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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SUSPICION (Alfred Hitchcock/USA 1941)


"Hello, monkeyface."

Suspicion (Verdacht) ~ USA 1941
Directed By: Alfred Hitchcock


Die von der Altjungernschaft bedrohte Lina McLaidlaw (Joan Fontaine) lernt den Taugenichts und Salonlöwen Johnnie Aysgarth (Cary Grant) kennen und lieben. Entgegen aller Vernunft heiratet sie den Filou, der die Verschwendung liebt und lebt, ohne einen Penny dafür locker zu machen oder auch nur zu besitzen. Diverse Wettaffären, uneingelöste Wechsel und Veruntreuung begleiten sein Leben, was Lina erst nach und nach bemerkt. Als Johnnie sie anlügt und ihr Dinge verschweigt, beginnt sie, auch schlimmere Verdacchtsmomente gegen ihn zu hegen. Würde er vielleicht soweit gehen, für seinen exzessiven Lebensstil auch schlimmere Verbrechen zu begehen, gar zu morden?

Bekanntermaßen lösen sich Linas Verdächtigungen - und mit ihnen auch die des Publikums - am Ende in Wohlgefallen auf. Nur eines von mehreren von Hitchcock erwogenen Enden. Ihm selbst wäre es angeblich lieber gewesen, Cary Grant als Mörder hinzustellen und den Titel des Films sich erfüllen zu lassen; Reaktionen des Testpublikums hätten dies jedoch unmöglich gemacht. Dann stand ein Abschluss im Raum, der zwischen Lina und dem reumütigen Johnnie eine romantische Trennung auf Zeit eingeleitet hätte, doch letzten Endes gönnte Hitchcock seinem Paar, uns und mit Sicherheit vor allem sich selbst, das hoffnungsvolle Finale, mit dem man erleichtert aus der Geschichte entlassen wird. Grant - hier in seinem ersten von vier Auftritten beim Meister - einen bösen Killer spielen zu lassen, wäre letztlich in der Tat unmöglich gewesen, einem Imagemord des glatten Komödianten gleichgekommen und hätte dem Film viel von seiner Attraktivität geraubt. In der vorliegenden Form erscheint das Ende stimmig und gerecht und die Rehabilitierung des von Grant so wunderbar misogyn und dekadent dargestellten Fatzkes nur konsequent. Die berühmte Einstellung mit Grant und dem Milchglas auf der Treppe gehört zum Besten, was Hitchcock jemals auf Zelluloid bannte.

8/10

Alfred Hitchcock England Ehe


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MR. & MRS. SMITH (Alfred Hitchcock/USA 1941)


"I will never forget you in that little blue dress."

Mr. & Mrs. Smith ~ USA 1941
Directed By: Alfred Hitchcock


Nach drei Jahren vermeintlicher Ehe mit ausgefuchsten Streitschlichtungsregularien müssen Ann (Carole Lombard) und David (Robert Montgomery) feststellen, dass ihre Heirat wegen eines Formfehlers überhaupt nicht zustande gekommen ist. Weil sie unabhängig von ihrem (Un-)Glück erfahren, wartet Ann bis zum Abend darauf, dass David ihr einen erneuten Heiratsantrag macht, um das Ganze auf dem schnellsten Wege zu legalisieren. Doch weit gefehlt, der Gute will sein plötzliches Junggesellendasein offenbar nicht gleich wieder aufgeben. Wutentbrannt wirft Ann David aus der Wohnung und sich selbst Davids Kollegen Jeff (Gene Raymond) an den Hals. Kein einfaches Unterfangen für David, die Gekränkte wieder zurückzuerobern...

Mit seinem dritten US-Film und dem ersten, dessen Inhalt sich tatsächlich auf amerikanischem Boden zuträgt, wagte sich Hitchcock auf das ungewohnte Terrain der Screwball Comedy. Dieses wurde bis dato beherrscht von Lubitsch, Preston Sturges, McCarey und Hawks - keine einfache Konkurrenz und, soviel lässt sich im Nachhinein verifizieren, auch keine, mit der man sich "mal eben so" messen konnte, selbst dann nicht, wenn man Alfred Hitchcock hieß. Der Meister behauptete im Nachhinein gern, er hätte die Regie dieses Films nur angenommen, um seiner Freundin Carole Lombard einen Gefallen zu tun. Diese hatte, so will es die Sage weiter, Hitchcock zu den Dreharbeiten mit drei Rinderställen begrüßt, auf denen die Namen der Hauptdarsteller zu lesen waren, um so seinen legendären Ausspruch, demzufolge man Film-Akteure wie Vieh behandeln müsse, weil sie im Grunde nichts anderes seien, zu replizieren. Lustige Anekdoten um einen lustigen Film, deren Wahrheitsgehalt fragwürdig sein dürfte. Hitchcock als Regisseur ist durch so gut wie nichts hinter "Mr. & Mrs. Smith" identifierbar; von 'auteurisme' keine Spur. Und woher auch. Seit ewigen Zeiten gibt es hier kein Kriminal- oder Spionagesujet, keine Toten, keine Geheimnisse. Allein das Strampeln des Unschuldigen um Gerechtigkeit lässt allenfalls noch das Ziehen einer Analogie zu, doch damit hat es sich. Sicherlich eine nette, unterhaltsame Arbeit, aber eben keine unerlässliche.

6/10

Alfred Hitchcock New York Ehe Screwball


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REBECCA (Alfred Hitchcock/USA 1940)


"Last night I dreamt I went to Manderley again..."

Rebecca ~ USA 1940
Directed By: Alfred Hitchcock


Eine junge Gesellschafterin (Joan Fontaine) weilt mit ihrer ältlichen Chefin ferienbedingt (Florence Bates) in Monte Carlo. Da lernt sie den verwitweten englischen Baron Maxim De Winter (Laurence Olivier), der sie sozusagen vom Fleck weg heiratet und mit auf sein Anwesen in Cornwall, den Herrensitz 'Manderley' nimmt. Der posthume Schatten von De Winters verstorbener Frau Rebecca ist jedoch allgegenwärtig. All ihre Gegenstände tragen ihre Initialen und jeder in Manderley wird zwangsläufig permanent an sie erinnert. Besonders die Haushälterin Mrs. Danvers (Judith Anderson) ist wie besessen von Rebeccas Geist. Zunächst leidet die neue Mrs. De Winter unter den übermächtigen Spuren ihrer 'Vorgängerin', dann jedoch erfährt sie die ganze Wahrheit...

Ich bin sicher nicht der größte Fan von Hitchcocks so hochgelobtem, erstem amerikanischen Film, den er für David O. Selznick gemacht hat. Mich hat der schwülstige "Gaslicht"-Impetus der Geschichte, die heuer auch als Rosamunde-Pilcher-Klamotte der Woche im Fernsehen laufen könnte, schlichterdings nie hinfort- und schon gar nicht umgerissen. Allerdings, soviel sei von vornherein dagegenzuhalten, ist Hitchcocks Inszenierung gegenständlich tadellos und es lässt sich wohl mutmaßen, dass er viel von Selznicks eigentlichen, wildromantischen Plänen mit dem Stoff zum Besseren gewendet hat. "Rebecca" enthält als Dreiakter zwei harte narrative bzw. dramaturgische Zäsuren; die erste nach dem "Umzug" des Films von Monte Carlo nach Cornwall (im Film muss als stellvertretender Drehort die kalifornische Pazifikküste herhalten), die zweite, als die namenlose Protagonistin um das tatsächliche Verhältnis zwischen De Winter und Rebecca erfährt. Erst die letzte jener drei "Episoden" ist dann wieder klassischer Hitchcock; Romantik, Erpressung und Unschuldsbeweis und hier erhält man dann auch den unbestimmten Eindruck, der Meister wache aus einem ihm zuvor zwangsauferlegten Dornröschenschlaf auf, fände seine Lebensgeister wieder und könne zu seinem wahren Leisten zurückkehren. Damit käme ich zum zweiten persönlichen Störfaktor: Die buchstäblich alles überstrahlende Joan Fontaine rettet den Film aufgrund genau der Attribute, die ihr Reginald Denny im Film einmal auf den Kopf zusagt: Lebendigkeit, Natürlichkeit und Anmut. Ansonsten trifft man auf eine förmliche Liga von Unsympathen - allen voran der eiskalte Olivier, den ich im Grunde sowieso nur als Bösewicht sehen mag, die grauenhafte Mrs. Danvers, von Judith Anderson zwar ihrem Charakter gemäß ansprechend verkörpert, aber dennoch ein Rundum-Fies-Paket. Schließlich George Sanders, der als erpresserisches Oberekel für den männlichen Widerlingsbonus sorgt. Ein Personal, das ich gern schnell wieder sich selbst überlasse, trotz der armen, namenlosen Joan Fontaine, die ihr Leben mit dem drögen Schnauzbartträger De Winter wird zu Ende leben müssen.
Also, natürlich wertschätze ich auch "Rebecca" und erkenne darin noch hinreichend Qualität, um ihn mir immer mal wieder anzuschauen. "Mögen" - und schon erst recht "gern" - ist aber doch irgendwie was anderes.

