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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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TIME AFTER TIME (Nicholas Meyer/USA 1979)


"Ninety years ago I was a freak. Today I'm an amateur."

Time After Time (Flucht in die Zukunft) ~ USA 1979
Directed By: Nicholas Meyer

Ausgerechnet an jenem Abend des Jahres 1893, an dem der Autor H.G. Wells (Malcolm McDowell) seinen Freunden die von ihm entwickelte Zeitmaschine vorstellen und zu seiner ersten Reise in die Zukunft mit ihr antreten will, entpuppt sich sein Kamerad Stevenson (David Warner) als der berüchtigte Jack The Ripper. Stevenson entführt die Zeitmaschine und reist mit ihr ins Jahr 1979, versäumt jedoch, den Schlüssel abzuziehen, so dass das Gerät kurz darauf wieder bei Wells auftaucht. Dieser zögert nicht lang und jagt Stevenson, der seinem unseligen Treiben in der Zukunft weiter nachgeht, durch die Zeit hinterher. Dort verliebt sich Wells in die putzige Bankkassiererin Amy (Mary Steenburgen), kann jedoch nicht verhindern, dass sie in die Affäre um den Serienmörder hineingezogen wird.

"Time After Time" hat ein bisschen was von einem 'happening movie', verbindet er doch etliche vergangene und künftige Motive, Einflüsse und Lebensereignisse der beteiligten Kreativgewaltigen, so dass ein ganzes Netz von Querverbindungen entsteht. Am nachhaltigsten dürfte wohl die Tatsache in Erinnerung bleiben, dass sich das spätere Ehepaar McDowell und Steenburgen am Set kennen und lieben gelernt hat, was zu einer - zumindest in bescheidenem Rahmen - legendär gewordenen Chemie zwischen den beiden geführt hat. Ansonsten ist "Time After Time" ein recht netter, sorgfältig hergestellter Genrebeitrag, der sich um ein ausgeglichenes Verhältnis von Humor und Spannung bemüht, jedoch die typisch biedere Inszenatorik und vor allem den gepflegt moderat gehaltenen Schreibstil seines Regisseurs und Autors Meyer, der später immerhin an der Herstellung der drei besten "Star-Trek"-Filme beteiligt war, nicht verhehlen kann.

7/10

Nicholas Meyer H.G. Wells Zeitreise London San Francisco period piece Victorian Age Jack The Ripper Serienmord


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THE OUTFIT (John Flynn/USA 1973)


"Can we make a deal?" - "No. Not this time."

The Outfit (Revolte in der Unterwelt) ~ USA 1973
Directed By: John Flynn

Der just aus dem Knast entlassene Earl Macklin (Robert Duvall) erfährt, dass der Syndikatsboss Mailer (Robert Ryan) seinen Bruder Ed (Edward Ness) erschießen ließ, um einen dereinst von Earl, Ed und Jack Cody (Joe Don Baker) begangenen Überfall auf eine von Mailers Geldwäschereien zu sühnen. Auch auf Earl und Jack werden Anschläge verübt, doch sie können sie abwehren. Zusammen mit Earls Freundin Bett (Karen Black) fangen Earl und Jack einen Kleinkrieg mit Mailer an, überfallen dessen Spielbanken und Gelddepots und lassen ihn bluten, mit dem Ziel, eine Viertelmillion Dollar 'Schadenersatz' für Eds Ermordung zu bezahlen. Doch Mailer lässt sich nicht erpressen und so schraubt sich die Gewaltspirale höher und höher.

