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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ALBINO (Jürgen Goslar/BRD, UK, RSA, RHO 1976)


Zitat entfällt.

Albino (Der flüsternde Tod) ~ BRD/UK/RSA/RHO 1976
Directed By: Jürgen Goslar

Rhodesien in den Siebzigern. Als ein marodierender farbiger Albino (Horst Frank) als Anführer eine Gruppe Guerilleros Sally (Sybil Danning), die Frau des weißen PolizistenTerick (James Faulkner) in dessen Abwesenheit auf seiner heimischen Farm vergewaltigt und umbringt, zieht dieser auf eigene Faust los, um den verhassten Verbrecher zu stellen, seine ehemaligen Kollegen dicht auf den Fersen.

Erstaunlich differenzierte Abhandlung über den Zustand der weißen Kolonialisten in Afrikas Südosten, deren Tage bereits in den Siebzigern längst gezählt waren - glaubt man Goslars finsterer Bestandsanalyse. Die schwierige Situation, es sowohl den Ureinwohnern als auch den Besatzern in der x-ten Generation ein gleichberechtigtes Miteinander zu ermöglichen, wird hier kurzerhand durch die nach außen kanalisierte, blanke Aggression eines in Afrika tatsächlich mythologisierten Wesens gesprengt: Eines schwarzen Albino, den Horst Frank unter einer geradezu unfassbar beklemmenden Maskerade darstellt.
In diversen Gegenden Afrikas werden Albinos noch heute von der Bevölkerung wahlweise geächtet oder als Wesen magischer Kraft mystifiziert; teilweise betreibt man einen florierenden Handel mit ihren Organen und Extremitäten, da diesen Zauberkräfte innewohnen sollen. Daniel Carney, auch Autor der Romanvorlage zu "The Wild Geese", hat dieses Sozialphänomen zum Zentrum seiner Geschichte gemacht: Ausgerechnet jenes außergewöhnliche Menschenexemplar vereint die Wut eines Kontinents in sich und lässt den blutigen Aufschrei der Rebellion durch das altehrwürdige Haus des Feindbildes hallen.
"Albino" setzt weniger auf visuelle Härten, seine unbequeme Atmosphäre, die allenthalben spüren lässt, dass das Leben in diesem äußerlich so schönen Land unter den gegenwärtigen Umständen nur als lebensfeindlich empfunden werden können, da der Hass jederzeit explodieren könnte, macht ihn so sehenswert. Goslars Film, der auch viel von den finsteren Italowestern von Questi und Corbucci in sich vereint, schmeckt vielleicht während des Verspeisens im klassischen Sinne nicht sonderlich deliziös, aber er macht im baldigen Anschluss garantiert für lange Zeit satt und zufrieden.

9/10

Daniel Carney Jürgen Goslar Rape & Revenge Südafrika Afrika Rassismus Transgression


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FLUCHTWEG ST. PAULI - GROSSALARM FÜR DIE DAVIDSWACHE (Wolfgang Staudte/BRD 1971)


"Dir werd' ich's zeigen, du Sau."

Fluchtweg St. Pauli - Großalarm für die Davidswache ~ BRD 1971
Directed By: Wiolfgang Staudte

Der berüchtigte Verbrecher Willy Jensen (Horst Frank) flüchtet aus dem Gefängnis. Sein Plan, sich abzusetzen, geht jedoch daneben: Willys versteckte Beute ist futsch und sein ehrbarer Bruder Heinz (Heinz Reincke), Taxifahrer auf St. Pauli, hat sich mittlerweile häuslich mit Willys Holder Vera (Christiane Krüger) eingerichtet. Der wütende Willy entführt Vera und begeht einen Einbruch bei dem reichen Ehepaar Berndorf, der mit dem Mord an der Gattin (Heidy Bohlen) endet. Die gestohlenen Klunker will ihm jedoch keiner abnehmen, mit solcherlei Aktionen will masn selbst im Milieu nichts zu tun haben. Für den verzweifelten Willy gibt es nurmehr die Flucht nach vorn...

Prima Kiezkrimi, der nicht ganz den sleazigen Hauch eines Rolf Olsen atmet, sich aber vermutlich gerade deshalb als erstklassiges Zeit- und Lokalporträt über die Runden bringt. Horst Frank ist große Klasse als amoklaufender Gewaltverbrecher, dessen anfangs noch kühle Kalkulationsfertigkeit irgendwann dem nackten Angstschweiß weicht und der analog dazu immer bedrohlicher wirkt. Schicke Mädels gibt's zuhauf im Film, allen voran die schöne Christiane Krüger, die einen mit ihrer unwiderstehlichen Schnittigkeit zuweilen darüber sinnieren lässt, ob und warum die Frauen möglicherweise ehedem eine ganz andere Art der Stilsicherheit besaßen.
Klaus Schwarzkopf ist dabei als besonnener Bulle und damit idealer Antagonist Franks, Heinz Reincke spielt einmal mehr sich selbst. "Fluchtweg St. Pauli" ist ergo gerade so gut, wie er es erwarten lässt.

8/10

Wolfgang Staudte Sleaze Europloitation Kidnapping Kiez Hamburg St. Pauli


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IL CINICO, L'INFAME, IL VIOLENTO (Umberto Lenzi/I 1977)


Zitat entfällt.

Il Cinico, L'Infame, Il Violento (Die Gewalt bin ich) ~ I 1977
Directed By: Umberto Lenzi

Nachdem sein alter Erzfeind Maietto (Tomas Milian), genannt 'Der Chinese', einen Mordanschlag auf Commissario Tanzis (Maurizio Merli) Leben verübt hat, muss dieser untertauchen. Offiziell als tot geltend verzichtet Tanzi jedoch darauf, wie ursprünglich mit seinem Boss (Renzo Palmer) verabredet, im fernen Lausanne unterzutauchen, sondern bleibt stattdessen in Rom. Hier macht er sich für seinen Privatfeldzug gegen die Mafia die wachsende Rivalität zwischen dem Chinesen und dem Gangsterboss Di Maggio (John Saxon) zunutze...

Für "Il Cinico, L'Infame, Il Violento", nach "Roma A Mano Armata" der zweite Film um die Figur des römischen Ermittlers Tanzi, nimmt Umberto Lenzi etwas den Fuß vom Gaspedal. Merli, seiner Polizeimarke entledigt und auf Privatfeldzug, schießt hier nicht gleich, sondern verteilt erstmal gehörig schallende Backpfeifen und Tritte in Weichteile, was den Film zwar nicht gleich zur Familienveranstaltung macht, die Kompromisslosigkeit früherer Poliziottesci aber irgendwie doch vermissen lässt. Die Elemente 'Korruption' und 'Übermacht der Gesetzlosen' weichen einer eher possierlichen Rotlichtromantik, ansonsten bleibt aber alles beim genretypischen Alten: Der Held hat gleich auf mehreren, parallelen Baustellen zu tun, vermag jedoch infolge seiner professionellen Cleverness, diese alle unter einen Hut zu bringen und zur Wahrung der allgemeinen Sicherheit zufriedenstellend zu finalisieren. Dass er am Ende dafür selbst als Vigilant verhaftet und in den Bau gesteckt wird, nimmt Tanzi kommentar- und widerstandslos hin. Immerhin ist ja dem moralischen Recht Genüge getan.

6/10

Umberto Lenzi Poliziottesco Rom


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THE DARK KNIGHT RISES (Christopher Nolan/USA, UK 2012)


"I'm not afraid. I'm angry."

The Dark Knight Rises ~ USA/UK 2012
Directed By: Christopher Nolan

Bruce Wayne (Christian Bale) hat nunmehr acht Jahre die Füße still gehalten, sich von der Außenwelt abgeschottet und im Westflügel seines Herrenhauses verkrochen, nachdem ein Duell mit dem zu Two-Face gewordenen Harvey Dent (Aaron Eckhart) für letzteren tödlich geendet ist. Da zieht eine neue Bedrohung am Firmament Gotham Citys auf: Der Terrorist Bane (Tom Hardy) und seine Gefolgsschaft treten an die Öffentlichkeit und stehlen einen von Wayne Enterprises hergestellten Atomreaktor. In einem harten Duell schafft Bane es sogar, den wiedergekehrten Batman zu besiegen und in ein unterirdisches Gefängnis im Nahen Osten zu verfrachten. Freie Bahn für den stahlharten Bösewicht, der noch diverse Trümpfe im Ärmel hat. Doch mit Batmans unbeugsamer Willenskraft rechnet selbst ein Bane nicht...

Den mit Abstand gelungensten Film seiner "Batman"-Trilogie hat sich Christopher Nolan also für den Schluss aufbewahrt. Auch schön, ausnahmsweise einmal wirklich das Prinzip der qualitativen Potenzierung zu beherzigen, zumal sich ja bereits von "Batman Begins" hin zu "The Dark Knight" eine deutliche Steigerung registrieren ließ. Nun machen Nolan und seine Mitautoren endlich auch jenem ein dickes Geschenk, den sie vorher ignoriert bzw. etwas stiefmütterlich behandelt haben: dem Comicnerd nämlich. Mindestens vier der besten, einflussreichsten Miniserien und Storylines der letzten dreißig Jahre hat man in einen Topf geworfen und daraus ein absolut tadellos funktionierendes Kino-Destillat hergestellt: Wichtige Elemente aus Millers "The Dark Knight Returns", Starlins "The Cult", sowie den Crossovers "Knightfall" und "No Man's Land" halten Einzug in die Story, die natürlich wieder diverse sicherlich nicht unwichtige Details mit Füßen tritt, jenen Makel aber diesmal so eloquent wettmacht, dass man dem Film am Ende wohlgesonnenen Mutes bescheinigen kann, sein Blockbuster-Süppchen exzellent gekocht zu haben. Dass Christopher Nolan zu einer Art inszenatorischer Arroganzia zu avancieren scheint, lässt der Film - im Gegensatz zu einem "Inception" etwa - weitflächig übersehen. Über zweieinhalb durchhängerfreie Stunden atemloser Spannung, der Aktion und des Mitfieberns, präsentiert in einer erquicklichen Stilmelange aus traditionell und innovativ, machen hier selbst den eingefleischten Batfan glücklich. Die kapitalen Fehler der beiden Vorgänger werden relativiert bzw. lösen sie sich in Luft auf und weichen stattdessen der Berücksichtigung von unerlässlichen Kardinalstugenden. Die Filmabteilung von DC lernt entscheidend dazu. "The Man Of Steel" und die "JLA" können kommen. Ich sehe ihnen nach diesem begeisternden Erlebnis mit wachsendem Enthusiasmus entgegen.

9/10

Christopher Nolan Batman Superhelden Sequel Terrorismus Atombombe Comic DC Comics


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HERCULES (Luigi Cozzi/I, USA 1983)


"For the sake of science!"

Hercules (Herkules) ~ I/USA 1983
Directed By: Luigi Cozzi

Göttervater Zeus (Claudio Cassinelli) schickt seine Lichtessenz gen Erde, wo sie sich mit dem Säugling des Königs von Hellas vereint. Jener und seine Gattin werden aber kurz darauf von dem bösen Minos (William Berger) und seiner intriganten Tochter Ariadne (Sibyl Danning) gemeuchelt und der kleine Herkules wächst bei einfachen Bauersleuten zu einem superstarken Muskelprotz (Lou Ferrigno) heran, unter ständiger Beobachtung des Götter-Pantheons. Als auch Herkules' Pflegeeltern das Zeitliche segnen, zieht der Recke hinaus in die Welt, um seine Bestimmung zu suchen. Diese findet er im Schutze der jungfräulichen Cassiopeia (Ingrid Anderson), Tochter des Königs Augias (Brad Harris). Minos will Cassiopeia dem von ihm gefangenen Feuervogel Phönix opfern, doch mithilfe der Zauberin Circe (Mirella D'Angelo) haut Herkules dazwischen.

Wer Luigi Cozzi kennt, weiß, dass der Mann vor nichts zurückschreckt, um dem Publikum seine mitunter etwas weichhirnigen Fantasien vor den Latz zu knallen. Da er dies stets mit recht viel Elan und gegen alle monetären Widerstände zu Werke bringt, ist er ja auch ein ganz Netter. Für "Hercules", der das italienische Sandalenkino um die bärtigen Bodybuilder im Gefolge von "Conan The Barbarian" reanimierte und den unglaublich geformten Lou Ferrigno (einem der wenigen Männer im Showbiz, bei denen überdimensionale Titten männlichkeitsbetonend wirken) an seine Speerspitze setzte, ging Cozzi eine Allianz mit dem gerade im Aufstreben begriffenen Indie Cannon ein - wie man weiß die das Unterhaltungskino der Achtziger entscheidend mitprägende Produktionsgesellschaft der beiden israelischen Vettern Menahem Golan und Yoram Globus. So erklärt sich auch die illustre Besetzung, die einige große Namen des jüngeren, internationalen Exploitationkinos unter einen Hut schaffte, darunter neben den o.A. Bobby Rhodes und Yehuda Efroni, einem Stammschauspieler bei Golan/Globus. Welch wahnwitzige Wendungen die Geschichte schlägt, dürfte selbst in der Kurzwiedergabe uninteressant sein, allein das rührende Selbstverständnis des Films, der es schafft, seine bescheidenen Mittel geradezu plausibel für 100 Minuten zum Maß aller Dinge zu machen, ist erstaunlich. Allen kenntnisreichen Anlehnungen an die Originalmythologie zum Trotze darf geschmunzelt werden: Hydra und Zentaur werden zu kreischenden Robotern, Herkules putzt einen göttlichen Pferdestall, der danach blinkt wie Meister Propers Kückenfliesen, der Halbgott wirft einen Bären ins All, der dann das entsprechende Sternbenbild begründet, wird riesengroß (und wieder klein) und trennt Europa von Afrika, zum Hades muss man über eine Regenbogenbrücke und so fort. Film macht Baff.

6/10

Luigi Cozzi Cannon Herkules Griechische Mythologie Götter Europloitation Trash


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AMERICAN NINJA 4: THE ANNIHILATION (Cedric Sundstrom/USA 1990)


"Get up to it, Ali."

American Ninja 4: The Annihilation (American Fighter 4 - Die Vernichtung) ~ USA 1990
Directed By: Cedric Sundstrom

Nachdem der amerikanische Ninja Sean Davidson (David Bradley) und sein Kumpel Brackston (Dwayne Alexandre) in Nordafrika bei dem Versuch, einige Delta-Force-Soldaten aus ihrer Geiselhaft zu befreien ebenfalls im Kerker landen, soll Joe Armstrong (Michael Dudikoff), selbst amerikanischer Ninja der ersten Stunde, die Kartoffeln aus dem Feuer holen. Mit der martialischen Rebellen-Rocker-Truppe des Befreiungskämpfers Dr. Tamba (Ken Gampu) macht Joe sich auf, gegen die muslimische Ninja-Armee des abtrünnigen Briten Mulgrew (James Booth) und seines Kumpels Scheich Ali (Ron Smerczak) anzutreten, bevor diese eine Atombombe auf Amerika schmeißen können.

Was sich womöglich etwas bizarr liest, ist die weitgehend exakte Synopse des vierten Films aus Cannons "American Ninja"-Serie, des vorletzten außerdem, des zweiten, bei dem Cedric Sundstrom Regie führte, des dritten, in dem Dudikoff zu sehen ist, des zweiten, in dem Bradley zu sehen ist, des ersten, in dem sie gemeinsam auftreten und - etwas ärgerlich - des ersten, der ohne Steve James, bislang die wichtigste Konstante der Reihe, auskommen muss. Eine Triole der bisherigen Helden des Franchise wäre nochmal schön gewesen, leider ließ sich James jedoch kein weiteres Mal verpflichten. Angesichts der Skurrilität des Gebotenen kann man ihm dazu andererseits eigentlich nur gratulieren, denn "American Ninja 4" steht der zunehmend grotesken Storyführung der vorhergehenden Filme in nichts nach; im Gegenteil: Das große cannon'sche Feindbild des Arabers wird hier mit dem ebenfalls von Golan und Globus medial installierten Ninja-Kult kombiniert, eine Symbiose, die ganz mühelos zu einer Kanonade unfreiwilligen Humors wird. Die schöne deutsche Synchronisation trägt dem noch Rechnung, indem sie einige ohnehin komische Aspekte nochmals pointiert. Völlig irrsinnig wird es, als Joe Armstrong im nordafrikanischen Hinterland Dr. Tambas Post-Apokalypse-Rocker ausfindig macht. Welcher Trashdämon die Scriptautoren hier heimgesucht hat, kann nur gemutmaßt werden - ganz bestimmt war's aber einer mit Hang zu feixender Schadenfreude.
Nach dem zuweilen recht langweiligen dritten Teil immerhin wieder ein unterhaltsamer Schritt nach vorn, bevor das Serial dem Vernehmen nach (ich selbst war bislang noch kein Zeuge) mit dem fünften und letzten Teil sein ganz eigenes Armageddon erleben sollte.

5/10

Cedric Sundstrom Nahost-Konflikt Afrika Ninja Kidnapping Trash Martial Arts Terrorismus Atombombe


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THE AMAZING SPIDER-MAN (Marc Webb/USA 2012)


"Secrets have a cost. They're not free. Not now, not ever."

The Amazing Spider-Man ~ USA 2012
Directed By: Marc Webb

Der Schüler Peter Parker (Andrew Garfield) versucht, dem Verbleib seiner verschwundenen Eltern (Campbell Scott, Embeth Davidtz) nachzuspüren und stößt auf Dr. Curt Connors (Rhys Ifans), den früheren Kollegen seines Vaters. Connors, der einen Arm verloren hat, und als führende Autorität in der artübergreifenden Genetik gilt. Der wissenschaftlich ebenfalls höchst versierte Peter beginnt, mit ihm zusammenzuarbeiten und wird im Labor von einer genetisch modifizierten Spinne gebissen. Derweil scheint die Formel zur Regeneration von Stammzellen ausgereift. Connors injiziert sich das Reptilien-DNA enthaltende Serum. Während Peter Superkräfte bei sich entdeckt, mutiert Connors zu einem Monster. Als Peters Onkel Ben (Martin Sheen) von einem Straßenräuber (Leif Gantvoort) ermordet wird, sieht Peter sich gezwungen, Maske und Kostüm anzulegen und von nun als Spider-Man die Straßen New Yorks etwas sicherer zu machen, sehr zum Unwillen der Polizei. Schon bald trifft er auf Connors in seiner Monstergestalt...

Hmm, nun weiß ich also endlich, was ein Reboot ist. Würde dieses, soviel vorweg, wenn schon als dem Wesen nach - gelinde gesagt - überflüssig, so doch immerhin als weithin gelungen einstufen. Zehn Jahre sind ja schon beinahe eine Generation und so ist eine Neubearbeitung zur Erzielung neuer Publikumsschichten gewissermaßen auch probat. Was diese "Spider-Man"-Version gegenüber ihrer Vorgängerfassung von Sam Raimi stärkt, ist ihre in einzelnen Details große Vorlagentreue. Jene verpflichtet sich bereits durch den Titel, immerhin der des ersten Comicserials von 1963. "Spider-Man" bewegt sich nunmehr wirklich exakt so behende wie in der Vorlage und hat wie dort auch stets die Zeit für einen naseweisen Spruch zwischendrin. Der zwischen Arroganz und Unsicherheit pendelnde Garfield scheint mir dem als eher unsicher agierenden Tobey Maguire als Peter Parker allerdings leicht unterlegen. Endlich stammt wiederum das Netz, wie es sich gehört, aus künstlicher Herstellung Marke Eigenbau und Handgelenksvorrichtung, der "Spinnensinn" findet seinen Platz. Unerlässliche Standardfiguren wie Mary Jane Watson oder J.J. Jameson müssten natürlich künftig noch installiert werden, ohne die geht es schließlich nicht. Dass der ursprünglich als schüchterner Bücherwurm eingeführte Peter Parker nun ein slackernder Skaterschönling sein soll, bleibt eine völlig idiotische, sogar fast verhängnisvolle Maßgabe. Eine etwas langschnäuzigere Echse (diese hier hat mir irgendwie zuviel Ähnlichkeit mit Abomination aus dem "The Incredible Hulk") sowie eine etwas hübschere Gwen Stacy (Emma Stone ist nämlich nicht mein Typ) hätten mir auch noch maßgeblich zugesagt. Was Webbs Inszenierung anbelangt, so kann ich dazu momentan nur konstatieren, dass ich sie als "unauffällig" empfand - angesichts der obligatorisch krawalligen Attitüde des Films wohl nicht weiter verwunderlich. Unterm Strich macht all das für mich einen guten, wenngleich keinen wirklich starken Film.

8/10

Marc Webb Marvel 3-D Comic Superhelden New York Coming of Age Familie Monster Duell Reboot Spider-Man Mad Scientist


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KNIGHTRIDERS (George A. Romero/USA 1981)


"Way you get knocked around, you're bound to have some weird dreams, Billy."

Knightriders ~ USA 1981
Directed By: George A. Romero

Billy (Ed Harris) kultiviert nicht bloß die Idee einer mittelalterlich konnotierten Stuntshow mit Motorrädern, er lebt sie. Als buchstäblicher König einer umherfahrenden, modernen "Gauklertruppe" versteht er sich als modernen Artus oder Löwenherz, der seinen kleinen Hofstaat auf Gedeih und Verderb zusammenzuhalten hat. Seinbe vornehmlich aus gesellschaftlichen Außenseitern bestehende Truppe ist jedoch nicht durchweg bei ihm. Für viele von ihnen zählen kommerzieller Erfolg und lockende Popularität mehr als Billys altmodische Ideale und so spaltet sich die Clique eines Tages. Der das Glamouröse liebende Morgan (Tom Savini) und einige andere tun sich mit einer dollarschweren Künstleragentin (Amanda Davies) zusammen, kehren nach einigem Hin und Her jedoch wieder zurück. Für Billy bedeutet das einen Scheideweg.

Romeros Äquivalent zu anderen zeitgenössischen Tingeltangelshow-Filmen wie Altmans "Buffalo Bill And The Indians" und ganz besonders Eastwoods "Bronco Billy" steht den Vorbildern in nichts nach, im Gegenteil. Den Begriff der bewussten Anachronisierung, den Hang zu neuweltlicher Romantik kultiviert "Knightriders" sogar in einigen Bereichen noch etwas stärker als die sicherlich bekannteren Vorbilder. Genau inmitten seines zweiten und dritten Zombiefilms (und als eine Art bastardisiertes Bindeglied mit diversen bekannten Gesichtern aus beiden Werken glänzend) präsentiert sich der gern zum Hardcore-Horrorfilmer verklärte Regisseur von einer ungewohnt sanften, melancholischen Seite und beschwört den amerikanischen Freiheitstraum in einer seit "Easy Rider" kaum mehr so konsequent verfolgten Idealisierung. In Billys Motorradrittergruppe finden sich daher auch ausschließlich Verstoßene und Aussteiger, Bildungsferne und Metaphysiker. Hautfarbe, sexuelle Orientierung oder verschrobene Lebensentwürfe sind von untergeordneter Bedeutung; was zählt, sind nicht Geld und Ruhm, sondern Loyalität und Spirit. Für seine Leute geht Billy durchs Feuer, er lässt sich aus Solidarität zusammen mit einem seiner Begleiter von einem korrupten Kleinstadt-Deputy einlochen und rechnet noch auf dem Weg in sein persönliches Avalon mit dem entsprechenden Herrn ab, ganz so, wie er es ihm zuvor versprochen hatte. Ed Harris dürfte noch heute stolz sein auf diese schöne, frühe Darstellung eines gesellschaftlich betrachtet kleinformatigen, in moralischer Hinsicht jedoch umso größeren Antihelden. Und selbst Tom Savini überrascht als durchaus charismatischer Schauspieler.

9/10

George A. Romero Motorräder Showbiz Freundschaft Ritter


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SCORTICATELI VIVI (Mario Siciliano/I 1978)


Zitat entfällt.

Scorticateli Vivi (Häutet sie lebend - Unternehmen Wildgänse) ~ I 1978
Directed By: Mario Siciliano

Weil er Ärger mit der örtlichen Mafia hat, tritt Hallodri Rudy (Bryan Rostron) kurzerhand die Flucht nach vorn an: Zu seinem älteren Bruder Frank (Charles Borromel), der mit seiner Söldnertruppe im Sudan linke Rebellen bekämpft. Rudy weiß, dass Frank auch in die eigene Tasche arbeitet und sich allenthalben Diamanten unter den Nagel reißt. Auf diese hat es Rudy abgesehen. Dummerweise wird Frank kurz nach Rudys Ankunft von den Putschisten gekidnappt und soll für seine Kriegsverbrechen vor ein Militärtribunal gestellt werden. Rudy und Franks Männer machen sich gemeinsam an eine Befreiungsaktion.

Eilends dem "Wildgänse"-Original hinterhergeschoben und wegen dessen Titelfreiheit in Deutschland gleich noch entsprechend getauft, setzte Teilzeitpornofilmer Siciliano einen Söldnerstreifen in Szene, der seinem Publikum weniger wegen ausufernder visueller Gewaltakte als übelriechend-matschige Schweinesuhle erscheint, sondern seines unfasslich misanthropischen Weltbildes wegen. Diesbezüglich steht "Scorticateli Vivi" dann auch eher in der Tradition von Jacopetti und Prosperi, die ja auch immensen Wert darauf legten, ihren Zuschauern die Schlechtigkeit der Menschenrasse zu demonstrieren. Bei Siciliano gibt es garantiert keine Helden, geschweige denn auch nur eine Person mit moralisch tragfähigem Fundament, die Leute sehen samtens aus wie frisch bei Thyssen aus der Schweißhalle wegengagiert und benehmen sich auch so. 'Altruismus' ist hier im wahrsten Wortsinne eine Fremdvokabel, die Söldner hauen sich permanent gegenseitig auf die Fresse und lassen sich im Dreck liegen; männliche Zivilisten werden totgeschlagen, weibliche vergewaltigt und die ohne Unterlass als "Paviane" bezeichneten Sudanesen sind auch nicht besser. Bekommen diese ihrerseits einen weißen Söldner in die Finger, wird mit dem nämlich im Gegenzug mit gleicher Münze verfahren. Bruderliebe? Für'n Arsch. Hier gewinnt, wer den längeren Atem besitzt oder nicht gerade von einem als Riesenschlange getarnten Giftreptil zu Tode gebissen wird. In diesem Fall ist das der wie Reggie Nalders etwas hübscherer Zwilling ausschauende Charles Borromel, dessen pockennarbige Physiognomie ihn dazu verdammte, stets Verrückte oder Bösewichte darzustellen. Ein New Yorker Augenzeuge leitet seinen ansonsten zu vernachlässigenden Erfahrungsbericht bei der imdb mit treffenden Worten ein: "...sorgt dafür, dass man eine Woche lang duschen und nach der Betrachtung TV und DVD-Player verbrennen möchte." Ein bisschen was ist da schon dran.

6/10

Mario Siciliano Söldner Afrika Sleaze Europloitation Sudan


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BACKDRAFT (Ron Howard/USA 1991)


"It's a living thing, Brian. It breathes, it eats, and it hates."

Backdraft ~ USA 1991
Directed By: Ron Howard

Dass sein kleiner Bruder Brian (Stephen Baldwin) zur Chicagoer Feuerwehr kommt, ist dem alten Hasen Stephen 'Bull' McCaffey (Kurt Russell) ein Dorn im Auge, ist doch einst bereits ihr Vater (Kurt Russell) bei einem Einsatz ums Leben gekommen. Tatsächlich schafft es Stephen bald, seinen Bruder wieder aus seiner Einheit herauszuekeln, so dass Brian bei den Brandursache-Ermittlern landet. Zusammen mit Donald Rimgale (Robert De Niro), selbst ein früherer Firefighter, setzt sich Brian auf die Spur eines feuerversierten Killers, der seine Opfer mittels gezielter 'backdrafts' mordet.

Ein "Backdraft", das lernt man im Film, kommt dann zustande, wenn ein Brand in einem kleinen Raum sämtlichen Sauerstoff verschlungen hat. Das nunmehr entstandene Vakuum ist jedoch noch heiß genug, um sich bei neuer Sauerstoffzufuhr wieder zu entzünden und einer riesigen Zunge gleich nach vorn zu schnellen. Eine hübsch perfide Art, ahnungslos Türen öffnende Leute umzubringen. Oder eben Feuerwehrleute. "Backdraft" dürfte das Herz eines jeden Pyromanen höher schlagen lassen: Howard inszeniert, orchestriert, choreographiert das Feuer und setzt es mit großer Leidenschaft ins Bild. Der Filmdialog spricht ständig vom Feuer als einer Art lebendem, denkenden Gegner, den es zu durchschauen gilt, bevor man ihn effektiv bekämpfen kann. "Backdraft" versteht sich auch unmissverständlich als Heldenepos und Ehrerbietung an die Feuerwehrleute der USA, einer eingeschworenen Arbeitersubkultur mit hohem Ehrenkodex und von unvergleichlichem Mut. Vor dem Hintergrund dieses Ansinnens schlägt er allerdings permanent über die Stränge; der deutsche Untertitel "Männer, die durchs Feuer gehen" hätte treffender "Männer, die in Zeitlupe durchs Feuer gehen" geheißen. Wenn Kurt Russell, einen kleinen schwarzen Jungen im Arm, zu der schon ekelhaft pathetischen Musik Hans Zimmers in Slo-Mo durch eine brennende Tür bricht, dann sagt der Film alles über sich. Stargespickte Füllszenen, in denen alibihaft uninteressante Beziehungsgeflechte erörtert werden, dienen lediglich dazu, das Ganze auf Länge zu bringen und den Film nicht als eine einzige Pyroshow dastehen zu lassen. "Backdraft" ist so etwas wie der "Top Gun" des Katastrophenfilms, eine selbstverliebte Egoshow Ron Howards, die immerhin als eine stilistische Maßgabe für das noch folgende Neunziger-Kommerzkino Bestand hat und sich ihrer beeindruckenden Feuerszenen wegen anschauen lässt. Ansonsten weist das Ding bereits genau in die Richtung, die mit "Apollo 13", einem für mich wirklich unansehnlichen Stück Scheiße von Film, ihren traurigen Höhepunkt erreichen sollte. Amerika, deine Helden.

5/10

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Funxton

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