Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

EXTREME JUSTICE (Mark L. Lester/USA 1993)


"They don't care at all! They love us!"

Extreme Justice ~ USA 1993
Directed By: Mark L. Lester

Der junge LAPD-Sergeant Jeff Powers (Lou Diamond Phillips), oftmals verwarnt wegen aggressiver Methoden im Einsatz und bereits im Fadenkreuz der internen Untersuchung, stößt zur SIS, einer streng geheimen Polizei-Subdivision. Aufgabe der SIS ist es, just aus dem Gefängnis entlassene Wiederholungstäter so lang zu beschatten, bis sie ihr nächstes Verbrechen durchführen, um sie dann auf frischer Tat verhaften zu können. Doch die Befugnisse der SIS reichen inoffiziell noch weiter: Die meisten ihrer "Kunden" werden von den Cops vor Ort in tödlich endende Feuergefechte verwickelt. Als Powers, dessen früherer Partner Vaughn (Scott Glenn) die SIS-Einsätze leitet, hinter die fragwürdigen Funktionsprinzipien der Abteilung kommt und immer wieder feststellt, wie dort Menschenrechte mit Füßen getreten werden, entscheidet er sich für den Ausstieg...

Inoffizielle Todesschwadronen der Polizei, handelt es sich nun aus dem Dunkel heraus operierende oder gar um städtisch tolerierte, haben im Genrekino eine längere Tradition. Bereits der zweite "Dirty-Harry"-Film "Magnum Force" machte es zum Thema, nicht zuletzt, um die fragwürdigen Methoden seiner Hauptfigur moralisch abzugrenzen und gewissermaßen auch zu legitimieren. In Hyams' "The Star Chamber" wird dann sogar die Judikative zur reaktiv handelnden Institution, indem sie schuldigen, wegen der Beweislage jedoch offiziell freigesprochenen Gewalttätern nachträglich die Todesstrafe "zukommen" lassen. "Extreme Justice" steht in dieser Ahnenreihe. Hier allerdings steht die betreffende Organisation noch zusätzlich unter dem Deckmantel politischer Duldung: Los Angeles hat entschieden, dass diese Männer und ihre Verfahrensweisen notwendig sind, um Folgeverbrechen der zu observierenden Kriminellen zu verhindern und deren Bestrafung im Zweifelsfall gleich vor Ort vorzunehmen.
Lester ist nicht eben dafür bekannt, ein sonderlich filigran vorgehender Regisseur zu sein. Sein zwischen Anfang der Achtziger und Mitte der Neunziger entstandenes Hauptwerk erzählt zumeist ruppige Geschichten mit ruppigem Personal. Dem Thema "Selbstjustiz" kommt dabei häufig eine hervorgehobene Funktion zu. Schon "Class Of 1984" berichtete davon, dass in Härtefällen eine "Grundreinigung" stattfinden muss, um wieder Ruhe einkehren lassen zu können. "Extreme Justice" nimmt sich im Hinblick auf diese fatalistische Perspektive etwas zurück und positioniert sich mehr in der Mitte. Die Männer von der SIS werden als durchweg gestört charakterisiert: Schießwütige Waffennarren, Zyniker, Alkoholiker, Soziopathen. Einer von ihnen (Richard Glove) zerbricht angesichts seiner Taten und nimmt sich das Leben. Die übrigen haben längst die Grenzen zwischen Vetretbarkeit und Faschismus überschritten. Sie sind mittlerweile kaum mehr besser als der von ihnen verfolgte Abschaum. Powers' Kehrtwende ist also auch ein Stück weit von Selbsterhaltung geprägt: So möchte man schließlich nicht enden in jungen Jahren.

7/10

Los Angeles Mark L. Lester Selbstjustiz


Foto

8MM (Joel Schumacher/USA, D 1999)


"DIE! FUCKER DIE! DIE!"

