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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SALOME (William Dieterle/USA 1953)


"The desperate can only survive by taking desperate measures."

Salome ~ USA 1953
Directed By: William Dieterle


Zusammen mit Pontius Pilatus (Basil Sidney), dem neuen Statthalter Jerusalems, wird auch die in Ungnade gefallene Königstochter Salome (Rita Hayworth) Richtung Osten verschifft. Nicht nur Pilatus' rechte Hand Claudius (Stewart Granger), der Christenbewegung sehr zugetan, wirft ein Auge auf die schöne Salome, auch ihr Stiefvater Herodes (Charles Laughton) ist ganz entzückt über die zur Schönheit gereifte junge Dame. Da der Täufer Johannes (Alan Badel) durch seine Ehebruchsvorwürfe gefährlich an Herodes' Thron sägt, macht sich dessen machtgierige Frau Herodia (Judith Anderson) die Zuneigung des Königs zu ihrer Tochter zunutze, um Johannes exekutieren zu lassen. Claudius kann das Schreckliche trotz aller Gegenmaßnahmen nicht verhindern.

Schön schmieriger Bibeltrash, der, eidieweil er über die männermordende Rita Hayworth verfügt, uns einen der größten Bären der gesamten Sandalenfilmgeschichte aufzubinden trachtet: Angeblich diente Salomes becircender Schleiertanz nämlich überhaupt nicht dazu, Johannes' Leben zu beenden, sondern im Gegenteil dazu, es zu retten. Umso entsetzter und spektakulärer der Hayworth' weitäugiger Blick, als Johannes' Haupt auf einem Tablette in den Königspalast getragen ward. Für den feisten Charles Laughton, der wenig mehr zu tun hat als mit den Augen zu rollen und die Hayworth zu begeifern, ist die ganze Kiste ein Heimspiel, Stewart Granger nimmt die Sache wesentlich ernster als es ihr denn zukommt. Wirkliche darstellerische Klasse offenbart die für den Part grauenhafter Schwiegermütter praktisch auserlesene, später zur "Dame" gekürte Judith Anderson als intrigante Horrortante. Ansonsten ist es das als exzessive Ausdrucksform benutzte Technicolor, das den vor Ort in Israel gefilmten "Salome" so oberflächlich-aufreizend gestaltet. Allerdings kommt hier zwar der feurige Rotschopf der Hayworth zur Geltung, dass die Aktrice jedoch keine Farbe benötigt, um Laszivität zu veräußern, beweist Vidors "Gilda" umso eindrucksvoller.

6/10

Antike Roemisches Reich period piece Jesus Christus Historie William Dieterle Bibel Camp


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MONSTERS (Gareth Edwards/UK 2010)


"I don't want to go home."

Monsters ~ UK 2010
Directed By: Gareth Edwards


Eine interstellare Sonde bringt außerirdisches Leben mit zur Erde, das sich in einem breiten Grenzstreifen zwischen den USA und Mexiko prächtig entwickelt, zu gigantischen, krakenähnlichen Wesen gereift und sich auch durch permantente militärische Intervention nicht vernichten lässt. Sechs Jahre später erhält der junge Fotograf Kaulder (Scoot McNairy) den Auftrag, Samantha (Whitney Able), die Tochter seines Verlegers, aus Mexiko sicher zurück in die USA zu geleiten. Die beiden lernen sich auf der Reise besser kennen und entwickeln Gefühle füreinander. Als sie die auslaufende Fähre verpassen, müssen sie dann den schwierigen Landweg durch die "kontaminierte" Zone nehmen und schließen bald unangenehme Bekanntschaft mit den außerirdischen Kreaturen.

