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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ASHANTI (Richard Fleischer/USA, CH 1979)


"You gave your word. I didn't."

Ashanti ~ USA/CH 1979
Directed By: Richard Fleischer

Der britische Arzt Linderby (Michael Caine) und seine schöne, eingeborene Frau Anansa (Beverly Johnson) leisten in Afrika vorbildliche Arbeit für die WHO. Als Anansa eines Tages in die Fänge des Sklavenhändlers Suleiman (Peter Ustinov) gerät, versucht Linderby mit allen Mitteln, sie ihm wieder abzujagen.

Dass Exploitationkino nicht unbedingt Tonnen von Blut, Gewalt und Sex benötigt, beweisen zahlreiche, spekulative Spätwerke früherer Hollywood-Pros, die in den späten Siebzigern unter zumeist europäischer Privatfinanzierung entstanden sind und eine der vielen businessinternen Reaktionen auf New Hollywood bildeten. "Ashanti" gehört genau in diese Kategorie: Eine Bestseller-Verfilmung, produziert von irgendeiner französischen No-Name-Firma, mit einer ganzen Latte Altstars garniert und von einem einstmals renommierten Regisseur inszeniert; das Ganze von vorbildlicher Unterhaltsamkeit. Und trotzdem entrinnt der Film niemals seiner latent-schäbigen Konnotation. Lustvoll berichtet er uns von unhaltbaren, archaischen Zuständen im entwicklungsrückständigen Afrika und fängt im schönsten Widerspruch dazu parallel jede Möglichkeit menschlicher Barbarei hechelnd mit der Kamera ein - Exploitation eben. Dennoch, allein die Besetzung ist ein köstliches Créme-Törtchen: Die alternden Schauspielgardisten Rex Harrison, William Holden und Omar Sharif geben sich jeweils die Ehre in (wahrscheinlich annehmbar entlohnten) charmanten Fünf-Minuten-Auftritten, Peter Ustinov in einer Eigenreprise seiner "Spartacus"-Rolle spielt famos, demonstriert jedoch, dass er bloß augenzwinkernde Schurken konnte und keine echten Bösewichte, Kabir Bedi, damals noch als "Sandokan" in aller Munde, ist als Heldenbuddy dabei, Winston Ntshona, "Wild Geese"-Enthusiasten sicher bestens als geschundener Präsident Limbani bekannt, als Schurkengehilfe. Und Michael Caine, der damals ein eigenartiges berufliches Faible entwickelte für die Niederungen des grellen Trash-Kinos, ist sowieso immer eine Bank.
Ich fand "Ashanti" auf seine spezielle Art wieder sehr faszinierend.

6/10

Independent Sklaverei Afrika Exploitation Richard Fleischer


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TENEMENT (Roberta Findlay/USA 1985)


"No one leaves Chaco!"

Tenement (Game of Survival) ~ USA 1985
Directed By: Roberta Findlay


Eine Bande delinquenten Gesocks, der der psychotische Chaco (Enrique Sandino) vorsteht, terrorisiert die Mietparteien eines freistehenden Mehrfamilienhauses in der Bronx. Dessen feister, versoffener Hausmeister Rojas (Larry Lara) ruft zwar eines Tages die Polizei, doch binnen weniger Stunden ist die Gang wieder frei und will blutige Rache für Rojas' Denunziation. Chaco und seine Leute brechen in das Haus ein und treiben die zunehmend verängstigten Bewohner unter wechselseitigen Opfern nach und nach bis in die oberste Etage...

Roberta Findlay ist eine der wenigen im Exploitation-Geschäft tätigen Damen. Ganze sechsunddreißig Regie- und noch mehr Kameraarbeiten listet die imdb, darunter auch diverse Pornos und sowieso das meiste davon Zeug, das Otto Normalkinogänger vermutlich nicht mal mit gut geschützten Fingerspitzen im Einweghandschuh anfassen würde. Der im (leicht verspäteten) Gefolge der diversen Gangfilme der frühen Achtziger entstandene "Tenement" macht dabei ebensowenig Gefangene wie die kombattanten Parteien im Film. Sobald jemand in die Finger der jeweiligen Kontrahenten gerät, wird er gnadenlos von der Platte geputzt - auf mitunter recht geschmacklose Art und Weise. Ein klassischer Belagerungsfilm ist "Tenement" dabei schon infolge der Aufhebung der darin gewohnten Raumkonstruktion nicht geworden - die Terrorgangster wollen ja nicht erst in das Gebäude, sondern sind bereits drin, als es mit der Holzerei losgeht. Seine vegetative Spannung bezieht der Film dann letzten Endes daraus, dass die braven Hausbewohner sowohl psychisch als auch räumlich mehr und mehr in die Enge getrieben werden. Es liegt in der Natur der Genresache, dass die Findlay sich vermutlich gute zehn Minuten zuviel an Zeit für die Erzählung ihrer an Gehaltfülle eher schmalen Story nimmt und in formaler Hinsicht herumdilettiert als gäbe es kein Morgen. Vermutlich könnte selbst ich eine bessere Montage besorgen und hätte auch ein besseres Gespür für Beleuchtung und Kamerarbeit. Vielleicht soll das Ganze aber auch vorsätzlich müllige Underground-Videokunst sein, ich weiß es nicht. Fest steht jedenfalls eines: "Tenement" ist so rechtes, putziges Schmuddelkino zum Liebhaben - vorausgesetzt natürlich, man hat per se was für verfilzte, potthässliche und bissige Straßenköter übrig.

5/10

Splatter New York Trash Exploitation Independent Underground Terrorfilm


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SUNDAY BLOODY SUNDAY (John Schlesinger/UK 1971)


"Children... are you smoking pot?" - "Are you bourgeois?"

Sunday Bloody Sunday ~ UK 1971
Directed By: John Schlesinger


Der Londoner Internist Daniel Hirsh (Peter Finch) und die Angestellte Alex Greville (Glenda Jackson) sind gleichermaßen dem deutlich jüngeren Installationskünstler Bob Elkin (Murray Head) verfallen. Im jeweiligen, eifersüchtigen Wissen um den Nebenbuhler bzw. die Nebenbuhlerin versuchen sowohl Daniel als auch Alex, Bob permanent über den Telefonauftreagsdienst auszuspionieren. Für den lebenslustigen Bohémien, der die für seine gesetzteren Partner als quälend empfundene Dreiecksbeziehung völlig locker wahrnimmt, bildet diese jedoch bloß einen befristeten Lebensabschnitt: Die Zukunft weist nach New York, zu Ruhm und Geld.

Die Stärke von Schlesingers erstem Film nach dem Award-Gewinn für sein Meisterwerk "Midnight Cowboy", für das der Regisseur wieder in vertraute Londoner Gefilde zurückkehrte, liegt in dessen kluger, gleichermaßen bescheidener und lebensfreudiger Charakteranalyse. Etwas über eine Woche lang beobachtet man diese drei Individuen unter zunehmender Verdichtung ihrer jeweiligen emotionalen Situation; zwei von ihnen bei der Selbstverzehrung, eines, das im Zentrum stehende verbliebende, dabei, wie es permanent versucht, Kompromisse zu arrangieren, um seine Geliebten nicht vor den Kopf stoßen zu müssen. Offenbar ist es möglich, zwei Menschen gleich starke Zuneigungsformen entgegenzubringen, wenigstens, solang die Verhältnisse unverbindlich bleiben. Eine Frage der Lebenssituation und des Alters womöglich: Alex und Daniel stammen jeweils aus gut situierten Bildungsbürgerhaushalten, wobei dem einen zudem noch eine starke religiöse - nämlich jüdische - Prägung innewohnt. Dass am Ende für sie nurmehr die Emanzipation von der vorherigen Selbstversklavung bleibt, um mit erhobenem Kopf weiterleben zu können, gerät zur Natur der Sache. In der vorletzten Einstellung stehen sich die beiden erstmals für eine kurze Dialogszene gegenüber wie zwei alternde Feldherren, zu müde für eine Fortsetzung der Schlacht und in sicherer Gewissheit um die Tatsache, jeweils verloren zu haben.

8/10

John Schlesinger Dreiecksbeziehung London


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SAW IV (Darren Lynn Bousman/USA, CA 2007)


"I'm bleedin', man!"

Saw IV ~ USA/CA 2007
Directed By: Darren Lynn Bousman


Obwohl er bereits im Jenseits weilt, lässt John 'Jigsaw' Kramer (Tobin Bell) den gemütskranken Teil der Menschheit nicht in Ruhe. Diesmal muss der zuvor gegen Jigsaw ermittelnde Detective Rigg (Lyriq Bent) eine buchstäbliche tour de force bestehen, um aufs Schmerzlichste zu begreifen, dass sein beruflicher Perfektionismus ihm bloß Schimpf und Schande bescheren. Stets auf Riggs Fersen: Der FBI-Agent Strahm (Scott Patterson).

Das Schöne an der "Saw"-Serie, gerade im Direktvergleich mit anderen Horror-Serials, ist ja die dichte inhaltliche Konnexion der Filme, die eine geradezu literarisch anmutende Komplexität betreffs der Figurenentwicklung gestattet. Fast vergessene Charaktere - wie hier etwa Donnie Wahlberg als Detective Matthews - tauchen plötzlich wieder auf und werden nachträglich abserviert, denn bekanntlich kommt keiner, der sich Jigsaw zum Duell stellt, lange mit dem Leben davon. Andere Personen gewinnen oder verlieren jeweils für eine Folge an Bedeutung. Allerdings ergibt sich aus der zwangsläufigen Dezimierung des Figureninventars ein existenzielles Problem: Das zwangsläufige Hinzufügen neuer Alibi-Protagonisten nämlich. Und genau darin erreicht die Reihe ihren womöglich entscheidenden Schwachpunkt. Um immer neue Folgen gewährleisten zu können, braucht es neue Gesichter, und diese sind in puncto Charaktergewicht nicht unbedingt stets mit ihren Vorläufern gleichzusetzen. Dieser Agent Strahm, was auch immer im Weiteren mit ihm geschehen mag, nervt mich jedenfalls schon jetzt nicht wenig. Ansonsten geht aber auch dieser Beitrag in Ordnung, es stellt sich sogar ein heimelig-familiäres Gefühl ein beim Wiedersehen mit Bauchrednerpuppe und Schweinsmaske. Allerdings wird John Kramer durch seine Westentaschen-Psychologisierung hier um ein Gros seiner bislang geförderten Diabolik erleichtert. Nun, auch damit kann man leben.
Jetzt muss ich leider noch ein paar Tage auf den derzeit in der Bestellungspipeline befindlichen sechsten Teil warten, weswegen nunmehr ein kleines "Saw"-Päuschen erfolgt. Das wird vermutlich niemand bedauern, am allerwenigsten mein strapaziertes Nervenkostüm.

6/10

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SAW III (Darren Lynn Bousman/USA, CA 2006)


"You're not Jigsaw, bitch!"

Saw III ~ USA/CA 2006
Directed By: Darren Lynn Bousman


John 'Jigsaw' Kramer (Tobin Bell) und seine Helfershelferin Amanda (Shawnee Smith) kidnappen die frustrierte Chirurgin Lynn (Bahar Soomekh). Diese erhält die Weisung, den dem Tode nahen Jigsaw mindestens solange am Leben zu erhalten, bis ein rachsüchtiger Familienvater (Angus Macfadyen), der für den nach seiner Ansicht viel zu nachlässig bestraften Unfalltod seines kleinen Sohnes Vergeltung sucht, sich durch eines der berüchtigten Todeslabyrinthe gearbeitet hat.

Vorab: Wen interessiert, was ich zum just wiederholten zweiten Teil denke, der möge selbiges hier nachlesen.
"Saw III" nun genießt eine recht spezifische Reputation als einer der bislang geschmacklosesten Beiträge der Reihe, deren Klang nunmehr seit längerem in meinen Ohren hallte und die sich jetzt, nach erstmaliger Betrachtung des Films, durchaus bestätigt findet. Das im letzten Jahrzehnt ja florierende und zugleich großflächig attackierte Segment des 'torture porn' erlebte mit - zumindest der unzensierten - Fasung des zweiten Sequels (welches zugleich Bousmans zweite Arbeit innerhalb des Franchise darstellt) allerdings doch bloß einen von vielen visuellen Höhepunkten. Nichtsdestotrotz; was Jigsaw und seine ihn im inhaltlichen Kontext dieses Films an Grausamkeit und Rigorosität durchaus in den Schatten stellende Gespielin Amanda für ihre Opfer an Fallen, Folter und Todesarten ersinnen, ist ein harter Kanten und unschwer vorstellbar als willkommenes Negativbeispiel für eifrige Jugendschützer. Dass sich das transgressive Potenzial des Ganzen trotzdem in überschaubaren Grenzen hält, liegt schlicht daran, dass der Affektradius des blutige Treibens die antizipatorische Haltung des geübten Zuschauers nicht ein-, geschweige denn zu überholen vermag. Es ist eben ein "Saw", den man hier sieht, und den gilt es, schon von Hause aus auch entsprechend aussehen zu lassen. Dass die im Prinzip nicht einmal uninteressanten Beziehungsstrukturen des Figurenpersonals dahinter hoffnungslos zurückfallen, wird da beinahe ebenso zur Nebensache wie die Tatsache, dass spätestens mit dieser Folge selbst für den abgebrühtesten Misanthropen jede moralische Rechtfertigung für Jigsaws Vorgehen zum armseligen Staubhäuflein zerfällt. Dennoch trotz oder auch bei aller Unbequemlichkeit ein grenzüberschreitendes Stück Film, im durchaus positiven Sinne.

7/10

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SAW (James Wan/USA 2004)


"I wouldn't lie to you..."

Saw ~ USA 2004
Directed By: James Wan


Zwei Männer, der Chirurg Dr. Gordon (Cary Elwes) und der Schnüffler Adam (Leigh Wannell) finden sich angekettet in gegenüberliegenden Ecken eines dreckigen Badezimmers, in der Mitte von ihnen eine Leiche mit zerschossenem Schädel. Bald gefundene Cassetten und ein Diktiergerät geben Aufschluss - sie sind Gefangene des berüchtigten Killers Jigsaw, der seine Opfer nicht einfach umbringt, sondern sie mittels perverser Versuchsanordnungen selbst entscheiden lässt, ob sie weiterleben wollen.

Der moralisierende Serienmörder-Film, mit "Se7en" bereits knappe zehn Jahre zuvor zu erster Blüte gebracht, erlebte mit "Saw" den Startschuss zu einem bislang siebenteiligen Franchise und damit zu einem wahren Goldesel für die Verleihfirma Lions Gate. Ich bin bislang nicht über den zweiten Teil hinausgekommen und möchte das jetzt endlich mal ändern. "Saw" bezeichnet rückblickend ein brauchbares, wenn auch entgegen seiner Intention nicht sonderlich bewegendes Stück Horrorkino mit ein paar Gemeinheiten, das aber nie die Tragweite und das gnadenlos finstere Weltbild, das Fincher in "Se7en" zu transportieren pflegte, anficht. "Saw", so gut wie ausschließlich in Innenräumen gefilmt, was dazu führt, dass im Film nie ein Himmel zu sehen ist, beschränkt sich indes auf die Intimität des perfiden Killerspiels, das wie selbstverständlich nicht allein dazu dient, die abseitigen Gelüste seines todkranken Urhebers zu befriedigen, sondern zugleich seinen Opfern den Wert des Lebens vor Augen führen soll. Ein etwas hanebüchner Weg, aber man steckt ja nicht drin, in so einem tumorbelasteten Hirn. So wie ich das Ganze peripher mitbekommen habe, ist der im ersten Teil nur kurz zu sehende Tobin Bell jawohl bis heute mit von der Partie - für einen Todkranken beachtlich. Ansonsten reichte diese seit dem Kino immerhin erste Betrachtung des ersten Teils zunächst aus, um den Appetit auf die Fortsetzungen hinreichend zu schüren. Wohlan also...

7/10

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HOUSE OF 1000 CORPSES (Rob Zombie/USA 2003)


"It's all true. The bogeyman is real and you found him."

House Of 1000 Corpses (Das Haus der 1000 Leichen) ~ USA 2003
Directed By: Rob Zombie


Texas, 30. Oktober 1977: Vier Jugendliche (Erin Daniels, Joe Dobbs III, Chris Hardwick, Jennifer Jostyn) geraten auf dem Heimweg am Rande des Highway in "Captain Spaulding's Museum Of Monsters And Madmen", eine obskure Mischung aus Tankstelle und Geisterbahn. Beeindruckt von Spauldings (Sid Haig) Vorführung berühmter Killerszenarien, darunter auch eines um den zur lokalen Legende avancierten "Dr. Satan", wollen die Kids dessen frühere Wirkungsstätte besichtigen. Kein rühmliches Vorhaben, denn dort wartet schon die serienmordende Familie Firefly auf sie, die bereits einige Cheerleader als Gäste fürs diesjährige Halloween-Fest "eingeladen" hat...

Zombies Spielfilmdebüt bedient sich stilistisch ausgiebig bei Stones "Natural Born Killers" - ein wildes Sammelsurium aus jump cuts, unterschiedlichen Film- und Videoformaten zur Verunsicherung des Zuschauers, dessen ausgeklügeltes Entsetzen sich durch die formale Oberfläche noch steigern soll. Ganz ehrlich - wer halbwegs bewandert ist im Backwood-Genre, der wird in "House Of 1000 Corpses" eher eine grelle Komödie mit einer schier unübersichtlichen Anzahl an Querverweisen, Fußnoten und Reminiszenzen vorfinden als innovatives Genrekino. Da davon auszugehen ist, dass Zombie aber exakt solches vorzulegen gedachte, geht die Sache in Ordnung.
Interessant an "House" ist die Gewichtung der Sympathien - anders als in früheren Genrebeiträgen wird praktisch keinerlei Empathie für das "Helden"-Quartett geschürt. Von Anfang an lässt Zombie keinerlei Zweifel daran, dass sie als arrogante, besserwisserische Städter ideale Mordopfer für die Fireflys darstellen und so nimmt man ihr blutrünstiges Schicksal dann auch eher ungerührt in Kauf. Stattdessen hat man seinen Spaß mit den Fireflys, dieser abseits jedweder Gesellschaftsnorm lebenden, durchaus funktionalen Familie, ihrem auf bezaubernde Weise abstoßenden Haus und allem was ihm innewohnt, vom lebenden bis zum toten Inventar. Die Katakomben des Dr. Satan, ihres Zeichens "TCM 2"-Hommage, schließlich müssen als faszinierende Menagerie der Abscheulichkeiten jeden Horrorfan aufjuchzen lassen.
Liebevoll gemachter Schund.
Habe mir gleich im Anschluss übrigens nochmal das wahrlich großartige Sequel "The Devil's Rejects" gegeben, das, dabei bleibe ich tapfer, den Vorgänger immer noch mühelos in den Schatten stellt.

7/10

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HARRY BROWN (Daniel Barber/UK 2009)


"To them out there, this is just entertainment."

Harry Brown ~ UK 2009
Directed By: Daniel Barber


Der Ex-Marine Harry Brown (Michael Caine) lebt in einem Londoner Slum. Mit Sorge beobachtet der rüstige Senior die zunehmende Jugendkriminalität in seiner Wohngegend. Kurz nachdem seine im Krankenhaus dahinvegetierende Frau stirbt, wird Harrys Freund Leonard (David Bradley) bei einem nächtlichen Scharmützel von den Kids getötet. Harry beschließt, die Sache nicht einfach der offenkundig überforderten Polizei zu überlassen und greift selbst zur Waffe.

Der gerontologische Rächer-Film ist kein neu erfundenes Genre, sondern spätestens mit dem zweiten und besonders dann den folgenden Teilen aus Michael Winners "Death-Wish"-Reihe ein etabliertes Subsegment im Genrekino. Im vorletzten Jahr hatte schon Clint Eastwood als Walt Kowalski einer Gewalteskalation Herr zu werden, in die renitente und respektlose Slumkids verwickelt waren - Michael Caine schlägt in "Harry Brown" einen noch wesentlich radikaleren Weg ein.
Wie eigentlich allen Protagonisten dieses Fachs geht es auch Harry Brown weniger darum, persönliche Gerechtigkeit einzufordern. Im Mittelpunkt seines Aktionismus steht vielmehr ein überdeutlich prononciertes Statement des Alterns wider das gesellschaftliche Vergessenwerden und wider die Einsamkeit. Nachdem die letzten beiden Bezugspersonen aus Harrys Leben verschwunden sind, fällt es ihm nicht schwer, die Schuldigen auszumachen: Da man den natürlichen Tod selbst nicht abknallen kann, geht Harry folgerichtig gegen den jugendlichen Abschaum seines Viertels vor, der den Tod seines Kumpels zu verantworten hat, ohne den Harry endgültig vollkommen allein dasteht. Zudem beobachtet er im filmischen Kontext wie viele ältere Menschen, die in einer entsprechenden Gegend leben, offenbar bereits seit längerer Zeit mit sorgevoller Miene den sozialen Verfall seines Viertels. Während die uniformierte Staatsgewalt sich nurmehr durch gleißende Inkompetenz hervortut, sieht Harry den letzten Ausweg im Vigilantismus. Dass seine "Säuberungsaktion" am Ende tatsächlich erfolgreich ist, mag man dem Film als reaktionär ankreiden; die Empathie jedoch, mit der Barber sich den seelischen Leiden eines im Leben alleingelassen Seniors annährt, bezeugt unmissverständlich, dass "Harry Brown" abseits seiner zuweilen grellen Affektoberfläche vor allem eines ist: Ein zutiefst humanistisches Drama.

8/10

Slum Rache Vigilantismus London


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A NIGHTMARE ON ELM STREET (Samuel Bayer/USA 2010)


"Can I have some more coffee, please?"

A Nightmare On Elm Street ~ USA 2010
Directed By: Samuel Bayer


Die Jugendlichen der Springwooder Elm Street werden in ihren Träumen kollektiv von einem brandnarbigen Unhold namens Freddy Krueger (Jackie Earle Haley) heimgesucht, der darüberhinaus die Fähigkeit besitzt, seine Opfer im Schlaf zu töten. Nancy (Rooney Mara) und ihr Freund Quentin (Kyle Gallner) finden bald heraus, was es mit dem Traumdämon auf sich hat: es handelt sich um den Geist eines pädophilen und sadistischen Kindergartenhausmeisters, den die Eltern der Elm-Street-Kinder dereinst in einem Akt der Lynchjustiz verbrannt haben. Und was Freddy damals nicht zu Ende bringen konnte, will er jetzt nachholen...

Überraschend diskutables Remake von Cravens innovativem Slasher-Archetypen. In dieser Variation geht es erstmals überhaupt innerhalb des Franchise um eine grobe Analyse von Freddys Motivation zu Lebzeiten und seine krankhafte Paraphilie, die ja bekanntermaßen zur Ursache für den an ihm verübten Lynchmord durch die besorgten Eltern wurde. Während Krueger bei Craven allerdings eine recht knappe und lapidare Kategorisierung als "perverser Kindermörder" erfuhr, der offenbar bereits mehrere Opfer auf dem Gewissen hat, bevor er zum Selbstjustizopfer wird, ist Krueger im Remake zumindest in seiner "Prä-Dämonen-Ära" offenbar kein Killer, sondern ein sexuell desorientierter Mann, der seine Opfer zwar misshandelt und/oder missbraucht (was genau ihnen widerfahren ist, lässt der Film im Vagen), sie jedoch nicht ermordet hat. Die auf ihn abzielende Hexenjagd und ihre folgende Hinrichtung durch die besorgten Eltern ist somit zugleich Rache für das bereits Geschehene und zugleich Prophylaxe gegen potenzielle, schlimmere Auswüchse. Die Rachestory, an der sich das Script entlanghangelt, ist also eine doppelt reziproke: Freddy will Rache für seine Hinrichtung, die Teens wiederum fordern Rache für ihre einstige Misshandlung durch Freddy.
Ansonsten bietet sich eine Gegenüberstellung bzw. ein Vergleich mit der 84er-Version eher nicht an. Der damalige Film fasste auch vortrefflich die Orientierungslosigkeit und oberflächlichkeitsbedingte teenage angst seiner Zeit zusammen, dekonstruierte die Elterngeneration (und damit ergo die heutige Großelterngeneration) als dysfunktionale, erziehungsunfähige Schweiger, Ersticker oder gar Alkoholiker, während davon im "Nightmare" '10 nichts mehr zu spüren ist. Dafür ist etwa die Nancy-Figur hier deutlich vielschichtiger angelegt; als introvertiertes Missbrauchsopfer nämlich, das seine nicht verheilten seelischen Narben verzeifelt auf künstlerische Weise zu sublimieren versucht - von der faszinierenden Rooney Mara nebenbei toll interpretiert.
Es gibt also diverse Pros und Cons bezüglich Bayers zumindest in atmosphärischer Hinsicht durchaus eigenständigen Film, die mich insgesamt doch ein positives Resümee ziehen lassen. In einer Beziehung allerdings kann das Remake dem Original nie und nimmer das Wasser reichen: Als Kreateur eines lupenreinen Genrestücks mit seinen diversen Fallschlingen und seiner originären, schieren "Poesie des Albtraums" bleibt Craven sicher und mit meilenweitem Abstand auf der Überholspur.

7/10

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UN AMOUR DE SWANN (Volker Schlöndorff/F, BRD 1984)


Zitat entfällt.

Un Amour De Swann (Eine Liebe von Swann) ~ F/BRD 1984
Directed By: Volker Schlöndorff


Paris im späten 19. Jahrhundert: Der intellektuelle Lebemann Charles Swann (Jeremy Irons) ist trotz seiner bürgerlich-jüdischen Herkunft ein gern gesehener Gast bei den protzigen Empfängen und Galadiners der Aristokratie. Als jedoch seine zunehmend obsessive Liebe zu der aufreizenden Kurtisane Odette de Crécy (Ornella Muti) publik wird, ist damit zugleich Swanns soziale Stellung gefährdet. Jener jedoch lässt sich von den Drohungen seiner so genannten "Freunde" nicht einschüchtern. Selbst Swanns von ihm selbst als solche erkannte pathologische Eifersucht bezüglich Odettes übriger, bestenfalls an ihren körperlichen Reizen interessierten Galane, hält ihn am Ende nicht davon ab, sie zur Frau zu nehmen.

Nachdem Peter Brook von dem Projekt "Swann" abgesprungen war, sprang Schlöndorff ein - für ihn eine willkommene Offerte, da Prousts gewaltiges Werk "À La Recherche Du Temps Perdu", dessen Bestandteil "Un Amour De Swann" ist, nach eigenem Bekunden zu Schlöndorffs Leib- und Magenliteratur zählt. Die Dreharbeiten hatten unter einem eher unrühmlichen Charakter zu leiden, da der als homosexueller Adliger Charlus auftretende Alain Delon die Tatsache, dass - zudem in einem nationalen Epos - nicht er, sondern der Brite Jeremy Irons die Titelrolle gab, auf nickligste Weise torpedierte. Unter anderem ließ er sich mit der Muti ablichten und die Fotos in diversen großen Pariser Zeitungen veröffentlichen, was eine völlig verquere Publikumserwartung zur Folge hatte.
Abseits von diesen Schlöndorff-untypischen Querelen ist "Swann" wohl selbst für Proust- Connaisseure ein hochästhetisches und entsprechend genussvolles, von Bergman-Adlatus Sven Nykvist höchst edel fotografiertes Werk, das zu den großen, historischen Gesellschaftsporträts des Kinos gezählt werden muss und eben primär durch seinen äußeren Glanz begeistert. Für Schlöndorffs Gesamtwerk ist der Film insofern von erwähnenswertem Status, als dass er einer der ersten des Regisseurs mit internationaler Starbesetzung war und ihm damit eine - wenn auch recht kritisch beäugte - Tür zum Weltkino öffnete. Ansonsten verhindert die distanzierte Machart wohl eine intensivere Zuwendung. Man ist, ähnlich einem Gang durch eine impressionistische Galerie, voll des Respekts und auch recht angetan, ist sich aber permanent im Klaren darüber, dass man das gute Stück sowieso nicht mit nach Hause nehmen kann wendet sich ergo mit mindestens ebenso großem Interesse dem nächsten Gemälde zu. Auf bald also.

7/10

Fin de Siècle Standesduenkel period piece Volker Schloendorff Sittengemaelde Historie Marcel Proust





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