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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DIE TOTENSCHMECKER (Ernst Ritter von Theumer/BRD 1979)


"Es gibt wos zu feiern, also hol wos zum saufn!"

Die Totenschmecker ~ BRD 1979
Directed By: Ernst Ritter von Theumer

Eine durchaus wohlhabende Bauernfamilie haust auf einer bayrischen Alm. Allerdings besteht das ländliche Heimat-Idyll bloß vordergründig: Der patriarchalische Gutsherr (Peter Jacob) führt ein strenges Regime und zwei seiner Söhne (William Berger, Herb Andress) wetteifern bereits um ihr Erbteil, derweil der dritte, geistig behinderte Sohn Franz (Klaus Fuchs), jedem bloß Angst einjagt. Die Jüngste, Tochter Anna (Maria Beck), ist hier ganz offensichtlich falsch aufgehoben, was deutlich wird, als sie sich in einen Zigeunerjungen (Sony Kaikoni) verliebt, der mit seiner Sippe in der Nähe campiert. Dem fahrenden Volk schlägt die ganze Verachtung der Bauersfamilie entgegen und bald kommt es zu exzessiven Gewalttaten, die jedoch gegen die Initiatoren zurückwallen.

Von Theumers Film blickt auf eine interessante Umtitelungsgeschichte zurück: Nach dem Originaltitel "Das Mädchen vom Hof", der mir durchaus respektabel scheint, wurde er unter anderem als "Der Irre vom Zombiehof" und "Die Totenschmecker" wiederaufgeführt - gelinde gesagt irreführende Benennungen. Zombies oder Ghouls gibt es nämlich keine in von Theumers (der hier übrigens unter dem urgermanischen Heimatfilmerpseudonym 'Richard Jackson' firmiert) schlichtem Almheuler, wohl aber ein paar Irre, wobei sich mittlerer Titel wohl auf Klaus Fuchs als blaubemannten, geifernden Inzestidioten kapriziert. Bei näherem Hinsehen hat man dann auch ganz schnell heraus, dass "Die Totenschmecker" eigentlich einen Western mit niederbayrischem Dialekt und vor pittoresker Bergkulisse markiert; ein wenig erinnert er zu gleichen Teilen an "The Unforgiven" oder "The Broken Lance", in denen ebenfalls die Hauptmotive 'Xenophobie' und 'Dynastiewechsel' tonangebend sind. William Berger schließlich in einer der Hauptrollen, ein Veteran des genreübergreifenden Italoploiters, bürgt für ein gewisses Maß cineastischen Klassizismus'.
Als ein Stück bundesrepublikanischen Dunkelkinos aus der Mottenkiste wiederentdeckens- und somit sehenswert.

6/10

Ernst Ritter von Theumer Bayern Zigeuner Inzest Familie


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OPPOSING FORCE (Eric Karson/USA 1986)


"If this doesn't matter, than what does anyway?"

Opposing Force (H.A.R.T - Spezialeinheit 500) ~ USA 1986
Directed By: Eric Karson

Eine Gruppe Soldaten der US-Air-Force, darunter die selbstbewusste Lt. Casey (Lisa Eichhorn). meldet sich zu einem Spezialtraining auf den Philippinen. Hier sollen mittels eines nahezu authentischen P.O.W.-Manövers die Standhaftigkeit und Willensstärke der 'Häftlinge' erprobt werden. Was die Teilnehmer des Experiments nicht ahnen: Der weithin autark arbeitende Lagerkommandeur Becker (Anthony Zerbe) ist längst seinem Machtkoller erlegen und spielt sich tatsächlich als Gefängnisaufseher auf. Für Becker stellt insbesondere die Teilnahme einer Frau eine besondere Herausforderung seiner Befugnisse dar. Als er die entscheidende Grenze überschreitet, schreitet Caseys Mitgefangener Logan (Tom Skerritt) zur Gegenwehr.

Ein weithin vergessener Genrebeitrag der Achtziger, der es verdient hätte, seinen Weg zurück ins Rampenlicht zu finden. Ohne ordinäre Exploitation abzuliefern gelingt es Eric Karsons bestem Film "Opposing Force", dereinst als "Clay Pigeons" angekündigt und auch unter dem wesentlich nichtssagenderen, spekulativen Titel "Hell Camp" gelaufen, eine psychologisch tragfähige Analogie über uniformierte Machtverführung und -missbräuche vor deftiger Genrekulisse zu erstellen, das zudem auch die noch relativ neue (Behauptungs-)Rolle von Frauen im Militärdienst analysiert, ohne dabei albern auszusehen. Der charismatische Tom Skerritt präsentiert sich nach "Alien" erneut als versagender Beschützer einer taffen leading lady, was hier und da ganz bewusst wohlige Erinnerungen wachruft, Anthony Zerbe ist ja ohnedies der geborene Ekelfiesling.
Formal nachlässig wird "Opposing Force" dann leider ausgerechnet zum Ende hin: Der aktionslastige Showdown ist hastig und schlecht montiert, als wäre es darum gegangen, den Film nur ja rechtzeitig zur Uraufführung parat stellen zu können. Dennoch kann diese liderliche und überflüssige Schlamperei den positiven Gesamteindruck glücklicherweise nicht zerstören.

7/10

Eric Karson Philippinen Militär Gefängnis Vergewaltigung


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SHARKY'S MACHINE (Burt Reynolds/USA 1981)


"You all right, partner?" - "Of course not, you asshole. I'm shot."

Sharky's Machine (Sharky und seine Profis) ~ USA 1981
Directed By: Burt Reynolds

Nachdem bei der Verfolgung eines Pushers (John Arthur) ein Busfahrer erschossen wurde, wird Atlanta-Cop Tom Sharky (Burt Reynolds) zur Sitte versetzt. Dort werden er und seine Kollegen mit der Observierung der Edelhure Dominoe (Rachel Ward) betraut. Sharky verliebt sich unbekannterweise in die Schöne, die Kontakte zu dem hohen Politiker Hotchkins (Earl Holliman) und einem obskuren Geschäftsmann namens Scorelli (Vittorio Gassman) pflegt. Als Dominoe vermeintlich erschossen wird - tatsächlich handelt es sich bei dem Opfer um ihre Mitbewohnerin Tiffany (Aarika Wells) - setzt Sharky alles an die Identifizierung der Übeltäter. Da wird er gewahr, dass die Ahnungslose doch noch am Leben ist - und somit eine wertvolle Kronzeugin gegen Scorellis Menschenhandelsorganisation.

Reynolds' dritte Arbeit als Regisseur ist zugleich seine beste, ein ebenso eigenbrötlerisches wie stilsicheres Stück Schwellenkino zwischen den Dekaden. "Sharky's Machine" verbindet hervorstechende Elemente aus beiden Welten der Siebziger und Achtziger; den angeschmuddelten Blick auf das Copdasein, wie ihn die wichtigen Gattungsbeiträge des Vorjahrzehnts pflegten und die gewalttätige Comicaction der herandämmernden Dekade. Sharky tritt mit seinen titelgebenden Partnern, die eigentlich doch bloß als Staffage für seinen ikonischen Alleingang herhalten müssen, weil er nämlich im Alleingang am effektivsten arbeitet, gegen übermächtige Gegner an; korrupte, wenngleich stützende Systempfeiler, mit deren Festsetzung durch den kleinen Vice-Squad-Cop ein Stück urbane Sozietät wegbrechen wird. Sharky wird verraten und gefoltert, kämpft gegen zwei brutale Chin-Killer (Dan Inosanto, Walter Levy) und gegen einen drogenpsychotischen Henry Silva, jener als overfiend ohnehin bekanntlich ein kommender, elementarer Mosaikstein des Achtziger-Actionkinos. Dabei nimmt sich Reynolds, der Regisseur alle Zeit der Welt für die Schilderung dder aufkeimenden Beziehung zwischen Cop und Callgirl (wobei er uns die Beschau von Rachel Wards aparter Auslage leider schuldig bleibt), reminisziert den klassischen film noir, direkt und vor allem Premingers "Laura" und scheint überhaupt stets Herr der Lage. Toller, sogar ganz toller Film.

9/10

Atlanta Georgia Burt Reynolds Prostitution Duell Menschenhandel


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BRUTE FORCE (Jules Dassin/USA 1947)


"Nobody ever really escapes."