Hervorragender Gangsterfilm von dem damals noch recht frischen John Flynn. In Teilen analog konstruiert zu Boormans "Point Blank" und Peckinpahs "The Getaway" versagt sich "The Outfit" allerdings jedwede inszenatorische Extravaganz und zieht seine Sache visuell straight bis zum Ende durch. Nichts scheint überflüssig, überdehnend oder dem Vorwurf des Ballasts aussetzbar; wenngleich kleine Nebenepisödchen wie ein kurzer, letzten Endes harmloser Konflikt mit zwei Brüdern (Richard Jaeckel, Bill McKinney) und der notgeilen Frau (Sheree North) des Einen, sich durchaus eingeflochten finden. Da sie aber eine letztlich unterstützende Wiorkung haben, sind sie auch kaum fehl am Platz. Seine atmosphärische und visuelle Härte verbucht "The Outfit" als wesensimmanent, das heißt, sie wirkt nie übertrieben oder aufgesetzt. Wer nicht unbedingt umgelegt werden muss, den lässt man laufen, wer es derweil verdient, der bekommt's auch ohne zu zögern. Das ungewöhnliche Buddy-Paar Duvall und Baker harmoniert bestens und mit Elisha Cook und Timothy Carey in Nebenrollen spendiert uns Flynn gleich ein doppeltes Wiedersehen mit zwei alten Noir-Veteranen. Kool thing.

9/10

John Flynn Mafia Rache Donald E. Westlake Kalifornien


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GANGSTER SQUAD (Ruben Fleischer/USA 2013)


"Welcome to Hollywood, ma'am!"

Gangster Squad ~ USA 2013
Directed By: Ruben Fleischer

Los Angeles, 1949: Weil der Gangsterboss Mickey Cohen (Sean Penn) seine Geschäfte mittlerweile allzu rücksichtslos vorantreibt und etliche Polizisten und Politiker in der Tasche hat, lässt der verbissene Chief of Police Bill Parker (Nick Nolte) eine sechsköpfige, inoffiziell agierende Polizeieinheit, die 'Gangster Squad' von der Leine. Der Kriegsveteran John O'Mara (Josh Brolin) rekrutiert mithilfe seiner Frau (Mireille Enos) fünf garantiert unbestechliche Kollegen: seinen ranggleichen Kollegen Jerry Wooters (Ryan Gosling), den farbigen Detective Coleman Harris (Anthony Mackie), den in technischen Dingen versierten Conway Keeler (Giovanni Ribisi), sowie den modernen Revolverhelden Max Kennard (Robert Patrick) nebst seinem jüngeren Faktotum Navidad Ramirez (Michael Peña). Die Gangster Squad führt einen Guerillakrieg gegen Mickey Cohen und lässt diverse seine Geschäfte und Geldquellen platzen, bis er herausfindet, wer hinter den Anschlägen steckt. Nun wird aus dem Kleinkrieg eine Privatfehde.

Seinen katastrophal beschissenen "Zombieland", soviel vorweg, hat Nachwuchsregisseur Ruben Fleischer mit "Gangster Squad" schonmal teilweise wieder wett gemacht. Wenngleich die Idee einer paraoffiziell agierenden Gruppe unbestechlicher Cops mitten im Gangland, die mit breitkrempigen Hüten großen Widersachern an den Kragen gehen, keineswegs neu ist - man denke vornehmlich an "The Untouchables" und den gern unterschlagenen "Mulholland Falls" (ebenfalls mit Nick Nolte) - ringt Ruben Fleischer ihr zumindest ein paar neue Nuancen ab, indem er dem Ganzen den Aufzug eines astreinen Actionfilms verleiht. "Gangster Squad" ist vor allem schnell, brutal und kommt ohne große Umwege zur Sache, verneigt sich jedoch stets vor seinem großen Pool aus Vorbildern und müht sich, eine für gegenwärtige Rezeptionsgewohnheiten flott aufbereitete Melange aus denselben zu liefern. Dass ausgerechnet Warner Bros. in halbwegs regelmäßigem Rhythmus ein period gangster movie ausspeit mag ein Zufall sein oder auch nicht. Nach "L.A. Confidential" (in dem die Figur des Mickey Cohen ebenfalls auftrat, allerdings gespielt von dem weitaus weniger glamourösen Paul Guilfoyle) und "Black Dahlia" ist es nunmehr an "Gangster Squad", diese noch junge Studiotradition fortzusetzen. An jene beiden, nun, "Quasi-Vorgänger" reicht er freilich nicht heran, dazu fehlt dem Ruben Fleischer dann vermutlich doch die Versiertheit und Professionalität, die deren Regisseure auszeichnen. Immerhin fasziniert er in Maßen durch seine wunderhübsche Einfärbung und seine wie erwähnt derbe Ausgestaltung. Man erwarte jedoch kein Aha-Erlebnis, es sei denn, ein in Maßen frustriertes.

