Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

THE AMBULANCE (Larry Cohen/USA 1990)


"I assure you you'll be in perfect health when you die!"

The Ambulance ~ USA 1990
Directed By: Larry Cohen

Der bei Marvel Comics angestellte Zeichner Josh Baker (Eric Roberts) interessiert sich für eine junge Dame, die ihm in jeder Mittagspause auf der 5th Avenue über den Weg läuft. Als er eines Tages den Mut findet, Cheryl (Janine Turner) anzusprechen, währt die Kennenlernfreude nicht lang: Cheryl klappt auf der Straße zusammen und wird kurz darauf von ein paar Sanitätern in einen Krankenwagen älteren Baujahrs geladen und abtransportiert. Als Josh sie am Abend in der Unfallklinik besuchen will, hat dort niemand Cheryl gesehen - sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Der alternde Lieutenant Spencer (James Earl Jones), an den Josh sich daraufhin wendet, hält seine Story von dem mysteriösen Krankenwagen für höchst fadenscheinig - und doch verschwindet bald auch Cheryls Mitbewohnerin (Jill Gatsby), die, wie Josh erfährt, wie Cheryl Diabetikerin ist. Zusammen mit der emsigen Polizistin Sandra (Megan Gallagher) und dem Senior-Journalisten Elias (Red Buttons) kommt Josh bald darauf einem illegal praktizierenden Chirurgen (Eric Braeden) auf die Spur, der mit einer landesweit operierenden Organisation für menschliche Versuchsobjekte zusammenarbeitet. Und dieser lässt sich nicht gern in die Karten schauen...

Einer von Larry Cohens Ausflügen in den Suspense, der vor allem hitchcockschen Erzählstrukturen immens viel verdankt: Ein unbescholtener, großstädtischer Angestellter kommt einem grenzfantastischen Komplott auf die Spur, wird von offizieller Stelle für unzurechnungsfähig erklärt und muss daraufhin auf eigene Faust gegen die Übeltäter ermitteln. Anders als beim Altmeister gibt es hier jedoch keine landesfeindlichen Spionageaktivitäten, Saboteure oder Verräter, sondern, und da wird die Brücke zum von Cohen stets kultivierten B-Movie-Kosmos geschlagen, einen wahnsinnigen Arzt, mit sadistischen Neigungen, der an seinen unfreiwilligen Patienten medizinische Experimente mit nur allzu bereitwillig akzeptierter Todesfolge praktiziert. "The Ambulance" ist daher auch in erster Linie eine schwarze Komödie, deren Besetzung durch die Bank lustvoll überagiert: Eric Roberts mit verbrecherischem Vokuhila-Schnitt praktizierte derzeit offenbar eine großzügig unterfütterte Kokain-Therapie, James Earl Jones karikiert seine Rolle buchstäblich bis zum letzten Atemzug und der alte Red Buttons ist einfach nur putzig - wobei er das ja eigentlich immer schon war. Der legendäre Marvel-Wizard Stan Lee hat einen bezaubernden Auftritt als er selbst mit deutlich mehr Text als in seinen jüngeren Cameos, der damaligen Comicnerds das Feuchte in die Augen getrieben haben wird; ebenso wie die Einblicke in Marvels Zeichenetage, die von Werken von Frank Miller (Joshs Cheryl-Zeichnung) und Gene Colan (Dr. Strong) gesäumt ist und offenbar einen Ausdruck von Cohens persönlicher Liebe zum Medium darstellt. Allein diesbezüglich lohnt "The Ambulance" bereits, wenngleich er auch sonst einen gleichermaßen unkonventionellen wie aufreizend lässig inszenierten Genrebeitrag bietet.

8/10

Larry Cohen New York mad scientist Marvel Kidnapping Medizin


Foto

SECRET BEYOND THE DOOR... (Fritz Lang/USA 1947)


"We need to talk about David."

Secret Beyond The Door... (Das Geheimnis hinter der Tür) ~ USA 1947
Directed By: Fritz Lang

Die reiche, bisher durch ein eher unstetes Liebesleben aufgefallene Erbin Celia Barrett (Joan Bennett) lernt in Mexiko den Architekten Mark Lamphere (Michael Redgrave) kennen und heiratet ihn vom Fleck weg. Zurück in den USA zieht Celia mit in Marks Haus und stellt fest, dass ihr Gatte ihr nicht nur Manches verschwiegen hat, sondern hinter seiner gutbürgerlichen Fassade außerdem noch einige bizarre Seiten kultiviert. Da wäre zum einen die Tatsache, dass Mark Witwer ist und aus der ersten Ehe einen Sohn (Mark Dennis) im Teenageralter hat. Zudem lebt im Haushalt Marks scheinbar durch Brandnarben entstellte Sekretärin (Barbara O'Neill), die ihr halbes Gesicht hinter einem Schal verbirgt. Am Mekrwürdigsten mutet jedoch Marks morbides Hobby an: In einem angebauten Flügel des Hauses hat er die Originalschauplätze historischer Frauenmorde nachgestellt. Eine Tür jedoch, die von Zimmer Nummer 7, bleibt verschlossen. Celia verschafft sich eine Kopie des Schlüssels und spürt dem Geheimnis nach.

In "Secret Beyond The Door..." versucht sich Lang an einem thematischen Motive (oder motivischen Thema, ganz nach Belieben), das in diesen Jahren vor allem seinen Berufsgenossen Alfred Hitchcock umtrieb: dem der Psychoanalyse. Hier allerdings bedarf es keines ausgebildeten Therapeuten für die schlussendliche Konfrontation mit Trauma und Neurose. Jene besorgt die treusorgende Ehefrau, die sich nach einigem Hin und Her für den Kampf um ihre Liebe entscheidet und damit damit selbst endgültig aus ihrer früheren Rolle als promiskes Betthupferl ausbrechen und sich Erlösung verschaffen kann. Ähnlich wie es in dem zwei Jahre älteren "Spellbound" um verschleierte Erinnerungen und Zwanghaftigkeiten geht, benötigt auch der männliche Held von "Secret Beyond The Door..." psychotherapeutische Hilfe, indem er mit seiner Vergangenheit zwangskonfrontiert wird und einen unbewusst durch seine eigene Schwester forcierten Mutterkomplex als Ursache für seine latente Misogynie erkennen kann. Um zu akzeptieren, wie geschmiert dies im Rahmen der Handlung funktioniert, muss man allerdings einiges an gutem Willen und Toleranz mitbringen. Deutlich erlesener die formale Ausgestaltung: Die expressionistische Kamera von Stanley Cortez verliebt sich in surreale Szenerien wie die der mexikanischen Hochzeit von Celia und Mark, die in ihrer Düsternis eher einer Totenmesse gleicht und bereits dräuendes Unheil andeutet. Celias spätere Irrwege durch das Lamphere-Haus werden flankiert von einer Armee von scharf geformten Schatten. Am Ende, als das Geheimnis hinter der Tür sich endlich lüftet, rotiert schließlich die Trockeneis-Maschine und der während der Nachkriegsjahre darbende Horrorfilm erhält einen kleinen Platzhalter.

7/10

Fritz Lang Mexiko Ehe Madness film noir


Foto

END OF WATCH (David Ayer/USA 2012)


"You feel like a hero?" - "No." - "Yeah, me neither."

End Of Watch ~ USA 2012
Directed By: David Ayer

Die beiden in Southcentral Los Angeles Streife fahrenden Polizisten Brian Taylor (Jake Gyllenhaal) und Mike Zavala (Michael Peña) unterscheiden sich im Grunde lediglich durch ihre Uniform und ihre moralischen Grundfesten von den sie umgebenden Gangs, in Habitus und Kodex ähneln sie diesen jedoch sehr. Ihre Frauen (Natalie Martinez, Anna Kendrick) bilden jedoch eine feste Basis in ihrem teils über die Grenzen hinaus gehenden Metier. Als Taylor und Zavala eher versehentlich einem mexikanischen Drogenkartell auf die Finger klopfen und diesem später wiederholt in die Quere kommen, stehen sie auf der Abschussliste.

Der Polizeifilm lebt - dank David Ayer, der dem Subgenre in Wort und/oder Bild regelmäßig ähnlich intensive Beiträge beschert wie dereinst Sidney Lumet, Harold Becker oder Joseph Wambaugh. "End Of Watch" markiert bereits das sechste Projekt, in dem Ayer die Exekutivewaltigen von L.A. seziert, ihre Machtbefugnisse, Möglichkeiten, Gefahren und Grenzen. Nachdem er sich bereits korrupte, drogensüchtige und machthungrige Cops vorgeknöpft hat, hält sich Ayer in "End Of Watch", seinem bisherigen Meisterwerk, an die kleinen Streifenpolizisten - gernegroß, naiv, nicht sonderlich intelligent, aber herzlich, gutgläubig und aufrichtig heroisch, wenn es darauf ankommt. Welche unkontrollierbaren Kräfte sie entfesseln, als sie in ihrem Revier einige gut getarnte Heroinlager hochnehmen, ahnen sie nicht einmal ansatzweise und so sind ihre letztlich kleinen, wenn auch kräftigen Lebenslichter sehr bald zum Verlöschen determiniert. Mit dem suggestiven Stilmittel der subjektiven Kamera - Taylor ist Ex-Filmstudent und dreht einen Dokumentarfilm über seine und Zavalas tägliche Einsätze -, das ja in den letzten Jahren vermehrt im Horrorfilm genutzt wurde, kreiert Ayer eine immens bedrohliche, explosive Atmosphäre. Jump cuts und zusätzliche Wackelbilder verhelfen ihm zu noch unmittelbarerer Authenzität, die trotz großer zeitlicher Sprünge innerhalb der Erzählzeit dann auch permanent bestehen bleibt. Mit "End Of Watch" ist David Ayer nun schlussendlich wirklich das gelungen, was er vermutlich bereits seit "Training Day" anstrebt: Ein Meilenstein des Polizeifilms. Viel sollte es hernach zum Thema nicht mehr zu sagen geben.

9/10

David Ayer Los Angeles Slum embedded filming


Foto

DETECTIVE STORY (William Wyler/USA 1951)


"I built my whole life on hating my father. All the time he was inside me, laughing."

Detective Story (Polizeirevier 21) ~ USA 1951
Directed By: William Wyler

Der als übereifrig berüchtigte Manhattaner Detective McLeod (Kirk Douglas) wittert endlich seine große Chance, den von ihm seit langem verfolgten Kurpfuscher Dr. Schneider (George Macready) dingfest zu machen. Sowohl Schneiders Anwalt Sims (Warner Anderson) als auch McLeods Vorgesetzter (Horace McMahon) haben große Sorge, dass der cholerische McLeod Schneider im unbeobachteten Verhör misshandeln oder gar foltern könnte. Als sich im Laufe des Tages immer mehr Druck um ihn herum aufbaut, der sogar eine unangenehme biographische Episode um McLeods Ehefrau (Eleanor Parker) einfasst, steht der von inneren Dämonen geplagte Polizist schließlich kurz vorm Explodieren...

Um die Vierziger und frühen Fünfziger spielte Kirk Doglas stets Antihelden oder zumindest stark angekratzte Figuren, die ihr moralisches Schuldenkonto am Ende nicht selten um den Preis des eigenen Lebens zu tilgen hatten, so in "Ace In The Hole", "The Big Trees" oder "The Bad And The Beautiful". Die Rolle des fanatischen Detective McLeod dürfte dabei zu seinen vordersten Glanzleistungen zählen. Douglas vermag es, um seinen Charakter herum eine unglaublich dichte, intensive Dunstglocke der Bedrohlichkeit und Unberechenbarkeit aufzubauen, die sich nach anfänglichen Sympathieevokationen durch das Script - man hält ihn zunächst für einen aufrechten Beamten mit gesundem Privatleben und einem möglicherweise etwas reaktionär angehauchten, aber doch ehrbarem Berufsethos - regelrecht forciert ins Gegenteil verkehrt. Zum Schluss, als die Zeitbombe McLeod endlich offenbart, welch pathologische Krüppelseele ihm innewohnt, lässt sich an Douglas' Gesicht die ganze Schrecknis einer schwer traumatisierten Psyche ablesen; eine meisterliche Darstellung. Dabei trägt Douglas "Detective Story" keineswegs allein. Unterstützt durch ein großartiges Ensemble, dem unter anderem der spätere Dr. No Joseph Wiseman als drogeninfizierter Kleingangster und Lee Grant als Kleptomanin vorstehen, entsteht unter Wylers nurmehr als exzellent zu bezeichnender Inszenierung das schon als klassisch zu bezeichnende Abbild eines nicht ganz regulären New Yorker Revieralltags. Wunderbar.

10/10

William Wyler New York based on play Sidney Kingsley Ensemblefilm


Foto

BAIT (Kimble Rendall/AU, CN 2012)


"It's coming back!"

Bait ~ AU/CN 2012
Directed By: Kimble Rendall

Seit einem Unfall, bei dem sein bester Freund Rory (Richard Brancatisano) Opfer eines Weißen Hais geworden ist, leidet der frühere Rettungsschwimmer Josh (Xavier Samuel) unter einem schweren Schuldkomplex, der ihn bereits seine Freundin Tina (Sharni Vinson) - zugleich Rorys Schwester - gekostet hat. Als ein schwerer Tsunami über die Küste hinwegfegt, bekommt Josh die Chance, sich seinem Trauma zu stellen: Der Supermarkt, in dem er als Hilfskraft arbeitet, wird überflutet und steht unter Wasser. Zwei Weißhaie geraten mit in die Überschwemmungszone und machen sich umgehend daran, die wenigen Überlebenden zu attackieren, darunter den Geschäftsführer (Adrian Pang), eine Ladendiebin (Phoebe Tonkin) und ihren Polizistenpapa (Martin Sacks) sowie zwei Gangster (Julian McMahon, Dan Wyllie), die den Laden just überfallen wollten.

Ich habe mich den flutgleich über den Heimkinomarkt schwappenden Monsterepen der Produktionsfirma "Asylum" bislang nicht gewidmet. Es werden ja praktisch täglich mehr und allein der Versuch, den Überblick zu wahren, erscheint mir leicht müßig. Wenn ein Hai- oder Kroko-Film es jedoch hier und da mal ins Kino schafft, dann werde ich regelmäßig wieder hellhörig. "Bait", eine australisch-chinesische Coproduktion, ist insofern rührend, als dass er sich und sein Szenario allem ersichtlichen Geldmangel zum Trotze durchaus ernstnimmt, sich weiterhin geschickt auf überschaubare Innenräume beschränkt und seinen Killertieren, die nicht 400, sondern bloß gesunde vier Meter lang sind, damit ein gänzlich ungewohntes Aktionsterrain zur Verfügung stellt. Allein aus diesen Gründen erhält er dem selbstreflexiven Blödeltrash der Konkurrenz gegenüber meinerseits den Vorzug. "Bait" leidet allerdings dennoch unter vielem: Er wirkt teilweise hoffnungslos überambitioniert, stützt sich auf miese, unfertig wirkende Computereffekte und vor allem ein lächerlich aufgeweichtes Beziehungsgeflecht, das die miese Nachwuchsbesetzung zu keiner Sekunde tragen kann. Die sich auf den 3D-Faktor stützenden Schockeffekte erinnern an den seligen "Jaws 3-D", der sich mit Scott Spiegels "Intruder" gekreuzt findet. Eine durchaus komische Melange, die einen einmal riskierten Blick wohl rechtfertigt, keinesfalls jedoch bedingt.

5/10

Kimble Rendall Supermarkt Australien Haiangriff Heist 3-D Tierhorror


Foto

SUDDEN FEAR (David Miller/USA 1952)


"You know what happened to Nietzsche?" - "What?" - "He's dead."

Sudden Fear (Eiskalte Rache) ~ USA 1952
Directed By: David Miller

Die erste Begegnung zwischen der populären Broadway-Autorin Myra Hudson (Joan Crawford) und dem Akteur Lester Blaine (Jack Palance) fällt alles Andere als erbaulich aus: Bei einem Vorsprechen für die Hauptrolle in Myras neuestem Stück lehnt sie ihn vehement ab, was er mit beleidigtem Stolz quittiert. Einige Zeit später treffen sie sich nur scheinbar zufällig im Zug von New York nach San Francisco wieder. Myra verliebt sich unsrerblich in Lester und das Paar heiratet kurz darauf. Doch der nach wie vor gekränkte Darsteller spielt Myra bloß eine vortreffliche Charade vor und hat es einzig und allein auf ihr stattliches Vermögen abgesehen. Um an dieses zu gelangen, muss er Myra natürlich zunächst um die Ecke bringen, wobei ihm seine wirkliche Flamme Irene (Gloria Grahame) zu unterstützen sucht. Myra jedoch erfährt rechtzeitig von den sinistren Plänen ihres Gatten und seiner Gespielin und dreht den Spieß um...

Großartiger, kanonisch leider hoffnungslos unterrepräsentierter film noir, der eine nicht mehr ganz junge Joan Crawford im Zuge eines ihrer Versuche, wieder nach oben zu kommen, präsentiert. Ihr zur Seite stellte man den rund dreizehn Jahre jüngeren Jack Palance, dessen vulkanische Physiognomie schon damals immens beeindruckte und die seinem Charakter besonders im letzten Akt, als der ertappte Heiratsschwindler der angsterfüllten Panik anheim fällt, perfekt in die Hände spielt. Doch auch Millers Inszenierung gehört ein ausgesprochenes Lob zugedacht; seine Fähigkeit, durch unkonventionelle Dramaturgie eine solch suggestive Zugkraft zu evozieren, ist famos. Auch hier wäre insbesondere das Finale zu erwähnen, das nach einem sorgfältig arrangierten Präludium eine nahezu explosive Konfrontation der Antagonisten auf den nächtlichen Straßen San Franciscos zeigt.

9/10

San Francisco film noir Ehe Rache Theater


Foto

OPERATION ZUCKER (Rainer Kaufmann/D 2012)


"Geh' du mal heim zu deiner Familie..."

Operation Zucker ~ D 2012
Directed By: Rainer Kaufmann

Die beiden Berliner Polizisten Karin Wegemann (Nadja Uhl) und Uwe Hansen (Anatole Taubman) sind einem im großen Stil operierenden Kinderprostitutionsring auf der Spur, der seine Opfer in Osteuropa ankauft und in Deutschland an teuer zahlende "Exklusivkunden" verschachert. Nachdem sie mit Mühe und Not die arrivierte Staatsanwältin Lessing (Senta Berger) auf ihre Seite gezogen haben, gelingen ihnen ein paar kleine Schläge gegen die Organisation, deren Drahtzieher und Mittelsmänner jedoch in so hohen gesellschaftlichen Positionen verkehren, dass ein umfassender Sieg zwangsläufig reine Illusion bleibt.

In der vagen Hoffnung, einen weiteren so brillanten Film zu diesem schwierigen Thema zu sehen zu bekommen wie Dominik Grafs meisterlichen "Das unsichtbare Mädchen" habe ich mir "Operation Zucker" angeschaut, der bei seiner Ausstrahlung vor ein paar Monaten für einige Furore sorgte: Die unzensierte Fassung mitsamt ihrem wesentlich pessimistischeren Ende durfte erst im Nachtprogramm gezeigt werden, was einige Kritiker aus unterschiedlichen Gründen teils lautstark monierten. Diese Debatte entpuppt sich als viel Lärm um wenig: Tatsächlich ist die Art und Weise des sensiblen Anstrichs, den sich Kaufmanns Film mit einigem Narzissmus selbst verleiht, dem Gesamtresultat wenig förderlich. Am Ende bleibt sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht kaum mehr denn ein unetikettierter, profaner "Tatort", in dessen Gestaden "Operation Zucker" gut aufgehoben gewesen wäre. Ich weiß nicht, inwieweit die Fabulierfreude des Films, eine schwerkriminell aktive pädophile Klientel aus Menschenschacherern hinter einer wohlfeil getarnten Geheimloge vom Schlage der Freimaurer auszumachen, als realitätsnah eingestuft werden kann, die Art allerdings, wie er jene Verdachtsmomente verkauft, mit seinem Allerwelts-Hausfrauenpopulismus sagte mir wenig zu. Als Kriminalfilm ist "Operation Zucker" gelungen, weil spannend, involvierend und von der Berger großartig gespielt; als ernstzunehmend-kritische Reflexion zum Thema jedoch kommt er über biederes Betroffenheitskino ohne wahren Schneid kaum hinaus. Wie erwähnt: Greifen Sie zum Graf. Der hat Chuzpe.

5/10

Rainer Kaufmann TV-Film Pädophilie Menschenhandel Prostitution Berlin


Foto

LEAVE HER TO HEAVEN (John M. Stahl/USA 1945)


"There's nothing wrong with Ellen. It's just that she loves too much."

Leave Her To Heaven (Todsünde) ~ USA 1945
Directed By: John M. Stahl

Zu Besuch bei Freunden in New Mexico lernt der Romancier Richard Harland (Cornel Wilde) die bezaubernd schöne Ellen Berent (Gene Tierney) kennen. Für eine laue Romanze bleibt gar keine Zeit, denn bevor Richard sich versieht, hat Ellen bereits ihrem bisherigen Verlobten Russell Quinton (Vincent Price) eine Absage erteilt und dafür die Hochzeit mit ihm geplant. Erste Anzeichen einer schweren pathologischen Störung zeigen sich, als Ellen zunehmend aggressiv fordert, Richard ganz für sich allein zu haben: Weder will sie ihre eigene Familie um sich haben, noch Richards behinderten, pflegebedürftigen Bruder Danny (Darryl Hickman). Irgendwann beginnt sie dann, aktiv und gezielt gewalttätig zu werden: Sie verursacht Dannys Ertrinkungstod, sorgt selbsttätig für einen Schwangerschaftsabort und plant, als sie bemerkt, dass Richard und ihre Adoptivschwester Ruth (Jeanne Crain) sich annähern, einen umfassenden Racheplan, der ihren eigenen Suizid mit einschließt.

Das Bemerkenswerteste an "Leave Her To Heaven", einem immens involvierenden Schmachtfetzen irgendwo zwischen Psychodrama und film noir, ist die Technicolor-Fotografie von Leon Shamroy. Brillanter komponierte Farbbilder wird man aus dieser Zeit nur schwerlich finden. Stahl und Shamroy nutzen leuchtende Primär- und blasse Pastellfarben zur Untermalung des jeweiligen Romanzenstatus zwischen Richard und Ellen; am Anfang leuchten Gene Tierneys Lippen noch in einem tiefen Kirschrot und das Dämmerlicht New Mexicos hüllt alles in heimeliges Zwielicht; später dann wird es neu-englisch herbstlich, Ellen offenbart dem Zuschauer ihre tiefsitzende Psychose und die Farbskala erbleicht. Gene Tierney, eine der obersten Vertragsschauspielerinnen der Fox, musste sich hier nach ihrer bereits in "Laura" erfolgten Darstellung einer undurchsichtig-geheimnisvollen, wenngleich am Ende unschuldigen Schönheit vollends dem Bösen zuwenden. Keine sonderlich dankbare Aufgabe, aber eine, die wahres Können erfordert und die sie auf eine Stufe stellte mit jenen Vorgängerinnen (und Nachfolgerinnen), die mehr als eine ansprechende Physis vorweisen konnten. Tierneys Spiel ist unglaublich nuanciert und trotz der verhältnismäßigen Grellheit des Sujets sehr subtil; sie beherrscht diesen Film, der tatsächlich in erster Linie ein Geschenk an sie und ihre Karriere darstellt.

9/10

John M. Stahl amour fou femme fatale Massachusetts Georgia Familie New Mexico film noir


Foto

WHERE THE SIDEWALK ENDS (Otto Preminger/USA 1950)


"Where the devil am I? I keep coming and going..."

Where The Sidewalk Ends (Faustecht der Großstadt) ~ USA 1950
Directed By: Otto Preminger

Der verbissene New Yorker Detective Mark Dixon (Dana Andrews) ist bereits seit Jahren hinter dem Gangsterboss Tommy Scalise (Gary Merrill) her, hat dem aalglatten Ganoven bisher jedoch nie etwas anhängen können. Als Scalise einen reichen Spielpartner, der ihn zuvor um eine hohe Sume erleichtert hat, kaltblütig umbringen lässt und versucht, die Schuld auf Ken Paine (Craig Stevens), einen seiner Speichellecker, abzuwälzen, wittert Dixon die heiß ersehnte Chance, Scalise endlich dingfest machen zu können. Paines Verhör verläuft jedoch anders als erwartet: Dixon muss sich gegen den Betrunkenen zur Wehr setzen und erschlägt ihn versehentlich. Um nicht selbst an den Pranger gestellt zu werden, versteckt Dixon Paines Leiche in den Docks. Dort wird sie jedoch kurz darauf entdeckt und Jiggs Taylor (Tom Tully), der Vater von Paines schöner Ex-Frau Morgan (Gene Tierney) gerät unter dringenden Tatverdacht. Dixon versucht alles, um Taylor vor der drohenden Verurteilung zu schützen, doch dafür muss er letztlich seine Schuld eingestehen.

Sechs Jahre nach "Laura" kam das 'winning team' Preminger - Andrews - Tierney erneut zusammen, um einen weiteren großen Beitrag zur Schwarzen Serie zu leisten. Wiederum in New York angesiedelt, mit deutlichen Parallelen in der Protagonistenzeichnung, unterscheidet sich "Where The Sidewalk Ends" aber doch in einigen Punkten von dem weichen Upper-Class-Crime des Vorbilds. "Where The Sidewalk Ends" ist ein Film der Nacht und der Lower East Side, der schummrigen kleinen Appartments, Bars und Restaurants, wo schmierige Gauner wie Tommy Scalise in den Hinterräumen zwielichtiger Dampfbäder ihre heimlichen Pokerrunden abhalten und Taxifahrer ein angesehener Job ist. Alfred Newmans wunderbares "Street Scene" findet hierin, wie in etlichen Filmen der Fox dieser Jahre, mehrfach Verwendung. Dabei ist es fast schon zu 'positiv' konnotiert, um gerade diesen Film einzuleiten Mark Dixon, besessen davon, alles besser zu machen als sein früh verstorbener, krimineller Vater, führt kein Privatleben. Verbissen lebt er nur für seinen Beruf und die verblendete Sisyphos-Tätigkeit, dem organisierten Verbrechen den Hahn abzudrehen. Darüber verflüchtigt sich auch schonmal der eigene Moralkodex. Erst die Liebe zu der unmöglich schönen, für eine Arbeitertochter eigentlich viel zu elegante Morgan Taylor führt ein Umdenken herbei.
"Where The Sidewalk Ends" ist natürlich nicht besser - oder schöner - als "Laura", dafür fehlt es ihm allein schon an Clifton Webb und Vincent Price; jedoch muss man ihn als ikonischen Polizeifilm kategorisieren, sozusagen als einen der transportierenden Urväter des heute zum alltäglichen cineastischen Figurenreservoir zählenden Fanatiker-Cops, dem das Subgenre alles in allem eine ganze Menge schuldet.

9/10

Otto Preminger New York Victor Trivas film noir


Foto

PRAY FOR DEATH (Gordon Hessler/USA 1985)


"What we need now is a black ninja!"

Pray For Death (Die 1000 Augen der Ninja) ~ USA 1985
Directed By: Gordon Hessler

Von seiner Frau Aiko (Donna Kei Benz) überredet, emigriert der Japaner Akira Saito (Shô Kosugi) mit ihr und den zwei Kindern (Kane Kosugi, Shane Kosugi) in die USA, um dort eine neue Existenz zu gründen. Dummerweise geraten die Saitos mitten in einen Konflikt zwischen dem Gangstersyndikat des Mr. Newman (Michael Constantine) und einem korrupten Cop (Matthew Faison). Für Newmans sadistischen Killer Limehouse Willie (James Booth) die Chance, es "den verdammten Schlitzaugen mal richtig zu zeigen". Nachdem Limehouse die Saitos mehrfach attackiert und Aiko trotz diverser Hilferufe seitens Akiras schließlich ermordet, besinnt sich der wütende Witwer auf seine spirituellen Wurzeln. Ein gnadenloser Rachefeldzug ist die blutige Folge.

Nach der Beendigung der "Ninja"-Trilogie für die Cannon versuchte Shô Kosugi, seine Martial-Arts-Fertigkeiten auch unter anderer Produktionsägide zum Erblühen zu bringen. Zumindest der erfahrene B-Regisseur Gordon Hessler vermochte Kosugi mit "Pray For Death" und dem nachfolgenden "Rage Of Honor" zwei den Cannon-Ninjas annähernd gleichwertige Kracher zu bescheren, wobei insbesondere der vorliegende Film hervorzuheben ist. "Pray For Death" steht Kosugis "Meisterwerk" "Revenge Of The Ninja" kaum nach. Erneut stellt die Geschichte zunächst die Hauptanforderung an mündige Erwachsene, sich der Intellektualität und Moralkonzeption eines Dreijährigen zu stellen, diesmal aus der entfesselten Feder James Booth' stammend, der speziell dem von ihm selbst verkörperten, diabolischen Bösewicht einige Extra-Fisimatenten auf das runzlige Kerbholz geschrieben hat.
Leider war ich einmal häufiger auf die alte deutsche VHS angewiesen, die nicht nur gecroppt aufgespielt ist, sondern selbst gegenüber der bereits zensierten US-R-Rated-Fassung nochmal Federn lassen musste. Immer noch einer meiner größten Veröffentlichungswünsche, dass da hierzulande (die Synchronfassung brauche ich aus nostalgischen Gründen unbedingt, sonst hätte ich zumindest die US-DVD) endlich mal was Ordentliches kommt. Bringen doch sonst auch jeden Driss für teuer Geld.

7/10

Gordon Hessler Japan culture clash Familie Rache Ninja Exploitation Martial Arts Selbstjustiz





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare