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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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FROM RUSSIA WITH LOVE (Terence Young/UK 1963)


"There's a saying in England: Where there's smoke, there's fire."

From Russia With Love (Liebesgrüße aus Moskau) ~ UK 1963
Directed By: Terence Young

Die Verbrecherorganisation SPECTRE plant neues Unheil: Um an eine russische Dechiffriermaschine Marke 'Lector' zu kommen, soll die Ex-Chefin des sowjetischen Geheimdienstes SMERSH, Rosa Klebb (Lotte Lenya), ihre frühere Untergebene Tatjana Romanova (Daniela Bianchi) anstiften, James Bond (Sean Connery) mittels Aktivierung seiner erotischen Instinkte nach Istanbul zu locken und mit ihr zusamen die Lector aus dem russischen Konsulat zu stehlen. Ohne es zu bemerken, stehen dich die beiden Geheimdienste am Bosporus gegenüber und wähnen sich jeweils im Vorteil. Erst als der SPECTRE-Killer Donald Grant (Robert Shaw) im Zug nach Italien einen Zweikampf gegen Bond verliert, wird der Agent sich bewusst, wer wirklich hinter dem Plan steckt...

Die Welt sollte hier zwar noch nicht gerettet werden, selbst die westliche nicht, aber der Kalte Krieg hielt nun endlich auch filmischen Einzug bei James Bond, sogar nominell in Wort und Buch. Außerdem startete "From Russia With Love" die vielgeliebte Prä-Titel-Sequenz, in der der ebenso furchterregende wie sadistische Donald Grant eingeführt wird, als er beim Training ein maskiertes Bond-Double erledigt. Fürderhin lebt dieser zweite, recht flugs hinterdrein geschobene Bond-Film von seinem im Vergleich zu "Dr. No" nochmals deutlich weiterentwickelten Faible für exotische Schauplätze. Istanbul als Dreh- und Angelpunkt für einen Spionage-Schmelztiegel ist eine erstklassige Wahl, wofür besonders der ortskundige Lebemann Kerim Bey (Perdo Armendáriz) als eine Art Touristenführer steht. John Barrys Musik entwickelt sich ebenfalls merklich. Erstmals ist neben der Ur-Melodie von Monty Norman auch das wunderbare Thema "007" zu hören, von jetzt ab fester Bestandteil in etwa jedem zweiten Bond-Film. Auffällig die nicht wenigen Hitchcock-Parallelen: Der Zug als Schauplatz kriminalistischer Intrige, die Verfolgung eines per pedes Flüchtenden mit Fluggerät.
"From Russia With Love" macht mit seiner stark fluktuierenden Story jedenfalls massig Freude und ist ein noch besserer Film als der Vorgänger.

9/10

James Bond 007 Terence Young Peter Hunt Türkei Istanbul Zug Zigeuner Venedig Kalter Krieg


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DR. NO (Terence Young/UK 1962)


"East, West - just points of the compass, each as stupid as the other."

Dr. No (James Bond 007 jagt Dr. No) ~ UK 1962
Directed By: Terence Young

Der halbchinesische Atomwissenschaftler und Superverbrecher Dr. No (Joseph Wiseman) versucht mittels des "Toppling"-Verfahrens, die Raketenstarts von Cape Caneveral zu stören. Seine Basis liegt auf der kleinen Insel Crab Key vor der Küste Jamaicas. Nachdem ein britischer Agent (Tim Moxon) ihm auf die Schliche zu kommen droht und Dr. No diesen ermorden lässt, rückt James Bond (Sean Connery) nach. Nach einigen Schwierigkeiten mit Nos Helfershelfern kann er endlich den Drahtzieher kaltstellen und dessen Hauptquartier in die Luft jagen.

Im schnittigen Stil der frühen Sechziger kam der fleischgewordene Mannes- und Männertraum James Bond daher - trotz denkbar ungesunder Lebensweise und von jedem physischen Laster mit Ausnahme illegaler Drogen vereinnahmt war der Agent nicht nur äußerst viril und attraktiv, er durfte auch im Einsatz töten und nutzte diese Option nicht selten und dazu noch recht unwirsch. Dennoch war er in guter, westlicher, kapitalistisch-imperialistischer Mission unterwegs; ein Chauvinist und Snob, promisk bis zum Abwinken und fernab jedweder politischer Korrektheit. So etablierte sich Bond und so lieben ihn seine Anhänger bis heute. Trotz der Langlebigkeit der Reihe sah sich das Franchise interessanterweise stets davor gefeit, ins Fernsehen abzurutschen oder zu bloßem Serienformat zu schrumpfen; dazu gestalteten sich die Missionen des Helden dann doch zu aufwändig und kosmopolitisch und die stilistischen Eskapaden der Filmemacher und Scriptautoren als zu wenig schablonenkompatibel. Der erste Bond-Regisseur Terence Young war möglicherweise der sicherste Handwerker von allen; ein konzentrierter Genrefilmer, der auf die Tube drückte, wenn es nötig war, seinen Figuren und seiner Geschichte jedoch hinreichend Platz zum Atmen ließ. So lässt sich die Funktion von "Dr. No" vor allem als Messlatte und Stichwortgeber der weiteren Serienbeiträge validieren, dem allgemein die Folgefilme und speziell die Filme mit Sean Connery immens viel verdanken. Auch, wenn hier noch nicht alles in Serie gehen soll: Eine Prä-Titel-Sequenz gibt es noch nicht, Q nennt sich noch Major Boothroyd und wird von einem gewissen Peter Burton gegeben, Bonds Gadgets bestehen aus seiner neuen Walther PPK und einem Geigerzähler. Mehr ist nicht. Dafür gibt es wunderbaren Calypso-Sound und regelrechte Nebencharakter-Evergreens wie den abergläubischen Bootsverleiher Quarrel (John Kitzmiller).

8/10

James Bond 007 Terence Young Peter Hunt Jamaica mad scientist Karibik


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SKYFALL (Sam Mendes/UK, USA 2012)


"I always hated this place."

Skyfall ~ UK/USA 2012
Directed By: Sam Mendes

Nachdem er kurzzeitig als im Einsatz vermisst und möglicherweise tot gilt, muss James Bond (Daniel Craig) seiner Chefin M (Judi Dench) den Rücken decken. Aus deren früheren Einsatzzeiten in Hong Kong kehrt nämlich der mittlerweile wahnsinnig gewordene Ex-Agent Silva (Javier Bardem) zurück und will sich pikanterweise auis denselben Gründen an ihr rächen, deretwegen nunmehr auch Bond gewisse Ressentiments gegen M hegt: Sie hat ihn einst im Stich gelassen, um die zugrunde liegende Mission nicht zu gefährden. Zunächst kann Silva festgesetzt werden, doch ist sewlbst dies bloß Teil seines perfekt ausgeklügelten Plans zu Ms Vernichtung. Bond sieht nur eine Chance gegen den High-Tech- Terroristen: Er verlagert den Kampfschauplatz ins schottische Hochmoor, zu seinem früheren Familiensitz.

Es gibt also doch noch einen Bond-Freund, irgendwo da oben: "Skyfall" markiert, pünktlich zum 50. Kinojahrestag des Agenten, den besten Film der Reihe seit "Licence To Kill" und somit seit immerhin 23 Jahren: Er macht, und das wäre gleich das Wichtigste, die müden bis beliebigen Brosnan-Auftritte vergessen, bringt endlich und (hoffentlich) endgültig Craig auf Kurs und schafft das, was den beiden ersten Beiträgen mit ihm in der Hauptrolle nicht gelungen ist: Einen Brückenschlag zwischen den vermeintlich tradiert-antiquierten Rahmenbedingungen des klassischen Bond-Kosmos und modernem Genrekino, ohne einem von beiden den Vorzug zu geben oder seine Selbsteflexivität bzw. seinen Retrochic zum Selbstzweck verkommen zu lassen, wie es ja mittlerweile Gang und Gäbe ist in entsprechend verwurzelten Werken. Das Produktionsdesign, ganz besonders die von Licht- und Leuchtspielen durchtränkte Kulisse Shanghais, stellt einen hochästhetischen Traum dar, die Damen sind schön wie lang nicht mehr, Bardems Bösewicht ist von bester alter Schule (die Szene, in der er sein Kieferknochensubstitut entfernt, hat wahren Albtraumcharakter) und Szenen wie die mit den Komodo-Waranen im Casino wären sowieso first class.
Das man sich künftig ohnehin wieder bewährter Validität zu befleißigen gedenkt und Bond mit alten Tugenden für die Zukunft einstielt, kann jemanden wie mich nur glücklich machen. Zudem habe ich jetzt endlich wieder, seit vielen Jahren, die Motivation für eine Komplett-Rückschau gewonnen, worin wohl das größte Verdienst dieses tollen Films liegt. Höchst erfreulich!

