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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SWITCHBLADE SISTERS (Jack Hill/USA 1975)


"Hey, I lost my eye for this gang!"

Switchblade Sisters (Die Bronx-Katzen) ~ USA 1975
Directed By: Jack Hill

Die 'Silver Daggers' und deren weiblich Subdivision, die 'Dagger Debs', sind eine der tonangebenden Gangs im Viertel. Besonders die beiden Chefs, Dominic (Asher Brauner) und Lace (Robbie Lee) ergeben ein taffes Pärchen. Als die Dagger Debs mit der coolen Maggie (Joanna Nail) ein neues Mitglied rekrutieren, steht Ärger ins Haus. Obgleich sich Lace und Maggie gut verstehen und umgehend beste Freundinnen werden, wirft Dominic ein Auge auf Maggie - und gleich auch noch sich selbst. Maggie versucht, aus guter Miene böses Spiel zu machen, doch die intrigante Patch (Monica Gayle) hetzt die beiden Mädchen gegeneinander auf und verstricht die Daggers in einen eskalierenden Konflikt mit der feindlichen Gang von Crabs (Chase Newhart). Verrat, Mord und Totschlag sind die unausweichlichen Folgen.

"Die Bronx-Katzen"? Das halte ich aber für ausgemachten Blödsinn, denn die location der "Switchblade Sisters" oder "Jezebels", wie sie sich am Ende nach ihrer Neugründung nennen, scheint mir zweifelsohne Los Angeles zu sein. Nun ja, die mittleren Achtziger, als das Ding endlich auch bei uns im Kino premierte, war eine Zeit, in der die New Yorker Bronx in der Popkultur in etwa gleichzusetzen war mit einem amerikanischen Beirut. Gangs, verbrannte Erde, präapokalyptische Zustände, wie man sie aus Petries "Fort Apache, the Bronx" und Castellaris "The Riffs"-Filmen kannte, so stellte sich der halbgebildete Pennäler ergo jenes Viertel vor. Daher versetzte man eben auch kurzerhand Hills Film dorthin. Wenn schon nicht der deutsche Titel, so macht ihm zumindest die Synchronfassung alle Ehre, ein rotziges, Gift spuckendes Stück deutscher Vertonung, das dem ohnehin schon so passioniert schmutzigen Werk nochmal eine zusätzliche Dreckschicht obendrauf verleiht. Furztrockene Exploitation, nicht mehr ganz so aufgedreht und quietschvergnügt wie Hills Knast- und Blaxplo-Epen, aber ganz bestimmt doch noch hinreichend irrsinnig und anfixend, um heutigen Girlgangs noch immer als potenzieller, heiliger Filmgral herzuhalten.

7/10

Jack Hill Exploitation Sleaze Gangs


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IRON MAN 3 (Shane Black/USA 2013)


"Stop stopping!"

Iron Man 3 ~ USA 2013
Directed By: Shane Black

Nach der Vereitelung der durch die Chitauri angestifteten Invasionspläne in New York leidet Tony Stark (Robert Downey Jr.) unter Panikattacken. Er vernachlässigt seine Freundin Pepper (Gwyneth Paltrow) und interessiert sich hauptsächlich für die Ausweitung seines "Iron Man"-Projekts, das nunmehr auch durch ihn selbst und seinen Computer Jarvis ferngesteuerte Drohnen beinhaltet. Da kommt die unheilige Allianz zwischen einem international gesuchten Terroristen, dem Mandarin (Ben Kingsley), und dem dereinst von Stark missachteten, verschrobenen Wissenschaftler Aldrich Killian (Guy Pearce) nicht gerade zum passenden Zeitpunkt. Killian hat ein Serum entwickelt, das bei regelmäßiger Injizierung Versuchsprobanden zu tickenden Zeitbomben macht und bedroht damit den Präsidenten (William Sadler). Stark fordert den Mandarin derweil unvorsichtigerweise zum direkten Duell und muss eine böse erste Schlappe hinnehmen, Pepper wird kurz darauf entführt. Zusammen mit seinem alten Kumpel Bobby Rhodes, vormals 'War Machine' und jetzt 'Iron Patriot', geht Stark gegen das Duo des Bösen vor...

Mit dem dritten Teil emanzipiert sich das filmische Marvel-Universum erfolgreich weiter von seinen comicesken Wurzeln, liefert gleichbleibend perfektes, hysterisch-selbstironisches Qualitätsblockbusterkino und ist sich selbst für ein Quäntchen Medien- und Systemschelte nicht zu schade. Gut, die Idee, den klassischen "Iron-Man"-Villain 'Mandarin' völlig zu überarbeiten und dessen nicht mehr ganz zeitgemäße origin als orientalischer Quasi-Fu-Manchu umzukrempeln, wird einige eherne Anhänger des Comics zu Recht vor den Kopf gestoßen haben; dafür entsteht aus Ben Kingsleys fadenscheiniger Interpretation heraus eine der witzigsten und grandiosesten Figuren der bisherigen Marvel-Kinowelle. Da wird auf klassische Weise Ironie evoziert ohne zynisch zu werden, kluger Humor, ohne je ins Käsige abzugleiten. Auch scheinen sich die einzelnen Geschichten trotz bombastischer Effektarbeit langsam einer narrativen Erdung zuzuwenden - die Entstehungsgeschichten sind erzählt und bekannt, die Charaktere etabliert. Jetzt ist es Zeit für klassisches storytelling. Ob sich diese Marschrichtung mit den kommenden "Thor: The Dark World" und "Captain America: The Winter Soldier" weiter linearisieren wird, lässt sich momentan nicht voraussehen, aber es scheint zumindest so. Mir jedenfalls hat's wieder superviel Spaß bereitet, einem der Recken zuzuschauen und meine Vorfreude auf kommende Ereignisse bleibt ungebrochen.

8/10

Shane Black Kalifornien Superhelden Marvel Iron Man Terrorismus Jon Favreau


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MACHO MAN (Alexander Titus Benda/BRD 1985)


"Und du hast wirklich den ersten Dan?" - "Das werd' ich dir gleich beweisen!"

Macho Man ~ BRD 1985
Directed By: Alexander Titus Benda

Der Boxweltmeister Dany Wagner (René Weller) rettet die wohlgeformte Arzthelferin Sandra (Bea Fiedler) vor einigen lichtscheuen Gestalten, die ihr eine Spritze mit Heroin setzen wollen. Am nächsten Tag vereitelt er morgens zusammen mit Karateschulbesitzer und Kampfsport-Kanone Andreas Arnold (Peter Althof) einen Banküberfall und verteidigt des Abends seinen Weltmeistertitel. Ein Discobesuch mit Sandra bringt Dany endgültig mit Sandra zusammen, derweil Andreas seine neue Schülerin Lisa besteigt. Als die Drogengangster Lisa und Sandra entführen, bevor Dany und Andreas zusammen mit ihnen in den verdienten Südurlaub abheben können, geben die zwei harten Jungs und ihre jeweilige Fangemeinde ihnen Saures.

"Macho Man", illegitimes Bindeglied zwischen "Die Brut des Bösen" und "Der Joker" und damit das Triptychon des deutschen Actionfilms mittig vervollständigend, ist ein Werk, das nicht einfach bloß gesehen, sondern erfahren werden will. Alexander Titus Benda, seines Zeichens Nürnberger Filmemacher mit genau zwei Einträgen in seinem Œuvre, hat das Script zu "Macho Man" selbst verfasst. Wie alt er war, als er es geschrieben hat, ist mir nicht bekannt, aber der Verdacht liegt nahe, dass er nur kurz zuvor den Übergang in die Sekundarstufe I gemeistert hat. Oder gerade daran saß. Ob man das daraus resultierende Objekt somit als imbezil oder tatsächlich infantil bezeichnen muss, kann ich daher nur mutmaßen. Allein die Idee jedenfalls, den tief gewachsenen Box-Playboy Weller in einer Hauptrolle zu besetzen, lässt an der mentalen Verfassung der Urheber zweifeln, wie dann dementsprechend die gesamte filmische Umsetzung. "Macho Man" ist ein Fanal des Trash: Jede einzelne Szene ein Poem, jede einzelne Minute teutonisches Gold. Wo neonfarbene Jogginganzüge aus Ballonseide den Eintritt in die Disco erleichtern, wo Breakdance höchstes Kulturgut darstellt, wo ohne Minipli und Haarlack ehrenhalber das Haus nicht verlassen wird, wo das schöne Nürnberg von der Geißel des Heroin befreit wird, wo eine deutsche Darstellerriege in München gedubbt wird (wir hören anstelle von Weller, Althof, Fiedler und Jacqueline Elber die ausgebildeteren Ekkehardt Belle, Hartmut Neugebauer, Eva Kinsky und Madeleine Stolze) - da (und nur da) ist "Macho Man" daheim! Trotz soviel äußerer Geschlossenheit lässt Benda jedoch immer noch die spannende Frage offen was nun wirklich (Zitat:) "besser ist: Boxen oder Karate..."?

6/10

Alexander Titus Benda Nürnberg Martial Arts Boxen Drogen Trash


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CHAINED HEAT (Lutz Schaarwächter/USA, D 1983)


"Don't call me 'warden'. Call me Fellini!"

Chained Heat (Das Frauenlager) ~ USA/D 1983
Directed By: Lutz Schaarwächter

Weil sie versehentlich einen tödlichen Unfall verursacht hat, muss Carol Henderson (Linda Blair) ins Gefängnis - dass sie im härtesten Frauenknast mindestens des Staates landet, passt jedoch nicht zu ihrem zarten Wesen. Schon bald lernt sie die Strukturen hinter Gittern kennen: Zwei verfeindete Matriarchinnen (Sybil Danning, Tamara Dobson) habe unter den Insassinnen das Sagen, derweil die uneinige Leitung unter Warden Bacman (John Vernon) und Chefaufseherin Taylor (Stella Stevens) einen kriminellen Konkurrenzkampf austrägt: Es werden Pornofilme gedreht, Vergewaltigungen organisiert, man verschachert harte Drogen und befeuert einen Prostitutionsring. Als Carols Freundin Val (Sharon Hughes) grausam ermordet wird, weil sie Zeugin der Machenschaften Captain Taylors wurde, geht Carol in die Offensive...

Ein opus magnum des Exploitationfilms hat Lutz Schaarwächter unter dem Pseudonym 'Paul Nicolas' da vor drei Dekaden auf die Beine gestellt. "Chained Heat" ist denn auch verdientermaßen zu einem instant classic mit wachsender Fangemeinde avanciert, weil er eben alles aufbietet, was das voyeuristische Herz begehrt: Eine Ausnahmebesetzung zu der sich neben den Erwähnten noch Henry Silva und Monique Gabrielle gesellen, schöne nackte Frauen, Vergewaltigungen, knackige Gewaltszenen. Man vermisst garantiert nichts am Ende. Hinzu kommt, dass Schaarwächters Arbeitsethos sich durchaus qualitätsbewusst ausnimmt. "Chained Heat" ist jedenfalls kein heilloser Trash, der von seiner ungelenken Inszenierung zehren muss, sondern ein echter, ambitionierter Vollblutexploiter nach Maß. Joseph Conlans Musik hat streckenweise was von Tangerine Dream und passt sich dem anrüchigen Geschehen hinter dicken Gefängnismauern vortrefflich an. Runde Angelegenheit.

7/10

Lutz Schaarwächter Ernst Ritter von Theumer Mac Ahlberg Gefängnis W.I.P. Exploitation Camp


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EXTREME JUSTICE (Mark L. Lester/USA 1993)


"They don't care at all! They love us!"

Extreme Justice ~ USA 1993
Directed By: Mark L. Lester

Der junge LAPD-Sergeant Jeff Powers (Lou Diamond Phillips), oftmals verwarnt wegen aggressiver Methoden im Einsatz und bereits im Fadenkreuz der internen Untersuchung, stößt zur SIS, einer streng geheimen Polizei-Subdivision. Aufgabe der SIS ist es, just aus dem Gefängnis entlassene Wiederholungstäter so lang zu beschatten, bis sie ihr nächstes Verbrechen durchführen, um sie dann auf frischer Tat verhaften zu können. Doch die Befugnisse der SIS reichen inoffiziell noch weiter: Die meisten ihrer "Kunden" werden von den Cops vor Ort in tödlich endende Feuergefechte verwickelt. Als Powers, dessen früherer Partner Vaughn (Scott Glenn) die SIS-Einsätze leitet, hinter die fragwürdigen Funktionsprinzipien der Abteilung kommt und immer wieder feststellt, wie dort Menschenrechte mit Füßen getreten werden, entscheidet er sich für den Ausstieg...

Inoffizielle Todesschwadronen der Polizei, handelt es sich nun aus dem Dunkel heraus operierende oder gar um städtisch tolerierte, haben im Genrekino eine längere Tradition. Bereits der zweite "Dirty-Harry"-Film "Magnum Force" machte es zum Thema, nicht zuletzt, um die fragwürdigen Methoden seiner Hauptfigur moralisch abzugrenzen und gewissermaßen auch zu legitimieren. In Hyams' "The Star Chamber" wird dann sogar die Judikative zur reaktiv handelnden Institution, indem sie schuldigen, wegen der Beweislage jedoch offiziell freigesprochenen Gewalttätern nachträglich die Todesstrafe "zukommen" lassen. "Extreme Justice" steht in dieser Ahnenreihe. Hier allerdings steht die betreffende Organisation noch zusätzlich unter dem Deckmantel politischer Duldung: Los Angeles hat entschieden, dass diese Männer und ihre Verfahrensweisen notwendig sind, um Folgeverbrechen der zu observierenden Kriminellen zu verhindern und deren Bestrafung im Zweifelsfall gleich vor Ort vorzunehmen.
Lester ist nicht eben dafür bekannt, ein sonderlich filigran vorgehender Regisseur zu sein. Sein zwischen Anfang der Achtziger und Mitte der Neunziger entstandenes Hauptwerk erzählt zumeist ruppige Geschichten mit ruppigem Personal. Dem Thema "Selbstjustiz" kommt dabei häufig eine hervorgehobene Funktion zu. Schon "Class Of 1984" berichtete davon, dass in Härtefällen eine "Grundreinigung" stattfinden muss, um wieder Ruhe einkehren lassen zu können. "Extreme Justice" nimmt sich im Hinblick auf diese fatalistische Perspektive etwas zurück und positioniert sich mehr in der Mitte. Die Männer von der SIS werden als durchweg gestört charakterisiert: Schießwütige Waffennarren, Zyniker, Alkoholiker, Soziopathen. Einer von ihnen (Richard Glove) zerbricht angesichts seiner Taten und nimmt sich das Leben. Die übrigen haben längst die Grenzen zwischen Vetretbarkeit und Faschismus überschritten. Sie sind mittlerweile kaum mehr besser als der von ihnen verfolgte Abschaum. Powers' Kehrtwende ist also auch ein Stück weit von Selbsterhaltung geprägt: So möchte man schließlich nicht enden in jungen Jahren.

7/10

Los Angeles Mark L. Lester Selbstjustiz


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HERE COMES THE BOOM (Frank Coraci/USA 2012)


"Let's do this. Let's lose."

Here Comes The Boom (Das Schwergewicht) ~ USA 2012
Directed By: Frank Coraci

Um seinem idealistischen Kollegen, dem Musikpädagogen Marty Streb (Henry Winkler) die Wegrationalisierung durch ein hoffnungslos ökonomisiertes Schulmanagement zu ersparen, tritt der Biologielehrer Scott Voss (Kevin James) als MMA-Kämpfer an. Trainieren lässt er sich von dem holländischstämmigen Sportler Niko (Bas Rutten), den Voss aus einem von ihm geleiteten Einbürgerungsseminar kennt. Nach anfänglichen Misserfolgen entwickelt sich Voss mehr und mehr zum durchaus ernstzunehmenden Kämpfer, der bei einem Schaukampf in Vegas die Gelegenheit erhält, die fehlende Summe für die Rettung von Martys Stelle auf einen Schlag zu gewinnen: Er muss lediglich den amtierenden Schwergewichtsmeister (Krzyzstov Soszynski) besiegen...

Coracis zweite Kollaboration mit Kevin James, wiederum von Happy Madison coproduziert, ist ein merkwürdiger Film, der eine klare Linie vermissen lässt und nach einem durchaus starken, mitreißenden Finale kurz vor den end credits urplötzlich einen unangenehmen, patriotischen Ton anschlägt. Nach einigen mehr oder minder komischen Situationen, deren teils durchaus treffsicherer Humor sich vornehmlich daraus speist, dass Kevin James sich im Ring wahlweise ungeschickt anstellt oder in irgendwelche Fettnäpfchen tritt, entwickelt "Here Comes The Boom" im recht harten, zäsurgleichen Finale einen beinahe 'rockyesken' Zug, den man in dieser exponierten Form sicherlich nicht erwartet hätte. Ob und inwieweit da Authentizität transportiert wird, lässt sich anhand der grandiosen Montage nur mutmaßen, die Choreographie des Kampfes ist jedoch auch so als perfekt zu erkennen und James macht gar keine schlechte Figur bei seiner MMA-Feuertaufe. Nach einigen - Zufall oder nicht - ohnehin unübersehbaren, inhaltlichen Analogien fühlt man sich angesichts der Szene noch deutlicher in die Nähe des exzellenten "Warrior" gerückt, "Here Comes The Boom" scheint im Direktvergleich zu "Zookeeper" ein erstaunlich erwachsener Film zu sein. So weit, so unikal. Was dann jedoch die letzten Minuten darstellen sollen, die ein auf bizarre Weise plump anmutendes Hohelied auf Amerika und seine ethnische Kulturvielfalt anstimmen und mit der wehenden Flagge im Sonnenlicht abschließen, bleibt ein Rätsel. Nachdem man gerade überzeugt war, einen wirklichen netten Film kredenzt bekommen zu haben, diese Ohrfeige. Hm. Im Zweifel für die Angeklagten und ihre sonstigen Verdienste wollen wir es diesmal ausnahmsweise bei einer Verwarnung belassen.

7/10

Frank Coraci Adam Sandler Boston Martial Arts Faustkampf Schule Las Vegas Freundschaft


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GET THE GRINGO (Adrian Grunberg/USA 2012)


"Is this a prison or the world's shittiest mall?"

Get The Gringo ~ USA 2012
Directed By: Adrian Grunberg

Seine spektakuläre Flucht über die mexikanische Grenze bringt ihn auch nicht weiter: Der Driver (Mel Gibson) landet in einem Ausnahmeknast auf der anderen Seite, derweil seine zuvor erbeuteten zwei Millionen Dollar von einem Paar korrupter Cops in Gewahrsam genommen wird. Als der Driver im Gefängnis einen Jungen (Kevin Hernandez) und dessen Mutter (Dolores Heredia) kennenlernt, entwickelt er familiäre Gefühle. Um sowohl die beiden als auch sein sauer erbeutetes Geld in Sicherheit zu bringen, entwickelt er einen ausgebufften Plan, der einen US-Geschäftsmann (Thomas Kaufman) zum Dreh- und Angelpunkt hat...

Mel Gibson seit langem mal wieder als bad ass wie man ihn dereinst, als es noch nicht verpönt war, lieben durfte; nicht ganz mit der opportunistisch-fatalistischen Resignation eines Max Rockatansky versehen, aber zumindest ein Martin Riggs der Gegenseite. Es müssen eine ganze Menge fieser und mieser Typen dran glauben, wenn der ansonsten namenlose 'Driver' in die Offensive geht und neunundneunzig Prozent von denen haben es auch verdient.
Das verschwitzte, nach mexikanischem Bier und Tacos riechende Grenz-Ambiente wird in "Get The Gringo" geradezu aromatisch wahrnehmbar; man fühlt sich bei Gibson, der nebenbei keine Scheu zeigt, die Alterungsspuren seiner verbraucht wirkenden Physiognomie unverblümt in die Linse zu halten, an Ikonen wie Lee Marvin und Steve McQueen erinnert. Abgeklärt, vom Leben gezeichnet und daher auch von nichts Argem mehr zu überraschen. Zwischendurch hat es eine blutige Großschießerei in gedehnter Zeitlupe, die überdeutlich an analoge Szenen bei Peckinpah und Hill gemahnt. Ich schätze, viel mehr braucht es wohl auch gar nicht, um sich zufrieden zu finden.

8/10

Adrian Grunberg Mexiko Kalifornien Gefängnis


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BULLET TO THE HEAD (Walter Hill/USA 2012)


"I take out the trash."

Bullet To The Head (Shootout - Keine Gnade) ~ USA 2012
Directed By: Walter Hill

Nachdem die beiden Auftragskiller Jimmy Bobo (Sylvester Stallone) und Louis Blanchard (Jon Seda) in einem Hotel in New Orleans den korrupten New Yorker Cop Greely (Holt McCallany) erledigt haben, sollen auch sie beseitigt werden. Berufsgenosse Keegan (Jason Momoa) verfehlt Jimmy jedoch, woraufhin dieser sich mit Greelys aufrechtem Ex-Kollegen Kwon (Sung Kang) zusammenschließt, um den Hintermännern auf die Spur zu kommen. Dabei kommen sie einem großangelegten Grundstücksschwindel auf die Spur, dessen Initiatoren ihre Leute überall haben und überhaupt keinen Spaß verstehen.

Ein neuer Film von Walter Hill ist grundsätzlich immer ein Ereignis, zumal seine letzte Arbeit fürs Kino nunmehr zehn Jahre zurückliegt. Wenn der Altmeister dann auch noch nach Louisiana zurückkehrt, um dort ein Buddy Movie mit einem moralethisch völlig diametral angelegten Protagonistenpaar nach dem Vorbild der "48 Hrs."-Filme und "Red Heat" zu kreieren, dann darf man zu recht Großes erwarten. Nun, diese Antizipation findet sich leider nicht zur Gänze erfüllt. Basierend auf einem französischsprachigen Comic und bezüglich seines Scripts bietet "Bullet To The Head" klassische Genreschule und den Versuch eines rückgewandten Brückenschlages zu den Achtzigern ohne den Versuch postmodernistischer Manierismen und Autoreferenzen wie sie zuletzt im ernstzunehmenden Genrefilm nicht nur en vogue, sondern geradezu unverzichtbar geworden zu sein schienen. Hills Film gibt sich trocken-brutal ohne sich selbst zuviel zuzumuten, lebt von der politisch unkorrekten Leichtigkeit seiner Urahnen und verzichtet auf existenzialistischen Weltschmerz. Warum jedoch nicht die albernen jump cuts und die Montagemätzchen mit den überbelichteten Silhouetten weggelassen werden mochten (oder konnten), erschließt sich mir nicht. In ihrer Penetranz und permanenten Repetition reißen sie "Bullet To The Head" völlig unnötig ein. Ob damit eine wie auch immer geartete Aktualität oder zwanghaft moderne Anbindung suggeriert werden sollte? Dem gilt es wohl beizeiten nachzugehen, für mich verdirbt genau diese unnütze, ja, hilflose Anbiederung an schickes Zeitambiente die ansonsten gelungene Form des Films und damit einhergehend sein eigentlich positives Gesamtbild. Nennt mich erzpuristisch, aber derlei brauchte früher keiner und heute auch nicht.

7/10

Walter Hill New Orleans Louisiana Südstaaten Profikiller Rache Buddy Movie


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CHRONICLE (Josh Trank/USA 2012)


"There's something wrong with Andrew."

Chronicle ~ USA 2012
Directed By: Josh Trank

Drei High-School-Kids, der introvertierte Amateurfilmer Andrew (Dane DeHaan), sein selbstbewusster Cousin Matt (Alex Russell) und der allseits beliebte Footballer Steve (Michael B. Jordan), stoßen im Wald auf ein abgestürztes außerirdisches Artefakt, mit dem sie unvorsichtigerweise Tuchfühlung aufnehmen. Schon am nächsten Tag zeigen sich die ersten Einflüsse des Himmelskörpers: Alle drei Jungen verfügen urplötzlich über telekinetische Fähigkeiten und können Dinge per Gedankenkraft bewegen. Andrew, dem sich besonders Steven nun brüderlich verbunden fühlt, blüht regelrecht auf und tankt durch seine neue Gabe Unmengen an oberflächlichem Selbstbewusstsein. Doch selbst seine sich weiterentwickelnden Fähigkeiten können seine tief verwurzelte Unsicherheit und seine familiären Probleme nicht wettmachen. Nach einigen unerfreulichen Wendungen, denen unter anderem Steve zum Opfer fällt, zieht sich Andrew noch mehr in sich zurück als früher, derweil seine Kräfte immer stärker werden. Schließlich wendet er sich der offenen Kriminalität zu. Als Andrew Amok zu laufen beginnt, kann nur noch Matt ihn aufhalten...

Eine im Grunde archetypische Superheldengeschichte im Gewand des 'embedded filming', wobei speziell diese formale Entscheidung sicherlich streitbar, weil inhaltlich kaum bis gar nicht zu rechtfertigen ist. Zu "Chronicle" gibt es, wie bereits zu "Defendor" und "Super" keine Comic-Vorlage. Die Story basiert auf einem Originalscript von John Landis' Sohn Max, der sich allerdings als überaus materienfirm erweist, speziell im Hinblick auf die moderne Mythologie der multiplen Superheldenkosmen. Im Prinzip kann man sich "Chronicle" bei Nichtkenntnis vorstellen wie eine leidlich weniger existenzphilosophische, juvenilere und pompösere Version von Shyamalans wundervollem "Unbreakable"; am Ende läuft hier wie dort alles auf das universelle Yin/Yang hinaus. Die Welt, so die mehr oder weniger berugigende Kernaussage, benötigt diametrale Größen, um im Gleichgewicht bleiben zu können. Doch bewegt "Chronicle" sich hypothetisch über die klassische Superhelden-Origin hinweg, indem er sich dem Diskurs widmet, welchen Weg ein psychisch schwer lädierter, urplötzlich mit Superkräften gesegneter Junge einschlagen würde, der seine gesamte Umwelt praktisch zeitlebens als quälend und repressiv wahrgenommen hat. Während etwa Peter Parker oder Clark Kent dereinst zwar von pubertären Problemen gebeutelte, junge Männer waren, konnten sie sich doch zumindest auf ein halbwegs stabiles soziales Umfeld stützen und waren somit quasi "Helden aus der Wiege". Andrew Detmer indes avanciert zur fleischgewordenen Nemesis der Menschheit. Auch das ist nicht neu, "Carrie" beispielsweise zeichnete eine nahezu identische Entwicklungsgeschichte nach, bloß eben in Ermangelung des symbolisch gülden gerüsteten Ritters, dessen eigener, schmerzlicher Existenzauftrag am Ende darin liegt, seinen vormals geliebten, bösen Antagonisten unter Aufwendung aller Mittel aufzuhalten.
Als kostümfreie Variante für Superhelden(film)liebhaber sicherlich Pflichtprogramm.

8/10

Josh Trank Max Landis Seattle Superhelden Freundschaft Madness embedded filming


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MISSION: IMPOSSIBLE - GHOST PROTOCOL (Brad Bird/USA, AE, CZ 2011)


"Our media is no more truthful than yours, American."

Mission: Impossible - Ghost Protocol (Mission: Impossible - Phantom Protokoll) ~ USA/AE/CZ 2011
Directed By: Brad Bird

Der durchgedrehte schwedische Atomwaffen-Experte Kurt Hendricks (Michael Nyqvist) ist der Ansicht, dass nur ein umfassender Atomkrieg eine kathartische Reinigung des Globus bewirken kann. Er benutzt eine auf ihn selbst gerichtete Mission des ahnungslosen Ethan Hunt (Tom Cruise), um einen Atomkoffer aus dem Kreml zu entwenden und eine Bombe im Gebäude detonieren zu lassen. Der IMF wird für die Explosion verantwortlich gemacht und offiziell aufgelöst. Hunt und sein Team, bestehend aus Jane Carter (Paula Patton), Benji Dunn (Simon Pegg) und dem hinzustoßenden William Brandt (Jeremy Renner) nehmen unautorisiert und auf eigene Faust die Verfolgung Hendricks' auf, um die Welt zu retten.

Den mit dem letzten, von J.J. Abrams inszenierten Zweitsequel eingeschlagenen Kurs verfolgt Brad Bird, vormals Stammregisseur bei Pixar, konsequent weiter und präsentiert eine neuerliche Hochglanz-Achterbahnfahrt, die das Prinzip des steten 'worst case scenario' zum dramaturgischen Primärstatut erhebt. Immer wieder stellen sich hunt und seinem emsigen Mitarbeitertrio scheinbar unüberwindbare Schwierigkeiten in den Weg, die diesmal primär auf dysfunktionale Technik und menschliches, wenngleich charmantes Versagen der Helden zurückzuführen sind. Natürlich agieren die vier Agenten in letzter Sekunde jeweils hinreichend professionell, um am Ende alles zum Guten zu wenden. Dabei spielen diverse Versatzstücke der bisherigen Filme kleine Rollen: Einbrüche in streng bewachte Festungen, Klettereien in pervers hohen Höhen (diesmal an der Außenfassade des Burj Khalifa) ein "schwebendes Verfahren" in einem Riesencomputer, eine wunderhübsche Heldin. Dazu gibt es einige hübsche personelle Referenzen an die Vorgänger, wobei die um Andreas Wisniewski, der seine Rolle aus dem ersten Film wiederholt, die netteste ist.
Die schwankende Qualität der Bond-Reihe hat das "Mission: Impossible"-Franchise damit mindestens erreicht, wenn nicht gar überboten. Grandioser Eskapismus mit dem permanenten Ruch einer "Playboy"-Lektüre ist das Resultat; audiovisuelle, exklusiv aufgemachte Reizüberflutung vom feinsten für den mondänen Herrn oder den, der ein solcher sein möchte, ohne jedweden intellektuellen Nachhall. Aber eines solchen verweigert sich die Serie ja - mit Ausnahme des ersten Films von De Palma vielleicht - seit jeher a priori, insofern ist alles in bester Ordnung.

8/10

Brad Bird Russland Moskau Ungarn Budapest Dubai Indien Mumbai Atombombe Madness Sequel J.J. Abrams





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