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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DURCHS WILDE KURDISTAN (Franz Josef Gottlieb/BRD, E 1965)


"Die Hände hoch, du unglückselige Hauptfigur eines furchtbaren Trinkeralbtraums!"

Durchs wilde Kurdistan ~ BRD/E 1965
Directed By: Franz Josef Gottlieb

Nachdem Kara Ben Nemsi (Lex Barker) und sein Freund Hdschi Halef Omar (Ralf Wolter) den Schut zur Strecke gebracht haben, feiert ganz Nahost sie als Helden. Doch es naht schon die nächste Schweinerei: Der böse Machredsch von Mossul (Djordje Nenadovic) will Ahmed (Gustavo Rojo), den Sohn des Scheichs Emin (Charles Fawcett), öffentlich hinrichten lassen und marodiert sich auch sonst ungestraft durchs kurdische Hinterland. Kara, Halef und der Scheich befreien Ahmed aus der Gewalt des versoffenen Mütesselin (Werner Peters) und überzeugen den Scheich Kadir Bei (Charles Fawcett) von der Schuld des Machredsch, der nach einem Zweikampf mit Kara von einem hohen Felsen stürzt.

Nach einem knappen Jahr Pause war Kara Ben Nemsi wieder da, in einer allerdings nicht mehr ganz so wertigen Fortsetzung, wie man hinzusetzen darf. Bei "Durchs wilde Kurdistan", der von dem routinierten Allesfilmer Franz Josef Gottlieb back to back mit der direkten Fortsetzung "Im Reiche des silbernen Löwen" hergestellt wurde, kam Brauners berühmt-berüchtigte Sparpolitik zum Tragen: Statt von dem in "May-Kompositionen" mittlerweile erfahrenen Martin Böttcher stammt die weitaus weniger schöne Musik diesmal von gleich drei gelisteten Komponisten, allen voran Raimund Rosenberger (Brauners ursprüngliche Idee, den Score bei Maurice Jarre in Auftrag zu geben, dürfte ihm angesichts dessen Honorarforderungen rasch die Dollarzeichen aus den Augen gewischt haben); das als Drehort herhaltende, zerklüftete Almería taugt als Kulisse für Western, nicht jedoch als solche für ausladende Abenteuerfilme und dass Charles Fawcett gleich in zwei Rollen als unterschiedliche Scheichs zu sehen ist, mutet auch nicht eben kostenfreigiebig an. Ferner fallen die Tricks um Sir David Lindsays (Dieter Borsche) fliegende "Geheimwaffe RS-1", einen hübsch bunten Fesselballon, der, von Borsche, Chris Howland, Marie Versini als Prinzessin Ingdscha und ihrer Zofe (Gloria Cámara) besetzt, eine überdeutliche Eminiszenz an Vernes Phileas-Fogg-Luftfahrzeug darstellt, mit Verlaub höchst bescheiden aus. Immerhin: witzig, besonders wegen des großartigen Werner Peters, ist dieser "Para-May" an allen Ecken und Enden; er macht Spaß und bringt bei aller sonstigen Bescheidenheit viel Herz mit.

6/10

Karl May Kara Ben Nemsi Türkei period piece Franz Josef Gottlieb


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I BASTARDI (Duccio Tessari/I, F, D 1968)


Zitat entfällt.

I Bastardi (Der Bastard) ~ I/F/BRD 1968
Directed By: Duccio Tessari

Jason (Giuliano Gemma) und sein älterer Bruder Adam (Klaus Kinski) sind beide im Gangstergeschäft tätig. Während Jason jedoch hier und da auf eigene Faust einen Bruch begeht, um sich über Wasser halten zu können, hat Adam sich eine Organisation aufgebaut. Umso unliebsamer sind ihm Jasons gewinnträchtige Aktionen. Als Adam nach einem Juwelenraub Jasons Beute an sich bringen will, bedient er sich brutalster Methoden. Besonders, dass Adam die schöne Karen (Margaret Lee) benutzt, um seinben Bruder hereinzulegen, verzeiht dieser ihm nicht. Die Rancherin Barbara (Claudine Auger) nimmt den schwer verwundeten Jason bei sich auf, pflegt ihn gesund, verliebt sich in ihn. Doch Jasons Rache will unbedingt noch vollzogen werden.

Dass Tessari seine Meriten vornehmlich mit Western verdient hat, merkt man "I Bastardi" an. Es handelt sich bei selbigem nämlich im Prinzip um nichts anderes denn einen lupenreinen Western in modernem Ambiente, dessen Transponierung in die Gegenwart beim besten Willen nicht nachvollziehbar ist. Vielleicht war es die Möglichkeit, vor Ort in den Staaten zu drehen, vielleicht hätte Rita Hayworth, die im Film die whiskeygetränkte Mutter der beiden verfeindeten Brüder spielt, sich geweigert, in einem Spaghettiwestern mitzuspielen. Der von Gemma und Kinski interpretierte Bruderzwist um Verrat und Rache jedenfalls, die verlotterte Matriarchin, die schöne Rancherin mit dem guten Herzen inmitten des Nirgendwo, Margaret Lee als Hure des Bösen, die wie beiläufig eingesetzte Gewalt - das alles sind natürlich klassische Plotfaktoren für einen Western.
Zur Hayworth: Es ist schon unglaublich, wie die alternde Diva an Format einbüßt und hierin konsequent Selbstdekonstruktion betreibt. Ihr Spiel kann nur als amateurhaft bescheiden bezeichnet werden, möglicherweise ist ihr dem Plot geschuldeter, akuter Suff auch nicht bloße Darbietung. Als ganz besonders toll nimmt sich derweil die von Magne und Rustichelli komponierte Musik aus, die die Hammondorgel aparteste, jazzig-sleazige Töne ausspucken lässt.

6/10

Duccio Tessari New Mexico Familie Brüder Rache Europloitation


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DER SCHUT (Robert Siodmak/BRD, YU, F, I 1964)


"Sidi, schmeckt Schweinefleisch wirklich so schlecht, wie der Prophet sagt?"

Der Schut ~ BRD/YU/F/I 1964
Directed By: Robert Siodmak

Der Abenteurer Kara Ben Nemsi (Lex Barker) und sein treuer Freund Hadschi Halef Omar (Ralf Wolter) begeben sich im Skipetarenland auf die Jagd nach dem bislang unidentifizierten Banditenboss "Schut", der Karas Freund, den französischen Handelsmann Galingré (Pierre Fromont) als Geisel hält. Auf der Suche nach dem rücksichtslosen Bösewicht müssen sie jedoch diverse Vasallen und Untergebene desselben überwinden, darunter den Scharlatan Mübarek (Friedrich von Ledebur) und die brutalen Aladschy-Brüder (Dusan Perkovic, Zivojin Denic).

Zu den wackeren Bypass-May-Produktionen der Sechziger gehören nicht nur die beiden Winnetou-Filme "Old Shatterhand" und "Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten", sondern neben den zwei Mexiko-Filmen um Dr. Sternau auch die Orient-Trilogie mit Kara Ben Nemsi, eines alter ego des ebenfalls als Old Shatterhanf bekannten, namenlosen Ich-Erzählers. Im Gegensatz zu den May-Western-Titeln hatte Horst Wendlandt auf die Rechtseicherung der übrigen Romane verzichtet, die somit Atze Brauners "CCC" zur Freien Verfügung standen. Mit den gewohnten Formalia, aber doch unter ungewohnten Perspektiven konnten die Zuschauer somit 1964 eines "neuen" May-Formats ansichtig werden. Diesmal dufte sich der Balkan ausnahmsweise als er selbst ins Bild setzen lassen, in Kombination mit den beliebten, leicht umgemodelten Figuren (wobei Hadschi Halef Omar im Gegensatz zu Sam Hawkens kein schlauer Fuchs oder brillanter Schütze ist, sondern ein liebenswerter Dummkopf) ergab das eine nicht minder patentwürdige Mixtur, die wiederum von Martin Böttchers großartiger Musik zehren konnte. Mit Dieter Borsche als Sir David Lindsay und Chris Howland als seine getreuer Diener Archie gab es zudem zwei neue, witzige Sidekicks zu bewundern. Was bzw. wer allerdings jedermann fehlte war Pierre Brice - in einem Film über den Nahen Osten nicht unterzubringen und daher schmerzlich vermisst. Immerhin fanden sich noch Marie Versini und der obligatorische Rik Battaglia wieder ein. Neben den bekannten Sterbeszenen Nscho-tschis und in "Winnetou I" bzw. "III" gibt es im "Schut" außerdem moch eine weitere große im May-Kino: Karas treuer Hengst Rih bricht am Ende tot zusammen. Und der kundige Kenner weiß: So herzzereißend hat Lex Barker noch nichtmal um seine große Liebe oder seinen Blutsbruder getrauert!

8/10

Robert Siodmak period piece Karl May Kara Ben Nemsi Balkan


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THE 300 SPARTANS (Rudolph Maté/USA 1962)


"Truth is a heady wine. A politician must never exaggerate people's capacity for it."

The 300 Spartans (Der Löwe von Sparta) ~ USA 1962
Directed By: Rudolph Maté

480 v. Chr.: Der persische König Xerxes (David Farrar) steht mit einer gewaltigen Armee vor den Toren Griechenlands. Der politische Vordenker Themistokles (Ralph Richardson) weiß, dass die einzige Möglichkeit, das morgenländische Heer zu besiegen, in der Einigkeit der griechischen Königreiche liegt. König Leonidas (Ralph Egan) von Sparta sieht dies ähnlich und bietet an, mit seinen gefürchteten Mannen die Vorhut der griechischen Infanterie zu übernehmen. Doch der spartanische Rat schiebt ihm einen Regel vor: Göttliche Feierlichkeiten verbieten den Soldaten, auszurücken. Mit seiner 300 Mann starken Leibgarde rückt Leonidas dennoch gegen Xerxes vor. Bei den Thermopylen können er und seine Getreuen die exponentiell überlegenen Perser immerhin drei Tage aufhalten und das sich im Hinterland sammelnde Hauptheer schonen, bis sie durch den Verrat des Hirten Ephialtes (Kieron Moore) vernichtend aufgerieben werden.

Ein Schlachtengemälde ganz nach meinem Geschmack, immerhin geht es einzig und allein um den mehrtägigen Kampf Leonidas' gegen Xerxes an den Thermopylen. Kleinere Handlungsbypässe wie Xerxes' Techtelmechtel mit der listigen griechischen Königin Artemisa (Anne Wakefield), die Liebesgeschichte des jungen Soldaten Phylon (Barry Coe) mit Leonidas' Nichte Ellas (Diane Baker) oder Ephialtes' niederträchtige Handlungsweise lenken nur unwesentlich vom Geschehen ab. Die Kriegskunst wird hier wirklich als solche dargestellt und bedenkenlos heroisiert, ohne die im Vergleich fast schon als widerlich zu titulierende Stilisierung der späteren Snyder-Miller-Adaption. Maté versagt sich zudem allzu redundante Ausflüge in den Camp: Obgleich diverse Italiener und Griechen an der Herstellung von "The 300 Spartans" beteiligt waren, hebt sich der Film weit vom infantil gefärbten, mediterranen Cinecittà-Sandalenkino dieser Jahre ab. Er ist vielmehr wie ein rundum befriedigender Museumsgang: Fett, satt, ausgeglichen machend.

8/10

Rudolph Maté Historie Antike Griechenland Schlacht


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SERBUAN MAUT (Gareth Evans/ID, USA 2011)


Zitat entfällt.

Serbuan Maut (The Raid) ~ ID/USA 2011
Directed By: Gareth Evans

Ein offiziell unautorisierter Polizeieinsatz sieht vor, dass eine zwanzigköpfige Einheit unter dem Offizier Wayhu (Pierre Gruno) durch ein vom Druglord Tama (Ray Sahetapy) kontrolliertes Hochhaus mitten im Slum bis zur obersten Etage hochkämpft, wo von wo aus Tama relativ gut beschützt das gesamte Gebäude überwacht und kontrolliert. Auf seinen Aufruf hin setzen sich fast sämtliche Mieter im Haus gegen die Polizisten zur wehr, was eine rasche Dezimierung derer Gruppenstärke zur Folge hat. Einzig der perfekt trainierte Elitekämpfer Rama (Iko Uwais) kämpft sich behende durch die Stockwerke.

Ich mag keinen Zirkus. Mit Körperartistik kann ich nichts anfangen. Mit selbstzweckhafter Filmgewalt hingegen schon. Wie also reagieren, wenn beides zusammenfällt? Im Grunde begreiftt sich "Serbuan Maut" wohl als eine Art postmoderner Form des grand guignol ostasiatischer Prägung (ich weiß nicht, nennt man's Peking-Oper?), die vor allem auf Staunen und offene Münder abzielt, auf die forcierte Betäubung des Publikums durch möglichst pausenlose Kinetik. Der Handlungsschauplatz, ein grauer Betonklotz mit kargem Interieur, könnte dafür zweckdienlicher nicht sein; die Notwendigkeit der überschaubaren Raumkonstruktion hebt sich trotz des streng begrenzten set piece vollkommen auf und ermöglicht so eine anonyme Abfolge von Kampfszenen, in denen Stich- und Schusswaffen gleichrangig eingesetzt werden. In der Brachialität und Choreographie seiner unzähligen Duelle zählt Evans' Film mit Sicherheit zum Besten am Markt, eine Seele, und diese möchte der Film gern besitzen, das wird vor allem gegen Ende deutlich, versagt sich "Serbuan Maut" jedoch infolge seiner übereifrig verzierten Oberfläche auf ganzer Linie. Mir daher unsympathisch und bedeutungslos.

4/10

Gareth Evans Indonesien Hochhaus Martial Arts Brüder


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JOHNNY MNEMONIC (Robert Longo/USA, CAN 1995)


"I want a full restoration; I want it all back!"

Johnny Mnemonic (Vernetzt - Johnny Mnemonic) ~ USA/CAN 1995
Directed By: Robert Longo

Im Jahre 2021 ist die Welt in gigantische Megastädte aufgeteilt, die von wenigen mächtigen Wirtschaftskonzernen beherrst wird, darunter der von der Yakuza infiltrierte Meikamentenriese 'Pharma-Kon'. Dieser hält die Geheimformel für ein Heilmittel gegen die global grassierende Nervenseuche NAS in der Hinterhand, die von im Untergrund operierenden Partisanen, den 'Lo-Teks', geraubt wird. Der lebende Datenträger Johnny (Keanu Reeves), der Teile seines Gehirns für eine Festplatte geopfert hat, um darin Daten schmuggeln zu können, soll die entsprechenden Formeln unwissentlich von Peking nach Newark transportieren. Ihm ständig auf den Fersen sind die Killer des Pharma-Kon-Bosses Takahashi (Takeshi Kitano). Für Johnny ist dieser Job von entscheidender Bedeutung, denn mit dem Erlös erhofft er sich eine Hirnrestauration. Dummerweise reicht seine Speicherkapazität nicht aus, um sämtliche der implantierten Daten dauerhaft im Kopf zu behalten; in 24 Stunden droht eine neurale Implosion. Zusammen mit Verbündeten vom Widerstand, darunter Bodyguard Jane (Dina Meyer), dem Arzt Spider (Henry Rollins) und dem Guerillero J-Bone (Ice-T), versucht Johnny, die Formeln und sich selbst vor Pharma-Kon zu retten.

Einer der Filme, die nach Jahren der kanonischen Exklusion mal ruhig eine Neubewertung vertragen könnten. Sicher, "Johnny Mnemonic" ist hier und da bestimmt etwas einfältig, liebäugelt allzu sehr mit dem Trash, als dass seriöse Kritiker ihm eine Chance einräumen könnten und soll außerdem William Gibson zufolge von TriStar für den Westmarkt stark umeditiert worden sein, derweil die japanische Fassung noch halbwegs intakt geblieben sei. Dennoch ist der Grad an lustvollen Verrücktheiten, mit denen Gibson und Longo ihren Film spickten, auch in der hier bekannten Version immer noch deutlich spürbar. Das beginnt schon mit der famosen Besetzung, vielleicht die ungewöhnlichste, die für einen Film dieser Dekade vor der Kamera stand. Neben den oben erwähnten Damen und Herren gibt es noch Udo Kier in einer ihm wie allgemein üblich grandios stehenden Rolle als Hinterhoflump und Dolph Lundgren, einmal ganz abseits von allen Klischees als wahnsinniger Cyberprediger, der christliche Symbole in grotesker Weise pervertiert und seine Gegner mit einem frommen Spriuch auf den Lippen zur Hölle schickt. Als 'savior of the day' fungiert schließlich ein im Cyberspace heimischer, den Lo-Teks helfender Delfin namens "Jones". Dazu hat es einige nette, jedoch überaus comicesk präsentierte Splattereffekte. Diese bunte Mischung war und ist für manch einen - verständlicherweise - einfach zuviel des Guten (oder Schlechten, je nach Ausgangslage). Ich glaube nunmehr, nach langer Betrachtungspause, dass in "Johnny Mnemonic" mehr schlummert, als man vielleicht spontan wahrhaben möchte. Die japanische Fassung jedenfalls wandert hiermit auf meine Wunschliste.

7/10

Robert Longo William Gibson Cyberspace Internet Zukunft Dystopie Virus Satire


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SUPERMAN (Richard Donner/UK 1978)


"Lex, my mother lives in Hackensack."

Superman ~ UK 1978
Directed By: Richard Donner

Kurz vor der Explosion des Planeten Krypton schickt der Wissenschaftler Jor-El (Marlon Brando) seinen erst wenige Wochen alten Sohn Kal-El in einer Raumkapsel zur Erde. Nach drei Jahren landet der Flugkörper in einem Weizenfeld in Kansas, wo ihn das kinderlose Farmehepaar Jonathan (Glenn Ford) und Martha Kent (Phyllis Thaxter) findet. Den Knirps, der gleich nach seiner Befreiung gigantische Körperkraft offenbart, adoptieren sie kurzerhand. Jahre später, sein irdischer Vater ist just verstorben, erfährt der mittlerweile im Teenageralter befindliche "Clark" Kent (Jeff East) um das Geheimnis seiner Herkunft. Ein Kristall aus seiner in der Scheune versteckten Kapsel lotst ihn in die Arktis, wo aus dem artefakt eine gigantische Festung erwächst. Hier erfährt Kal-El alles über seine wahren Eltern, seinen Heimatplaneten und seine Aufgabe auf der Erde. Nachdem er sich in der Großstadt Metropolis eine Zweitidentität als Reporter beim Daily Planet aufgebaut hat, wird "Superman" (Christopher Reeve), wie ihn seine Journalistenkollegin Lois Lane (Margot Kidder) tauft, zum Wahrzeichen der Stadt. Umgehend tritt jedoch auch der unumgängliche Antagonist auf den Plan: Der Superverbrecher Lex Luthor (Gene Hackman), der riesige Areale in der Wüste Kaliforniens aufkauft und damit ganz spezielle Pläne hat...

Nachdem "Jaws" und "Star Wars" den Schwanengesang New Hollywoods eingeläutet hatten und den Studios demonstrierten, wie reichhaltig mit phantastischen Stoffen Kasse zu machen ist, kümmerten sich das ungarischstämmige Produzentengespann Salkind Senior und Junior um die Rechte an dem amerikanischen Comic-Book-Mythos Superman, der 1977 bereits stolze neununddreißig Jahre auf dem Buckel hatte. Unter späterer Einbeziehung des Regisseurs Richard Donner und über diesen des Scriptdoktors Tom Mankiewicz erhielt "Superman" seine nunmehr bekannte, filmische Urform. Der Ansatz bestand darin, die Comic-Mythologie ernst zu nehmen und sie nicht zu parodistischem Camp verkommen zu lassen, wie es zuvor das "Batman"-TV-Serial aus den Sechzigern vorexerziert hatte. Die Figur und ihr Universum sollten zu seriösem Leben erweckt werden und unter Zuhilfenahme eines gigantischen Budgets zeitgenössisches Kinoformat erhalten. Zudem sollten gleich zwei Filme back to back entstehen, ein Plan, der unter den bald erkaltenden Füßen der Geldgeber jedoch verworfen wurde und dessen Aufgabe dem gerade beginnenden Franchise eine traurige spätere Entwicklung verschaffte.
Das Endresultat dieser ersten wirklichen Comic-Verfilmung, die all den infantilen Ansätzen der Vergangenheit den Boden unter den Füßen wegzog, war möglicherweise sogar noch vollendeter als seine Hersteller es sich zuvor ausgemalt hatten: "Superman" ist ein Meisterwerk des amerikanischen Films und von bleibend hohem kulturellen Rang. Ein Film, der mit seiner Fantasie und seinem Herzblut ungebrochen verzaubert und der seiner Titelfigur als amerikanischer Ikone zugleich ungeahnte Metaebenen verleiht. Ein Film, der weit mehr noch als "Star Wars" als gewissermaßen bourgeoise Replik auf das langjährige, selbstgesäte Misstrauen in das Land gewertet werden muss und dessen starker kreativer, europäischer Impact ihn möglicherweise weitaus intelligenter dastehen ließ als es eine rein nationale Produktion vermocht hätte. Ein Film schließlich, der abgesehen von seinen sicherlich antiquiert wirkenden Spezialeffekten von einer formalen Meisterschaft ist, die in solcher Vollendung vielleicht einmal alle zehn Jahre die Wahrnehmung des geneigten Kinobesuchers erfreut. Dazu zählen Geoffrey Unsworths nebulöse Weichzeichnerbilder von den Weiten des Mittelwestens und der Reise durch Kal-Els Geisteswelt ebenso wie John Williams' epochaler Score (womöglich sein bester) und natürlich Richard Donners Inszenierung, die nie wieder solch ehrgeizige Qualität erreichen sollte. Ein brillantes Ensemble, allen voran der im Rückblick so traurige Star Christopher Reeve, der mit seiner Superman-Interpretation eine filmische Heldeninkarnation geschaffen hat wie niemand sonst, stimmt diesen Wahnsinnsfilm ab bis aufs i-Tüpfelchen. Für mich, man ahnt es angesichts der obigen Zeilen, ist "Superman" schon seit frühester Kindheit ein Lebensbegleiter und sicherer Herzwärmer in trüben Tagen, der sich nie, niemals abnutzen wird. Ob ich ihn als Erstklässler mit großen Augen auf dem Fernseher verfolgte, ihn als späterer Grundschüler bei einer Wiederaufführung anlässlich des dritten Teils erstmals im lokalen Kino erleben durfte oder ihn als Teenager als 'Trip Movie' genoss; "Superman", "Richard Donners Superman" bitt'schön, war immer bei mir. Und er wird es immer sein.

10*/10

Richard Donner Robert Benton Mario Puzo DC Comics Superhelden Superman Kansas Stuart Baird Aliens


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THE VETERAN (Matthew Hope/UK 2011)


"Fear is justification, fear is control, fear is money."

The Veteran ~ UK 2011
Directed By: Matthew Hope

Kaum wieder in seinem alten Südlondoner Viertel angekommen, hat der frischgebackene Irak- und Afghanistan-Veteran Robert Miller (Toby Kebbell) keinerlei Zeit, seinen Kriegstraumata zu begegnen: Sein Nachbar Fahad (Ivanno Jeremiah) klagt über die brutale Regentschaft des Ghettobarons Jones (Ashley Thomas), derweil Miller von einer Regierungsorganisation angeworben wird, in London befindliche, salafistische Terrorzellen auszukundschaften. Als er feststellt, dass er nur ein winziges Zahnrädchen in einem international operierenden Industriegefüge war und ist, greift Miller zur Waffe...

Durchaus interessante Melange aus "Taxi Driver", "The Exterminator", "Harry Brown" und den Verschwörungs-/Paranoia-Thrillern der Siebziger - freilich im postmodernen Gewand der neuen britischen Welle.. Toby Kebbell als ebenso kompromissloser wie psychisch angegriffener Kriegsmassenmörder findet im heimischen Londoner Tagesgeschäft keinen rechten Halt mehr; die Suche nach Alltagsberufen verläuft erfolglos, stattdessen lässt er sich von einer nicht näher definierten Organisation anwerben, um in deren Weisung die Undercover-Agentin Alayna (Adi Bielski) loszueisen und herauszufinden, wie und wo die islamistische Weltbedrohung in London operiert. Damit nicht genug, geht sein Sozialbauviertel immer mehr vor die Hunde: Der Dealer Jones rekrutiert pausenlos Ghettokids um seine Privatarmee zu stärken. In Millers längst von omipräsenter Gewalt okkupiertem Weltverstehen verschmelzen diese beiden Zustände zu einem Korridor des Amoklaufs, der endgültig entfesselt wird, als er die Wahrheit über die moderne globale Kriegsführung erfahren und seine heimliche Liebe Alayna ebenso wie seinen Freund Farad an dessen Wirren verlieren muss. Sein Aufbegehren ist jedoch nur von kurzer Prägnanz und von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Besonders das Finale von "The Veteran" weiß nach manchem narrativen Irrläufer mit seiner kompromisslosen Desillusioniertheit zu beeindrucken, das dann auch nicht mehr die Fantasie zur metarealen Überhöhung aufbringt wie es seine Ahnherren, die Rächerfilme von vor dreißig, vierzig Jahren vermochten. Heute ist keine Zeit mehr für Helden, und mögen sie noch so wahnhaft sein. Heute endet das Aufbegehren des Individuums mit dem Blick in den Lauf einer Handfeuerwaffe, gehalten von einem Zwölfjährigen. Bang, you're dead.

7/10

Terrorismus Verschwörung Matthew Hope London Slum Spionage Rache


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TOTAL RECALL (Len Wiseman/USA, CA 2012)


"The past is just a mental construct."

Total Recall ~ USA/CA 2012
Directed By: Len Wiseman

Gegen Ende des Jahrhunderts sind die meisten Flächen der Erde durch Menschenhand unbewohnbar geworden und die globale Bevölkerung zieht sich auf die britische Insel sowie den australischen Kontinent, nurmehr "Kolonie" genannt, zurück. Lebensraum ist zum wichtigen Kapital- und Handelsgut geworden. Die beiden Landmassen sind durch einen gigantischen, mitten durch den Erdkern laufenden Tunnel miteinander verbunden. Der von einem seltsamen Traum verfolgte Arbeiter Doug Quaid (Colin Farrell) nutzt diesen täglich, um von seiner Wohnung in der Kolonie zu seinem Arbeitsplatz in Britannien zu gelangen. Hier herrscht auch der undurchsichtige Diktator Cohaagen (Bryan Cranston), der zur Sicherung seiner Macht eine synthetische Polizeiarmee einsetzt, an deren Aufbau Quaid mitwirkt. Als dieser sich eines Tages entschließt, zu der Firma Rekall zu gehen, die ihren Kunden künstliche Erinnerungen implantiert, gerät sein Leben aus den Fugen. Ist er wirklich ein Doppelagent Cohaagens und sein zuletzt gelebtes Leben bloß eine Illusion?

Dass Len Wiseman Verhoevens monumentale Adaption der Dick-Geschichte "We Can Remember It For You Wholesale" eifrig studiert hat, um deren Beliebtheit weiß und an jeder Ecke seiner Variation entsprechende Reminiszenzen unterbringt, damit kann man leben. Wie man eigentlich überhaupt mit dem ganzen Film leben kann, der jawohl dem Vernehmen nach in der von mir geschauten Director's-Cut-Fassung deutlich gegenüber dem noch tumberen Kinoschnitt deutlich aufgewertet sein soll. Aber, glücklicherweise, nicht muss. Immerhin werden auch in dieser Version Zweifel an der erlebten Agenten-Realität Quaids gesät, wenngleich die herrlich irreale Atmosphäre des "Originals", nicht zuletzt durch den Schauplatz Mars und den viel pulpigeren und interessanteren Mutanten-Subplot deutlich lebendiger evoziert, zu keinem Zeitpunkt erreicht wird. "Total Recall" 12 verliert auch sonst in jeder Hinsicht gegenüber Verhoevens monolithischem Werk. Nicht zuletzt auch in Bezug auf dessen brachialen Einsatz visueller Gewalt, die hier erwartungsgemäß der stets jugendfrei und steril wirkenden, typisch klinischen Wiseman-Kinetik weichen muss.
Blutleere Neuverfilmungen wie diese taugen wohl vor allem zu einem Zweck: Auf der Habenseite zementieren sie den Status des Vorbildes, ermöglichen neue Bewertungen desselben, veranschaulichen analog dazu jedoch auch die besorgniserregende, immer weiter zunehmende Risikoarmut Hollywoods.

5/10

Len Wiseman Remake Zukunft Dystopie D.C. Philip K. Dick Kurt Wimmer


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SIN CITY RECUT (Robert Rodriguez, Frank Miller/USA 2005)


"Aim careful, and look the devil in the eye."

Sin City Recut ~ USA 2005
Directed By: Robert Rodriguez/Frank Miller

Hauptanlass, mir nun erstmals die für das damalige DVD-Release umgearbeitete Version von "Sin City" anzuschauen, war in der erste Linie die vorhergehende Lektüre von Millers Comic-Reihe. Meine damals empfundenen und geäußerten Eindrücke sind im Wesentlichen gleich geblieben: Der Ehrgeiz, Millers expressionistische Gestaltungskunst medial zu transponieren, zahlt sich aus. "Sin City" sieht noch immer fantastisch aus und es ist ein ästhetischer Hochgenuss, sich insbesondere unkittelbar nach dem Studium der Vorlage die bewegten Bilder das Hirn hinabgleiten zu lassen - wenngleich ein paar gestalterische Brüche (etwa in Form mancher zusätzlicher Einfärbungen) hier und da zu verzeichnen sind, die sich angesichts der andernortigen formalen Strenge etwas manieristisch ausnehmen. Interessanter gestaltet sich da schon die von der Parallelerzählung der Kinofassung abweichende Möglichkeit, die vier Storysegmente so zu betrachten, wie die Printreihe sie ursprünglich vorsah. Zwar purzelt Rodriguez noch immer die Reihenfolge durcheinander ("The Hard Goodbye" und "The Big Fat Kill" gehören vor "That Yellow Bastard"), er "gestattet" dem Zuschauer per einführender Worte jedoch, die Geschichten so zu schauen, wie man mag. Die Chronolgie des Films wird trotz geflissentlich ausgedehnter Spielzeit also kompakter und dazu gar noch gewissermaßen interaktiv. Diese Art der Rezeption funktioniert etwas besser als die vermeintlich geschickte Vermischung der Storys für den Kinocut und wertet Millers und Rodriguez' Anstrengungen sogar noch ein wenig auf. Allerdings bleibe ich dabei: Als postmodernistische Hardboiled-Hommage ist "Sin City" bei aller sonstigen Gekonntheit ebenso plump und dem schalen Gegenwartsgeschmack verhaftet wie Tarantinos und Rodriguez' ewig repetiertes Grindhouse-Gewichse. Aber ich lerne mit der Zeit, damit zu leben. Und das sogar recht gut, wie ich zerknirscht zugeben muss.

8/10

Robert Rodriguez Frank Miller Quentin Tarantino Comic Dark Horse Kannibalismus Hommage neo noir





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