Brute Force (Zelle R 17) ~ USA 1947
Directed By: Jules Dassin

Im Westgate-Hochsicherheitsgefängnis herrschen menschenunwürdige Zustände. Schuld daran trägt Oberaufseher Munsey (Hume Cronyn), vor dessen diabolischer Entschlossenheit selbst der Direktor (Roman Bohnen) buckelt. Oberflächlich präsentiert sich Munsey als großer Humanist, doch insgeheim intrigiert er gegen die Gefangenen, setzt Spione unter falschen Versprechungen ein, treibt verzweifelte Insassen in den Suizid und greift auch schonmal zur Folter. Für Joe Collins (Burt Lancaster) gibt es daher nur eine Lösung: Ausbruch.

"Brute Force" steht im Kanon der Knastfilme ganz oben, antizipiert er doch entscheidende Motive und Inhalte, die die Gattung bis heute verwendet. Mit einer besonders im Hinblick auf seine Entstehungszeit rigorosen Härte zeichnen Brooks und Dassin die Hoffnungslosigkeit des Gefängnisalltags für Langzeitinsassen. Längst sind ihre Taten gesühnt und spielen ohnedies keine Rolle mehr für ihre Existenz, hier, in diesem abgeschotteten Paralleluniversum, geht es einzig ums Überleben sowie darum, einen Rest psychischer Stabilität zu wahren. Für die Gewaltigen, wie Aufseher Munsey (man traut Cronyn kaum zu, dass er eine solch diabolische Seite herauszukehren imstand war), stellt indes das Verführungspotenzial der Macht die größte Gefahr dar. Die Verlockung, Macht über andere zu besitzen, körperlich Überlegene, gewalttätige Männer, korrumpiert Munseys Persönlichkeit und lässt ihn schließlich zum Minidiktator reifen. Am Ende steht eine tiefschwarze Conclusio: Es ist, wie es ist und wird sich absehbar nicht ändern.

10/10

Jules Dassin Richard Brooks Gefängnis film noir


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MIL GRITOS TIENE LA NOCHE (Juan Piquer Simón/E, USA, I, PR 1982)


"Bastard! Bastard! Bastard!"

Mil Gritos Tiene La Noche (Pieces - Stunden des Wahnsinns) ~ E/USA/I/PR 1982
Directed By: Juan Piquer Simón

Ein maskierter Serienkiller treibt auf dem Campus eines Bostoner College sein Unwesen. Für seine Mordtaten nutzt er vornehmlich eine Kettensäge, mit der er seinen ausschließlich weiblichen Opfern gezielter Gliedmaßen entledigt und diese dann entwendet. Lt. Bracken (Christopher George), die Undercover-Polizistin Mary Riggs (Linda Day) und der Student Kendall (Ian Sera) machen sich auf die Suche nach dem Schlächter.

Ein wunderhübscher, spanischer Slasher aus der Region um Absurdistan, garniert mit soviel Trotteligkeit, dass seine Reputation als unfreiwillige Komödie die als Gorefest eigentlich längst überboten hat. Dramaturgisch stimmt kaum etwas an diesem Schwachfug, ständig passieren komische Dinge, alles ist irgendwie albern, nichts will zusammenpassen. "Pieces" eben.
Die Dialoge glänzen mit ihrer ausgemachten Debilität, keinem der Opfer fällt es ein, sich gegen ihren Henker auch nur im Entferntesten effektiv zur Wehr zu setzen, ebenso urplötzlich wie versehentlich attackiert ein Karateka die nächtens umherwandernde Linda Day ("Oh, that's just my Kung-Fu-Professor"). Doch natürlich ergibt Simóns scheinbar eklektisches Patchwork schlussendlich ein treffliches, konzeptionell stabiles Gesamtbild ab: Nichts weniger als ein Manifest der Antikunst ist es!

6/10

Juan Piquer Simón Boston Serienmord Splatter Trash Exploitation Slasher


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NO ONE LIVES (Ryuhei Kitamura/USA 2012)


"No one lives."

No One Lives ~ USA 2012
Directed By: Ryuhei Kitamura

Hoag (Lee Tergesen) und seine kleine Gaunerclique stoßen nach einem big time versauten Coup zufällig auf ein reisendes Pärchen (Luke Evans, Laura Ramsey), das sie um ihre Besitztümer erleichtern wollen und in dessen Auto-Kofferraum sie eine entführte Millionenerbin (Adelaide Clemens) entdecken. Dummerweise entpuppt sich der Mann als ein Satan in Menschengestalt, der nach dem selbst initiierten Tod seiner Freundin zum alles niedermachenden Derwisch mutiert.

Anonyme 'Driver' im Film gab's, samtens in der Tradition von Ryan O'Neal stehend, mehrere in letzter Zeit: Ryan Gosling, Mel Gibson und jetzt Luke Evans. Irgendwie stecken die wirklich alle unter einer Decke, ikonographisch aufgezäumte Figuren mit einem gewissen Hang zu rücksichtsloser Gewaltausübung und einem mehr oder minder subtil behaupteten, grenzmythologischem Überbau. Wie viele Genrefilme seit "Saw" erweitert auch Kitamuras Neuer die Grenzen wieder um Nuancen. Der Killer entwickelt sich zum Helden, zum Super-Helden gar, zu einer entfesselten Naturgewalt, getrieben von einem mehor oder minder komplexen moralischen Seinskonstrukt. Vorbei die Zeiten der inzestuösen, tumben Schlächter und maskierten boogey men - hier kommt die neue Slasherklasse: Der gut aussehende, kultivierte, sogar intellektuelle Zerhacker, der seinen Körper rambogleich zu einer kompakten Killermaschine gestählt hat und sich nicht mehr mit Serientaten zufrieden gibt. Der 'Driver' ist nämlich, darauf legt er selbst höchstpersönlichen Wert, nicht nur ein Serien- sondern ein Massenmörder, der hier und da im großen Stil blanke Platte macht und mit dem überlebenden, weiblichen Opfer jeweils Besonderes vorhat. Darin liegt jedoch zugleich auch das Dilemma des Films, der mit Ausnahme seiner prachtvollen, wenngleich nicht mehr grenzauslotenden Gewalteffekte kaum Brücken zum Zuschauer zu schlagen in der Lage ist. "No One Lives" findet sich getragen von einer merkwürdigen Leere, von einer nach innen gerichteten Gleichgültigkeit, ganz so, als habe Kitamura, dessen "Midnight Meat Train" deutlich stimmungsvoller ausfiel, nur wenig persönliche Ambition in das Projekt hineingegeben. Am Ende bleibt ein entsprechend egaler Film, der ohne seine fünf, sechs aufsehenerregenden Barbarismen so schnell vergessen wäre, wie es dauert, ihn zu schauen.

5/10

Ryuhei Kitamura Serienmord Splatter Louisiana Südstaaten Nacht Rache Belagerung


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THE ENTITY (Sidney J. Furie/USA 1982)


"Welcome home, cunt."

The Entity ~ USA 1982
Directed By: Sidney J. Furie

Eines Abends wird Carla Moran (Barbara Hershey), junge, alleinerziehende Mutter von drei Kindern, in ihrem Vororthaus vergewaltigt - von einem unsichtbaren Wesen, vermutlich einem Geist oder Dämon. Ihr kurz darauf konsultierter Psychiater Dr. Sneiderman (Ron Silver), der sich zunehmend stark in den ungewöhnlichen Fall einbindet, führt dieses "Erlebnis" auf schwere sexuelle Schuldkomplexe Carlas zurück und diagnostiziert bei ihr Angstzustände und Wahnvorstellungen. Doch das übernatürliche Wesen stellt Carla bald auch außer Haus nach und das furchtbare Vergewaltigungserlebnis wiederholt sich immer und immer wieder, schließlich sogar unter Zeugen, welche das Ungetüm sogar davon abhält, Carla zur Hilfe zu kommen. Schließlich befasst sich, ganz zu Sneidermans Unwillen, der die folgenden Aktionen für bloße Scharlatenerie hält, eine parapsychologische Wissenschaftlergruppe mit dem Phänomen und versucht, den Geist im Zuge eines Feldexperiments zu fangen.

Beeindruckender, kleiner Genreklassiker, der sich auf einen angeblich authentischen Fall beruft und der ganz besonders von seiner minutiösen wissenschaftsaffinen Aufbereitung der ihm zugrunde liegenden Geschichte lebt. Tatsächlich ist man angesichts der persönlichen Schilderungen von Carlas Vergangenheit und Sexualentwicklung geneigt, dem bodenständigen Dr. Sneiderman beizupflichten, der offensichtlich selbst mehr als ein rein professionelles Interesse an seiner Patientin an den Tag legt und sie nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor einer von ihm fehlinterpretierten Sensationsgier seiner akademischen Genossen zu retten versucht. Script und Film jedoch stellen sich da ganz eindeutig auf Carlas Seite: Es blitzt, es zischt - zu sehen ist nischt. Abgesehen von fotografisch und filmisch dokumentierten Entladungen aus dem Nichts, mutmaßlichen Geistersilhouetten und unsichtbaren Händen, die in gemeinster Weise Carlas Köper (respektive einen speziell angefertigten Nackt-Dummy) begrapschen.
"The Entity" hätte ein kleines Meisterwerk werden können, hätte man auf jene visualisierten Eindeutigkeiten verzichtet und dem Zuschauer die Entscheidung überlassen, zwischen paranormalen und psychischen Ereignissen wählen zu dürfen. So bleibt bei aller übrigen Sorgfalt der Erzählung stets ein latenter Beigeschmack geflissentlich fehlgeleiteter exploitation. Denn in seiner psychologisch durchaus tragfähigen Schilderung verbauter weiblicher Sexualität und entsprechender Bedürfnisse, gekoppelt mit einer hier und da zum Bizarren tendierenden, heimlichen Erfüllung derselben (als die Entität Carla einmal im Schlaf vergewaltigt, bekommt sie, wie sie später schuldbewusst zugibt, einen Orgasmus) erweist sich "The Entity" als überaus stark. Erschütternd offen zudem das Ende, das eine von den Ereignissen gestärkte Carla Moran zeigt, die sich nach Verzweifung und Depression bis hin zur Todesakzeptanz mit ihrem Los arrangiert, sich selbigem gewissermaßen sogar mit offenen Armen fügt.

8/10

Sidney J. Furie Kalifornien Dämon Spuk Familie Vergewaltigung Psychiatrie Parapsychologie


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THE ICEMAN (Ariel Vromen/USA 2012)


"I'm good at what I'm doing."

The Iceman ~ USA 2012
Directed By: Ariel Vromen

Der in der Pornokino-Branche tätige Richard Kuklinski (Michael Shannon) hat ein völlig moralbefreites Verhältnis zur Gewaltanwendung. Als Kind von seinen regelmäßig und schwer Eltern misshandelt, genügt es dem erwachsenen Kuklinski nur, wenn ihn jemand schief ansieht, um diesen hernach schnell und unauffällig zu töten. Als der Mafiascherge Roy DeMeo (Ray Liotta) Wind von Kuklinskis "Qualitäten" bekommt, heuert er ihn als Auftragskiller an - wobei er ausschließlich Männer angreift und beseitigt. Diese Tätigkeit ermöglicht Kuklinski und seiner parallel zu seinen grausamen Aktiitäten gegründeten Familie ein wohlsituiertes Leben. Trotz seiner einerseits liebevoll-aufopfernden Art werden seine Frau Deborah (Winona Ryer) und Töchter (McKaley Miller, Megan Sherrill) immer wieder Zeugen irrationaler Gewaltausbrüche bei Richard. Über zwei Jahrzehnte nach der Hochzeit mit Deborah wird er in ihrem Beisein im Zuge eines Großeinsatzes des ATF verhaftet - ohne dass seine Frau bis dato um das Doppelleben ihres Mannes weiß.

Der authentische Richard Kuklinski, der 2006 im Gefängnis verstarb, bildete den seltenen Fall eines pathologischen Serienkillers, der seine Obsession zum Beruf machen "durfte": Nachdem er sich bereits in seinem sozialen Umfeld einen Ruf als gewaltbereiter Totschläger erworben hat, mit dem man sich besser nicht anlegen sollte, wenn einem sein Leben lieb war - zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits mehrere Menschenleben auf dem Gewissen-, trat die Mafia mit ihm in Kontakt. In den folgenden Jahrzehnten trieb er zwischen zwischen zwei unvereinbaren Welten hin und her - der des nach außen idyllischen Familienlebens mit kleineren Hinweisen auf sein soziopathisches Innenleben und der von Verbrechen und Gewalt. Wie viele Menschen Kuklinski zum Zeitpunkt seiner Verhaftung im Jahre 1986 tatsächlich auf dem Gewissen hatte, ließ sich nie verifizieren. Offizielle Angaben schwanken zwischen 100 und 250 Opfern.
Vromens auffallend spät entstandene Filmbiographie um Kuklinski streift nur Blitzlichter und einzelne Ereignisse in dessen Leben, setzt im Protagonistenalter von 29 Jahren ein und komprimiert die folgenden 22 Jahre mittels einer fast dokumentarischen Abgeklärheit. "The Iceman" verweigert sich großen emotionalen Gefällen und schildert Kuklinski so, wie er wohl tatsächlich war - als einen stillen, zu explosiven Ausbrüchen neigenden Hünen, dem jedwede Sympathie für das Menschengeschlecht bereits in frühester Biographie herausgeprügelt wurde und der im Gegensatz dazu seine Familie geradezu äffisch vergötterte. In manchen Punkten verweigert sich das Script zugunsten der Akzentuierung seiner im Grunde bipolaren Existenz einer akkuraten Authentitzität, so wird Kuklinskis Sohn völlig außen vor gelassen, ebenso wie die Tatsache, dass er seine Frau häufig geschlagen haben soll. Einen Höhepunkt bildet die formidable Besetzung von "The Iceman" - neben dem beängstigend-monströsen Shannon bleiben Auftritte von Robert Davi, David Schwimmer, Stephen Dorff und James Franco in dankbarer Erinnerung.

8/10

Ariel Vromen Biopic period piece Mafia New York Profikiller Familie Madness New Jersey Serienmord


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THE EXORCIST III (William Peter Blatty/USA 1990)


"I think the dead should shut up, unless there's something to say."

The Exorcist III ~ USA 1990
Directed By: William Peter Blatty

Fünfzehn Jahre nach dem seltsamen Fall um das anscheinend besessene Mädchen Regan MacNeil und den anschließenden Tod des Paters Damien Karras (Jason Miller) verbindet den damals ermittelnden Lt. Kinderman (George C. Scott) und den ebenfalls mit der Sache verbundenen Pater Dyer (Ed Flanders) eine tiefe Freundschaft. Da geschieht Seltsames: Obschon ein von den Medien "Gemini-Killer" getaufter Serienkiller (Brad Dourif) bereits vor Jahren hingerichtet wurde, werden neuerlich in und um Georgetown Morde nach genau seinem Tatschema verübt. Auch Dyer wird während eines Krankenhausaufenthalts eines seiner Opfer. Kinderman untersucht das Verbrechen tief getroffen vor Ort und stößt im geschlossenen psychiatrischen Trakt auf einen Patienten, der Pater Karras sehr ähnlich sieht, zugleich jedoch von sich selbst behauptet, der Gemini-Killer zu sein. Als Kinderman herausfindet, zu was der eingesperrte Mann fähig ist, ist es fast schon zu spät.

Erstaunlich geschlossenes Zweitsequel, das von den wirren Anti-Konzeptionen Boormans sehr weit entfernt ist und an dessen Statt einen sauberen Bodyswitch-Horror-Plot vorlegt, nur, dass darin eben die Charaktere aus dem thematisch nur marginal anverwandten Original-"Exorcist" bemüht werden und dessen Romanautor Blatty es sich nicht nehmen ließ, seinen Folgeroman "Legion" zu einem ordentlichen Script aufzubereiten und selbst zu verfilmen. Wenngleich auch Blatty niemals die naturalistische Intensität erreicht, welcher Friedkin dereinst so erfolgreich schwarze Schwingen verlieh, so ist sein Film doch zumindest von einer zwingenden Eindeutigkeit beseelt und, anders als Boormans Erst-Sequel, an sich selbst als taugliches Genre- und Erzählkino interessiert. War bei Boorman noch vordringlich von Pater Merrin die Rede, derweil Pater Karras komplett ausgespart wurde, verhält es sich in "The Exorcist III" genau umgekehrt: So bedingt auch die offensichtlich von einiger Sympathie geprägte Beziehung zwischen Kinderman, Karras und im weiteren Sinne auch Vater Dyer förmlich das Wiederaufgreifen dieser interessanten Figuren. George C. Scott beerbt Lee J. Cobb in vollem Umfang, Ed Flanders ist kein großartiger Ersatz für William O'Malley - aber er scheidet ja auch recht früh wieder aus. Ansonsten gibt es einige wenige unheimliche Momente und den üblichen spiritistischen Mummenschanz mitsamt höllischem Tangens, der mir persönlich ja immer wieder massiv Laune macht.

8/10

William Peter Blatty Dämon Serienmord Sequel Freundschaft Kirche Washington D.C. Exorzismus


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AMERICAN ME (Edward James Olmos/USA 1992)


"Welcome to the clika, carnal!" - "Por vida, ese, por vida."

American Me (Das Gesetz der Gewalt) ~ USA 1992
Directed By: Edward James Olmos

Montoya Santana (Edward James Olmos), einer der führenden Chicano-Drogenbosse Kaliforniens, blickt während eines weiteren Gefängnisaufenthalts, den er eigentlich gar nicht selbst zu verschulden hat, auf sein verpfuschtes Leben zurück. Geboren als Vergewaltigungresultat während einer Sauftour von Navy-Matrosen hat sein nomineller Vater (Sal Lopez) ihn nie wirklich annehmen oder akzeptieren können. Diese fehlende Liebe macht sich früh bemerkbar: Als Jugendlicher (Panchito Gómez) gerät Santana in die keimende Gangszene von East L.A., landet bald darauf im Knast und passt sich nicht nur zur Gänze den dort vorherrschenden Strukturen an, sondern bestimmt diese in entscheidender Weise mit. Nachdem er seinen ersten Mord infolge einer an ihm vollzogenen Vergewaltigung begangen hat, landet Santana in Folsom und wird dort zum Anführer der Chicano-Gruppe 'EME'. Er verbringt lange Jahre im Gefängnis und organisiert ein mächtiges Drogennetz, das relativ mühelos seine Kanäle zwischen 'draußen' und 'drinnen' zu bewirtschaften weiß. Als Santana nach vielen Jahren freigelassen wird, erkennt er, dass seine emotionale Entwicklung irgendwann mit 15 Jahren stehengeblieben ist und er sich kaum an die Außenwelt zu adaptieren lernt. Als er anfängt, Menschlichkeit und Mitgefühl zu zeigen, steht er bei seinen einstigen carnales auf der Abschussliste.

Taylor Hackfords "Bound By Honor" ist ein großes, episches Werk über die komplexen Vorgänge zwischen der gefängnisinternen und -externen Gangkriminalität im Milieu der Chicanos von Los Angeles, das sich über mehrere Jahrzehnte sozialer und individueller Entwicklungen erstreckt. Dabei war "Bound By Honor" nicht der erste Film, der dieses Thema behandelte - ein Jahr zuvor kredenzte der intraethnisch stets hochengagierte Edward James Olmos den nicht minder brillanten "American Me", der im Schatten des großen Nachfolgers bis dato immer etwas unterzugehen scheint.
"American Me" hat es insofern etwas "leichter" als Hackfords Film, als dass er nicht drei parallele Geschichten zu erzählen hat, sondern sich mit einer begnügt - der des Machers und Organisators, des zum Soziopathen erzogenen Schwerstkriminellen. Olmos verleiht diesem eigentlich undefinierbaren Gewaltverbrecher ein besonnenes Charaktergesicht. Bei ihm wird Santana zum Menschen, zum Antihelden und zu einer, zumindest ansatzweise nachvollziehbaren, Persönlichkeit. Weit weniger schmucklos und glanzvoll inszeniert als "Bound By Honor" (der sich ungeachtet dessen trotzdem auch stark an Olmos' Vorbild orientiert) präferiert "American Me" den schonungslosen Weg, ist hässlich und brutal, ohne sich je exhibitionistisch zu geben, mit pseudodokumentarischen Zügen garniert und wirkt allein denzufolge besonders zum erwartbaren Ende hin schwer affizierend. Eines der Meisterwerke seines Jahrzehnts. Sollte man, zumindest bei entsprechender Neigung zu solchen Stoffen, gesehen haben.

10/10

Edward James Olmos Gefängnis ethnics Los Angeles Drogen Biopic





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Funxton

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