7/10

Ruben Fleischer Los Angeles period piece Duell


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THE LAST STAND (Jee-woon Kim/USA 2013)


"I'm the sheriff."

The Last Stand ~ USA 2013
Directed By: Jee-woon Kim

Das hat sich der Druglord Cortez (Eduardo Noriega) fein ausgedacht: Um seiner Überführung von Las Vegas in ein Sicherheitsgefängnis zu entgehen und über die mexikanische Grenze flüchten zu können, hat er bereits einen großbudgetierten Fluchtplan parat, der ihn mit einer superschnellen Corvette bis zum verschlafenen Grenzstädtchen Sommerton und dort über eine eigens angelegte Brücke in die Freiheit führen soll. Bei Sommerton sind Cortez' Handlanger, darunter der böse Burrell (Peter Stormare), alles andere als untätig. Cortez und Burrell rechnen jedoch nicht mit der Verbissenheit des zwar etwas betagten, aber immer noch höchst agilen Sheriffs Owens (Arnold Schwarzenegger), der sein friedliches Ambiente gar nicht gern gestört wissen möchte und mithilfe seiner Deputys auf die Barrikaden geht.

Dieser Quasi-Western, Arnies Hauptrollen-Comeback nach zehn Jahren verpeilter Polit-Abstinenz, hat mir außerordentlich gut gefallen; wesentlich besser sogar, als ich erwartet hatte. Seit "Eraser" hat man den Muskelmann in keinem solch spaßigen, ganz auf seine Person zugeschnittenen Actionfilm mehr sehen können; alles was danach kam, krankte wahlweise am Irrglauben der jeweiligen Produktion, die steirische Eiche in einer dramatisch tragfähigen Rolle ("End Of Days"), in einem sozialkritischen Szenario ("The 6th Day") oder als rachsüchtigen Privatmann ("Collateral Damage") einsetzen zu können, respektive an der allgemeinen Zweitklassigkeit des Films (Terminator 3: Rise Of The Machines"). "The Last Stand" indes begreift wiederum um die überlebensgroße Ikonographie der Kunstfigur Schwarzenegger, leugnet sie nicht und setzt ihr stattdessen noch ein weiteres Denkmal. Der Film ist versiert und sauber, witzig, trocken, brutal und schnell, ohne verlogen zu sein oder sich den langweiligen Neomechanismen des Genres gegenüber allzu affirmativ zu zeigen, ein generationenverbindendes, überaus unterhaltendes Stück Action. In dieser Form zudem eine wohlfeile Startrampe für Weiteres aus der entsprechenden Ecke.

8/10

Jee-woon Kim Arizona Las Vegas Kleinstadt Duell Neowestern FBI Grenze


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KILLING THEM SOFTLY (Andrew Dominik/USA 2012)


"Very few guys know me."

Killing Them Softly ~ USA 2012
Directed By: Andrew Dominik

Der kleine Gauner Johnny Amato (Vincent Curatola) lässt von zwei Handlangern (Scott McNairy, Ben Mendelsohn) ein von der Mafia organisiertes Pokerspiel überfallen. Die ehrenwerte Gesellschaft setzt daraufhin umgehend den Auftragskiller Jackie Cogan (Brad Pitt) auf die Übeltäter an. Sein ebenfalls herbestellter New Yorker Partner Mickey (James Gandolfini) erweist sich allerdings als zu deprimiert und ausgebrannt, um Jackie die versprochene Hilfe zu sein. Also erledigt dieser die betreffenden 'Jobs' allein.

"Killing Them Softly" ist die zweite Verfilmung eines Romans von George V. Higgins nach "The Friends Of Eddie Coyle". Dieser Autorenname verpflichtet also gewissermaßen. So ganz bin ich mir allerdings noch nicht schlüssig, wie ich Andrew Dominiks jüngsten Film finden soll. Er schickt sein Publikum sozusagen durch affektive Wechselbäder. Nachdem man beispielsweise im Glauben war, dass jene in den Neunzigern so beliebte Tarantino-/Rodriguez-/Ritchie-Gaunergeschwafel, das via einer jeweils mehr oder weniger redundanten Kavalkade von Vierbuchstabenwörtern kostbare Erzählzeit künstlich aufblies mittlerweile passé seien, belehrt uns Dominik eines Besseren: Das verbale Um-die-Wette-Gebolze der beiden Handpuppen-Gangster Frankie und Russell entbehrt nach meinem Empfinden jedenfalls jedweder narrativer Relevanz. Anders die im Prinzip ausblendbare Figur James Gandolfinis, dessen Auftritte wiederum großartig sind und den Film durchaus veredeln. Dann macht es widerum Freude zu sehen, wie Dominik die klassische Genre-Erzähltheorie aushebelt. Eine wie auch immer geartete Klimax gibt es bei ihm nämlich weit und breit nicht, kein großes Drama, keine von japanischem Samurai-Ethos gefärbten Ehrenkodexe; bloß zwei bis drei heftige Gewaltakte, blöde bis gierige Kriminelle, einen Killerjob mehr, ein paar weitere Kerben auf dem fraglos langen Auftragsholz des Jackie Cogan. Und Brad Pitt einmal mehr als bösen Schmierlappen, wie man ihn eigentlich schon vor zwanzig Jahren am Liebsten sah. Ich glaube, "Killing Them Softly" gefällt mir alles in allem doch recht gut.

8/10

Andrew Dominik George V. Higgins New Orleans Südstaaten Mafia


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THE TALL MAN (Pascal Laugier/USA, CA, F 2012)


"I guess it's better this way, right?"

The Tall Man ~ USA/CA/F 2012
Directed By: Pascal Laugier

Das dereinst florierende Bergabeiter-Städtchen Cold Rock in Washington ist nunmehr ein Opfer von Strukturwandel und sozialem Verfall. Die Familien darben dahin, die Kinder wachsen in Armut und Misshandlung auf. Dennoch verschwinden von ihnen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen immer wieder welche spurlos. Die Einwohner von Cold Rock haben sich auch bereits einen Sündenbock dafür herbeifabuliert: Den großen Mann, einen vermummten Gesellen aus den Wäldern, der die Kinder holt und sonstwas mit ihnen anstellt. Als der kleine David entführt wird, macht sich die verwitwete Krankenschwester Julia (Jessica Biel) an die Verfolgung des Übeltäters.

Nun ist also auch Pascal Laugier in Hollywood angekommen und legt neuerlich einen doppelbödigen Film vor, den man in Konstruktion und Aussage vor zehn Jahren noch fest mit seinem Kollegen M. Night Shyamalan assoziiert hätte. Es ist gut, nichts oder zumindest nicht zu viel über die Geschichte von "The Tall Man" zu wissen, dann geht zumindest das mit der Überraschung und Nachdenklichkeit des Zuschauers spielende, narrative Konzept auf. Zudem gefällt, dass Laugier seine Conclusio, die gedanklich mit der Vision einer Art "entbürokratisiertem Privatjugendamtes" spielt, selbst auf ein wackliges moralisches Fundament stellt. Denn bei aller Liebe und Ehrbarkeit - gefragt wird hier niemand nach seinem Schicksalswunsch, ihre wohlmeinende Prädestination wird den "zu behandelnden" Subjekten schlicht und einfach vorgesetzt. Und dass sich nie einer jener "Klienten" im Nachhinein beklagt oder den global agierenden Laden hat auffliegen lassen, erscheint zudem etwas sehr phantastisch. Aber so ist das mit und in diesem Genrefilm, der in Wahrheit gar kein Genrefilm ist: Friss oder stirb. Ob "The Tall Man" angesichts all dessen ein wahrhaft brauchbares Werk ist, werde ich allerdings wohl erst nach einer Zweitbetrachtung eruieren können.

7/10

Pascal Laugier Washington Seattle Kinder Kidnapping


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SORRY, WRONG NUMBER (Anatole Litvak/USA 1948)


"Henry! Save me!"

Sorry, Wrong Number (Du lebst noch 105 Minuten) ~ USA 1948
Directed By: Anatole Litvak

Die unbewusst unter starken psychosomatischen Beschwerden leidende Leona Stevenson (Barbara Stanwyck) verbringt ihre Zeit vornehmlich im Bett. Als sie eines Abends ihren Mann Henry (Burt Lancaster) telefonisch nicht erreichen kann und stattdessen ein fremdes Gespräch mitverfolgt, in dem die Ermordung einer Frau durchgesprochen wird, beginnt für sie eine Nacht des Grauens...

Verschachtelter Thriller mit meisterlicher Spannungskurve, dessen Plot zwar reichlich konstruiert wirkt, der aber ohnehin vielmehr als formal ausgeklügeltes Suspense-Experiment Bestand erhält. Das Kommunikationsmedium Telefon fungiert in "Sorry, Wrong Number" gleichermaßen als gewaltiger MacGuffin wie als Todesbote; durch die Gespräche, die Leona von zu Hause aus führt, erschließt sich ihr in einem Geflecht komplexer Rückblenden binnen knapper zwei Stunden erzählter (und runder neunzig Minuten Erzähl-) Zeit die gesamte, bislang erfolgreich ausgeblendete Tragödie ihres Lebens: Als verhätscheltes Einzelkind des Pharmamoguls J.B. Cotterell (Ed Begley) wurde sie zeitlebens zur trotzigen Angstneurotikerin hin konditioniert; die Ehe mit dem aus proletarischem Hause stammenden Henry erweist sich als langjährige, von Leona selbst sukzessive vermasselte Farce, die ihren Gatten von einem zunächst frustrierten, dann depressiven zu einem schließlich kriminellen Versager gestempelt hat. Diese unbewusste Arroganz und Ignoranz hat sie schlussendlich mit dem Leben zu bezahlen. Lucille Fletchers auf einem eigenen Hörspiel basierendes Script spielt dabei geschickt mit den Publikumssympathien; die Stanwyck als neurotisches, egozentrisches Psychowrack macht es einem nicht eben schwer, ihr lauerndes Gealtableben zu akzeptieren, derweil Lancaster als in die Ecke gedrängter Täter mehr Mitgefühl evoziert als die allermeisten beauftragenden Kinomörder. Und dennoch ist das beinhahe hysterische, einem Knall gleichende Finale von einer ihresgleichen suchenden Spannung. Famos.

9/10

Anatole Litvak New York film noir Ehe Telefon


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THE MIDNIGHT MAN (Roland Kibbee, Burt Lancaster/USA 1974)


"You're unbelievable."

The Midnight Man (Der Mitternachtsmann) ~ USA 1974
Directed By: Roland Kibbee/Burt Lancaster

Jim Slade (Burt Lancaster), Ex-Bulle aus Chicago, musste einige Zeit hinter schwedischen Gardinen verbringen, weil er den Liebhaber seiner Ex-Frau erschossen hatte. Nun ist er auf Bewährung und kommt in der Provinz bei dem befreundeten Ehepaar Quartz (Cameron Mitchell, Joan Lorring) unter. Quartz, als Nachtwächter auf dem hiesigen Campus des Jordan College tätig, wurde erst kürzlich verletzt und so übernimmt Jim dessen Posten. Bald stößt er auf die verstört wirkende Senatorentochter Natalie Clayborne (Catherine Bach), die eine von ihr selbst aufgenommene Cassette für den Psychoanalytiker Prichette (Robert Quarry) vermisst, auf der sich einige intime Geständnisse befinden. Natalie wird kurz darauf erschlagen aufgefunden, die Cassette bleibt verschwunden. Für den lokalen Sheriff (Harris Yulin), der den gestörten Hausmeister (Charles Tyner) in Verdacht hat, ist der Fall klar, doch Slade bohrt tiefer und stößt in ein Wespennest aus Korruption, Perversion und Gewalt.

Einer der zu Unrecht weniger renommierten neo noirs der frühen bis mittleren Siebziger, der inmitten von "Chinatown", "Night Moves" oder "The Long Goodbye" leider sehr untergegangen ist. Dies mag seiner vergleichsweise schmucklosen formalen Aufbereitung zuzuschreiben sein; das Regieteam Kibbee/Lancaster begnügt sich mit einer bedeckten Inszenierung und konzentriert sich ganz auf die kriminalistischen Irrungen und Wirrungen, die der mit zunehmender Laufzeit immer neue Haken schlagende Plot bereithält. Interessant ist die Position des alternden, jedoch keineswegs alten Helden, der hier als uniformierter Nachtwächter vorgestellt wird. Im klassischen film noir wäre der durchaus hartgekochte Jim Slade noch ein verlotterter Privatdetektiv gewesen; hier handelt es sich um einen merklich wenig ausgebrannten Gesetzeshüter, dessen berufliches Feuer trotz mancher Konflikte mit der Staatsgewalt noch immer lodert und der auch vor brachialem Gewalteinsatz nicht zurückschlägt. Umso anschaulicher die recht derben, entsprechenden Spitzen, im Zuge derer Slade ein ihm feindlich gesonnenes Hillbilly-Trio (Ed Lauter, Mills Watson, William T. Hicks) samt Rottweiler zur Strecke bringt. Doch entpuppt sich das in "The Midnight Man" allgemein gezeichnete Weltbild als ein ziemlich fatalistisches: Fast niemand ist, wer oder was er zu sein vorgibt - selbst engste Vertraute und Sympathieträger erweisen sich nach gründlicher Durchleuchtung als verräterisch, korrupt, sexuell abseitig oder schlicht gierig, derweil die anfänglich zwielichtig erscheinenden Individun zumeist harmlos bleiben. Auch dies eine unbedingte Tradition der Gattung.

8/10

Roland Kibbee Burt Lancaster Kleinstadt Verschwörung film noir neo noir South Carolina


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3:15 (Larry Gross/USA 1986)


"Cobras forever!"

3:15 ~ USA 1986
Directed By: Larry Gross

Die 'Cobras' sind die tonangebende Gang im Viertel, wobei die Lincoln High School als Hauptschauplatz für ihre kriminellen Aktivitäten fungiert. Selbst der ermittelnde Polizist Moran (Ed Lauter) steht dem Treiben machtlos gegenüber. Jeff Hannah (Adam Baldwin), Mitglied der Cobras, dreht seiner Gang derweil den Rücken zu, als sein Kumpel Cinco (Danny De La Paz) ein wehrloses Opfer mit dem Messer tötet. Später weigert sich Jeff, für Cinco, der wegen Drogenbesitzes verhaftet werden soll, den Kopf hinzuhalten. Dieser schwört Rache und beginnt, Jeff und seine Freundin (Wendy Barry) systematisch zu terrorisieren - bis hin zum unausweichlichen Duell.

Die Lincoln High kennt man noch aus Mark Lesters "Class of 1984". Ob in "3:15" dieselbe verhunzte Bildungsanstalt als Hauptschauplatz herhalten muss, wäre wohl spekulativ. Dennoch weckt die Namensgleichheit natürlich flugs mehr oder weniger unfreiwillige Assoziationen. Die Lincoln High in "3:15" ist jedenfalls keinen Deut besser dran als ihr 'Vorbild'; auch hier ist die betreffende Institution nicht länger in staatlicher Hand, sondern in krimineller. Die Kids haben die Macht übernommen, die kriminellen freilich, die, die am gewaltbereitesten sind. Kiloweise verscherbeln sie ihr Dope und niemand kann ihnen langfristig etwas anhaben. Der zersetzende Faktor muss hier freilich von innen kommen. In Person des fast ebenso kompromisslos wie der böse Cinco agierenden Jeff Hannah ist dieser Faktor gefunden. Fast im Alleingang, wie weiland Marshall Kane in "High Noon" (zu dem Gross auch sonst mancherlei Parallelen konstruiert), setzt er die Brüder Schachmatt, wobei ihm allerdings auch Cincos zunehmender Größenwahn zu Gute kommt. Am Ende bekommt der kriecherische, katzbuckelnde Rektor (Rene Auberjonois) noch eins auf die Fresse - die Welt ist doch noch gerecht. Ab und zu wenigstens.

6/10

Larry Gross Rache Duell Schule


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BUNNY LAKE IS MISSING (Otto Preminger/UK 1965)


"I've got a near fatality here."

Bunny Lake Is Missing (Bunny Lake ist verschwunden) ~ UK 1965
Directed By: Otto Preminger

Scheinbar spurlos verschwindet die vierjährige Felicia 'Bunny' Lake (Suky Appleby) an ihrem ersten Tag in einer Londoner Vorschule, kurz nachdem ihre alleinerziehende junge Mutter Ann (Carol Lynley) mit ihr aus den Staaten angekommen ist, um in England bei ihrem Bruder Steven (Keir Dullea), einem erfolgreichen Journalisten, zu leben. Der ermittelnde Superintendent Newhouse (Laurence Olivier) hegt bald seine Zweifel an der offensichtlichen Entführungsgeschichte: Außer Bunny selbst sind nämlich auch sämtliche Dinge und Personalia, die überhaupt beweisen, dass das Kind jemals existiert hat. Als Steven dann einigen Personen gegenüber erwähnt, dass Ann einst als Kind eine imaginäre Spielkameradin mit dem Namen Bunny zu halten pflegte, wird Newhouse noch misstrauischer. Existiert dieses mysteriöse Kind überhaupt in der Realität - oder ist gar ein bloßes Hirngespinst Anns...?

Wer ist hier eigentlich wahnsinnig? Preminger jedenfalls ganz bestimmt nicht; der bewegte sich, zumindest in dramaturgischer Hinsicht, geradezu traumwandlerisch in Hitchcocks Spuren und wählte zur formalen Ausgestaltung einmal mehr sein von ihm zu dieser Zeit großflächig präferiertes, schwarzweißes Scope-Format, dass überaus klare, messerscharfe Schatten und Umrisse ermöglichte. Zusammen mit Ann Lake kommen wir als Fremde nach London, eine recht spleenige Stadt für Außenstehende, mit wahlweise altjungerflichen oder vollends verknöcherten Erzieherinnerinnen in verwunschenen Turmzimmern, versoffenen, aufdringlichen Vermietern, überheblichen Polizisten und kryptischen Puppenmachern (der ewige Petrus Finlay Currie in einem denkwürdigen Miniauftritt).
Im urplötzlich allgegenwärtigen Fernsehen dudeln allenthalben die großartigen 'Zombies' und leiten ganz unmerklich die swingende Phase der folgenden paar Metropolenjahre ein. Dann verschwindet das Töchterchen - wer soll da noch Apetit haben? Aber Preminger verunsichert uns, er macht uns weis, dass Ann Lake möglicherweise unter einer beträchtlichen psychischen Schädigung mysteriösen Ursprungs leidet, nur um am Ende nochmal alles umzuwerfen und ein verstörendes, albtraumhaftes Finale hinterherzusetzen, dass sich auch recht gut an zeitgenössische Horror-Schemata adaptiert.

8/10

Otto Preminger Kidnapping Madness Geschwister London





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Funxton

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