7/10

Daphne Du Maurier Ehe Alfred Hitchcock Cornwall


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BLACK BART (George Sherman/USA 1948)


"One thing about being a crook: you can spot another crook at fifty paces."

Black Bart (Die schwarze Maske) ~ USA 1948
Directed By: George Sherman


Kalifornien, um das Jahr 1953: Der als "Schwarzmaske" gefürchtete Bandit Charles E. Boles (Dan Duryea) bereitet der Wells Fargo Bank Kopfzerbrechen. Er hat die Gesellschaft bereits um immense Summen erleichtert und konnte bislang weder gefasst werden noch ist seine wahre Identität bekannt, da er seine Coups namensgetreu nur vermummt begeht. Als die berühmte europäische Tänzerin und Mätresse Lola Montez (Yvonne De Carlo) an die Westküste kommt, ist es um Boles' Herz geschehen. Vom Fleck weg verliebt er sich in die Schöne. Auch sein alter Partner und Freund Lance Hardeen (Jeffrey Lynn), der jetzt für die Wells Fargo arbeitet, verkuckt sich in Lola. Der vorauszusehende Hahnenkampf lässt nicht lange auf sich warten.

Charmanter, wenn auch gleichförmig-routiniert inszenierter Romantikwestern von George Sherman, dessen größte Stärke seine wunderschön leuchtenden Technicolor-Bilder sieht. Allein deren Betrachtung lässt es mir warm ums Herz werden und die im Prinzip sowieso zu vernachlässigende Geschichte um den verlorenen Outlaw und sein Liebchen vergessen. Ganz abgesehen davon, dass der märchenhafte Plot ohnehin grundphantastisch ist und jedwedes historische Faktum außen vor lässt, ist die Idee, einen legendären Wildwest-Banditen auf die skandalumwitterte Lola Montez treffen zu lassen, natürlich sehr fein und bester Kintopp-Stoff. Ebensogut hätte man zwar auch Sarah Bernhardt und Jesse James eine Romanze andichten können, aber der Maskenmann und die männermordende, ganze Revolutionen auslösende Edelkurtisane geben da schon einiges mehr her.

7/10

Freundschaft Kalifornien George Sherman Lola Montez


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THE RAGGEDY RAWNEY (Bob Hoskins/UK 1988)


"I'm cursed. We're all cursed."

The Raggedy Rawney (Raggedy - Eine Geschichte von Liebe, Flucht und Tod) ~ UK 1988
Directed By: Bob Hoskins


In einem namenlosen, mitten im Krieg befindlichen Land verkleidet sich der junge Deserteur Tom (Dexter Fletcher) als "Rawney", eine Art verrückte Waldhexe, und schließt sich einer Gruppe fahrender Leute an. Nachdem diese, abergläubisch wie sie sind, Tom, die Rawney, zunächst willkommen geheißen haben, sind sie bald überzeugt, dass er/sie ihnen nur Unglück bringt: Erst ertrinkt der behinderte Sohn (Timothy Lang) einer der Mitreisenden (Zoë Wanamaker), dann geraten die Zigeuner in einen empfindlichen Konflikt mit Soldaten. Schließlich bekommt Jessy (Zoë Nathenson), die Tochter des Treckführers Darky (Bob Hoskins), ein Kind unbekannter Herkunft. Wer steckt dahinter?

Diese naive Antikriegsfabel markierte Bob Hoskins' Debüt als Regisseur. Produziert wurde es von George Harrisons Firma 'Handmade Films' in deren sehr britische Linie der Film hervorragend passt, ist er doch unverkennbar ein Produkt seines Landes und von dessen Mentalität. Ganz bewusst ist "The Raggedy Rawney" lokal und zeitlich entrückt bzw. nicht zuzuordnen. Einerseits könnte sich die Geschichte in einem Bürgerkriegsgebiet auf dem Balkan abspielen, andererseits tragen die Personen englische Namen und sprechen starken Dialekt. Ferner weiß man nicht, wer da überhaupt mit wem im Krieg liegt - die Uniformen geben keine Auskünfte und die Tatsache, dass die Armee vornehmlich damit beschäftigt scheint, Deserteure einzufangen bzw. Verweigerer am Waffendienst zu schnappen, wirkt umso bedrückender. Darky und seine fahrende Truppe symbolisieren derweil eine gesellschaftsautarke, ausgelassene, bald hippieeske Lebensfreunde, die sich lediglich durch die ständige Flucht vor den Militärs aufrecht erhalten lässt. Der traumatisierte Rekrut Tom, der schon nach wenigen Tagen Seiten vom Krieg gesehen hat, die keinen anderen Schluss zulassen als für immer genug davon zu haben, passt recht gut zu den fahrenden Gesellen, allein sein Zugang zu ihnen ist vielleicht etwas umwegig und am Ende von harten, rückblickend vielleicht vermeidbaren Verlusten gesäumt.

8/10

Bob Hoskins Zigeuner Road Movie Erwachsenenmaerchen Parabel


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THE FACE BEHIND THE MASK (Robert Florey/USA 1941)


"With these hands, I can do anything!"

The Face Behind The Mask (Das Gesicht hinter der Maske) ~ USA 1941
Directed By: Robert Florey


Der ungarische Uhrmacher Janos Szabo (Peter Lorre) kommt voller guter Hoffnung und Freundlichkeit nach New York. Wenn er erstmal genug Geld verdient habe, so sagt er, werde er seine Braut Maria nachkommen lassen und hier mit ihr glücklich sein. Ein böser Unfall durchkreuzt jedoch Janos' Pläne: Sein Gesicht verbrennt bis zur Unkenntlichkeit. Niemand will dem Enstellten fortan mehr Arbeit geben. Janos verliert bald jeden Lebensmut und trennt sich per Brief von seiner Mary. Am Punkt tiefster Verzweiflung lernt er den Kleinganoven Dinky (George E. Stone) kennen, mit dessen Unterstützung Janos sich nach und nach zu einem brillanten Raubexperten entwickelt. Er trägt nun eine eigens angefertigte, seinen früheren Gesichtszügen nachempfundene Maske. Da lernt er die lebensfrohe, blinde Helen (Evelyn Keyes) kennen, mit der Janosz zu seinem alten Enthusiasmus zurückfindet. Seinen Kumpanen zeigt er die rote Karte. Als diese Janos fälschlich der Spitzelei verdächtigen, verüben sie einen Anschlag auf ihn, dem die arme Helen zum Opfer fällt. Janos, der nun endgültig jeden Lebenswillen verloren hat, denkt sich einen perfiden Racheplan für sie aus.

Einer der ungehobenen Hollywood-Schätze der vierziger Jahre. "The Face Behind The Mask" zeigt einen wesentlich hagerer gewordenen Peter Lorre auf dem Höhepunkt seiner Schauspielkunst. Die Emotionen hinter der Maske, die wie ein trauriges Zerrbild seines eigentlichen Gesichts aussieht, stellt er mit der gebührenden Verhaltenheit dar, tatsächlich so, als befände sich ein (unsichtbarer) Schutz auf seinem Antlitz. Floreys Film ist auch die zutiefst ergreifende, herzzereißende Geschichte der Rache eines in die Enge Getriebenen. Im Zuge der später aufkommenden, grell-brutalen Exploitationfilme scheint das Kino irgendwann vergessen zu haben, dass Rache immer auch ein Ausdruck tiefer Verzweiflung und Trauer ist. "The Face Behind The Mask" akzentuiert diesen Aspekt noch mit aller gebührenden Kraft. Man ist, ganz besonders eben wegen Lorres wahnsinniger Fähigkeit, Empathie für seine Figuren zu erzeugen, immer ganz dicht bei diesem Janos Szabo, der einst so liebenswert und mit offenen Armen auf Ellis Island landetete, nur um dann wie bereits so viele vor ihm von der Unbarmherzigkeit der Großstadt erdrückt zu werden. Das Motiv der augenscheinlich blinden, mit dem Herzen jedoch umso besser sehenden Schönheit, die sich dem "kaputten" Helden widmet, zieht sich bis heute durch alle Schichten des Genrefilms.

10/10

Wueste Robert Florey Rache Film Noir Entstellung New York


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MODERATO CANTABILE (Peter Brook/F, I 1960)


Zitat entfällt.