8MM ~ USA/D 1999
Directed By: Joel Schumacher

Der eher ungern im Trüben stochernde Hochglanz-Detektiv Tom Welles (Nicolas Cage) wird von der betagten Witwe Mrs. Christian (Myra Carter) engagiert, die Herkunft eines 8MM-Snuff-Filmes zu untersuchen, den sie im Safe ihres verstorbenen Mannes, eines reichen Wirtschaftsführers gefunden hat. In dem kurzen Film wird ein Mädchen (Jenny Powell) von einem Maskenmann (Chris Bauer) misshandelt und schließlich abgeschlachtet. Welles soll herausfinden, ob es sich um gestellte Aufnahmen oder authentische Aufnahmen handelt. In Los Angeles kommt er mithilfe eines stenefirmen Amateurmusikers (Joaquin Phoenix) einem Snuff-Ring auf die Spur, dem der New Yorker Dino Velvet (Peter Stormare) vorsteht. Tatsächlich wurde Mary Ann Matthews, so der Name des Mädchens, vor der Kamera ermordet. Der längst vollkommen konsternierte Welles entwickelt zunehmend ungebremste Aggressionen gegen die Täter...

Wo "Falling Down", bis zu gewissem Grad ja ebenfalls eine Beschäftigung mit dem Topos 'Vigilantismus', zumindest noch einen Rest von Diskutabilität aufweist, nimmt sich "8MM" auf das denkbar Biederste konservativ aus. Nach Andrew Kevin Walkers umwerfendem "Se7en"-Script war einiges von dem Autoren zu erwarten, dass er jedoch mit einem derart plumpen Konstrukt um die Ecke kommen sollte, finde ich, speziell im Hinblick auf die Qualität des literarischen "Vorgängers", noch heute problematisch. Glücklicherweise rettet sich "8MM" gegen Ende noch halbwegs über die Runden durch seine unfreiwillige Komik, die das moralisch hochentrüstete Kartenhaus, das der Film zuvor mit großer Geste errichtet hat, in sich zusammenstürzen lässt. Nicolas Cage, nach meinem Empfinden schon immer ein Mann, der die vielen lächerlichen Stoffe, an deren Ausführung er sicherlich primär des Geldes wegen mitwirkte, als solche erkannt hat und ihnen durch gezieltes overacting entsprechend "Tribut" zollt, als Objekt der Entrüstung in den Mittelpunkt zu stellen, war ein personeller Schachzug, dem der Film verdankt, dass er nicht gleich umweglos in die Tonne wandern sollte.
Das "8MM" zugrunde liegende Menschenbild trägt Zeugnis einer fanatischen, wenn nicht pathologischen Abscheu vor jedwedem sexuell Normabseitigen. Allein Welles' erster aktiver Kontakt mit der Pornoszene ist bereits so inszeniert, dass der Ruch des Widerlichen und Perversen sich bis weit vor die Leinwand erstreckt - Cages permanent und zunehmend angeekeltes Gesicht spricht Bände. Als er im weiteren Filmverlauf auf einem einschlägigen Hinterhofbasar das Cover eines Kinderpornos in die Hand nimmt, wischt er selbige danach voller Widerwillen an seinem Revers ab. Doch Welles' steigt noch weiter hinab in die neun Inferni der Pornographie, um am Ende personell mit ihrer niederträchtigsten Form konfrontiert zu werden, selbstverständlich symbolisiert durch ein repräsentatives Quartett des denkbar übelsten menschlichen Abschaums: Den schmierigen Regisseur (Stormare), das abartige Muttersöhnchen (Bauer), den abgewichsten casting agent (James Gandolfini) und den korrupten, schnauzbärtigen Hochglanzanwalt (Anthony Heald). Die zwei, die sich nicht aus wechselseitigem Misstrauen gegenseitig umgebracht haben, richtet Welles, nachdem er sich moralisch durch eine Anfrage bei Muttern Matthews (Amy Morton) legitimiert hat, mit symbolischem, feurigem Cherubsschwert. Danach kehrt er bitterlich weinend in den reinigenden Schoß seiner jungen Familie zurück - die Welt hat ihn wieder, mitgenommen zwar, aber durch seine Gewaltakte vom Erlebten geläutert und gereinigt.
Als trashige Spaßgranate funktioniert "8MM", besonders, da er sich so gern als Manifest der moralischen Entrüstung verstünde. Als ernstzunehmender Genrefilm, also das, was er zu sein vorgibt und wünscht, ist er somit nachgerade erbarmungswürdiger Dreck.

