebt während seiner Kindheit im Moor bei Kent Seltsames: Einmal hilft er einem entflohenen Sträfling (Finlay Currie) mit Essen und einer Feile, später muss er der seltsamen alten dame Miss Havisham (Marita Hunt) zu Diensten sein, indem er mit ihrer hochmütigen Adoptivtochter Estella (Jean Simmons) spielt. Mit 15 wird Pip (John Mills) dann eine beträchtliche Monatsrente zuteil, die ihm ein anonymer Gönner über den Anwalt Jaggers (Francis L. Sullivan) ausbezahlen lässt. In London zu einem Dandy herangreift, begegnen ihm bald sämtliche schicksalhaften Personen aus seiner Kindheit wieder - und entpuppen sich dabei zumeist als genau gegenteilig zu Pips Erinnerungen...

Leans großartige Adaption von Dickens' noch großartigerem Entwicklungsroman sollte jedem, der viktorianische Schauerromantik in Verbindung mit expressionistischer Bildsprache liebt, ein Begriff sein. Zwar reduziert Leans Film etwas die inhaltliche Komplexität der Vorlage; ihr Geist und Nukleus bleiben dafür jedoch umso kristalliner erhalten. Um die Streiche, die unsere kindliche Wahrnehmung uns spielt, geht es, und um die charakterlichen Verpuppungsstadien, die ein Mensch auf dem Wege zur Ausbildung einer halbwegs standhaften Persönlichkeit durchzustehen hat. Um darum natürlich, dass die erste große Liebe im Grunde auch immer die einzige bleibt. Vom schüchternen, murmeläugigen Jungen über den braven Lehrling bin hin zum arroganten Verschwender reicht Pips Karriere, jeweils gesteuert von mysteriöser, unbekannter Hand. Lean begleitet den liebenswerten John Mills bei seiner Seelenfindung und verfolgt dabei exakt Dickens' Linie: Pip zu einem Vertrauten des Lesers zu machen, der im Bestfall sogar zu seinem spiegelbildlichen Gegenüber avanciert.

9/10

London Sumpf David Lean Charles Dickens period piece Biopic Haus Coming of Age


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FOR WHOM THE BELL TOLLS (Sam Wood/USA 1943)


"Nothing can ever part us now, can it?"

For Whom The Bell Tolls (Wem die Stunde schlägt) ~ USA 1943
Directed By: Sam Wood

Kastilien, 1937: Die Franquisten gewinnen an Boden, während der republikanisch-liberale Widerstand in den Provinzen zunehmend geschwächt wird. Der amerikanische Partisan und Sprengstoffexperte Robert Jordan (Gary Cooper) unterstützt die Guerilla, indem er brisante Aufträge von der Generalität annimmt und ausführt. Seine jüngste Mision führt ihn in die Berge vor Segovia, wo er eine nachschubsichernde Brücke sprengen soll. Zuvor trifft er dort eine kleine Schar Widerstandskämpfer, darunter die resolute Pilar (Katina Paxinou), der zwielichtige Pablo (Akim Tamiroff) und die schöne María (Ingrid Bergman), in die Robert sich heftig verliebt.

Hemingway nahm Sam Wood die Verfilmung seines Romans, der sich auf der Leinwand in eine glühende, üppige Farb-Schmonzette verwandelte, ziemlich übel. Die Paramount zielte wie sämtliche der übrigen Studios darauf ab, das Konkurrenzwerk "Gone With The Wind" zu toppen, was jedoch aussichtslos blieb, trotz Hemingways wunderbaren Stoffs und seiner politisch höchst integren Aussage. Letzten Endes läuft das in dramaturgischer Hinsicht eher kammerspielartig gehaltene, in den schroffen Sierras von Kalifornien und im plüschigen Studio-Atelier gefilmte Drama ohnehin bloß darauf hinaus, Cooper und die Bergman als Traumpaar zu verkaufen, was die Inszenierung dann auch meisterlich bewerkstelligt. Das Ende mitsamt einem der heroischsten Heldentode der Filmgeschichte ist herzzereißend und nötigt mir jedesmal wieder ein Tränchen ab. Die Bergman war nie schöner und erotischer denn als "cropped head", der Cooper selbigen so gut wie mühelos verdreht.
Vieles kann man an "For Whom The Bell Tolls" auch schwach finden, oder ihm vorwerfen; dass er sülzig und trivial ist etwa, dass die Spanier statt rustikalem Spanisch ein rustikales Englisch mit spanischem Akzent sprechen (ein Problem freilich, dass sich Hemingway bereits beim Schreiben seines Romans stellte und nach vielerlei Ansicht nur unbefriedigend von ihm gelöst wurde), dass die Figuren Abziehbilder und Klischees sind. Dann wird man vor lauter Griesgrämigkeit aber einen herrlich romantischen Film mit traumhaft schöner Musik von Victor Young versäumen, baucherwärmende Bilder in Dreistreifen-Technicolor und die schönsten Close-Ups von der Bergman, die es im Kino gibt. Man entscheide selbst.

9/10

Berge Ernest Hemingway Sam Wood Spanischer Bürgerkrieg period piece





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