Moderato Cantabile (Stunden voller Zärtlichkeit) ~ F/I 1960
Directed By: Peter Brook


Gefangen in der Isolation einer großbürgerlichen Ehe: Für die Fabrikantengattin Anne (Jeanne Moreau) sind die alltäglichen Ausflüge mit ihrem kleinen Sohn Pierre (Didier Haudepin) die einzige Möglichkeit zur Flucht aus ihrer sie anwidernden Existenz. Bei einer von Pierres Klavierstunden kommt es in einer benachbarten Kneipe zu einem Mord - Gelegenheit für den Arbeiter Chauvin (Jean-Paul Belmondo), die ihm bereits vor längerem aufgefallene Anne inmitten der Schaulustigen kennenzulernen. Eine fast körperlose Romanze beginnt, die Anne wegen ihres Jungen nicht erfüllen kann.

"Sanft, getragen". So Berückendes wie Bedrückendes von dem britischen Bühnenregisseur Peter Brook, der mittels dieser stillen Duras-Verfilmung seinen Beitrag zur Nouvelle Vague leistete. Dass Brook auch als Filmemacher zu reüssieren vermag, demonstrieren vor allem die erlesenen, spätwinterlichen Scope-Bilder des Médoc, die im Zuge eines höchst bewussten Symbolismus ganz auf die Gefühlslage der Protagonistin zugeschnitten sind. Annes letzte Nabelschnur zum Leben ist im Prinzip ihr Sohn; das Zusammenleben mit ihrem zugeknöpften Mann und dessen oberflächlicher Industriellenkaste sind dabei längst zur akuten Qual geworden. Der Ausbruch winkt in Form des verständigen Romantikers Chauvin, nicht jedoch die nötige innere Kraft dazu. Zu übermächtig die Angst davor, Pierre an den emotionslosen Noch-Gatten zu verlieren; zu unsicher der Wink der potenziellen Mittellosigkeit. "Ich bin gerade gestorben" sagt Anne am Ende, als Chauvin ihr unterbreitet hat, dass er, liebeskrank wie er sei, die Gegend nun ihretwegen verlassen werde und es ja ohnehin besser für sie sei, dass und wenn sie stürbe. Vermutlich irrte sie schon lange zuvor nurmehr als Gespenst durch ihre Welt.

8/10

Nouvelle Vague Peter Brook Médoc


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WHITE ZOMBIE (Victor Halperin/USA 1932)


"There is no other way!"

White Zombie ~ USA 1932
Directed By: Victor Halperin


Das junge Paar Neil (John Harron) und Madeline (Madge Bellamy) folgt der Einladung des freundlich auftretenden Plantagenbesitzers Beaumont (Robert Frazer), sich auf dessen haitianischem Besitz trauen zu lassen. Doch Beaumont hat tatsächlich höchst Neidvolles im Sinn: Er will Madeline für sich und bemüht dafür den Voodoo-Meister Murder Legendre (Bela Lugosi), der die Schöne zu einem willenlosen Zombie machen soll. Doch mit ihrem Geist verliert Madeline auch ihre Seele; Beaumont überlegt es sich anders, doch da ist es schon zu spät - Murder will Beaumonts Habe für sich und verwandelt auch ihn in einen Zombie. Neil und der Okkultismus-Experte Dr. Bruner (Joseph Cawthorn) allerdings lassen Madeline nicht im Stich.

Ah, ein wahres Poem des frühen Ton-Horrorfilms, fast so schön wie Dreyers traumseliger "Vampyr" und zugleich eine Maßgabe für die günstige und zugleich effektive Produktion (künstlerisch) erfolgreichen Genrekinos. Die Halperin-Brüder konnten sich glücklich schätzen, mit Lugosi einen Star auf ihrer Seite zu haben, möglicherweise wäre "White Zombie" ansonsten heute bereits vergessen und längst zu Staub zerfallen. Im Prinzip bedient sich das zumindest nominell vorlagenlose Script strukturell ausgiebig bei Tod Brownings "Dracula". Eine Orpheus-Variation mit finaler Erlösung gibt es auch hier, ein exotisches und damit automatisch böses Areal, den obhütenden, zerstreuten Gelehrten und natürlich Bela Lugosi als Supervisor des Sinistren. Lugosis Zombie-Staff ist allerdings neu und nicht vom Schlechtesten; jeder der Getreuen erhält einen (zugegebenermaßen sehr) kurzen biographischen Background und damit zugleich eine gewisse Individualität. Sowas gab's in späteren Zombiefilmen ja nurmehr bedingt. Auch die qua märchenhafte Wiederkehr aus dem Reich der Wiedergänger konnte anno 32 noch wohlmeinend und umweglos Einzug in Geschichten halten.

9/10

Zombies Voodoo Karibik Haiti Victor Halperin Independent


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THE BARBARIAN AND THE GEISHA (John Huston/USA 1958)


"How many wars have you led in the last two centuries?" - "Too many."

The Barbarian And The Geisha (Der Barbar und die Geisha) ~ USA 1958
Directed By: John Huston


Botschafter Townsend Harris (John Wayne) wird zusammen mit dem Dolmetscher Heusken (Sam Jaffe) in den 1850ern als Konsul nach Japan geschickt. Dort zeigt man sich wenig angetan von dem raubeinigen Klotz aus dem Westen, ändert seine Ansichten jedoch, als auf Harris' Initiative hin in einem Hafendorf erfolgreich eine Cholera-Epidemie abgewendet werden kann. Der Amerikaner wird zum Shogun (Hiroshi Yamato) vorgelassen und kann sogar den Ältestenrat überzeugen, diplomatische Beziehungen mit den USA zuzulassen. Seine große Liebe, die Geisha Okichi (Eiko Ando), kann Harris jedoch nicht behalten.

Farbenfrohes Rührstück von Huston, dessen einzige Zusammenarbeit mit Wayne dies blieb. Der liberale Lebemann und der stockkonservative Erzrepublikaner konnten sich, obschon beide von legendärer Trinkfestigkeit, gegenseitig nicht ausstehen, was auch dieses engagierte, vor Ort in Japan gefilmte Prestige-Projekt der Fox nicht zu ändern vermochte. Zwar bemerkt man die akuten Zwistigkeiten hinter der Kamera nicht; man darf aber wohl schon annehmen, dass der Film in erster Linie als Vehikel für seinen Star konzipiert war. Wayne spielt eine für ihn typische Rolle als Repräsentant des Imperialismus, stoisch hat er seine Politik und seine Kultur in einem zerrissenen, tradierten Staat vermeintlicher Hinterwäldler und Attentäter durchzusetzen, was ihm am Ende natürlich auch gelingt. Anders als Dukes Präsenz es erscheinen lässt, dürfte "The Barbarian And The Geisha" jedoch keineswegs als verspäteter Nackenschlag in Richtung Japan gedacht sein, sondern vielmehr als Vorreiterfilm einer folgenden, langen Ahnenreihe popkultureller Annäherungsversuche. Entspannung in Scope, sozusagen. Ob es dafür eines so versierten Regisseurs bedurft hätte, mag bezweifelt werden; auf diese Weise erhielten wir aber ein - vornehmlich aufgrund seiner bezaubernden Bilder - doch recht ansehnliches Resultat.

7/10

Japan John Huston Historie period piece


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HEREAFTER (Clint Eastwood/USA 2010)


"A life that's all about death is no life at all."

Hereafter ~ USA 2010
Directed By: Clint Eastwood


Die Pariser TV-Journalistin Marie (Cécile De France) fällt beinahe einem Tsunami zum Opfer, der einsame Fabrikarbeiter George (Matt Damon) aus San Francisco besitzt mediale Fähigkeiten, die ihn sich jedoch zunehmend von den Menschen distanzieren lassen und der kleine Londoner Marcus (Frankie McLaren) verliert seinen Zwillingsbruder Jason (George McLaren). Bei einer Londoner Buchmesse kreuzen sich schließlich ihre Wege, was ihre Existenzen jeweils ausnehmend positiv beeinflusst.

Eine als Ensemblefilm angelegte, brave, ja, fast biedere Meditation über das Thema "Leben nach dem Tod", vermutlich ein Topos, das einen Mann von rund 80 zwangsläufig umtreibt. Dem versöhnlichen Alt-Eastwood, der nurmehr stille, philanthropische Filme macht, kommt "Hereafter" sehr zu, so wie ein Freund des Regisseurs sein Werk grundsätzlich sicher mögen wird. Dennoch sollte auch gezielte Kritik ihre Berechtigung finden. Besonders die sich stark an Klischees entlang hangelnde Episode um Marcus und seine heroinsüchtige Mutter verlangt einem einiges an Toleranzgebahren ab. Konzentriert auf die umwegige Liebesgeschichte zwischen der bezaubernden Cécile De France und Matt Damon, die wirklich schön und herzerwärmend daherkommt, wäre "Hereafter" womöglich stärker ausgefallen. So kann er sich, wie schon "Invictus" zuvor, immerhin als ein weiterer solider Eintrag in Eastwoods hoffentlich noch einige Filme anhaltendem Œuvre niederlassen.

7/10

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Filmtagebuch von...

Funxton

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