4/10

Joel Schumacher Snuff Subkultur Pornographie Los Angeles New York Familie Selbstjustiz Rache


Foto

FALLING DOWN (Joel Schumacher/USA 1993)


"I'm on the other side of the moon now and everybody is going to have to wait until I pop out."

Falling Down ~ USA 1993
Directed By: Joel Schumacher

An einem besonders heißen Sommertag dreht der ohnehin latent psychiotische Bill Foster (Michael Douglas) durch und bahnt sich seinen Weg durch Los Angeles von Pasadena bis nach Venice. Fosters kleine Tochter Adele (Joey Hope Singer) hat Geburtstag und obgleich Foster sich Frau (Barbara Hershey) und Kind per Gerichtsbeschluss nicht mehr nähern darf, setzt er sich, einer Dampfwalze gleich, in Bewegung. Auf seinem Weg wird er Zeuge der Schattenseiten der Stadt und schon nach wenigen Metern verwandelt sich seine kleine Reise in einen Amoklauf, die eine Schneise der Angst und Zerstörung quer durch die Stadt hinterlässt.

Wenn man betreffs "Falling Down" schon von politischer Implikation sprechen muss, so bitte nur kurz - ein unleidliches Thema. Eine buchstäblich reaktionäre Tendenz ist dem Film natürlich nicht abzuleugnen. Er jongliert mit klassischen Wutbürger-Themen wie Einwanderung, ethnischen Unruhen, ökonomischem Ungleichgewicht und der hoffnungslosen Überforderung der staatlichen Instanzen. Beeinflussbare Gemüter mögen darin unschwer nachvollziehbare Geisteshaltungen ausmachen und darum ist Schumachers Film ideologisch nicht unbedenklich. Wenngleich an der psychischen Labilität Bill Fosters, denn die Credits analog zu seinem Nummernschild martialisch als "D-Fens" ausweisen, kein Zweifel offen bleibt, widersteht "Falling Down" nicht der Versuchung, ihn als tragischen Antihelden zu glorifizieren, ein Opfer der allgemeinen und individuellen Umstände, dessen permanente Einschüchterungsaktionen letzten Endes als universelle Warnungen zu verstehen sind und dessen zwei aktive Totschläge im Laufe seines Stadttrips aus Notwehr beziehungsweise im Zuge eines vom Opfer provozierten Unfalls heraus stattfinden.
Trotz all dieser Bedenklichkeiten gelang Schumacher mit "Falling Down" ein guter, streckenweise sogar exzellenter Film. Abseits seiner oberflächlichen, sicherlich gezielt populistischen Verhandlungen demoskopischer Themen berichtet er nämlich auch in mithin poetischer Form von einem heißen urbanen Sommertag, der bekanntlich dazu taugt, anfällige Menschen irrational agieren zu lassen, von einem unmittelbar vor der Pension stehenden Polizisten (Robert Duvall), der als ultima ratio zu Bill Fosters Antagonisten wird und bietet zudem einen virtuellen Streifzug durch die eher unschönen, nichtsdestotrotz jedoch existenten Gegenden von Los Angeles. Mit Duvall, Frederic Forrest und Barbara Hershey befinden sich drei Schlüsselschauspieler New Hollywoods im Film, deren konzentrierte Mitwirkung durchaus den Schluss zulässt, dass "Falling Down", gewissermaßen ohnehin ein westcoast heir von "Taxi Driver", auch wunderbar zwanzig Jahre zuvor hätte entstehen können. Ob er dann allerdings so fruchtbar diskutabel ausgefallen wäre, ist müßige Gedankenspielerei.