Dem durch seinen Titel tangierten Genrefilm schuldet Edwards gar nichts und das betont er auch permanent während der Abwicklung seiner Geschichte. "Monsters" präsentiert sich eher ein schicker, harmonischer und sauberer Film für eine zielgerichtet junge, akademische Zuschauerschaft, eine klassische Liebesgeschichte in ungewöhnlichem Kontext rekapitulierend, wie sie seit Capras "It Happened One Night" dutzend-, wenn nicht gar hundertfach zu Besuch im Kino war. Edwards' Film gesellt sich somit zu einer bereits seit längerem andauernden Welle revisionistischer phantastischer Filme, zu denen ich auch Spielbergs "War Of The Worlds"-Remake, "The Mist", "Cloverfield" oder "District 9" zählen würde. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie klassische zwischenmenschliche Problematiken vor einem apokalyptischen Monsterszenario um außerirdische oder aus einer Paralleldimension stammende Kreaturen abspielen, wobei die Brisanz der humanen Interjektionen zumindest für den Moment die der außerweltlichen Bedrohung unverhältnismäßig übersteigt. Nicht, dass ich "Monsters" etwa ablehnend gegenüberstünde, aber mir scheint es dennoch so, als reite sich die oben umrissene Idee langsam aus. Ein hübscher Film mit echtem lovecrafteschem Impact, der sich getraut, ganz ungeniert auch mal wieder seine Monster ins Zentrum zu rücken, käme mir durchaus mal wieder zupass. Vielleicht vermag Del Toros in Bälde kommender "At The Mountains Of Madness" das ja.

7/10

Monster Mexiko Aliens Road Movie


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KING KONG (Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack/USA 1933)


"Holy mackerel!"

King Kong (King Kong und die weiße Frau) ~ USA 1933
Directed By: Merian C. Cooper/Ernest B. Schoedsack

Der New Yorker Filmemacher Carl Denham (Robert Armstrong) will mit dem Frachter 'Venture' zu einer bislang nicht kartografierten Insel im Indischen Ozean reisen, um dort sensationelle Aufnahmen von wilden Tieren zu machen. Allerdings benötigt er noch eine hübsche, unverbrauchte Darstellerin für sein Projekt, die er in der blonden Ann Darrow (Fay wray) findet. Auf der Insel angelangt, werden Denham und die Besatzungsmitglieder Zeugen eines primitiven Hochzeitsrituals. Offenbar soll dem Urwaldgott Kong ein jungfräuliches Opfer dargebracht werden. Als die Eingeboren Ann ansichtig werden, wollen sie die Blondine prompt als Ersatz für ihr Mädchen, entführen sie nächtens und bieten sie Kong, der sich als gewaltiger, haushoher Gorilla entpuppt, als Geschenk. Kong freut sich und beschützt die entsetzte Ann vor allerlei Gefahren auf der Insel, derweil die Besatzung der Venture, allen voran der in Ann verliebte Maat Driscoll (Bruce Cabot), das Mädchen suchen. Driscoll kann Ann schließlich befreien. Denham hat derweil schon eine neue Idee: Er will Kong einfangen und in New York der staunenden Öffentlichkeit als achtes Weltwunder präsentieren. Der Coup gelingt mit viel Mühe und Kong wird nach New York verschifft. Dort zerbricht er seine Ketten und entführt Ann auf das Dach des Empire State Building, von wo ihn eilends mobilisierte Jagdflieger herunterschießen.

Das in seinen Grundzügen recht naive Erwachsenenmärchen von einem monströsen Gorilla und seiner unmöglichen Liebe zu einer zarten Frau aus der westlichen Zivilisation erlangte seine umfassende Popularität aus dreierlei Gründen: Zunächst erwiesen sich die Stop-Motion-Effekte von Willis O'Brien als bahnbrechende und in dieser Form archetypische technische Leistungen, ferner sorgte die mehr oder weniger verborgene sexuelle Konnotation des virilen Riesenkerls, der ein wehrloses, halbnacktes Mädchen begehrt, für geschwollene Kämme allerorten. Schließlich war diese Form von großatmigem Abenteuer die denkbar beste Form des Eskapismus in depressionsgeschwängerter Zeit. Einem jeden Sensationslüsternen hatte "King Kong" etwas zu bieten, das es zumindest in solch vollendeter Form vorher nicht auf der Leinwand gegeben hatte. Gigantische Monster und Dinosaurier, wilde Eingeborene, großstädtische Katastrophen, Massenszenen, Action, Tragödie, Romantik und Tod - also grundsätzlich alles, was das Kino in seinen Grundfesten und -mechanismen definiert. "King Kong" ist somit auch ein Lehrstück in Sachen Exploitation, wesentlich luzider und unverhüllter als etwa die Genre-Konkurrenz von Universal und MGM. Die Liebesgeschichte zwischen Kong und der nahezu unentwegt kreischenden Ann kam in dieser Urfassung indes noch wenig zum Tragen. Zwar ist das allein anatomisch unmögliche sexuelle Interesse des Riesenaffen für seine kleine Zwangsgespielin offensichtlich, Ann derweil scheint eher froh zu sein, am Ende in die Arme ihres gleichgroßen Wunschpartners sinken zu können. Der Verständnis-Aspekt seitens des Mädchen wurde sehr viel deutlicher erst in den späteren Fassungen, in der leider noch immer völlig unterschätzten 76er-Version und ganz besonders in Peter Jacksons Remake prononciert. Dennoch bleibt der Ur-Kong der beste, eben weil er eine einzigartige Pionierleistung darstellt und hier die ungezügelte, bald infantile Präsentationslust eines Merian C. Cooper, die nebenbei komplett mit der des Filmprotagonisten Carl Denham gleichzusetzen ist, zum größten Triumphator wird.

10/10

Dinosaurier Monster Ernest B. Schoedsack Merian C. Cooper Tierhorror New York Insel Affen


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DRACULA'S DAUGHTER (Lambert Hillyer/USA 1936)


"Sandor, what do you see in my eyes?" - "Death."

Dracula's Daughter (Draculas Tochter) ~ USA 1936
Directed By: Lambert Hillyer


Nachdem Professor Van Helsing (Edawrd Van Sloan) den Grafen Dracula zur Strecke gebracht hat, muss er sich bei der Polizei für den betreffenden Mord verantworten - glaubt ihm hier doch niemand die vermeintliche Mär vom gepfählten Vampir. Dann jedoch verschwindet Draculas Leiche aus der Pathologie. Des Grafen Tochter, die Gräfin Marya Zaleska (Gloria Holden), wünscht eine standesgemäße Verbrennung. Doch hegt sie keinesegs Rachegedanken; im Gegenteil. Marya wünscht sich nichts sehnlicher, als vom Fluch des Vampirismus und der Sucht nach Blut erlöst zu werden. Zu diesem Zwecke versucht sie, den Psychologen Jeffrey Garth (Otto Kruger), einen Freund Van Helsings, zu instrumentalisieren. Doch Garth durchschaut die Gräfin.

Hillyers unmittelbar an das Ende von Brownings Ur-"Dracula" anknüpfendes Sequel evoziert eher finstere Romantik den handfesten Grusel und hätte mit seiner tragisch angehauchten Geschichte um den "Fluch des Blutes" (in gleich doppelter Hinsicht) auch vorzüglich in den späteren Lewton-Zyklus der RKO gepasst. Edward Van Sloan ist nochmal in seiner Paraderolle als Van Helsing zu sehen, hat jedoch eher wenig zu tun. Interessanter scheint da der B-Regisseur Irving Pichel als der Gräfin treuer und eifersüchtiger Adlatus Sandor, der sogar ein bisschen von Lugosis affektiertem Aristokratismus in die Fortsetzung hinüberrettet. Die von wechselseitigen Piesackereien geprägte Hauptpaarung Otto Kruger - Marguerite Churchill hat derweil viel von den screwball comedies dieser Tage, vermutlich kein Zufall. Beinahe unnötig zu erwähnen, dass der Film formal äußerst stimmig geraten ist.

7/10

Dracula Lambert Hillyer London Sequel Universal-Monster


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THE HUNCHBACK OF NOTRE DAME (William Dieterle/USA 1939)


"Sanctuary! Sanctuary!"

The Hunchback Of Notre Dame (Der Glöckner von Notre Dame) ~ USA 1939
Directed By: William Dieterle


Paris im späten 15. Jahrhundert: Der Buchdruck hat sich soeben den Weg in die Stadt gebahnt, da wähnt der intrigante Dompropst Frollo (Cedric Hardwicke) schon eine mögliche Teufelei in jener Entwicklung, die aufklärerische Philosophien zum völkischen Lauffeuer machen könnte. Zeitgleich kommt die schöne Zigeunerin Esmeralda (Maureen O'Hara) in die Stadt, die ausnahmslos jedem Manne den Kopf verdreht, allen voran Frollo selbst, der wiederum auch dies für eine rein diabolische Verführung hält. Als er einsehen muss, dass er Esmeralda niemals besitzen kann, intrigiert er gegen sie und will sie an den Galgen bringen, doch der von jedermann verspottete, körperlich entstellte Glöckner Quasimodo (Charles Laughton), zugleich Frollos Findelkind, rettet sowohl Esmeralda als auch die Kathedrale Notre Dame de Paris vor der Erstürmung durch revolutionäre Kräfte.

Wie all die großen, monströsen Wesen des Kinos in den Dreißigern blieb auch die innige Zuneigung des Glöckners Quasimodo für seine schöne Angebetete nur ein Traum. "Why was I not made of stone - like thee?", fragt er am Ende die Wasserspeier auf dem Dach seiner Heimstatt und subsummiert damit die ganze Tragik seiner Existenz. Dieterles Quasimodo steht dabei in Ehrfurcht gebietender Tradition: Dracula, Imhotep, der Zwerg Hans, Kong, Frankensteins Monster, der Chirurg Dr. Gogol, das Phantom der Oper und so fort - durchweg traurige, missverstandene, teils übernatürliche, teils erschreckend menschliche Wesen mit dem sie alle einenden, unerfüllten Wunsch nach Wärme, Zuneigung, Liebe oder auch bloß einer Partnerin für die Ewigkeit. Tatsächlich sind all diese vordergründigen Schreckgestalten ja zumeist bloß unförmige Ringer in romantischer Tragödie und damit die schattigen Nebenbuhler von Errol Flynn, Clark Gable und Konsorten. Charles Laughton war dann der letzte große Horrorheld des Jahrzehnts, in einer ungeheuer aufwendigen (die Inszenierung der Massenszenen und des Narrenfests sowie die Bauten von Polglase sind von höchster Kunstfertigkeit) und schönen RKO-Adaption des Hugo-Romans. Der Horror-Stempel wiederum kam freilich als Begleitsymptom, denn im Prinzip tut Quasimodo weiter nichts Unrespektables, als sich physiologisch der Norm zu entziehen. Das wahre Böse verbirgt sich hier einmal mehr unter gesellschaftlich anerkanntem Talar, nämlich dem des Klerus!

9/10

period piece Historie Paris William Dieterle Renaissance


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FREAKS (Tod Browning/USA 1932)


"Gooble-gobble, gooble-gobble!"

Freaks ~ USA 1932
Directed By: Tod Browning


Der zwergenwüchsige Artist Hans (Harry Earles) aus dem Sideshow-Zirkus der Madame Tetrallini (Rose Dione) verliebt sich zur großen Enttäuschung seiner Verlobten Frieda (Daisy Earles) in die normalgroße Seilakrobatin Cleopatra (Olga Baclanova). Diese, eine zutiefst gierige und boshafte Person, macht sich einen Spaß daraus, die wertvollen Geschenke des vor Liebe blinden Hans anzunehmen und sich dabei vor der ganzen Zirkusgesellschaft über ihn lustig zu machen. Als Cleopatra erfährt, dass Hans eine großzügige Erbschaft im Rücken hat, geht sie sogar soweit, ihn mit Mordplänen im Hinterkopf zu heiraten. Doch sowohl Hans als auch die anderen körperlich deformierten Zirkusmitglieder kommen Cleopatra dahinter und rächen sich grausam an ihr und dem Kraftmenschen Hercules (Henry Victor), ihrem "partner in crime".

Mit dem erklärten Ziel, die gruseligen Horror-Talkies der Konkurrenz von Universal an schockierendem Effekt noch zu überbieten, verlangte MGM-Executive Irving Thalberg nach entsprechend rüdem Stoff. Die MGM entwickelte sich schließlich, mit Ausnahme vielleicht noch von der RKO, zum einzigen ernstzunehmenden Konkurrenten auf dem Gebiet des Horrorfilms dieser nicht nur für jenes Genre goldenen Jahre. Zwar hatte jedes Studio seine zwei, drei Vorzeigeprojekte, doch nur die genannten drei vermochten es, praktisch Klassiker in Serie hervorzubringen. Nachdem die Universal unter Carl Laemmle bereits "Dracula", Frankenstein" und "The Mummy" von der Leine gelassen hatte, zog MGM nach: Man entlieh "Dracula"-Regisseur Tod Browning bei der Konkurrenz, engagierte echte Sideshow-Mitarbeiter mit wirklichen physischen Abnormitäten und schuf einen Horrorfilm, der eigentlich gar keiner ist. Vielmehr erzählt "Freaks" ein soapiges Romantikdrama mit kriminalistischem Ausgang, das so ähnlich auch als späterer Noir-Stoff funktioniert hätte. Das von dem Film womöglich evozierte Grauen entstammt bekanntlich der Selbstprojektion des Publikums, das erstmal schlucken muss, dass die physisch normalgewachsenen die innerlich Verabscheuungswürdigen sind und die Deformierten und Behinderten die wahrhaft edlen Charaktere mit strengem Gemeinschafts- und Ehrenkodex. Um es den Leuten nicht ganz so schwer zu machen, bekamen sie die voll bei den Freaks inegrierten "Normalos" Phroso (Wallace Ford) und Venus (Leila Hyams) als Identifikationsfiguren mit auf den Weg.
Es lässt sich bis heute trefflich darüber streiten, ob der Film die Behinderungen seiner Akteure selbstzweckhaft ausbeutet oder ein humanistisches Pamphlet ist; Argumente gibt es hinreichend für beide Positionen. Als Film von allerhöchster atmosphärischer Qualität indes darf "Freaks" als unumstritten gelten. Dabei verachtete ihn das zeitgenössische Publikum als geschmacklos und unansehnlich: Das Werk wurde um ein Drittel gekürzt, für seinen Regisseur entwickelte es sich zu einer Sollbruchstelle des Karriere-Abstiegs und es war ein jahrzehntelanger Giftschrankkandidat bis zu seiner Wiederentdeckung durch die Gegenkultur der Sechziger. Eine entsprechend schöne Hommage bietet beispielsweise Bertoluccis "The Dreamers".

10/10

Behinderung Zirkus amour fou Tod Browning


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GOOD WILL HUNTING (Gus Van Sant/USA 1997)


"It's not your fault."

Good Will Hunting ~ USA 1997
Directed By: Gus Van Sant


Der junge Will Hunting (Matt Damon) jobbt auf dem Bau und betätigt sich zusätzlich als Reinigungskraft in der Uni von Harvard. Seine Freizeit verbringt er vornehmlich sinnfrei mit seinen Kumpels (Ben Affleck, Casey Affleck, Cole Hauser), mit denen er vornehmlich um die Häuser zieht und sich auch schonmal den einen oder anderen illegalen Lapsus leistet. Als er wegen einer erneuten Schlägerei endgültig verurteilt zu werden droht, nimmt sich Professor Lambeau (Stellan Skarsgård) seiner an. Dieser hat nämlich erkannt, was hinter Wills renitentem und postpubertärem Gehabe steckt: Ein intellektueller Kopf und ein mathematisches Genie, das die Narben der Vergangenheit nie ganz ausheilen ließ und aus Selbstschutz alles negiert, was ihn seiner kleinen Welt entreißen könnte.
Um sich zu bewähren, muss Will nun regelmäßige Sitzungen bei einem Therapeuten nachweisen. Nach einem massenhaften Verschleiß landet er bei Lambeaus altem Freund Maguire (Robin Williams), der es schließlich schafft, Wills Unnahbarkeitspanzer zu knacken.

"Good Will Hunting" kann auf ein gesegnet kluges, in seinen Dialogen höchst geschliffenes Script bauen, das aus einer ansonsten recht konventionell inszenierten Underdog-Geschichte dann doch etwas Besonderes macht. Dabei bietet der Film erklärten Gegnern sicherlich nicht wenig Angriffsfläche. Das beginnt schon mit Robin Williams in der immergleichen Rolle als heilsamer Gutmensch, dessen hier dargestellter Charakter zudem eine punktgenaue Mischung aus zweien seiner Repertoire-Klassikern, dem Lehrer John Keating und dem Penner Parry darstellt. Dann kommt uns der zerkratzt-unwirsche Genius, das zunächst die Mauern seiner wahlweise intellektuellen, emotionalen, psychischen oder auch sozialen Isolation niederzureißen hat, um sein Leben in Erfüllung zu leben, keinesfalls unbekannt vor. Im Gegenteil, die Vorbilder dafür sind Legion. Und doch hat "Good Will Hunting" mancherlei, das ihn durchaus positiv von diesen abzuheben scheint: Ein unerschütterliches Selbstvertrauen, eine ernstgemeinte Authentizität. Beim Scharren an der Oberfläche kommt nämlich rasch zum Voirschein: Van Sants Film ist auch und insbesondere eine Liebeserklärung an Bostons Proletariermilieu, an die schluffigen Ecken und an das irische Erbe der Stadt. Tatsächlich ist "Good Will Hunting" fast ausschließlich ein Drehbuchfilm, dem die Regie-Spirenzchen, die man andernorts von Van Sant nicht selten durchzustehen hat, alles andere als gut getan hätten. Umso dankenswerter, dass der Mann hier darauf verzichtet hat.

8/10

Gus Van Sant Boston Harvard Mathematik Psychiatrie


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A PLACE IN THE SUN (George Stevens/USA 1951)


"Goodbye, George."

A Place In The Sun (Ein Platz an der Sonne) ~ USA 1951
Directed By: George Stevens


Der junge Herumtreiber George Eastman (Montgomery Clift) kommt nach Kalifornien, um in der Bademodenfabrik seines reichen Onkels Charles (Herbert Heyes) arbeiten zu können. Am Fließband lernt er die Arbeiterin Alice (Shelley Winters) kennen. Nah einer heftigen Affäre wird sie von ihm schwanger und erwartet von George, dass er sie heiratet. Dieser hat sich derweil jedoch in das aus wohlhabendem Hause stammende Society Girl Angela Vickers (Elizabeth Taylor) verliebt. Alice wird für George, der das süße Leben der reichen Gesellschaft zu schätzen beginnt, zu einem beschwerlichen Klotz am Bein und er beginnt zunehmend aggressive Gedanken gegen sie zu hegen. Schließlich kommt es zur Katastrophe.

"A Place In The Sun" gilt als einer der großen Hollywood-Klassiker und wird regelmäßig hinzugezogen, wenn es um repräsentative Kanonisierungen der amerikanischen Filmgeschichte geht. Und tatsächlich bietet Stevens' Romamadaption großatmiges Standesdünkel-Drama vom Feinsten. Ein Emporkömmling, der zunächst seine, aus großbürgerlicher Warte betrachtet ungebührliche Vergangenheit schwärzen muss, bevor er wirklich zu den oberen Zehntausend gehören kann, gerät in die Falle kapitaler Notkriminalität. Die "Mordszene" (die eigentlich bestenfalls eine halbe ist) auf dem finsteren, unenergründlich tief scheinenden Eistaucher-See bedeutet vermutlich Stevens' inszenatorische Sternstunde, "Shane" hin, "Giant" her. Und dann ist da ja noch die Liebe. Eigentlich kommt George Eastman ja gar nicht zu den Frauen - sie kommen zu ihm. Erst die rustikale Alice Tripp (Shelley Winters sah tatsächlich mal jung und rank aus), dann die ätherische Angela Vickers (Elizabeth Taylor war nie schöner) und beide brechen sie ihm auf ihre Weise das Genick. Immerhin kann George sich auf seinem letzten Gang ihrer beider aufrichtiger Liebe sicher sein.

9/10

amour fou Americana Kalifornien Theodore Dreiser George Stevens Courtroom


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LE CASSE (Henri Verneuil/F, I 1971)


Zitat entfällt.

Le Casse (Der Coup) ~ F/I 1971
Directed By: Henri Verneuil


Ein Gaunerquartett, bestehend aus dem Safeknacker Azad (Jean-Paul Belmondo), den beiden älteren Hasen Ralph (Robert Hossein) und Renzi (Renato Salvatori) sowie Azads junger Freundin Hélène (Nicole Calfan), raubt dem griechischen Multimillionär Tasco (José Luis de Villalonga) eine edle Smaragdkollektion aus dessen Villa in Athen. Als der gierige Kommissar Zacharia (Omar Sharif) davon Wind bekommt, will er den Dieben die Edelsteine mit allen Mnitteln abjagen - jedoch keineswegs, um sie wieder dem eigentlichen Besitzer zuzuführen...

Leider zerfällt "Le Casse" bald in seine vielen Bestandteile, was ein für meinen Geschmack etwas zu heterogenes Resultat hervorbringt: Die episodisch erzählte Geschichte verliert häufig den Fokus aus den Augen und konzentriert sich allzu sehr auf die Wirkung einzelner Szenen und Bausteine, die dann jeweils auch ziemlich toll geworden sind, den Film in seiner Gesamtheit aber nicht gänzlich zu tragen vermögen. Da gibt es etwa den sich mit großen Vorbildern messenden Überfall auf die Villa zu Anfang, zwei wirklich wunderbare Verfolgungsjagden durch die Athener Infrastruktur, einige nette Dialogsequenzen mit Sharif, eine bizarre Szene in einem Pornoschuppen, Sharifs Tod unter Tonnen von sich auf ihn ergießendem Korn, Morricones wie immer tolle Musik. Dann aber rutscht Verneuil immer wieder in einen völlig unnötigen Leerlauf und "Le Casse" dehnt sich in der Summe auf zwei Stunden, wo zwanzig Minuten weniger doch absolument gereicht hätten. So bleibt ein überdurchschnittlicher Film, dem man seine Möglichkeiten zu wirklich Denkwürdigem permanent anmerkt, was umso mehr schmerzt.

7/10

Henri Verneuil Athen Griechenland Heist Duell


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TRAPEZE (Carol Reed/USA 1956)


"Nice to see you laugh again."

Trapeze (Trapez) ~ USA 1956
Directed By: Carol Reed


Seit einem Unfall, der ihn zum Krüppel gemacht hat, ist der einstige Trapezstar Mike Ribble (Burt Lancaster) ein bärbeißiger Zyniker geworden. Der junge Nachwuchsstar Tino Orsini (Tony Curtis) holt Mike aus seiner Lethargie und überredet ihn, ihm den dreifachen Salto beizubringen, eine der gewagtesten Kunststücke am Trapez. Ihre Partner- und Freundschaft wird durch die opportunistische Artistin Lola (Gina Lollobrigida) auf ein harte Probe gestellt.

Ein Film der Bilder und der visuellen Komposition. CinemaScope war soeben noch dabei, sich auf dem Markt endgültig durchzusetzen, da führten Carol Reed und sein dp Robert Krasker auf das Eindrucksvollste vor, welch pompöse Möglichkeiten in dem Breitformat steckten. Strenge Symmetrien, verschrobene Perspektiven, Netze und doppelte Böden allerorten. Wahre Kameramagie ist das. Darüberhinaus geriert sich "Trapeze" auch als ein Film über Farbe und Licht, zu großen Teilen on location in Paris gedreht und beseelt von entsprechender Atmosphäre. Diese passt sich hervorragend dem kitschigen Kintopp der amourösen Dreiecksgeschichte an; obschon ich selbst alles andere als ein Zirkusenthusiast bin - im klassischen Kino finde ich die Manege als glamouröses set piece und Herzschmerz-Kulisse eigentlich stets grandios. "Trapeze" ist vermutlich sogar eines der schönsten Beispiele für den Zirkusfilm, neben Ophüls' "Lola Montès" natürlich und meinem insgeheimen Liebling dieser Gattung, "Circus Of Horrors" von Sidney Hayers.

8/10

Freundschaft amour fou Zirkus Paris Carol Reed





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Funxton

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