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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE OSTERMAN WEEKEND (Sam Peckinpah/USA 1983)


"I think you tend to be a little strident."

The Osterman Weekend ~ USA 1983
Directed By: Sam Peckinpah

Wie jedes Jahr im Sommer findet auch heuer wieder das "Osterman-Wochenende" statt, ein Treffen vier alter Freunde, in dessen Zuge sich an die gute alte Zeit erinnert und Champagner in rauen Mengen konsumiert wird. Mittlerweile stehen sie alle finanziell betrachtet auf der Sonnenseite John Tanner (Rutger Hauer), Bernie Osterman (Crtaig T. Nelson), Richard Tremayne (Dennis Hopper) und Joseph Cardone) bekleiden alle respektierte Positionen in der Gesellschaft und können, sofern vorhanden, ihren Frauen und Familien ein wahres Lotterleben ermöglichen. Da tritt der CIA-Agent Lawrence Fassett (John Hurt) an Tanner heran: Seine drei Freunde sollen angeblich mit der Organisation "Omega" paktieren, einem amerikanisch-sowjetischen Spionagering. Zunächst skeptisch, glaubt der erzliberale Tanner bald Fassetts Anschuldigungen. Er lässt sein gesamtes Haus verkabeln, mit Kameras ausstatten und von Fassett überwachen. Das angebliche Ziel der Aktion: Mindestens einer der drei vermeintlichen Doppelagenten soll zur Rückkehr bewegt werden. Doch Fassett hat ganz anderes im Sinn als eine ordinäre Spionageaktion...

Vergeltungsplan - Verfolgungswahn. Was die wenigsten wissen: mit 58 Jahren hat Sam Peckinpah, vollends dem Kokain verfallen, schwer inkontinent und stets eine Handfeuerwaffe griffbereit, noch ein letztes großes Meisterwerk geschaffen: "The Osterman Weekend". Die Vorlage des Trivial-Politthriller-Autoren Robert Ludlum verwandelt sich unter Peckinpahs Ägide und der seines Scriptautors Alan Sharp in ein exzellentes Paranoia-Epos um Manipulation und mediale Gaukelei, das darüberhinaus ganz wunderbar als böser Schattenriss des zur gleichen Zeit erschienen "The Big Chill" von Lawrence Kasdan funktioniert. Alte Freundschaften im Zeichen politischen Intellektualismus verblassen angesichts an ihre Stelle tretender konservativer Wertmaßstäbe wie Karriere und Familie sowie einer zeitverpflichteten hohlen, neuen Yuppie-Lehre. In "The Big Chil" spricht man sich noch aus, adaptiert sich mittels Selbsttherapie an die veränderte Zeit; bei Peckinpah endet das neue Misstrauen in Konfrontation und Tod.
Fassetts schwarzer Racheakt an einem System, das ihm mit einem Wimpernzucken alles genommen hat, fügt sich am Ende zu einer brillant eingefädelten Conclusio; einem Puzzle des Todes, einem Manifest wechselseitiger Vergeltung. Danach allerdings wird die Welt nie mehr dieselbe sein, schon gar nicht für den einst so tapfer rosarot sehenden John Tanner.

9/10

Sam Peckinpah Robert Ludlum Verschwörung Rache CIA Kalter Krieg


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GORKY PARK (Michael Apted/USA 1983)


"Girls like screwing foreigners, don't they? It's almost as good as travel."

Gorky Park ~ USA 1983
Directed By: Michael Apted

Im winterlichen Moskauer Gorky Park werden drei Leichen gefunden, die von ihrem Mörder unidentifizierbar gemacht wurden, indem er ihnen die Gesichtshaut abgetrennt hat. Für den Polizeioffizier Arkady Renko (William Hurt) eine harte Nuss: Wer steckt hinter dem eiskalten Verbrechen und was war sein Motiv. Als er tiefer bohrt, stößt Renko auf ein Wespennest aus Korruption und Verrat, auf einen US-Sheriff (Brian Dennehy), der in Moskau auf eigene Faust ermittelt sowie auf den zwielichtigen amerikanischen Pelzhändler Jack Osborne (Lee Marvin).

Tadelloser Thriller, der einem allein aufgrund James Horners unverkennbarer, percussionlastiger Musik sogleich das vertraute Gefühl des 'Nachhausekommens' vermittelt. Vornehmlich in Finnland als Moskau-Substitut gedreht, ist Apted mit "Gorky Park" ein schnörkelloser Genrebeitrag und darüberhinaus sein wahrscheinlich bester Film geglückt, dessen kleiner philosophischer Gehalt, eine Meditation über Sinn und Unsinn von Systemtreue, in den letzten Einstellungen nochmal einen bravourösen Aufschwung nimmt. Doch auch in seiner dichten Schilderung der interfiguralen Entwicklungen, die, mit Aiusnahme der Heldenfigur natürlich, ganz klassisch von der Undurchsichtigkeit in die manchmal unangenehme Luzidität führen, ist der Film beispielhaft inszeniert. Und der große Lee Marvin adelt ihn gleich nochmal mit seinen spärlichen, aber umso heller scheinenden Auftritten.

8/10

Michael Apted UDSSR Russland Moskau Verschwörung Martin Cruz Smith


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CLOUD ATLAS (Tom Tykwer, Andy Wachowski, Lana Wachowski/D, USA, HK, SG 2012)


"Don't leave me here!"

Cloud Atlas ~ D/USA/HK/SG 2012
Directed By: Andy Wachowski/Lana Wachowski/Tom Tykwer

Auf sechs Zeitebenen kämpfen unterschiedliche Inkarnationen ein und derselben Seele gegen die Repressionen, Zwänge und Freiheitsbeschneidungen ihrer jeweiligen Ära: 1849 kämpft der Anwalt Adam Ewing (Jim Sturgess) auf einem Schiff im Pazifik sowohl um sein eigenes Leben als auch um das des entflohenen neuseeländischen Sklaven (David Gyasi); 1936 wird der bisexuelle Nachwuchs-Komponist Robert Frobisher (Ben Whishaw) aufgrund seiner sexuellen Präferenzen von einem alternden Berufsgenossen (Jim Broadbent) übervorteilt und erpresst; 1973 gerät die Journalistin Luisa Rey (Halle Berry) in höchste Lebensgefahr, weil sie einem Atomkraft-Skandal auf die Spur kommt; 2012 wird der verschuldete Verleger Cavendish (Jim Broadbent) von seinem rachsüchtigen Bruder (Hugh Grant) in ein geschlossenes Senioenheim abgeschoben, aus dem es zu fliehen gilt; 2144 schließt sich die 'Duplikantin' Sonmi-451 (Doona Bae) einer revolutionären Bewegung an; 106 Jahre nach der Apokalypse bekommt der unbedarfte Insulaner Zachry (Tom Hanks) es mit der brutalen Unterdrückung durch einen feindlichen Stamm, der weiter fortschreitenden Verseuchung der Erde sowie seinem eigenen bösen Gewissen zu tun.

Zu Lebzeiten wäre die Adaption eines Bestsellers wie Mitchells diesem Film zugrunde liegenden Romans ein unbedingter Fall für Bernd Eichinger gewesen; heute springt statt der Constantin dann eben X-Filme in die Bresche. Tom Tykwer, der ja mit "Das Parfüm" bereits hinreichende Erfolgsliteraturverfilmungserfahrung gesammelt hat, tat sich dafür mit den Wachowski-Geschwistern zusammen und teilte die Inszenierung wohlfeil zwischen ihnen und sich selbst auf. Dabei ist unschwer zu erkennen, wer für welche Segmente verantwortlich ist; die atmosphärisch wie kinetisch betrachtet sanfteren Episoden gehen selbstverfreilich auf Tykwers Konto, während die actionreiche(re)n (Zukunfts-)Parts, in denen es zu zum Teil spektakulären visuellen Aufwendungen und athletischen Shoot-Outs kommt, natürlich von den Wachowskis dirigiert wurden.
Ich kenne das Buch nicht und habe nach dem Film auch nicht das Gefühl, seine Lektüre unbedingt nachholen zu müssen, aber die metaphysischen Diskurse zumindest der Adaption gleiten bisweilen offenherzig ins Vulgärpsychologische ab; die Wanderungen edler, wankelmütiger und niederträchtiger Seelen in immer neuerlichen Reinkarnationen, wobei der Astralkörper des Helden respektive der Heldin immer wieder in die Haut eines anderen Körpers wandert, der zu anderen Zeiten und unter anderen Bedingungen freilich weniger heroisch auftritt, derweil "das ultimative Böse", der ewige Satan immer wieder und immer nur von Hugo Weaving verkörpert wird. Was hat der Mann bloß angestellt, dass er stets so gemein daherkommen muss...? Das alles gibt sich wesentlich wichtiger und bewegter als es letzten Endes ist. Was bleibt, ist ein trotz anderweitiger Behauptung nicht sonderlich ausgefuchtes Genrestück, das sich zumindest über seine beträchtliche Erzähldistanz senkrecht halten kann. "Cloud Atlas" unterhält auf hohem formalen Niveau und erweist sich als in audiovisueller Hinsicht so ziemlich makellos, dennoch: 'thinking man's cinema', also das, was man hier doch offenkundig so gern kredenzt hätte, stelle ich mir trotzdem anders vor, meine Damen und Herren T. und W..

7/10

Andy Wachowski Lana (Larry) Wachowski Tom Tykwer period piece Ensemblefilm Zukunft Apokalypse Reinkarnation Sklaverei Atomkraft David Mitchell London San Francisco Kolonialismus Dystopie


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BILLY BATHGATE (Robert Benton/USA 1991)


"Kid, you want a ride?" - "No thanks, I'll walk."

Billy Bathgate ~ USA 1991
Directed By: Robert Benton

New York, 1935: Kurz bevor er seinem früheren Kumpel Bo Weinberg (Bruce Willis) wegen Verrats Zementschuhe verpasst, lernt der berüchtigte Gangster Arthur Flegenheimer alias Dutch Schultz (Dustin Hoffman) den jungen Billy Behan (Loren Dean) aus der Bronx kennen. Der ebenso intelligente wie gutmütige junge Mann gehört nach ersten Arbeiten als Laufbursche bald zum engeren Stab von Schultz und lernt mitunter am eigenen Leibe kennen, wie gefährlich die psychotischen Ausbrüche seines Brötchengebers werden können. Als Schultz Weinbergs frühere Geliebte Drew Preston (Nicole Kidman) töten lassen will, weil sie ihm zu naseweis wird, trifft Billy, der sich jetzt 'Billy Bathgate' nennt, eine folgenschwere Entscheidung.

1990 und 91 waren so etwas wie die goldenen Jahre des Gangsterfilms; viele große und kleine Genreklassiker stürmten während dieser zwei Jahre förmlich die Leinwände. Insbesondere "Miller's Crossing" von den Coens hievte in diesem Zuge auch die traditionellen Kulissen und Requisiten der großen amerikanischen Gangster wieder ins Bewusstsein zurück: Prohibition, Glücksspiel, Pomade, Gamaschen, Nadelstreifenanzüge, Stetsons und natürlich die Thompson erfreuten sich urplötzlich wieder großer Beliebtheit. Neben 'Bugsy' Siegel aus der umfangreichen jüdischstämmigen New Yorker Gangsterclique, der auch Arnold Rothstein, 'Lepke' Buchalter und Meyer Lansky angehörten, wiederbelebte das Kino also auch Dutch Schultz, der von einem zu diesem Zeitpunkt bereits viel zu alten Dustin Hoffman gegeben wurde. Als gutem Schauspieler, der er nunmal ist, nimmt man ihm seine Gewalteruptionen zwar ab, so unterschwellig bedrohlich wie Warren Beattys Bugsy wird er jedoch nie. Die wahre Entdeckung an "Billy Bathgate" ist auch nicht der Titelheld Loren Dean, ein bereits in der Anlage handzahmes Milchbrötchen, von dem man wohl nicht von ungefähr später nurmehr selten hörte, sondern Nicole Kidman. Die einst so attraktive Dame steht hier in allerschönster Blüte, präsentiert sich zuweilen überaus freizügig und ist überhaupt eine Augenweide. Ansonsten bleibt der Film verhältnismäßig domestiziert und lässt durchblicken, dass dies schlichterdings nicht Bentons bevorzugtes Terrain darstellt.

7/10

Robert Benton New York New Jersey Dutch Schultz E.L. Doctorow


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AMER (Hélène Cattet, Bruno Forzani/F, BE 2009)


Zitat entfällt.