8/10

Joel Schumacher Los Angeles Amok Familie Duell Madness Sommer Venice Beach Selbstjustiz


Foto

ZERO DARK THIRTY (Kathryn Bigelow/USA 2012)


"How about a new V10 Lamborghini? How's that for friendship? "

Zero Dark Thirty ~ USA 2012
Directed By: Kathryn Bigelow

Die Jagd nach dem verschollenen Al-Qaida-Kopf Osama Bin Laden wird für die CIA-Agentin Maya (Jessica Chastain) nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zur obersten Existenzmaxime. Über Jahre hinweg vernachlässigt sie ihr eigenes Privatleben, geht verbissen den Spuren von Verbindungs- und Mittelsmännern nach, arbeitet sich so hierarchisch bis in das Wuzelwerk der Terrorzelle vor und muss Vorgesetzte und Außendienstleiter immer wieder dazu anhalten, die Suche nicht aufzugeben. Am 2. Mai 2011 wird ihre Verbissenheit schließlich belohnt: Im Zuge einer verdeckten Militäroperation wird Bin Ladens Haus in Pakistan gestürmt und der berüchtigte Terrorist erschossen.

Neben seiner, wie von Bigelow gewohnt, ganz allgemein minutiösen, meisterlichen Inszenierung und der detaillierten Nachzeichnung der Jagd auf Bin Laden nimmt "Zero Dark Thirty" vor allem aufgrund der gezeigten Arbeitsweisen der CIA für sich ein. Folter, Bestechung, das Verprassen unmäßiger Geldsummen und Arbeitsressourcen für eine reine Racheaktion, die auch noch jedwedes Menschenrecht mit Füßen tritt, demonstrieren nicht nur die erschreckend weitreichenden Befugnisse des Geheimdienstes als zusätzliche Macht im Staat, sondern regen prinzipiell zu neuerlichem Sinnieren über die Existenzberechtigung jener ja bereits seit ihren Anfängen im Kritikfokus stehenden Institution an. Letztlich wird die Exekution Bin Ladens - und um eine solche handelt es sich zumindest aus der Fimperspektive zweifelsohne - zu einem exemplarischen Vergeltungsakt, der nicht nur den Präsidenten und seine Nation zufriedener schlafen lassen, sondern vordringlich die US-feindlichen Bevölkerung der Welt warnen soll: "Legt euch nicht mit uns an, wir jagen, finden und töten euch!"
"Zero Dark Thirty" hält sich selbst relativ unpolitisch und gibt sich mit einer neutralen, wenngleich fesselnden Sektion der Ereignisse zufrieden. Die weibliche Hauptfigur bleibt weithin anonym; bis auf ihren Hang zu verbittertem Ehrgeiz und ihre Vorliebe für Energy Drinks und Fast Food erfährt man wenig bis gar nichts über sie. und dennoch verleiht die immens präsente Jessica Chastain ihr ein Gesicht, macht sie und das Sujet insgesamt etwas nahbarer und menschlicher.

9/10

Kathryn Bigelow Terrorismus 11. September CIA Pakistan Historie


Foto

TRANCE (Danny Boyle/UK 2013)


"The memory cannot be destroyed."

Trance ~ UK 2013
Directed By: Danny Boyle

Der bei einem Auktionshaus beschäftigte Simon (James McAvoy) hilft dem Ganoven Franck (Vincent Cassel) und seiner Gang, einen wertvollen Goya zu stehlen, versteckt ihn jedoch im allgemeinen Aufruhr und leidet hernach an einer durch einen Gewehrkolbenschlag hervorgerufenen Amnesie. Das Gemälde bleibt verschwunden. Um dessen Versteck zu enthüllen, soll Simon sich einer Hypnotherapie unterziehen. Er selbst wählt die Therapeutin Elizabeth (Rosario Dawson) aus, sein Gedächtnis zu ordnen, verrliebt sich jedoch nach kurzer Zeit in sie. Damit beginnt ein für alle Beteiligten zunehmend gefährliches Vexierspiel, in dessen Unordnung Simon sich bald nicht mehr auskennt.

In seiner bewährt aufwändigen, undurchdringlich-collagenhaften Form widmet sich Danny Boyle zum ersten Mal seit seinem Debüt wieder einer originär kriminalistischen Geschichte, die, ähnlich wie das "Shallow Grave" im Laufe ihrer Entwicklung enthüllt, zu welchen Verworfenheiten gierige und besitzergreifende Zeitgenossen fähig sind und die die meisten ihrer Mitspieler als bestialische Moralhuren denunziert. Schön. Da Boyle, zumindest was mich anbelangt, eine trotz der wesentlichen Boshaftigkeit seiner Geschichte flächige, entspannte Betrachtung begünstigt, mag ich seine Filme ohnehin stets sehr. Ich kann mir vorstellen, dass der bei der Erstbeschau zwangsläufig recht konzentrationsintensive, inhaltliche Aspekt sich bei Wiederholungen wesentlich geschmeidiger ausnimmt und in den Hintergrund tritt, woraufhin die audiovisuellen Vorzüge von "Trance", der einmal mehr von seiner prachtvollen Einfärbung in Verbindung mit sphärischen Klängen lebt, deutlich entspannter zu genießen sein werden. Hat mir gut gefallen.

8/10

Danny Boyle Hypnose Heist London Psychiatrie


Foto

GET THE GRINGO (Adrian Grunberg/USA 2012)


"Is this a prison or the world's shittiest mall?"

Get The Gringo ~ USA 2012
Directed By: Adrian Grunberg

Seine spektakuläre Flucht über die mexikanische Grenze bringt ihn auch nicht weiter: Der Driver (Mel Gibson) landet in einem Ausnahmeknast auf der anderen Seite, derweil seine zuvor erbeuteten zwei Millionen Dollar von einem Paar korrupter Cops in Gewahrsam genommen wird. Als der Driver im Gefängnis einen Jungen (Kevin Hernandez) und dessen Mutter (Dolores Heredia) kennenlernt, entwickelt er familiäre Gefühle. Um sowohl die beiden als auch sein sauer erbeutetes Geld in Sicherheit zu bringen, entwickelt er einen ausgebufften Plan, der einen US-Geschäftsmann (Thomas Kaufman) zum Dreh- und Angelpunkt hat...

Mel Gibson seit langem mal wieder als bad ass wie man ihn dereinst, als es noch nicht verpönt war, lieben durfte; nicht ganz mit der opportunistisch-fatalistischen Resignation eines Max Rockatansky versehen, aber zumindest ein Martin Riggs der Gegenseite. Es müssen eine ganze Menge fieser und mieser Typen dran glauben, wenn der ansonsten namenlose 'Driver' in die Offensive geht und neunundneunzig Prozent von denen haben es auch verdient.
Das verschwitzte, nach mexikanischem Bier und Tacos riechende Grenz-Ambiente wird in "Get The Gringo" geradezu aromatisch wahrnehmbar; man fühlt sich bei Gibson, der nebenbei keine Scheu zeigt, die Alterungsspuren seiner verbraucht wirkenden Physiognomie unverblümt in die Linse zu halten, an Ikonen wie Lee Marvin und Steve McQueen erinnert. Abgeklärt, vom Leben gezeichnet und daher auch von nichts Argem mehr zu überraschen. Zwischendurch hat es eine blutige Großschießerei in gedehnter Zeitlupe, die überdeutlich an analoge Szenen bei Peckinpah und Hill gemahnt. Ich schätze, viel mehr braucht es wohl auch gar nicht, um sich zufrieden zu finden.

8/10

Adrian Grunberg Mexiko Kalifornien Gefängnis


Foto

BULLET TO THE HEAD (Walter Hill/USA 2012)


"I take out the trash."

Bullet To The Head (Shootout - Keine Gnade) ~ USA 2012
Directed By: Walter Hill

Nachdem die beiden Auftragskiller Jimmy Bobo (Sylvester Stallone) und Louis Blanchard (Jon Seda) in einem Hotel in New Orleans den korrupten New Yorker Cop Greely (Holt McCallany) erledigt haben, sollen auch sie beseitigt werden. Berufsgenosse Keegan (Jason Momoa) verfehlt Jimmy jedoch, woraufhin dieser sich mit Greelys aufrechtem Ex-Kollegen Kwon (Sung Kang) zusammenschließt, um den Hintermännern auf die Spur zu kommen. Dabei kommen sie einem großangelegten Grundstücksschwindel auf die Spur, dessen Initiatoren ihre Leute überall haben und überhaupt keinen Spaß verstehen.

Ein neuer Film von Walter Hill ist grundsätzlich immer ein Ereignis, zumal seine letzte Arbeit fürs Kino nunmehr zehn Jahre zurückliegt. Wenn der Altmeister dann auch noch nach Louisiana zurückkehrt, um dort ein Buddy Movie mit einem moralethisch völlig diametral angelegten Protagonistenpaar nach dem Vorbild der "48 Hrs."-Filme und "Red Heat" zu kreieren, dann darf man zu recht Großes erwarten. Nun, diese Antizipation findet sich leider nicht zur Gänze erfüllt. Basierend auf einem französischsprachigen Comic und bezüglich seines Scripts bietet "Bullet To The Head" klassische Genreschule und den Versuch eines rückgewandten Brückenschlages zu den Achtzigern ohne den Versuch postmodernistischer Manierismen und Autoreferenzen wie sie zuletzt im ernstzunehmenden Genrefilm nicht nur en vogue, sondern geradezu unverzichtbar geworden zu sein schienen. Hills Film gibt sich trocken-brutal ohne sich selbst zuviel zuzumuten, lebt von der politisch unkorrekten Leichtigkeit seiner Urahnen und verzichtet auf existenzialistischen Weltschmerz. Warum jedoch nicht die albernen jump cuts und die Montagemätzchen mit den überbelichteten Silhouetten weggelassen werden mochten (oder konnten), erschließt sich mir nicht. In ihrer Penetranz und permanenten Repetition reißen sie "Bullet To The Head" völlig unnötig ein. Ob damit eine wie auch immer geartete Aktualität oder zwanghaft moderne Anbindung suggeriert werden sollte? Dem gilt es wohl beizeiten nachzugehen, für mich verdirbt genau diese unnütze, ja, hilflose Anbiederung an schickes Zeitambiente die ansonsten gelungene Form des Films und damit einhergehend sein eigentlich positives Gesamtbild. Nennt mich erzpuristisch, aber derlei brauchte früher keiner und heute auch nicht.

7/10

Walter Hill New Orleans Louisiana Südstaaten Profikiller Rache Buddy Movie


Foto

THE STEPFORD WIVES (Bryan Forbes/USA 1975)


"Well, that's why we're moving to Stepford."

The Stepford Wives (Die Frauen von Stepford) ~ USA 1975
Directed By: Bryan Forbes

Die Familie Eberhart zieht vom lauten, schmutzigen New York in das upstate gelegene, scheinbar beschauliche Kleinstädtchen Stepford. Die emanzipierte Ehefrau und Mutter Joanna (Katharine Ross) fühlt sich dort alles andere als wohl: Die in Stepford vorherrschenden Strukturen sind streng patriarchalisch geprägt; die Männer verdienen allesamt gutes Geld als hochgestellte Technikingenieure und Manager, derweil die Frauen ihre beschränkten Rollen als emsige Hausmütterchen auch noch mit großer Zufriedenheit ausfüllen. In der resoluten Bobbie Markowe (Paula Prentiss) findet Joanna eine gute Freundin und Gesinnungsgenossin, doch die Versuche der beiden Frauen, andere Geschlechtsgenossinnen mit sich zu ziehen und zu mehr Selbstbewusstsein zu führen scheitern an deren stumpfer Apathie. Als sich nach einem vorgeblichen Wochende außerhalb schließlich auch die vormals lustige Bobbie in eine biedere Hausfrau verwandelt hat, sieht Joanna ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden: Die Frauen von Stepford sind nicht sie selbst...

Brillante Levin-Verfilmung, die sich die Invasions- und Indoktrinationsfilme der Fünfziger zum Vorbild nimmt, in denen immer mehr Menschen aus der kleinstädtischen Nachbarschaft durch Substitute ersetzt werden und sich urplötzlich allesamt emotional neutralisiert und gleichförmig zu benehmen beginnen, man denke an "Invaders From Mars", "It Came From Outer Space" oder "Invasion Of The Body Snatchers". Die damals subtil vorgetragene, westliche Paranoia bezüglich einer kommunistischen Unterwanderung konkretisiert und modernisiert "The Stepford Wives" in einer klugen Feminismus-Satire. In Stepford, einer verbalen Verballhornung des Industrieslogangs "a step forward", gehen die Männer einen reaktionären Pakt ein: Um die Frauen zu bekommen, die sie wollen - unterwürfig, unkompliziert, ein bisschen dumm, kinderlieb, häuslich, treu, arbeitsam, sauber und besonders ins sexueller Hinsicht nicht nur angepasst, sondern stets aufopferungsvoll, lassen sie sie durch äußerlich identische Androiden ersetzen. Hauptkonstrukteur dieser permanent lächelnden, seelenlosen Armee braver Hausmütterlein ist der ehemalige Disneyland-Techniker Dale Coba (Patrick O'Neal), ein offen misogyner Mann, der die Geschlechterrollen gern um ein Jahrtausend zurückgedreht wüsste. Feminine Mündigkeit ist für ihn wie für seine männlichen Mitbewohner ein unmögliches Paradoxon, also tut er etwas dagegen. Zwar sind seine Geschöpfe technisch nicht immer ganz ausgereift; kleine Verletzungen etwa bringen ihre Schaltkreise durcheinander, doch solche Störungen lassen sich beheben. Anders als zum Beispiel eine handfeste Ehekrise oder gar Scheidung. Dass die Geschichte am Ende den Mut zur Konsequenz besitzt, zeichnet sie nur umso mehr aus.

10/10

Bryan Forbes Familie Feminismus Kleinstadt Androiden Misogynie Satire Ira Levin Dystopie mad scientist


Foto

MISSION: IMPOSSIBLE - GHOST PROTOCOL (Brad Bird/USA, AE, CZ 2011)


"Our media is no more truthful than yours, American."

Mission: Impossible - Ghost Protocol (Mission: Impossible - Phantom Protokoll) ~ USA/AE/CZ 2011
Directed By: Brad Bird

Der durchgedrehte schwedische Atomwaffen-Experte Kurt Hendricks (Michael Nyqvist) ist der Ansicht, dass nur ein umfassender Atomkrieg eine kathartische Reinigung des Globus bewirken kann. Er benutzt eine auf ihn selbst gerichtete Mission des ahnungslosen Ethan Hunt (Tom Cruise), um einen Atomkoffer aus dem Kreml zu entwenden und eine Bombe im Gebäude detonieren zu lassen. Der IMF wird für die Explosion verantwortlich gemacht und offiziell aufgelöst. Hunt und sein Team, bestehend aus Jane Carter (Paula Patton), Benji Dunn (Simon Pegg) und dem hinzustoßenden William Brandt (Jeremy Renner) nehmen unautorisiert und auf eigene Faust die Verfolgung Hendricks' auf, um die Welt zu retten.

Den mit dem letzten, von J.J. Abrams inszenierten Zweitsequel eingeschlagenen Kurs verfolgt Brad Bird, vormals Stammregisseur bei Pixar, konsequent weiter und präsentiert eine neuerliche Hochglanz-Achterbahnfahrt, die das Prinzip des steten 'worst case scenario' zum dramaturgischen Primärstatut erhebt. Immer wieder stellen sich hunt und seinem emsigen Mitarbeitertrio scheinbar unüberwindbare Schwierigkeiten in den Weg, die diesmal primär auf dysfunktionale Technik und menschliches, wenngleich charmantes Versagen der Helden zurückzuführen sind. Natürlich agieren die vier Agenten in letzter Sekunde jeweils hinreichend professionell, um am Ende alles zum Guten zu wenden. Dabei spielen diverse Versatzstücke der bisherigen Filme kleine Rollen: Einbrüche in streng bewachte Festungen, Klettereien in pervers hohen Höhen (diesmal an der Außenfassade des Burj Khalifa) ein "schwebendes Verfahren" in einem Riesencomputer, eine wunderhübsche Heldin. Dazu gibt es einige hübsche personelle Referenzen an die Vorgänger, wobei die um Andreas Wisniewski, der seine Rolle aus dem ersten Film wiederholt, die netteste ist.
Die schwankende Qualität der Bond-Reihe hat das "Mission: Impossible"-Franchise damit mindestens erreicht, wenn nicht gar überboten. Grandioser Eskapismus mit dem permanenten Ruch einer "Playboy"-Lektüre ist das Resultat; audiovisuelle, exklusiv aufgemachte Reizüberflutung vom feinsten für den mondänen Herrn oder den, der ein solcher sein möchte, ohne jedweden intellektuellen Nachhall. Aber eines solchen verweigert sich die Serie ja - mit Ausnahme des ersten Films von De Palma vielleicht - seit jeher a priori, insofern ist alles in bester Ordnung.

8/10

Brad Bird Russland Moskau Ungarn Budapest Dubai Indien Mumbai Atombombe Madness Sequel J.J. Abrams


Foto

REYKJAVIK ROTTERDAM (Óskar Jónasson/IS, D, NL 2008)


Zitat entfällt.

Reykjavík Rotterdam ~ IS/D/NL 2008
Directed By: Óskar Jónasson

Kristófer (Baltasar Kormákur), vormals Matrose und Schmuggler, ist auf Bewährung draußen. Sein Geld als Wachbediensteter reicht jedoch hinten und vorne nicht, um eine vierköpfige Familie zu ernähren. Also lässt er sich von seinem betuchteren Kumpel Steingrímur (Ingvar Eggert Sigurðsson) überreden, eine weitere Tour nach Rotterdam und zurück als Alkoholschmuggler durchzuziehen. Dabei hat Steingrímur nur eines im Kopf: Er will Kristófer verpfeifen und so seine frühere Freundin Íris (Lilja Nótt Þórarinsdóttir), die schon seit Jahren mit Kristófer verheiratet ist, zurückgewinnen. Ferner zur Durchsetzung dieses Ziels lässt er Íris und ihre Kinder in Kristófers Abwesenheit von dem Ecstasy-Dealer Eiríkur (Jóhannes Haukur Jóhannesson) terrorisieren. In letzter Sekunde durchschaut Kristófer Steingrímurs böses Spiel.

Gut, einen Originalitätspreis mag Óskar Jónasson für seinen "Reykjavík Rotterdam" nicht eben gewinnen. Der Film ist vielmehr eine recht offensichtliche Nabelschau seiner prägenden Einflüsse: Deutliche, teilweise gar überdeutliche Reminiszenzen an "Once Upon A Time In America", Schroeders "Kiss Of Death"-Remake, Ritchies "Lock, Stock And Two Smoking Barrels" und Refns "Pusher"-Trilogie sind unübersehbar: Eine kleinkriminelle, hierarchisch gegliederte Subkultur entfaltet sich vor dem Zuschauerauge mit einem in Lebensfragen naiven Szeneaussteiger im Mittelpunkt, der jedoch nichts von seiner Profession verlernt hat, hinzu diverse mehr oder minder sympathische Gestalten, Drogenfreaks, Soziopathen und Gewalttäter sowie Subplots um Ecstasyschmuggel und den Raub eines unbezahlbaren Pollock. Doch Jónasson hat - zum Glück - ein großes Herz für seinen Antihelden und lässt ihn am Schluss, nachdem er sämtliche Hindernisse, bis auf sein eigenes Banausentum bezüglich großer amerikanischer Kunst, bravourös überwunden oder umschifft hat, mit seiner Familie glücklich werden. Ein wenig Optimismus tut auch dem Kleingangsterfilm mal ganz gut, speziell seinem spannungsgebeutelten Klienten. So wie Jónassons ganzer Film eine frische, gediegen komische Windböe im europäischen Genrekino darstellt. Wie erwähnt nicht sonderlich innovativ, aber doch blendend unterhaltend.

8/10

Familie Madness Óskar Jónasson Island Reykjavík Rotterdam Schmuggel Seefahrt





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare