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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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COMPULSION (Richard Fleischer/USA 1959)


"Please, Artie - I'll do anything you say."

Compulsion (Der Zwang zum Bösen) ~ USA 1959
Directed By: Richard Fleischer

Chicago in den Zwanzigern. Den beiden jungen Studenten Artie Straus (Bradford Dillman) und Judd Steiner (Dean Stockwell) ist ihre materiell-verwöhnende und zugleich emotional vernachlässigende Erziehung zu Kopf gestiegen: Artie ist ein eitler, selbsträsonistischer Narziss, Judd hat eine dependente Persönlichkeitsstörung. Was sie eint, ist der mitunter sadistische Hang zu maß- und vor allem sinnloser Gewalt. Als sie einen kleinen Jungen aus der Nachbarschaft entführen und töten, werden sie durch einige missgünstige Zufälle überführt und landen bald vor Gericht. Als Verteidiger engagieren ihre Eltern Anwalt Wilk (Orson Welles), einen engagierten Gegner der Todesstrafe...

Beachtliches Kriminaldrama, das ebenso wie Hitchcocks "Rope" auf dem realen Fall um die beiden Gewaltverbrecher 'Leopold & Loeb' basiert, die 1924 das perfekte Verbrechen planen und durchführen wollten und dabei einen vierzehnjährigen Jungen aus der Nachbarschaft umbrachten. Der zum Entstehungszeitpunkt von "Compulsion" noch lebende, wieder entlassene Leopold versuchte, den Film zu torpedieren, jedoch erfolglos.
Bei Fleischers kinohistorisch vergleichsweise wenig beachteten Film handelt es sich um ein erfreulich wenig tendenziöses und dennoch sicher formuliertes Plädoyer gegen die Todesstrafe. Der an vorderster Stelle genannte Orson Welles taucht zwar erst im letzten Drittel der Geschichte auf, beherrscht diese jedoch vollkommen durch seine darstellerische Präsenz, an deren Finale - wie könnte es anders sein - ein flammendes, ausgedehntes Plädoyer wider den populistisch-rachsüchtigen Justizblutdurst seiner Zeitgenossen steht; auch dieses freilich authentisch. Die ersten beiden Akte dienen indes der sorgfältigen Ausgestaltung der beiden Charaktere Straus und Steiner und ihrer verhängnisvoll maßgeschneiderten Beziehung zueinander. Die Zwei lassen sich genealogisch als Urahnen von Ellis' Patrick Bateman einordnen, denen der familiäre Wohlstand einen psychischen Strick dreht und die, wenngleich von ganz unterschiedlicher diagnostischer Provenienz, ein fatales Duo bilden, an deren Negierung jedweder sozialen Werte schließlich jenes unfassliche Verbrechen steht. Fleischers Interesse an der differenzierten Darstellung brüchiger Täter-Personae, die sich später wieder in "The Boston Strangler" und "10 Rillington Place" manifestieren sollte, steht hier bereits deutlich im Vordergrund.
Zukunftsweisendes Qualitätskino von ungebrochener Aktualität kam dabei heraus.

9/10

period piece Chicago Courtroom Madness Richard Fleischer Todesstrafe


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THE DARK CORNER (Henry Hathaway/USA 1946)


"How I detest the dawn. The grass always looks like it's been left out all night."

The Dark Corner (Der Feind im Dunkel) ~ USA 1946
Directed By: Henry Hathaway

Der Kunstgalerist Cathcart (Clifton Webb) plant, seinen Nebenbuhler Jardine (Kurt Kreuger) aus dem Weg zu räumen, einen schmierigen Hallodri, der mit Cathcarts wesentlich jüngerer Frau (Cathy Downs) eine Affäre pflegt. Um selbst unbehelligt zu bleiben, wählt Cathcart als Sündenbock Jardines früheren Kompagnon, den Privatdetektiv Galt (Mark Stevens). Jener hat nämlich seinerseits auch mit Jardine noch eine alte Rechnung offen und somit ein vortreffliches Motiv. Der Auftragskiller Stauffer (William Bendix) soll Jardine nun so um die Ecke bringen, dass Galt als Schuldiger dasteht. Doch er und seine fixe Sekretärin Kathleen (Lucille Ball) kommen Cathcart auf die Schliche.