8/10

James Bond 007 Sam Mendes London Shanghai Istanbul Schottland Terrorismus China Türkei Freundschaft Duell Stuart Baird


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UNIVERSAL SOLDIER: DAY OF RECKONING (John Hyams/USA 2012)


"If you remenber it that way, it certainly was."

Universal Soldier: Day Of Reckoning ~ USA 2012
Directed By: John Hyams

Als der einstige Familienvater John (Scott Adkins) aus dem Koma erwacht, erinnert er sich lediglich daran, dass eine Gruppe maskierter Männer nächtens ihn und seine Familie überfallen und seine Frau (Michelle Jones) und kleine Tochter (Audrey P. Scott) ermordet haben. Der Kopf dieser Gewaltverbrecher war offenbar der Unisol Luc Deveraux (Jean-Claude Van Damme) und genau hinter ihm ist John nun her. Über Umwege und mit fast unmerklicher Hilfe von Regierungsagenten nimmt er die Spur von Deveraux auf: Dieser leitet offenbar in den Sümpfen Floridas ein geheimes Versteck, in dem er abtrünnige Unisols um sich schart, um ihnen einen freien Willen zurückzugeben...

Das filmische Äquivalent zu einem Kontrabass. Nach "Universal Soldier: Regeneration" kehrt Petersohn John Hyams erneut in das Universum der Zombie-Soldaten zurück, diesmal, indem er die subjektive Perspektive eines ihrer verbesserten Modelle einnimmt und diesen traurigen Part dem sich ganz gemächlich zum leuchtendsten Stern am DTV-Actionhimmel aufschwingenden Scott Adkins zuschustert. Gebt dem Mann endlich mehr stardom!
Die existenzialistische Subebene des Vorgängers wieder aufgreifend, fährt Hyams genau nach dessen unheilvollem Finale fort. Analog den Unisols hat sich nämlich natürlich auch die Wissenschaft weiterentwickelt. Jede der Kampfmaschinen ist nun beliebig replizierbar, das heißt, man hat es nun in keinster Weise mehr mit Individuen zu tun; selbst mit blind gehorsamen nicht, ab jetzt gibt es nur noch "Versionen". Für die Identifikationsebene zwischen Rezipient und Protagonist mutet dies zunächst schadhaft an, da er sich nicht darauf verlassen kann, ob seine Helden tatsächlich von ihrer geschichtlichen Tilgung gefährdet sind - allein Andrew Scott (Dolph Lundgren) dürfte mittlerweile in seiner mindestens ersten Reinkarnation antreten. Hyams konzeptueller Ansatz der Identitätsverlorenheit jedoch verarbeitet diesen Kniff in brillanter Form. Überhaupt die etlichen literarischen Verweise; von Mary Shelley über Joseph Conrad bis hin zu Philip K. Dick geht die Reise durch Hyams' Einflussbereiche. Der unglaubliche Andrei Arlovski ist auch wieder an Bord, diesmal mit dichtem Vollbart, und trotz Adkins' schwindeln machendem finishing move gehe ich jede Wette ein, dass der auch im nächsten Teil des sich längst verselbstständigenden Franchise wiederkehrt. Für Hyams, sofern er sein Interesse nicht gänzlich anderen Stoffen zuwendet, dürfte es, im Falle einer neuerlichen Zuwendung hin zur Unisol-Saga allerdings schwer werden, sich selbst nochmals zu übertreffen.

9/10

John Hyams Sequel Kunstmensch Militär Klone Florida


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SAVAGES (Oliver Stone/USA 2012)


"Let me tell you something. Tijuana is coming here. It's chasing us."

Savages ~ USA 2012
Directed By: Oliver Stone

Der Kriegsveteran Chon (Taylor Kitsch), der Neohippie Ben (Aaron Johnson) und ihre Freundin O (Blake Lively) leben nicht nur eine funktionable Ménage-à-trois, sie haben von Kalifornien aus auch noch den größten und erfolgreichsten Marihuana-Handel der USA aufgezogen. Von jenseits der mexikanischen Grenze werden sie derweil schon länger eifersüchtig von der brutalen Drogen-Baroness Elena Sanchez (Salma Hayek) beäugt. Als sie eines Tages Chon und Ben nötigt, ihr ihre Zuchtgeheimnisse und ihre Vertriebswege zu übergeben, diese sich jedoch weigern, lässt Elena O entführen. Für den harten Chon eine unhaltbare Verhandlungsmethode. So greifen die einst pazifistischen, idealistischen Kiffer zu denselben Methoden wie Elena, um sich gegen sie zur Wehr zu setzen.

Den ganz großen, lässigen Wahnsinn früherer Arbeiten bringt Stone schon seit längerem nicht mehr auf, aber "Savages" ist nach all der Gepflegtheit der letzten Jahre zumindest wieder ein ordentlicher Schritt in die "richtige" Richtung. Ein Hauch von "Scarface", den Stone ja vor knapp dreißig Jahren gescriptet hat, durchweht "Savages", diesmal zwar ohne Yeyo, dafür jedoch mit Stones persönlichem, ewigem Leib-und Magen-Rauschmittel Nummer Eins: Cannabis. So zeichnet er seine Protagonistentrio denn auch tatsächlich als strahlende amerikanische Underground-Helden; ganz ohne Gewalt und voller Idealismus haben sie ihren großen, kleinen Haschvertrieb aufgezogen, verkloppen Traumgras mit 33 Prozent THC-Gehalt, lieben jede ihrer Pflanzen wie ein Baby und kiffen natürlich selbst weg, was das Lungenvolumen hergibt. Zu ihrem Kundenstamm gehören unter anderem diverse Krebskranke, denen ihr Stoff ein leidensfreieres Leben ermöglicht und einen Großteil des Erlöses stecken sie in eigens aufgezogene Entwicklungshilfeprojekte in Drittweltländern. Dazu sehen sie auch noch verdammt gut aus und vögeln sich mit Verve zu dritt durch ihren luxuriösen Alltag. Mitten in dieses paradiesische Pot-Utopia platzen dann die bösen Cholos unter Führung von Salma Hayek und Bencio Del Toro in seiner denkwürdigsten Rolle seit Langem als sadistischer Psychokiller Lado. Doch das, womit sie nicht rechnen, passiert: Ben und Chon erweisen sich als ebenso gewieft und, infolge von Bens Kriegstrauma, das den sonst so friedliebenden Ben rasch mitzieht, sogar ebenso gewaltbereit. Stone zieht diese im Prinzip simple Geschichte, die auch von Unschuldsverlust und Gewaltkausalitäten berichtet, als ebenso poppig-bunte wie blutige Gangsterstory mit kleinen Sleaze-Injektionen auf, nimmt sich durch einen großzügigen erzählzeitlichen Rahmen viel Zeit für charakterliche Ausarbeitung und hält am Ende sogar zwei mögliche Enden bereit, von denen sich paradoxerweise das dramatische erste als deutlich "happier" herausstellt. So ist "Savages" doch etwas unbequemer als es zunächst den Anschein macht und, wenngleich sich, wie bereits erwähnt, der frühere Stone nicht gänzlich reanimiert findet, eine recht erfreuliche Angelegenheit.

8/10

Oliver Stone Drogen Marihuana Kalifornien Mexiko Freundschaft Kidnapping Rache D.C.


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TIMEBOMB (Avi Nesher/USA 1991)


"I know who I am!"

Timebomb (Nameless - Total Terminator) ~ USA 1991
Directed By: Avi Nesher

Eddie Kay (Michael Biehn) ist ein braver Uhrmachergeselle mit eher langweiliger Existenz: Er wohnt in einem von L.A.s blumenumsäumten Apartmenthäusern, fährt mit dem Rad zur Arbeit, lächelt unentwegt und grüßt jedermann freundlich, den er kennt. Doch Eddie Kay ist gar nicht Eddie Kay, sondern Oliver Dykstra, Relikt eines geheimen CIA-Programmes aus den Siebzigern, in dessen Zuge acht Agenten einem psychoedukativen Experiment unterzogen, danach mit einer neuen Identität - der eines im Vietnamkrieg gefallenen Soldaten - ausgestattet und bei Bedarf für "Spezialaufträge" aktiviert wurden. Bei Dykstra/Kay ist jedoch irgendwann eine Sicherung gerissen, er hat sich gegen seine Auftraggeber gewandt und durch eine Explosion sein Gedächtnis eingebüßt. Er weiß nicht, wer er ist. Anders als sein früherer Mentor Colonel Taylor (Richard Jordan), der Eddie nun, da er wieder aufgetaucht ist, zusammen mit dessen früheren Berufsgenossen aus dem Verkehr ziehen will und muss. Mithilfe der zunächst unfreiwilligen Hilfe der attraktiven Analytekerin Anna (Patsy Kensit) kommt Eddie seiner wahren Vergangenheit auf die Spur und durchkreuzt Taylors Pläne.

Dass die CIA ein ganz hundsföttischer Verein ist, ist nicht erst seit der Iran-Contra-Affäre bekannt. Wann immer der US-Geheim-Außendienst irgendwo im - zumeist entwicklungsbedürftigen - Ausland aufkreuzt, hat er Dreck am Stecken. John Frankenheimer hat bereits 1962 den Paranoiathriller um den großartigen "The Manchurian Candidate" bereichert, in dem allerdings die Kommis die Drahtzieher hinter einer Verschwörung um sogenannte 'Sleeper', Attentäter, die auf ein Schlüsselsignal hin aktiviert werden können, waren. In Neshers "Timebomb" sind die Meuchelmörder ein hauseigenes US-Gezücht, das bei Bedarf auch auf heimischem Boden operiert, etwa, wenn es darum geht, allzu liberale Politiker abzuberufen. Eddie Kay ist im Zuge dieser Handlungsprämisse ein Held klassischer hitchcockscher Prägung: Urplötzlich will man ihm ans Leder und er weiß nicht mal, warum; eine Gruppe Killer versucht ihn mehrfach kaltzustellen und niemand glaubt ihm, weder die Polizei noch Anna Nolmar, die er durch Zufall als Kundin in seinem Laden kennengelernt hat. Was ihn jedoch noch zusätzlich verunsichert und verstört, sind merkwürdige Flashbacks sowie die Tatsache, dass er sich gegen seine Gegner durchaus patent zur Wehr setzen kann, obwohl er sich für einen friedfertigen Menschen hält.
Als er später in ebenjene Klinik eindringt, in deren Labor einst er und die anderen Profikiller "gezüchtet" wurden, kommt auch die Erinnerung zurück: Er musste hier einst komplettverkabelt in einer Art Retorte dahindämmern, bis er seine falsche Identität und jedwede Renitenzerscheinung aufgegeben hatte. Doch sein gutmütiges Wesen war am Ende doch stärker und hat sich gegen die Falschheit seine Missionen zur Wehr gesetzt.
Nesher macht aus dieser durchaus traditionsverhafteten Story, die auch die genannten Regisseure, beide Meister des Verschwörungsthrillers, sicher gereizt haben dürfte, einen teils wilden Exploitationreißer, in dem Gewalt, Sex und Billy Blanks vorkommen. Kombiniert mit dem erneut sehr sehenswerten Michael Biehn ein lohnenswertes Paket.

7/10

Avi Nesher Amnesie CIA Kalter Krieg Profikiller Psychiatrie


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THE EXPENDABLES 2 (Simon West/USA 2012)


"Shoot something!"

The Expendables 2 ~ USA 2012
Directed By: Simon West

Zusammen mit ihrem jungen Neuzugang, dem Scharfschützen und Afghanistan-Veteranen Billy (Liam Hemsworth), werden die 'Expendables' um Barney Ross (Sylvester Stallone) von Mr. Church (Bruce Willis) genötigt, einen neuen, selbstmörderischen Auftrag anzunehmen: Sie sollen mithilfe der Spezialagentin Maggie (Nan Yu) in Osteuropa ein großes Plutoniumkontigent sicherstellen, an dem der böse Terrorist Jean Vilain (Jean-Claude Van Damme), Chef der Organisation der 'Sangs', ebenfalls in hohem Maße interessiert ist. Nachdem Vilain Billy ermordet hat, schwören Ross und die anderen Rache an den Sangs. Sie befreien eine Gruppe versklavter bulgarischer Dörfler aus Vilains Gewalt und machen ihm und seinen Leuten mit Unterstützung von Church, Trench Hauser (Arnold Schwarzenegger) und Barneys altem Kampfgefährten Booker (Chuck Norris) den Garaus.

Auch das Sequel fand ich noch ganz schön, wenngleich hierin die von mir als solche empfundenen Schwachstellen des Vorgängers im Prinzip intensiviert wurden. "The Expendables 2" muss sich beinahe schon gefallen lassen, als flaue Actionkomödie durchzugehen. Der postmodernistische Ansatz des Erstlings wurde hierfür nochmal potenziert, die Genrelegenden kommunizieren nurmehr über den Gebrauch müder In-Jokes, deren Einsatz so plump wie unsubtil, und deren Auffinden so simpel und so banal ist, dass es einem irgendwann wahlweise Schamesröte oder übersättigtes Gähnen ins Gesicht treibt. Die Szenen um Van Damme und seinen Filmhelfershelfer, den bereits rein physisch unglaublichen Scott Adkins, sind durchweg geglückt und erhebend anzuschauen, das Engagement von Willis, Schwarzenegger und Norris wirkte derweil recht gezwungen und wie ein notwendiges Obligatorium. Ob es notwendig war, dass etwa Norris' eigentlich ansehnliche Auftritte mit Morricone-Musik untermalt werden (die "Lone Wolf McQuade"-Titelmelodie wäre weitaus stärker gewesen, aber das hätte wahrscheinlich wieder keiner kapiert) und er mit diesen doofen Internetwitzkultur um seine Person kokettieren muss, mag der Altkonservative selbst am Besten beurteilen. Vielleicht gehört diese Art 'Glamour' aber auch einfach mit zu seinem selbstkonstruierten Gammelmythos und unsereinem, der ja eben keine zwölf mehr ist, fällt es schwer, das zu akzeptieren. Der arme Dolph Lundgren hingegen bekommt, was er überhaupt nicht verdient: Er wird zum schmückenden Beiwerk degradiert. Eine weitere Anbiederung an das etablierte Feuilleton ist die Unterbringung eines weiblichen Helden in der ansonsten strikt testosteronell geprägten Gemengelage. Kein Wunder, dass "Expendables 2" im Vergleich zum Original die besseren Kritiken erhielt, obwohl er doch eigentlich der schwächere Film ist.

5/10

Söldner Simon West Sequel Freundschaft Hommage Terrorismus Atombombe Richard Wenk


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THE EXPENDABLES - DIRECTOR'S CUT (Sylvester Stallone/USA 2011)


"Only thing you need to know is the job's real, and the money's real."

The Expendables - Director's Cut ~ USA 2011
Directed By: Sylvester Stallone

Die erste Beschau des D.C. von "The Expendables" brachte mir keine wesentlichen Neuerkentnisse, nachdem ich die Kinofassung bereits dreimal gesehen hatte. Ein paar Fragmente fielen mir als Neueinfügungen auf, nicht jedoch die umgeschnittenen Szenen und sonstige Details. Seinen Qualitätsstand hat Stallones Film seit der Kinobetrachtung bei mir jedoch weiterhin bewahren können, ebenso wie mir nach wie vor die - zum Glück eher marginalen - Kritikpunkte ins Auge sprangen: Der Film verliert, wenn er seine wunderschöne Brachialität mit humorigen Einsprengseln selbst zu brechen versucht, etwa in den dialogischen Schlagabtäuschen zwischen Stallone und Statham. Er gewinnt hingegen, wenn er den Mut zur Ernsthaftigkeit aufbringt; im Monolog von dem wie immer fabulösen Mickey Rourke etwa oder den Sequenzen mit und um Dolph Lundgren, ohnehin noch immer mein vorderster Dreh- und Angelpunkt des Films. Einige Momente dürften standardsetzend im Genre sein, etwa jener, als Barney nochmal mit seinem Wasserflugzeug umdreht, um die auf der Mole versammelten Streitkräfte von Vilena und von Agent Munroe mit einem gewaltigen Brandsatz zur Hölle zu schicken. Das erinnert schon angenehm an die unbekümmerte Feindeseuthanasie früherer, besserer Tage im Actionfilm.

8/10

Söldner Sylvester Stallone D.C. Freundschaft Hommage car chase


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FROM HELL TO VICTORY (Umberto Lenzi/I, E, F 1979)


"To Jürgen!"

From Hell To Victory (Nur Drei kamen durch) ~ I/E/F 1979
Directed By: Umberto Lenzi

Der heraufziehende Zweite Weltkrieg durchkreuzt die so hochgelobte Freundschaft der aus unterschiedlichen Ländern stammenden, sechsköpfigen, kleinen Pariser Clique: Brett Rosson (George Peppard) plant und leitet Geheimoperationen für das US-Militär, Maurice Bernard (George Hamilton) kämpft für De Gaulle und hilft den Alliierten bei Sabotageaktionen, Jürgen Dietrich (Horst Buchholz) wird Wehrmachtsoffizier, Dick Sanders (Jean-Pierre Cassel) fliegt halsbrecherische Einsätze für die R.A.F., Ray MacDonald (Sam Wanamaker) arbeitet in London als Kriegskorrespondent und die schöne Fabienne (Anny Duperey), einzige Dame unter den Herzbuben, geht in die Résistance. Immer wieder kreuzen sich in den folgenden fünf Jahren ihre Wege, im Kampf und dazwischen - doch nur die Hälfte wird sich am 25 August 44 in jenem kleinen Café in Montmartre wiedersehen.

Die Lenzis Großproduktion zur Verfügung stehenden Ressourcen waren offenbar nicht zu verachten: Eine solche Akribie im Umgang mit Mensch und Material und im Vorzeigen seiner Mittel mutet innerhalb des Gesamtwerks des Exploitation-Wizard durchaus rar an. Ähnlich wie für den ein Jahr zuvor entstandenen "Il Grande Attacco" stand Lenzi hier eine internationale Starbesetzung zur Verfügung, die sich durch einen reichhaltigen Ausstattungsfundus und eine ganze Reihe pittoresker Originalschauplätze durchaus bestärkt gefühlt haben dürfte. Das potenziell kitschbehaftete Thema "Freundschaft in Zeiten des Krieges" eignet sich denn auch geradezu perfekt für eine Aufbereitung als mehrteilige TV-Miniserie, als welche "From Hell To Victory" möglicherweise deutlich gewinnender bestanden haben sollte. Ein Problem Lenzis liegt nämlich in der - durch wenn auch immer so rigoros reglementierten - erzählzeitlichen Korsettierung. 95 Minuten sind für ein sich über fünf Jahre erstreckendes und sechs (eigentlich sogar acht, zählt man Capucine als wehrhafte Baroness und Ray Lovelock als verlorenen Sohn hinzu) Geschichten umfassendes Kriegspanoptikum schlicht ein Witz. Da Lenzi großen Wert auf seine mitunter ausladenden Actionszenen legt, bleibt noch weniger Zeit fürs storytelling und so wirkt der Film abgehackt, da wo Epik gefragt wäre, gedrungen, wo er hätte ausladend sein müssen, silhouettiert, wo es langer Einstellungen bedarf. Hinzu kommt, dass Lenzis Stars im Schnitt zehn bis fünfzehn Jahre zu alt für ihre Rollen sind. Angesichts "From Hell To Victory" könnte man glatt dem Glauben anheim fallen, der Zweite Weltkrieg wäre ausschließlich von graumelierten Frühfünfzigern ausgefochten worden. Dennoch ist der Film ansätzlich durchaus schön, extrem unterhaltsam, macht viel Freude und nimmt in Lenzis Œuvre eine echte Sonderstellung ein.

7/10

Umberto Lenzi WWII Freundschaft Paris Résistance


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IM REICHE DES SILBERNEN LÖWEN (Franz Josef Gottlieb/BRD, E 1965)


"Allah sei mit dir, Effendi." - "Und Gott mit dir."

Im Reiche des silbernen Löwen ~ BRD/E 1965
Directed By: Franz Josef Gottlieb

Der Machredsch von Mossul (Djordje Nenadovic) konnte sich retten und plant, neben der Rache an Kara Ben Nemsi (Lex Barker) und seinen Verbündeten, des von der weisen Mara Durimeh (Anne-Marie Blanc) behüteten Chaldäerschatzes habhaft zu werden. Zu diesem Zweck verbündet sich der Machredsch mit dem gefürchteten Banditenboss Abu Seif (Sieghardt Rupp), entführt die schöne Ingdscha (Marie Versini), die sich mittlerweile in Karas Freund Ahmed El Corda (Gustavo Rojo) verliebt hat und erwirkt beim Padischah (Fernando Sancho) eine Komplett-Amnestierung. Dieser, gegen Kara und Halef (Ralf Wolter) aufgehetzt, lässt die Freunde eine gefährliche Prüfung bestehen, bevor sie der Mara Durimeh zur Hilfe eilen können.

Chris Howland, der auch in "Im Reiche des silbernen Löwen" wieder als Sir Davids (Dieter Borsche) Butler Archie zu sehen ist, wusste bis vor wenigen Jahren angeblich noch nichteinmal von der Existenz dieses Films. So haben Regisseur und Hauptdarsteller ebenfalls erst vor Ort in Almería und per Zufall erfahren, dass sie hier eigentlich zwei Filme herstellen, anstatt, wie allgemein angekündigt, nur einen. Artur Brauner, für diese windige Art der Geschäftspraxis zuständig und verantwortlich, hatte sich in der Folge mit mehreren Klagen durch die gerichtlichen Instanzen zu prügeln, unter anderem mit einer von Lex Barker, die dieser erst Jahre später gewinnen konnte. Für Brauner wurde "Im Reiche des silbernen Löwen" somit zum Abschreibeobjekt degradiert: Der Film ist bei aller sonstigen, dem Vorgänger "Durchs wilde Kurdistan" immerhin in punkto Ausstattung und Inszenierung absolut ebenbürtigen Qualität, sehr nachlässig und hastig montiert worden, was seinem Rhythmus zumindest geflissentlich schadet. Zudem ließ Brauner den Film nicht über seine übliche Verleihfirma Gloria, sondern über die Münchener Nora ins Kino bringen, um einen älteren Vertrag erfüllen zu können. Die bis heute komplizierte Rechtelage verhinderte somit auch eine Restauration von "Im Reiche des silbernen Löwen", der als einziger May-Film der Sechziger selbst auf DVD nur in minderwertiger Qualität und im falschen Format vorliegt. Dieses unflätigen Missstandes könnte und sollte sich einmal endlich jemand annehmen.

6/10

Franz Josef Gottlieb Karl May Kara Ben Nemsi Naher Osten Orient Sequel period piece





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