Amer ~ F/BE 2009
Directed By: Hélène Cattet/Bruno Forzani

Ana (Marie Bos), eine junge Frau, kehrt während eines brüllend heißen Sommers in das mittlerweile leerstehende Familienvilla an der malerischen Côte d'Azur zurück. Hier hatte sie bereits zwei einschneidende, prägende Erlebnisse: Als kleines Mädchen (Cassandra Forêt) wurde sie Zeugin, wie ihr toter Großvater in dem Haus aufgebahrt wurde, während eine mysteriöse Haushälterin (Delphine Brual) ihr nachzustellen schien und ihre Eltern (Bianca Maria D'Amato, Jean-Michel Vovk) hilflosen Sex im Nebenzimmer hatten; als Teenagerin (Charlotte Eugène Guibeaud) durchkreuzt ihre Mutter mit einer gezielten Ohrfeige Anas sexuelles Erachen nebst ersten, zögerlichen Avancen an das andere Geschlecht. Heute wird Ana von ebenso erotomanen wie blutrünstigen Phantomen verfolgt: Treibt ein schattenhafter Mörder sein Unwesen auf dem Anwesen? Oder ist gar Ana selbst die Quelle der sich überstürzenden Ereignisse?

Was Film sonst noch kann: Stringente Narration kennen wir alle, haben wir schon hundertausend Mal gesehen und können, ausgebufft wie wir sind, auch meist präzise voraussagen, wer der Mörder ist! "Amer" gibt sich mit derlei Ordinärem gar nicht mehr ab. Er nimmt sich die inhaltliche Essenz der italienischen Genrefilme der frühen siebziger Jahre, gemeinhin bekannt als 'Gialli', zum stilistischen Vorbild, um eine weithin dialogbefreite, von mysteriöser Assoziativität und Bewusstseinsströmen dominierte Innenwelt zu errichten, die von dem stets gepflegt schundigen Gebahren der Originale kaum mehr etwas zurückbehalten mag - Originalmusiken von Morricone, Nicolai und Cipriani inbegriffen. Stattdessen hält "Amer" drei entschlüsselnde Lebensstationen einer psychisch offenbar zunehmend schwer gestörten Dame bereit, in deren emotionalem Empfinden Eros und Thanatos einhergehen und die sexuelle Annäherung mit Tod bestraft. Die formale Pracht und immense Kunstfertigkeit des Films steht dabei in interessantem Zusammenhang zu seiner eher grobgemahlenen Inspirationsquelle: So "umständlich" gab sich das klassische mediterrane Thrillerkino jedenfalls nie. Aber da ging es ja auch weniger um die Erkundung einer gequälten Seele, sondern um ganz andere Dinge. Von denen wiederum berichtet "Amer" bloß am Rande.

8/10

Hélène Cattet Bruno Forzani Madness Frankreich Riviera Sommer


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A DANDY IN ASPIC (Anthony Mann/UK 1968)


"What's an existentialist, then?" - "Well, it's slightly more complex than romping around naked."

A Dandy In Aspic (Der Todestanz eines Killers) ~ UK 1968
Directed By: Anthony Mann

Der sowjetische Doppelagent Krasnevin (Laurence Harvey) infiltriert als ein gewisser 'Eberlin' den britischen Geheimdienst und hat bereits einige Mitarbeiter aus dessen Reihen im Namen von Mütterchen Russland liquidiert. Krasnevin wünscht sich allerdings nichts sehnlicher, als endlich das schmutzige Spionagegeschäft quittieren und in die Heimat zurückkehren zu können. Da erhält er just von den Briten den Auftrag, in Berlin einen russischen Killer mit unbekannter Herkunft ausfindig zu machen und zu töten - einen gewissen Krasnevin - und damit sich selbst. Zusammen mit dem übereifrigen Gatiss (Tom Courtenay) begibt er sich in der Mauerstadt auf eine höchst prekäre Jagd.

Anthony Mann konnte seinen letzten Film nicht mehr fertigstellen; ein vor Ort in Berlin erlittener Herzinfarkt kostete ihn das Leben. Der Hauptdarsteller Laurence Harvey stellte die fehlenden Teile an seiner Statt fertig.
"A Dandy In Aspic" wagt den nicht immer ganz schlüssigen Brückenschlag zwischen der lebensunfreundlichen Spionage-Tristesse eines Le Carré und den fröhlichen Bond-Plagiaten des 'Swinging London'. Laurence Harveys Figur pendelt als eine Art bipolar gestörter Charakter zwischen depressiver Lebensmüdigkeit und viriler Agenteneleganz. Stets wie aus dem Ei gepellt auftretend wünscht er sich einerseits einen Schlussstrich, hat jedoch auch nichts dagegen, mit dem quirlig-naiven Bohème-Mädchen Caroline (Mia Farrow) in die Federn zu hüpfen. Die narrative Kunst des Films besteht in dem bewährten Suspensekniff, den Zuschauer auf das Wissensniveau des Protagonisten herabzulassen, so dass man das teils verwirrende Szenario als ebenso heillos wahrnimmt wie der (Anti-)Held der Geschichte. Über jeden Zweifel erhaben sind die erlesenen Formalia von "A Dandy In Aspic": die endzeitlich anmutenden, sepiafarbenen Bilder Londons und Berlins und Quincy Jones' atmosphärische Klänge. Derart gefällig kombiniert ergeben sie einen formidablen Rückblick auf jene paranoide Epoche.

8/10

Anthony Mann Derek Marlowe Kalter Krieg Spionage London Berlin DDR


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BODY HEAT (Lawrence Kasdan/USA 1981)


"When it gets this hot, people try to kill each other."

Body Heat (Heißblütig - Kaltblütig) ~ USA 1981
Directed By: Lawrence Kasdan

Ein ungewöhnlich heißer Sommer in Florida: Der kleine, eher mittelmäßig betuchte Anwalt Ned Racine (William Hurt) lernt die Unternehmergattin Matty Walker (Kathleen Turner) kennen und beginnt mit ihr eine stürmische Affäre. Bald zeichnet sich ab, dass Mattys Ehemann Edmund (Richard Crenna) dem Paar mehr und mehr im Weg steht, zumal seine umfangreiche Hinterlassenschaft Ned und Matty einen großzügigen Lebensstil gestatten würde. So fasst man den Plan, Edmund um die Ecke zu bringen und führt diesen auch planungsgemäß durch. Doch Matty treibt ein doppeltes Spiel; mitnichten hat sie es auf eine gemeinsame Zukunft mit Ned abgesehen, sondern will Edmunds Geld viel lieber allein ausgeben. Somit ist ihr nun auch Ned im Wege...

Mit seinem Regiedebüt legte Lawrence Kasdan eine schöne, formal beeinduckend abgeklärte und reife Reminiszenz an die films noirs der vierziger Jahre vor. Wie Bob Rafelsons etwa zeitgleich entstandene Neuverfilmung von "The Postman Always Rings Twice" erkundet auch "Body Heat" den amoralischen Kreislauf aus lüsterner Liaison und Gattenmord, der die Illusion eines störfreien Lebens beinhaltet. Die Figur der Matty Walker findet sich dabei jedoch noch wesentlich deutlicher an der misogynen Typologie klassischer femmes fatales der Schwarzen Serie orientiert als Jessica Langes Interpretation der Cora. Wie einst Brigid O'Shaughnessy, Phyllis Dietrichson oder die Vera aus Ulmers "Detour" handelt es sich bei Matty um eine Dame, die sich ihrer erotischen Ausstrahlung auf sexuell ausgehungerte Männer vollends bewusst ist und diese zu undurchsichtigen, in jedem Falle rücksichtslosen Zwecken einsetzt. Kasdan konnte diese Art von Sex als Waffe 1981 natürlich wesentlich expliziter zum Ausdruck bringen, vermeidet jedoch den drohenden Abstieg in die Vulgarität. Damit ist "Body Heat" filmhistorisch betrachtet ein immens wichtiger, sogar unerlässlicher Brückenschlag für die Gattung 'noir' von der Vergangenheit in die filmische Moderne, der das Genre entsprechend viel verdankt.

8/10

Lawrence Kasdan Florida femme fatale film noir neo noir


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CASA DE MI PADRE (Matt Piedmont/USA 2012)


"¡Yo soy Armando Alvarez!"

Casa De Mi Padre ~ USA 2012
Directed By: Matt Piedmont

Den mexikanischen Ranchersohn Armando Alvarez (Will Ferrell) trifft es hart: Obschon er fest mit seinem Land verwurzelt ist und es liebt wie kein zweiter, bevorzugt sein Vater Miguel (Pedro Armendáriz Jr.) stets Armandos Bruder Raul (Diego Luna), der tatsächlich nichts weiter als ein formvollendeter Halunke und Drogendealer ist. Nicht ganz zu Unrecht: Einst hat Armando als Kind den Tod der Mutter (Sandra Echeverría) verschuldet und gilt auch sonst als etwas unterbelichtet. Als Raul protzend mit Geld, Gut und seiner neuen Verlobten Sonia (Genesis Rodriguez) heimkommt, um auf der heimischen Hacienda zu heiraten, ist Miguel zunächst hocherfreut. Doch der hiesige Gangsterboss Onza (Gael Garcia Bernal), dem Raul zudem das Mädchen ausgespannt hat, lässt sich nicht gern in die Suppe spucken und richtet auf Rauls Hochzeit ein Massaker an. Jetzt schlägt Armandos Stunde: Die Rache ist sein.

Wenngleich "Casa De Mi Padre" natürlich ein lupenreines Ferrell-Vehikel ist, unterscheidet er sich doch zumindest formal etwas von der üblichen Linie 'seiner' Filme. Nicht nur, dass die Dialoge bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich in spanischer Sprache vorgetragen werden, Piedmonts Film begreift sich vor allem als streng satirisch gehaltene Hommage und Reverenz an die Filme von Peckinpah, das Grindhouse-Kino der siebziger Jahre, den traditionellen mexikanischen B-Film sowie die hiesigen Telenovelas. Das in den Originalen mitunter selbstherrlichst vorgebrachte Klischeerepertoire zieht "Casa De Mi Padre" gnadenlos durch Scheiße und Kakao. Dementsprechend geht es auch etwas blutiger zu als üblicherweise in Ferrells Komödien, die Schießereien werden, ganz der genannten Tradition als Blutbalette in SloMo zelebriert und enden stets mit einer besonders bedeutsamen Einstellung - Blut tropft von einer weißen Rose etc. Dazu offeriert "Casa De Mi Padre" ein Feuerwerk an sorgfältig arrangierten, natürlich überdeutlich sichtbaren 'Patzern': permanente Anschluss- und Montagefehler, haltlos schlechte Miniatur- und Matte-Effekte, künstliche Filmrisse und ähnliches sorgen für überaus komische Kurzweil.
Allerdings macht sich auch bemerkbar, dass jene Arbeiten, in denen Ferrell eines gleichrangigen und vor allem ebenbürtigen Gegenübers wie Sacha Baron Cohen, John C. Reilly oder zuletzt Zach Galifianakis entbehrt, eher seine 'sekundären' sind - ich denke da an "Blades Of Glory", "Semi-Pro" oder "The Lost World". In ebendieser "Kategorie B" würde ich auch "Casa De Mi Padre" ansiedeln - man mag ihn als Ferrell-Apologet natürlich zwangsläufig, er hält jedoch nicht das brachiale, durchgehende Dauerfeuerkomik-Flair der Instant-Klassiker "Anchorman", "Talladega Nights" oder "Step Brothers".

7/10

Matt Piedmont Will Ferrell Mexiko Drogen Familie Vater & Sohn Brüder Hommage Groteske Parodie


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BLACK SWAN (Darren Aronofsky/USA 2010)


"I got a little homework assignment for you..."

Black Swan ~ USA 2010
Directed By: Darren Aronofsky

Die ehrgeizige, aber stets biedere Nina Sayers (Natalie Portman) lebt bei ihrer dominanten Mutter (Barbara Hershey), die all die bösen Geschicke der Welt von Nina fernhalten möchte. Als Nina von dem Starregisseur Thomas Leroy (Vincent Cassel) unter vielen Mitbewerberinnen auserkoren wird, in seiner Neuinterpretation vom "Schwanensee" die Hauptrolle zu tanzen, ist dies für sie nur anfänglich ein Grund zur Freude. Unter dem nun auf ihr lastenden, allseitigen Druck, dessen größter Schlüssel Nina selbst ist, zerbricht sie allmählich.

Schön stilisiert, wie man es von Aronofsky gewohnt ist, bildet "Black Swan" ein neuerlich hervorragend inszeniertes Psychogramm aus Könnerhand. Allerdings sind, so schien mir, hier die Einflüsse so übermächtig und spürbar wie noch bei keinem anderen Film des Regisseurs bislang: "The Red Shoes", "All About Eve", "Carrie und auch "All That Jazz", "'Night, Mother" und sein eigener "Pi" treten zu Teilen explizit aus dem Ideenfundus hervor, die Intrigen hinter der Bühne, die Gier nach Perfektion, Erfolg und Zuspuch, der extreme Tribut der sich immer weiter intensivierenden künstlerischen Arbeit, die alleinerziehende, schwer neurotische Mutter und ihre überbehütete, ergo sexuell längst überreife Tochter, darüberhinaus schließlich Realitsverzerrung, Psychose, Wahnsinn und Suizid. Die Kunst von "Black Swan" liegt darin, wie Aronofsky all diesen Motiven seine Ehrerbietung zollt, indem er sie potpourrisiert, neu aufbereitet, teils minutiös variiert und als audiovisuell vorzügliche Stilorgie auf sein Publikum herniedergehen lässt. Ganz bewusst wird da manchmal die Grenze zum Kitsch und zur Prätention überschritten, allerdings stets unter sorgsamer Wahrung des integren, formvollendeten Gesamtbildes. Vielleicht nicht Aronofskys stärkster Film, aber, vielleicht umso wichtiger, einer, der in dieser Form eindeutig nur von ihm hat stammen können.

8/10

Darren Aronofsky New York Ballett Madness Musik


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ELENI (Peter Yates/USA 1985)


"My children!"

Eleni ~ USA 1985
Directed By: Peter Yates

Dreißig Jahre nach der Ermordung seiner Mutter Eleni (Kate Nelligan) während der Wirren des griechischen Bürgerkriegs und seiner eigenen Emigration nach Amerika kann der mittlerweile als erfolgreicher Journalist tätige Familienvater Nick Gage (John Malkovich) die Vergangenheit nicht ruhen lassen, nicht, solange die Verantwortlichen noch frei und ungestraft herumlaufen. Unter dem Deckmantel der Korrespondenz reist der rachedurstige Nick nach Athen und wird dort mit der Vergangenheit seiner Familie und seiner Mutter konfrontiert, die einst, nachdem sie ihren Kindern die Flucht ermöglichte, von den kommunistischen Partisanen als Faschistin verleumdet, gefoltert und hingerichtet wurde. Nach einer investigativen Odyssee durch halb Südosteuropa steht Nick schließlich dem Mann (Oliver Cotton) gegenüber, der für den Tod seiner Mutter verantwortlich ist.

Engagiertes Politdrama, in dem sich autobiographische Episoden um den griechischstämmigen US-Journalisten Nicholas Gage und seine Suche nach Wahrheit und Vergeltung aufbereitet finden. Der als Enthüllungsjournalist in brisanten Fragen tätige Times-Mitarbeiter wendete sich in "Eleni" der tragischen Vergangenheit seiner Familie zu und erzählte darin weniger seine eigene Geschichte, denn die seiner Mutter Eleni, einer stolzen, integren Frau, die sich geduldig jedwede Demütigung und Ungerechtigkeit seitens der in der Provinz wütenden DSE-Kämpfer gefallen lässt, bis ihre Kinder in sozialistische Staaten verschickt werden sollen. Als diese Bedrohung über sie hereinbricht, stellt sich Eleni gegen die uneingeladenen Landnehmer und bezahlt dafür mit dem Tode. Ungeachtet seiner sicherlich tendenziösen Machart, die ein wenig an den thematisch nicht unverwandten "Dr. Zhivago" erinnert, ist Yates erneut eine große, bewegende Tragödie geglückt, die ganz besonders durch das aufrüttelnde Spiel Kate Nelligans fasziniert. Auch die Entscheidung, Vergangenheit und Gegenwart als zwei erzählerisch gleichberechtigte Stränge parallel nebeneinander herlaufen zu lassen, erweist sich als überaus tragfähig.
Leider ist die mir vorliegende, deutsche DVD durch verwaschenes Vollbild verhunzt. Hier wäre so schnell als möglich noch etwas Adäquates nachzulegen. Ansonsten überaus sehenswert.

8/10

Peter Yates Griechenland Griechischer Bürgerkrieg Familie Rache





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