Zusammen mit dem feinen "Kiss Of Death" eine schöne Film-Noir/New York-Dublette von Henry Hathaway, weg von der stets artifiziell anmutenden Studioatmosphäre der meisten Hollywood-Streifen jener Zeit hin auf die Straße und zu Originalschauplätzen. Natürlich sind diverse Szenen immer noch im Atelier entstanden, aber man hat auch vor Ort gearbeitet, was "The Dark Corner" eine kräftige Vitalität verleiht. Clifton Webb gibt mal wieder den bösen, schmalschultrigen Schnösel, der am Ende über seine eigene Arroganz stolpert und seinen perfekt eingefädelten Plan dadurch verrät. Bendix muss eine frühere Inkarnation von James Gandolfini gewesen sein, Lucille Ball, die immerhin die Besetzungsliste anführt, fand ich indes eher leidlich beklatschenswert. Hauptdarsteller ist aber wie erwähnt die Stadt mitsamt all ihrer wunderbaren cinegenen Ausstrahlung.

8/10

Henry Hathaway film noir New York Kunst


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HODEJEGERNE (Morten Tyldum/NO, D 2011)


Zitat entfällt.

Hodejegerne (Headhunters) ~ NO/D 2011
Directed By: Morten Tyldum

Roger Brown (Aksel Hennie) arbeitet als Headhunter, was seinen großzügigen Lebensstil jedoch längst nicht ausreichend finanziert. Also hat er nebenbei einen kleinen Ring von Kunsträubern gegründet, der, mit Roger als Hauptakteur, echte Gemälde gegen Kopien austauscht. Als Roger erfährt, dass seine Frau Diana (Synnøve Macody Lund) ihn mit dem aalglatten Clas Greve (Nikolaj Coster-Waldau) betrügt, ist es ihm ein umso größeres Vergnügen, selbigem einen millionschweren Rubens zu stehlen. Doch Greve entpuppt sich als verrückter Ex-Elitesoldat, der Roger von nun an nachstellt und ihn unbedingt töten will.

Nicht meine Art Menschen, nicht meine Welt, nicht meine Art Film. Für geleckte Anzugträger, die in unserer Zeit des grotesken ökonomischen Ungleichgewichts auf hohem Niveau jammern, weil sie ihrer Frau keine diamantenen Ohrringe mehr kaufen können, sehe ich mich leider außer Stande, das für "Hodejegerne" wohl zwangsläufig notwendige Empathiemaß aufzubringen; folglich war es mir auch vollkommen egal, was mit Roger Brown oder den anderen Figuren im Film passiert. Headhunter, Manager, Wirtschaftsfatzkes und sonstige Zeitgenossen gehören nicht zu meiner Welt, und auch, wenn die sich anschließende Satire Roger als moralische Sühne für seine gesetzlichen Entgleisungen buchstäblich kopfüber in die Scheiße tauchen lässt, war für mich leider kaum mehr denn ein Mindestamüsement herstellbar. Auf diese filmische Erfahrung hätte ich auch gut und gern verzichten können.

4/10

Morten Tyldum Jo Nesbø Norwegen Stockholm Heist Rache


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23 (Hans-Christian Schmid/D 1998)


"Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt."

23 ~ D 1998
Directed By: Hans-Christian Schmid

Hannover in den 1980ern: Der junge Computerhacker Karl Koch (August Diehl) ist besessen von Robert Anton Wilsons Roman-Anthologie "Illuminatus!" und deren verschwörungstheoretischen Hirngespinsten. Über die Fiktion hinaus beginnt er selbst, in der Realität Ungereimtheiten festzustellen wie das sich ständig wiederholende Auftauchen der Zahl 23 und ihrer Quersumme 5. Karl glaubt, dass praktisch alles um ihn herum bloß Teilfacetten einer diffusen Weltverschwörung widerspiegelt.
Als er über Gras zum Kokain gerät und mit obskuren Geschäftspartnern anfängt, für den Ostblock Computernetzwerke auszuspionieren, verschlimmert sich seine bereits pathologische Paranoia bis hin zur Psychose. Dennoch scheint nicht alles bloß blühende Phantasie zu sein...

Hm, als Porträt der Achtziger und ihrer historischen Funktion als Schlussakt des Kalten Krieges ist "23" weniger interessant, als psychologisch angelegtes Porträt eines drogeninduzierten Psychotikers dafür umso mehr. Dass Bits und Bytes schon seit jeher dazu angetan waren, Gehirne und vor allem Seelen zu erweichen, wissen Zeitgenossen schon, seit ihre Klassenkameraden sich vor gut 25 Jahren mit Atari und Commodore im heimischen oder benachbarten Kinderzimmer eingeschlossen und halb zu Tode gedaddelt haben. Brenzlig wurde es damals jedoch auch für Leib und Leben, wenn sich das Interesse am Computer in politisch fragwürdige Bahnen überführt fand - sprich, zu Spionagzwecken genutzt wurde. Erst die unheilige Mixtur aus alldem jedoch machte Karl Kochs letzte junge Lebensjahre so brisant: Seine psychische Ausgangssituation, seine Suche nach Zwischenmenschlichkeit, seine Suchtanfälligkeit, schließlich ein formloser Hang zum Protest. Da musste es irgendwann knallen. Als er schlussendlich verschwand und eine Woche später verkohlt in einem Wald aufgefunden wurde, näherte diese myseriöse Entwicklung zunächst natürlich Karls spekulatives Realitätskonstrukt und sorgte für eine gewisse Mythisierung in geneigten Kreisen. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass der junge Mann, der aus Gründen der Strafaussetzung mittlerweile gezwungen war, als Laufbursche für die Landes-CDU zu arbeiten, nicht mehr konnte und sich - natürlich mit knapp 24 Jahren - selbst angesteckt hat. Faszinierend und filmreif ist dieses Schicksal sicherlich allemal und entsprechend sehenswert hat Schmid es umgesetzt.

8/10

period piece Hans-Christian Schmid Hannover Drogen Kokain Madness DDR Kalter Krieg Internet Verschwörung Biopic Berlin


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GASLIGHT (George Cukor/USA 1944)


"Because I am mad, I hate you!"

Gaslight (Das Haus der Lady Alquist) ~ USA 1944
Directed By: George Cukor

In Italien lernt die junge Sängerin Paula Alquist (Ingrid Bergman), die zuvor bei ihrer Tante in London lebte, die grausam ermordet wurde, den Pianisten Gregory Anton (Charles Boyer) kennen und lieben. Mit ihm verheiratet kehrt Paula zurück in die englische Metropole und in das leerstehende Haus ihrer Tante. Mit dem Wiedereinzug scheint sich jedoch Paulas psychischer Zustand zu verschlechtern: Urplötzlich vergisst sie alles Mögliche, verliert Dinge und scheint zu halluzinieren. Gregory erweist sich dabei nur als minderwertiger Anker; tatsächlich schirmt er Paula sogar vor der Öffentlichkeit ab und redet ihr noch zusätzlich ein, nicht bei Sinnen zu sein. Derweil wird der umtriebige Detektiv Brian Cameron (Joseph Cotten) auf das Ehepaar Anton aufmerksam...

Cukors eleganter gothic thriller ist die schönste und berühmteste von diversen Verfilmungen des Kriminalstücks "Angel Street", das wohl als eine der elementaren Kulturarchetypen angesehen werden kann für das in der Trivialliteratur oftmals verwendete Thema des zutiefst bösen Ehepartners, der sein Gegenüber mittels mehr oder weniger subtiler Methoden in den Wahnsinn zu treiben versucht. Oftmals stehen dahinter eigennützige Motive oder gar eine sich pathologisch gestaltende Form der Gier. So ist es auch in "Gaslight", der Charles Boyer in ebenjener wunderbaren Studie grundböser Charakteristika vorzeigt. Der Film selbst ist vorbildlich gealtert. Er demonstriert die Studio-Manierismen des alten Hollywood. Dem Vorspann kann man entnehmen, dass Cotten und die Bergman erst von David Selznick ausgeliehen werden mussten, um für die MGM spielen zu dürfen - eine heutzutage kaum mehr nachvollziehbare Praxis, die damals jedoch Alltagsgeschäft bildete. "Gaslight" ist komplett im Atelier entstanden, was ihm einen hochartifiziellen und zugleich muffigen, fast wurmstichigen Touch verleiht, ganz so, als handele es sich bei ihm selbst um eine der hierin vielfach vorgeführten, antiquarischen Kostbarkeiten.
Vorzüglich auch die alte deutsche Vertonung, die nur wenig jünger sein dürfte als der Film selbst und glücklicherweise - dies ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr - für die DVD aufgetrieben und konserviert werden konnte. Man hört unter anderem Harald Leipnitz und Peter Pasetti, der Charles Boyer diabolische Vorstellung nicht nur perfekt einfängt, sondern sie sogar noch intensiviert. Ein prächtiges Stück klassischen Hollywoods.

9/10

George Cukor period piece London Ehe Victorian Age Madness


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LINDA (BRD/E 1981)


"Na los, auf zur Meisterschaft im Stabhochwichsen!"

Linda (Die nackten Superhexen vom Rio Amore) ~ BRD/E 1981
Directed By: Jess Franco

Weil sie mit Ron (Antonio Mayans), dem Hausstecher der ebenso bösartig wie nymphoman veranlagten Bordellchefin Sheila (Raquel Evans) in die Kiste steigt, ereilt die deutsche Hotelangestellte Betsy Norman (Ursula Buchfellner) eine perfide Racheintrige: Unter hypnotisierende Dämpfe gesetzt, muss Betsy künftig in Sheilas Edelpuff "Rio Amore" die ausgefallenen Wünsche zahlungskräftiger Gentlemen erfüllen. Ausgerechnet während dieser unglücklichen Entwicklungen kommt Betsys kleine Schwester Linda (Katja Bienert), wohlbehütete Klosterschülerin, zu Besuch und wundert sich, dass Betsy nirgends anzutreffen ist. Sie findet jedoch Trost in den Armen des wackeren Einheimischen Juan.

Ein weiteres Franco-Arrangement für die LISA-Film, diesmal mit Rolf-Eden-Freundin Uschi Buchfellner, einer netten (und vor allem nett anzuschauenden) Dame, wenngleich eine exemplarische Schauspiel-Nulpe, und der damals vierzehnjährigen Katja Bienert in der Auslage, bezüglich der, im Gegensatz zu Eva Ionesco und Lara Wendel, heute nur deshalb kein Hahn mehr kräht, weil sie entkleidetermaßen mit zwölf schon aussah wie andere Mädels mit dreiundzwanzig.
Garniert mit dem ultraschmierigen Dialog einer Hardcore-Produktion (eingesprochen allerdings von der vordersten Münchener Synchrongarde, darunter Elmar Wepper, Dagmar Heller, Uschi Wolff und Michael Habeck) zu mittelkeuschem Softsex sind dabei die üblichen Zutaten des besonders für seine zeitgenössischen Disco-Komödien beliebten Produzenten Karl Spiehs. Für die humorigen Zwischeinlagen verantwortlich ist eine in gestelztem Wienerisch (allerdings mit der Stimme von Eva Kinsky) parlierende Bea Fiedler, der die mit Abstand dümmsten Sprüche des gesamten Films zukommen. Getragen wird das Ganze noch zusätzlich von Francos sleaziger Improvisationskunst, die selbst ausgewiesenem Trash wie diesem zumindest ehedem noch stets eine gewisse Ambitioniertheit abzuringen angetan war. Die Musik, insbesondere der Titelsong, kommt einem nicht von ungefähr bekannt vor - sie entstammen dem zwei Jahre älteren "Die Schulmädchen vom Treffpunkt Zoo". Wobei emsiges Liedgut-Recycling natürlich striktestens zur Arbeitsphilosophie bei LISA gehörte. Macht absolut Laune, das Ding.

6/10

Jess Franco Spanien Bordell Lisa-Film Sexploitation Sleaze


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THE BRINK'S JOB (William Friedkin/USA 1978)


"Your Honor, I can't do no 20 years." - "Well do as much as you can, son."

The Brink's Job (Das große Ding bei Brinks) ~ USA 1978
Directed By: William Friedkin

Der kleine Bostoner Räuber Tony Pino (Peter Falk) hat zeitlebens wenig Glück mit seinen Coups - bis er und sein ihm stets zur Seite stehender Schwager Vinnie (Allen Garfield) auf die Geldtransportfirma 'Brink's' aufmerksam werden. Deren Sicherheitsstandards sind - bis auf einen imposanten Tresor - immens unzureichend. Nach einem ersten, problemlos durchführbaren Überfall auf einen der Transportwagen wagen Tony und Vinnie zusammen mit fünf weiteren Gesellen, Specs (Warren Oates), McGinniss (Peter Boyle), Jazz (Paul Sorvino), Sandy (Gerard Murphy), und Stanley (Kevin O'Connor) einen Überfall auf die Hauptstelle. So weit haut alles wunderbar hin, bis die zwei unvorsichtigen Specs und Stanley wegen eines anderen Delikts hinter Gitter kommen und weichgekocht werden...

Nach dem in jeder Hinsicht nervenaufreibenden Clouzot-Remake "Sorcerer" erbat sich Friedkin mit der noch gänzlich ungewohnten Versuchsanordnung "The Brink's Job" vermeintlich etwas motivische Ruhe. Eine beschauliche Ensemble-Komödie in der Kleingangsterszene wurde es, als period piece zudem in bester New-Hollywood-Tradition stehend. Denkbar sorgfältig und milieugetreu geht Friedkin zu Werke, lässt sich dabei alle notwendige Zeit und verzichtet auf die düstere Weltsicht seinere Vorgängerfilme zugunsten einer guten Portion hoffnungsvoller, stehender Ovation für seine Antihelden. Zwar landen diese am Ende im Bau, jedoch unter den Jubelrufen des Volkes, das in ihnen längst veritable Rebellen wider das Establishment wähnt. Eine epilogische Schrifttafel versichert uns darüberhinaus, dass sie nach ihrer Entlassung mit ihrer wohlfeil versteckten Beute ein mehr als angenehmes Leben führen sollen.
Mit Peter Falk und Gena Rowlands wiedervereint der Film das sich selbst zertrümmernde Ehepaar aus "A Woman Under The Influence" - hier freilich krisenlos -, zudem zwei Leibdarsteller (nebst Ehefrau) von John Cassavetes. Ferner gibt es den großen Warren Oates in einer weiteren fantastischen Performance zu bewundern. Der Film und Friedkin machen also fast alles richtig. Allerdings konnte ich mich eines latenten, zunächst unbestimmbaren Juckens nicht erwehren. Möglicherweise rührte dies aus dem Eindruck, dass der Regisseur bei aller Kunstfertigkeit nie ganz auszublenden vermochte, dass er sich auf thematisch unsicherem Terrain befand. Eine Theorie.

8/10

William Friedkin Heist period piece Boston Freundschaft New Hollywood FBI J. Edgar Hoover


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STORMY MONDAY (Mike Figgis/UK, USA 1988)


"Can I take you somewhere, Kate?"

Stormy Monday ~ UK/USA 1988
Directed By: Mike Figgis

Während der USA-Woche in Newcastle bekriegen sich der großspurige amerikanische Manager-Gangster Cosmo (Tommy Lee Jones) und der hier heimische Nachtclubbesitzer Finney (Sting). Mitten in deren Konflikt platzt die vorsichtige Romanze zwischen Finneys frisch eingestellter Reinigungskraft Brendan (Sean Bean) und Cosmos Liebchen Kate (Melanie Griffith)

Ein Film der zerfließenden Grenzen: geographisch, kulturell formal. Die USA und Polen mit ihrer jeweils lauten, nassforschen Art brechen sich mittels jeweils mehr oder weniger typischer Exportschlager in der Kohlenmetropole Raum; die Staaten mit einem Gangsterfatzke voller imperialistischem Selbstverständnis, die Polen via eine verrückte Free-Jazz-Truppe, das "Krakauer Jazz-Ensemble". In England treffen sie auf niemand Geringeren als den durch nichts aus der Ruhe zu bringenden Sting (der kurz zuvor in der wirklichen Welt sein musikalisches opus magnum "...Nothing Like The Sun" veröffentlicht hatte und sich somit wohl zu Recht kurzfristig unbesiegbar vorkommen mochte), der ihnen allen die Leviten liest und dem frisch institutionalisierten Liebespaar am Ende seinen Schutzsegen erteilt. Jazz, Blues, Soul; T-Bone Walker, Otis Redding, B.B. King landen in einem Topf, wo die britische Musikkultur doch so reichhaltig scheint. In einer vielsagend-schönen, offenbar improvisierten Einstellung lauschen ein paar lokale Punks dem musikalischen Treiben gleichsam fasziniert wie befremdet.
Ein weithin unspektakulärer, aus heutiger Sicht vielleicht gar etwas befremdlich anmutender Film ist "Stormy Monday", der sich jedoch recht gut der regennassen, neonglitzernden englischen Gangsterfilm-Idiosynkrasie der Dekade, nominell Exempeln wie "The Long Good Friday" oder "Mona Lisa" zugesellen lässt und ein immer noch inspirierend zu betrachtendes Figgis-Werk darstellt.

8/10

Mike Figgis Newcastle Jazz Nacht


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MYSTERY TRAIN (Jim Jarmusch/USA, J 1989)


"Don't call me Elvis!"

Mystery Train ~ USA/J 1989
Directed By: Jim Jarmusch

Drei sich in einer Nacht abspielende Episoden ranken sich um das Arcade Hotel in Memphis, Tennessee: Das aus Yokohama stammende Teenage-Rockabilly-Pärchen Jun (Masatoshi Nagase) und Mitsuko (Youki Kudoh) tourt durch die Staaten, um sich die Lebens- und Wirkungsstätten der großen Rock'n'Roll-Musiker anzusehen. Dazu gehören natürlich auch Graceland und das Sun Studio, sowie eine Nacht im Arcade mitsamt dem elften Beischlaf der beiden.
Die frisch verwitwete Luisa (Nicoletta Braschi) will ihren toten Gatten in die alte Heimat zurückeskortieren und verbringt die Nacht zuvor im Arcade. Dabei begegnen ihr die just von ihrem Freund Johnny (Joe Strummer) getrennte Dee-Dee (Elizabeth Bracco) und der Geist von Elvis (Stephen Jones).
Der verlassene Johnny hat nicht nur seine Freundin, sondern auch seinen Job eingebüßt und säuft sich bis obenhin zu. Zusammen mit seinem Kumpel Will (Rick Aviles) und Dee-Dees Bruder Charlie (Steve Buscemi) landet er nach einer nächtlichen Fluchtfahrt durch Memphis infolge der Verwundung eines rassistischen Schnapsverkäufers (Rockets Redglare) im Arcade, das Wills Schwager (Screamin' Jay Hawkins) leitet.

Ein Schuss und Elvis' "Blue Moon"-Version verbinden die drei Episoden um ein paar Menschen in der Krise, die in Memphis ohnehin keine Möglichkeit haben, dem King nicht zu begegnen, selbst zwölf Jahre nach dessen Tod. Jarmusch verabreicht in diesem seinem ersten Episodenfilm ein prächtiges Kaleidoskop angeknackster und/oder fertiger Charaktere, die sich in einer allnächtlichen Nacht in Memphis örtlich näher kommen als sie ahnen und dabei doch meilenweit voneinander entfernt sind. Besonders die kurzen Einstellungen mit Screamin' Jay Hawkins und Cinqué Lee sind dabei von gewinnender Lakonie beseelt; ansonsten ist "Mystery Train", der glücklicherweise nicht den eigentlich viel offensichtlicheren Titel "Heartbreak Hotel" verabreicht bekam, ein Jarmusch-Standard par excellence. Lange Einstellungen, ausnahmsweise nicht von Robby Müller, poetischer Allerweltsdialog, dünne Komik. Und der große Joe Strummer ist an Bord.

9/10

Jim Jarmusch Tennessee Elvis Presley Alkohol Hotel Independent Ensemblefilm


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THE LADYKILLERS (Joel Coen, Ethan Coen/USA 2004)


"There's no 'I' in 'team'."

The Ladykillers ~ USA 2004
Directed By: Joel Coen/Ethan Coen

Um die Gewinne eines auf dem Mississippi liegenden Casino-Boots zu rauben, heuert der belesene Professor G.H. Dorr (Tom Hanks) vier ihm intellektuell unterlegene Mistreiter (Marlon Wayans, J.K. Simmons, Tzi Ma, Ryan Hurst) an und mietet sich der örtlichen Nähe wegen - sein Plan sieht nämlich vor, mittels eines unterirdischen Tunnels in den Tresorraum vorzudringen - bei der resoluten, gottesfürchtigen Witwe Munson (Irma P. Hall) ein. Jener erzählt Door, dass er mit seinen Partnern als "Renaissance-Ensemble" in ihrem Keller musikalische Proben abzuhalten wünscht. Trotz einiger Pannen gelingt der Coup - vorerst, denn Witwe Munson bekommt durch die chaotische Durchführung des Ganzen Wind von der Sache, was dazu führt, dass die fünf Männer sich gegenseitig an die Gurgel gehen.

Wenn auch noch nicht der erhoffte, große neue Wurf, ist "The Ladykillers" nach "Intolerable Cruelty" doch so etwas wie zumindest der Versuch einer kleinen Reparation der Coens am Zuschauerstamm. Für das Mackendrick-Remake, die erste von bislang zwei Neuverfilmungen, nähern sich die Coens wieder ihrem etablierten Schusterleisten an, halten sich jedoch in Bezug auf ein potenzielles Publikum noch immer etwas konventioneller als es bei den nächsten, wieder deutlich beseelteren Werken der Fall sein wird. Ähnlich wie im ebenfalls in Mississippi angesiedelten "O Brother Where Art Thou" spielt fokloristische Musik eine elementarte Rolle; nunmehr geht es weg vom Bluegrass hin zum Gospel, wobei dieser sich vornehmlich in einer weiß getünchten Kirche auf einem idyllisch gelegenen Grashügel zuträgt, die sich vornehmlich von älteren, farbigen Mitswingern besucht findet. Ansonsten ist Professor Dorrs Ensemble eine solch wunderbare Schau, dass es schwerfällt, sich einen Liebling herauszupicken: Tom Hanks, tadellos bis aufs i-Tüpfelchen, ist in einer seiner allerbesten performances zu bewundern, Marlon Wayans als Karikatur des rotzigen Gangsta-Nigga von brachialer Komik, die freilich von dem stets mit halber Zigarette im Mund anzutreffenden Tzi Ma nochmal überboten wird. J.K. Simmons und Ryan Hurst komplettieren das wirre Quintett.
Roger Deakins und Carter Burwell leisten jeweils erneut Fabulöses, die schicksalsbestimmenden Gargoyles auf der Brücke, unter der das alles entsorgende Mülltransporterschiff jeweils zur paradiesisch ins Bild gesetzten Deponieinsel fährt, sind coen'sche Surrealitätsverweise in gewohnter Reinkultur. Zudem hat man hier einen der wenigen Fälle, in denen eine Neuverfilmung dem Original durchaus das Wasser reichen kann, was es ja nicht eben oft gibt. "True Grit" wäre da auch noch ein mir spontan in den Sinn kommendes Beispiel...

8/10

Coen Bros. Remake Südstaaten Gospel Mississippi Heist Schwarze Komödie





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Funxton

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