Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

HOTTE IM PARADIES (Dominik Graf/D 2003)


"Det is' det wahre Leben."

Hotte im Paradies ~ D 2003
Directed By: Domink Graf


Hotte (Misel Maticevic), ein kleiner Berliner Zuhälter, staunt nicht schlecht als sein "Kollege" Detta (Oliver Stritzel) ihm sein Pferdchen Jenny (Nadesha Brennicke) zu überaus günstigem Kurs weitervermittelt. Jenny ist das Bild einer attraktiven Frau, nur hat sie leider "nich mehr alle Tassen im Schrank". Dass da was Wahres dran ist, merkt Hotte bald buchstäblich am eigenen Leib und auch sonst läuft es eher ungünstig für ihn. Die Rolex und das heißgeliebte Jaguar-Cabrio jedenfalls müssen alle paar Tage in Zahlung gegeben werden. Als Hotte dann auch noch sein Herz für Gestrauchelte entdeckt, wird es richtig übel für ihn...

Grandiose Milieustudie über die kleinen Kiezhengste, die gerne auf dicke Hose machen und mit den Zweihundertern wedeln, dabei jedoch aufgrund ihres gnadenlosen Umfeldes stets um Leib und Leben fürchten müssen. Graf gelingt es durch diverse Gestaltungsmittel hervorragend, dieses unstete Leben abzubilden; gefilmt ist das Ganze mit einer stinknormalen Videokamera, was das Publikum zunächst womöglich glauben macht, es habe da ein billiges Unfilmchen vor sich, durch die dennoch hervorragende Kameraarbeit, ein ungeheures Auge für Details und einen traumhaften Schnitt jedoch zum vorgesehenen Ziel führt: Authentizität. Auch dank Maticevics großartiger, lebebsechter Performance ist man spätestens ab Minute 5 voll drin in Hottes kleiner Welt und will da auch so schnell nicht wieder heraus, zumal ihn und uns ja glücklicherweise die Mattscheibe trennt.

9/10

Kiez Berlin Kokain Dominik Graf TV-Film Prostitution


Foto

SCARED STIFF (George Marshall/USA 1953)


"You killed a perfect stranger?" - "Nobody's perfect."

Scared Stiff (Starr vor Angst) ~ USA 1953
Directed By: George Marshall


Die beiden Nachtclub-Entertainer Larry (Dean Martin) und Myron (Jerry Lewis) geraten in die Bredouille, als sie zunächst Ärger mit dem Gangsterboss Shorty (Leonard Strong) bekommen und dann per Zufall auf die Millionenerbin Mary Carroll (Lizabeth Scott) stoßen, die ein altes Gemäuer vor der Küste Kubas in Empfang nehmen will. Da sich unter diesem ein Schatz verbirgt, sind in der staubigen Hütte nicht nur Geister und Zombies sondern auch schießwütige Killer anzutreffen...

Spaßiges Grusical aus den frühen Martin/Lewis-Tagen, das ganz gut aufzeigt, welcher Typisierung das Spaßmacher-Duo sich unterzuordnen hatte: Martin ist der leicht schmalzige Schlagersänger mit Schlagseite bei hübschen Frauen, Lewis der asuxelle, infantile Clown, der dafür zu sorgen hat, dass die dürftige Geschichte sich nur möglichst stockend weiterentwickelt und darüberhinaus natürlich den wesentlich anspruchsvolleren Part innehat. Wenn Lewis mit quäkender Stimme nach 'Laaarryyyy' ruft, dann bleibt einem nur die bloße Faszination angesichts einer derartigen Form von Selbstaufgabe. Bei nMartin lässt einen das Gefühl nicht los, dass er sowieso nur sich selbst spielt, wenn er in "Scared Stiff" auch nicht einen Martini Dry zu trinken bekommt.

7/10

Martin/Lewis Schloss Kuba Voodoo Karibik George Marshall Zombies Jerry Lewis


Foto

THE DISORDERLY ORDERLY (Frank Tashlin/USA 1964)


"Unfortunately that's not Christmas, it's even not New Year's Eve."

The Disorderly Orderly (Der Tölpel vom Dienst) ~ USA 1964
Directed By: Frank Tashlin


Obwohl Jerome Littlefield (Jerry Lewis) längst als Arzt arbeiten könnte, leidet er unter einem seltsamen Empathie-Syndrom, das ihn die von seinen Patienten geschilderten Leiden komplett nachfühlen lässt. Es bleibt also zunächst bei der Krankenpflegerei. Sein Berufsalltag besteht nun darin, Oberschwester Higgins (Kathleen Freeman) mit seinen gutgemeinten Chaos-Aktionen regelmäßig um den Verstand zu bringen. Dann gerät der Gute auch noch in Liebesbredouillen, als sein Highschool-Schwarm (Susan Oliver) wegen eines Selbstmordversuchs bei ihm eingeliefert wird, was Jeromes Freundin (Karen Sharpe) gar nicht gefällt.

Frank Tashlin lässt es nochmal ordentlich krachen in seiner achten und letzten Zusammenarbeit mit Jerry Lewis, in der sich das seit damals kaum verbesserte US-Krankenversicherungswesen sich teils bitterer Satire unterziehen muss. Während der Komiker einmal mehr den naiven Sonderling gibt, dessen Beziehungsängste diesmal allerdings noch konfuser ausfallen als gewohnt, lässt die teilweise angesetzte, cartooneske Schärfe der Gags, die mitunter im Surrealen gipfeln, wiederum Tashlins Handschrift erkennen. Speziell das Finale, in dem zwei Krankenwagen und zwei Rolltragen sich gegenseitig verfolgend durch die unebenen Straßenschluchten San Franciscos rollen und unter anderem für kugelnde Mülltonnen und einen wahren Büchsenregen in einem Supermarkt sorgen, dürfte mit seinen grotesken Arrangements und dem unbedingten Willen, stets noch eins draufzusetzen, problemlos das Prädikat "unerreicht" davontragen.

8/10

Frank Tashlin Satire Jerry Lewis San Francisco Krankenhaus


Foto

THE PATSY (Jerry Lewis/USA 1964)


"I'll show them..."

The Patsy (Die Heulboje) ~ USA 1964
Directed By: Jerry Lewis


Der plötzliche Unfalltod des beliebten Entertainers Wally Brandford stürzt besonders dessen sechsköpfige Entourage (Ina Balin, Everett Sloane, Keenan Wynn, Peter Lorre, John Carradine, Phil Harris) in tiefe Depressionen. Da gibt es nur eine Lösung: Ein Brandford-Nachfolger muss her! Flugs schnappt man sich den erstbesten greifbaren Probanden, den Hotelpagen Stanley Belt (Jerry Lewis), und versucht, ihn mit allen Mitteln zum Superstar aufzubauschen. Doch Stanley hat seinen eigenen Kopf, und der will nunmal nicht so wie sein selbsternanntes Management.

Ein weitere kleine Sahneschnitte aus Lewis' Autorenfilmer-Œuvre, gewidmet all den Sternchen, die es zu nichts gebracht haben und natürlich auch jenen, die es zu etwas gebracht haben, es vielleicht aber zu gar nichts bringen wollten. Wie dem auch sei, der Charakter des Stanley Belt unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen Lewis-Figuren dieser Tage; Stanley ist ein naiver Tropf, der trotz seiner ausgewachsenen Physis im Inneren ein mentales Kleinkind beherbergt und zum Spielball der Gewalten - soll heißen, einer wahrhaft gruselig anmutenden Ansammlung alternder Krausköpfe - wird, ohne sich dessen auch nur zu einer Sekunde bewusst zu sein. Den großen Zampano der Clownerie gibt Lewis dabei mit einem stets weinenden Auge; nicht gefeit vor Misserfolgen und Publikumsflops. Erst die eigene Nummer am Ende, die als doppelbödiger Ed-Sullivan-Meilenstein gefeiert wird, beschert ihm die nötige Emanzipation. Das wird so verblüffend klar wie aufrichtig dargeboten und ist damit Lewis in Reinkultur.

8/10

Los Angeles Jerry Lewis Slapstick Hollywood


Foto

THE NUTTY PROFESSOR (Jerry Lewis/USA 1963)


"Have some, baby?"

The Nutty Professor (Der verrückte Professor) ~ USA 1963
Directed By: Jerry Lewis


Der schüchterne Chemieprofessor Julius Kelp (Jerry Lewis) hat es nicht leicht: Seine wirren Experimente enden regelmäßig in mittelschweren Explosionen und seine Studenten haben keinerlei Respekt vor ihm. Hinzu kommt sein unvorteilhaftes Äußeres, das ihm selbst jedoch am Allermeisten zu schaffen macht. Ein Fitness-Programm im Bodybuildingstudio bringt nicht den gewünschten Erfolg, also erfindet Kelp ein Serum, mit dem er sich in den unwiderstehlichen, wenn auch arroganten Womanizer Buddy Love (Jerry Lewis) verwandeln kann. Die unabwendbare Identitätskrise lässt nicht lange auf sich warten.

Mit "The Nutty Professor" trieb Lewis seine komödiantische Kunst endgültig zu Perfektion. Nicht nur, dass der Film eine grandiose One-Man-Show für ihn als Doppel-Protagonisten bereithält, berichtet er zudem noch mustergültige Wahrheiten über Körper- und Schönheitskult, Oberflächlichkeiten und triebgesteuerte Partnersuche. Bis auf das endgültig dem Märchenreich entlehnte Ende, an dem sich die wunderhübsche Stella Stevens (nicht ohne ein letztes Augenzwinkern) gegen den potenten Testosteron-Protz Buddy Love und für den verzückten Professor Kelp entscheidet ist Lewis' auch als Horrorfilm-Parodie respektive als softe "Jekyll-&-Hyde"-Variation überaus gelungenes Meisterstück voll von sozialpsychologischen Beobachtungen, die, wenn auch in einem für das heutige Auge womöglich ungewohnten Ambiente angesiedelt, bis dato nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt haben. Schon geflissentlich bizarr, wie geringfügig die okzidentalische Kultur sich in mancherlei Hinsicht in fünf Dekaden weiterentwickelt hat.

9/10

Slapstick Parodie Jerry Lewis Satire Jekyll und Hyde Mad Scientist


Foto

TATORT - GEBROCHENE BLÜTEN (Hajo Gies/BRD 1988)


"Der Verdächtige ist verstorben." - "Wie?! 'Verstorben' wie 'tot'?"

Tatort - Gebrochene Blüten ~ BRD 1988
Directed By: Hajo Gies


Schimanski (Götz George) und Thanner untersuchen einen vermeintlichen Amokläufer-Mord an dem Tanzschulenbesitzer Prinz. Bei dem Täter handelte es sich offenbar um einen Ostasiaten. Als dieser dann auch noch ermordet aufgefunden wird, wird den Ermittlern schnell klar, dass hinter Prinz' Tod wesentlich mehr steckt als ein unfälliger Totschlag. Schimanski wird das Gefühl nicht los, dass die Witwe (Renate Krößner) von Prinz wesentlich mehr weiß als sie sagt...

Einer der besten "Tatort"-Filme mit Schimanski und Thanner, trotz seines unsäglichen, von Dieter Bohlen komponierten und von Chris Norman geträllerten Titelsongs ("Broken Heroes") immer wieder gern gesehen, wegen seines witzigen Untertons, wunderbarer Szenen wie einer Großrazzia im Rotlicht-Milieu mit anschließenden, völlig chaotischen Verhören an Prostituierten aller Kuleur, einem zeitweilig hoffnungslos überforderten Thanner (hier erkennt man ganz prägnant, warum dies Feiks Lebensrolle war), der nicht schlecht staunt, als ein flotter Hüpfer sich mit bürgerlichem Namen als "Theo" vorstellt, einem verdatterten Schimmi samt Filmriss nach durchzechter und durchvögelter Nacht und einem ganz großen Brüller: Während einer Beschattungsaktion quatscht Schimanski Thanner über Umwege dessen Fritten ab. Selten wurde die herzige Hassliebe zwischen den beiden knuffigen Kommissaren so pointiert dargestellt. Herrlich.

8/10

Ruhrpott Hajo Gies Schimanski TV-Film Tatort


Foto

THE RIGHT STUFF (Philip Kaufman/USA 1983)


"Request permission to relieve bladder."

The Right Stuff (Der Stoff aus dem die Helden sind) ~ USA 1983
Directed By: Philip Kaufman


Der Durchbruch der Schallmauer am 14. Oktober 1947 durch den Air-Force-Piloten Chuck Yeager (Sam Shepard) ebnet den USA den Weg in das Raumfahrtzeitalter. Aus dem Wunsch, den Weltraum zu "erobern" wird bald ein Konkurrenzkampf mit den Russen um den ersten Mann im All. Schließlich gibt die US-Regierung das von deutschen Raketenwissenschaftlern mitentwickelte "Mercury"-Programm in Auftrag, für das sieben Elite-Piloten (Ed Harris, Dennis Quaid, Scott Glenn, Fred Ward, Lance Henriksen, Scott Paulin, Charles Frank) ausgebildet werden.

Formvollendetes Epos um die Anfänge der Raumfahrt, von Philip Kaufman keineswegs zur pathetischen US-Heldenmär aufgebauscht, sondern mit einer feinen ironischen Note versehen, die eine latente formelle Distanz zum Geschehen garantiert. Dabei präsentiert sich Kaufman jedoch nicht als plumper Nestbreschmutzer; die Faszination, mit der er sich seines Sujets annimmt, bleibt zu jeder Sekunde präsent - nur begeht er eben glücklicherweise nicht den verlockenden Fehler, sich in einem Meer unkritischer Heldenverehrung zu suhlen. Für die ehrgeizigen Heroen der Luft ist es kein Leichtes, vor der Öffentlichkeit zu bestehen. Der äußere Druck durch Politik und die globale Situation, aufdringliche Journalisten, psychische Unebenheiten, Ehekrisen unterminieren die nach außen hin vorgetragene Standfestigkeit der Männer. Neben den von einem zuweilen transzendenten Zauber getragenen Bildern von Caleb Deschanel verdankt Kaufman somit auch viel seinem Ensemble, das von damals noch unbekannten Schauspielern personifiziert wurde und heute als glorreiche Starbesetzung durchgeht. Glenn, Ward, Harris, Quaid, Donald Moffat, John P. Ryan oder Jeff Goldblum spielen sich, im Wissen an etwas Großem teilzuhaben, den Allerwertesten ab.

9/10

Tom Wolfe Raumfahrt Philip Kaufman period piece Historie Biopic Fliegerei


Foto

NINJA ASSASSIN (James McTeigue/USA, D 2009)


"This is not my family. You are not my Father. And the breath I take after I kill you will be the first breath of my life."

Ninja Assassin ~ USA/D 2009
Directed By: James McTeigue


Der abtrünnige Ninja Raizo (Rain) will Rache an seinem Clan und seinem einstigen Ausbilder (Shô Kosugi), die jegliche Form der Menschlichkeit buchstäblich mit Füßen treten. In Berlin begegnet Raizo der Ermittlerin Mika (Naomie Harris), die zusammen mit ihrem Partner (Ben Miles) dem Ninja-Kult auf der Spur ist. Zeitgleich taucht Raizos "Bruder" Takeshi (Rick Yune) in der einstigen Mauerstadt auf, um sämtliche Feinde zu eliminieren.

Ninjas in Berlin? Keine schlechte Idee eigentlich, wobei nicht ganz neu, s. Blumenbergs in Hamburg angesiedelter "Der Sommer des Samurai". Aber wie dem auch sei, das ästhetische Konzept von "Ninja Assassin", für das er im Grunde eigens lebt, hat mir jedenfalls sehr gut gefallen. Gemäß der Tradition des Ninja-Subgenres spielen Inhalte hier keine wesentliche Rolle; letzten Endes geht es bloß um die schwarz eingewickelten Männer, die wie Geister über ihre Opfer herfallen und nach leiser Attacke nurmehr Blut und Verstümmelung hinterlassen - und ihren Aktionismus, natürlich. McTeigue ist sich dessen vollkommen bewusst und lässt seinen Relaunch wirken wie ein buntes Comicheft, in dem das Blut zwar literweise, aber erkennbar computergeneriert und wie rote karminrote Deckenfarbe durch die Szenerie spritzt. Das verleiht dem Film trotz aller Gemetzel eine gewisse Leichtigkeit und lässt ihn wesentlich weniger gewalttätig erscheinen. Schon durch die paar entsprechenden Szenen in "V For Vendetta" hat McTeigue erahnen lassen, dass ihm etwas liegt an der stilisierten Inszenierung von Kampf und Tod. Mit "Ninja Assassin" gewährt er dieser Ambition die Perfektion.

7/10

Japan Rache Martial Arts Ninja Berlin Profikiller James McTeigue


Foto

DECISION BEFORE DAWN (Anatole Litvak/USA 1951)


"A man is a traitor when he betrays himself."

Decision Before Dawn (Entscheidung vor Morgengrauen) ~ USA 1951
Directed By: Anatole Litvak


Winter 1944: Die Allierten setzen deutsche Kriegsgefangene als Spione ein, die wichtige strategische Informationen über die Gegenseite liefern sollen. Während die meisten von ihnen die Situation des unzweideutigen Verrats am Vaterland mit falscher opportunistischer Selbstsicherheit in Angriff nehmen, ist der junge Pilot Karl Maurer (Oskar Werner) der Überzeugung, nunmehr auf der richtigen Seite zu stehen. Maurer soll bei Mannheim den Standort einer deutschen Panzerdivision in Erfahrung bringen und wird Zeuge der chaotischen Zustände in einem dem Untergang geweihten Land.

Man könnte "Decision Before Dawn" vielleicht als anglogermanischen Film bezeichnen, denn auch wenn er als Studiofilm von der Fox hergestellt wrde, seine Seele ist deutsch. Der 33 aus Deutschland emigrierte Litvak bekam eine späte Gelegenheit zur nachträglichen Abrechnung mit dem Reich und auch, wenn Richard Basehart als Hauptdarsteller geführt wird, kreist der Film natürlich ganz um den großartigen Oskar Werner und seine denkwürdige Präsentation eines zweifelnden Helden.
Für Hollywood-Verhältnisse führt "Decision Before Dawn", eine der wenigen Produktionen, die vor Ort in Trümmer-Deutschland entstanden sind, einen immensen Realismus spazieren. Die chaotischen Verhätnisse im von Bomben eingedeckten, sich jedoch nicht stellen wollenden Reich werden in beeindruckend authentischer Weise widergespiegelt; die Menschen, denen Maurer, der von den G.I.s den Decknamen 'Happy' erhalten hat, begegnet, sind Repräsentanten einer Nation vor dem Kniefall: Der ekelerregende SS-Mann (Wilfried Seyfert), die reisende Hure (Hildegard Knef), der herzkranke Wehrmachts-Offizier (O.E. Hasse). Gesichter, die vom baldigen Ende künden.

9/10

Deutschland Spionage WWII Nationalsozialismus Anatole Litvak


Foto

SAVAGE (Brendan Muldowney/IE 2009)


"You know, you got a problem, Paul."

Savage ~ IE 2009
Directed By: Brendan Muldowney


Der freie Dubliner Fotojournalist Paul Graynor (Darren Healy) wird eines Abends auf offener Straße von zwei Jugendlichen überfallen, misshandelt und verstümmelt. Nachdem er, oberflächlich geheilt, das Krankenhaus wieder verlassen hat, brechen seine seelischen Narben immer wieder auf: Tinnitus, Panikattacken, Angstzustände und Impotenz werden zu ständigen Begleitern. Ein Selbstverteidigungskurs, regelmäßige Besuche im Fitnessstudio und eine Psychotherapie bringen nicht die erwünschten Resultate. Irgendwann entschließt sich Paul stillschweigend dazu, dass nur Rache die Antwort sein kann. Als er zusätzlich noch aggressionsfördernde Steroide erwirbt, kommt es zur Katastrophe.

"Savage" bildet zusammen mit "Eden Lake" und "Harry Brown" so etwas wie eine neuenglische Reaktionärs-Trilogie, zumindest, wenn man "Savage als originär irischstämmiges Werk als gewissermaßen auch britisches Kulturartefakt zu betrachten bereit ist. In allen drei Filmen geht es jedenfalls im weitesten Sinne um die zunehmend besorgniserregenden Zustände der nationalen Jugend, die ihre Perspektivlosigkeit und Langeweile in offene Gewalttätigkeit kanalisiert und dabei zugleich eine potenzielle Welle der Gegengewalt provoziert. Jene erscheint fast noch weniger greifbar und unkontrollierbarer, weil sie nicht aus sozialen Missständen, sondern aus blanker innerer Wut heraus gebiert, als psychische Reaktion.
Muldowneys Film widmet sich dabei deutlich intensiver als die beiden anderen gennanten der psychischen Situation des Opfers. Paul Graynor wird von Beginn an als introvertierter, einsamer Mensch charakterisiert, den ein brutaler, physischer Angriff schließlich mit brachialer Gewalt über eine möglicherweise ohnehin bereits hauchdünne Grenzlinie stößt. Es ist, als würde "Savage", so unwohl er mit seinen teils schwer erträglichen Bildern auch mundet, am Schluss aus vollster Brust ausrufen: "Diesmal habt ihr den 'Richtigen' erwischt, ihr Wichser, also wundert euch nicht, gottverdammt!" Das macht den Film und seine Sicht der Dinge durchaus diskutabel, die Wahl seiner Mittel aber hebt ihn letzten Endes kaum über das Niveau der vielen anderen aktuellen revenge movies hinaus.
Zurück bleibt schließlich ein mit einer finsteren Weltsicht ausgestattetes Drama, das mit Dublin immerhin eine eher kleine Metropole, in der man als Kenner der Stadt nicht unbedingt den Anfang vom Ende wähnen würde, zum Schauplatz macht.

7/10

Transgression Madness Rache Irland Brendan Muldowney Dublin





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare