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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE 39 STEPS (Alfred Hitchcock/UK 1935)


"Have you ever heard of the 39 Steps?" - "No. What's that, a pub?"

The 39 Steps (Die 39 Stufen) ~ UK 1935
Directed By: Alfred Hitchcock


In einer Varieté-Vorstellung mit dem Gedächtniskünstler "Mr. Memory" (Wylie Watson) fallen plötzlich Schüsse. Wie Richard Hannay (Robert Donat), einer der Besucher der Vorstellung, erfährt, steckt die Agentin Annabelle Smith (Lucie Mannheim) dahinter. Diese wollte mit der durch die Schüsse entstandenen Panik ihre Verfolger, zwei feindliche Spione, abschütteln. Hannay gewährt Annabelle Zuflucht in seinem Apartement, doch ihre Gegner finden und töten sie dort. Mit letzter Kraft kann Annabelle, deren Auftrag es war, die Entwendung strategisch wichtiger Dokumente aus dem Verteidigungsministerium zu verhindern, Hannay ihre Kontaktperson mitteilen: einen in Schottland lebenden Professor. Hannay, der bald wegen Mordes gesucht wird, hat nurmehr zweierlei im Sinn: Seine Unschuld zu beweisen und zu verhindern, dass die Dokumente in die falschen Hände gelangen.

Temporeicher Agententhriller mit romantischem Einschlag, aus Hitchcocks britischer Periode wohl der populärste und renommierteste Film. Ich muss gestehen, dass ich "The 39 Steps" noch nie so gemocht habe wie andere Werke des Regisseurs, wofür primär meine Abneigung zu dem aalglatten Robert Donat verantwortlich ist. Donat, der im Film als kanadischer Migrant auftritt, spielt den typischen Dreißiger-Jahre-Galan mit allem, was so dazu gehört: Feines Schnauzbärtchen (das auch zu Tarnungsgründen nicht abrasiert wird; eine kleine Drehbuchfinte Hitchs), stets gut frisiert und gekleidet und trotz seiner prekären Situation nie die Fassung verlierend. Ich habe Donats Interpretation stets als Musterexempel eines unsympathischen Fatzkes empfunden. Filme zuvorderst anhand ihrer Darsteller/Charaktere zu beurteilen, zeugt nun zwar nicht von besonderer kritischer Professionalität, doch in diesem Fall kann ich nicht über meinen Schatten hinaus; zumal Donat fast ausnahmslos jede Szene bestimmt und seine Figur übergroß in den Vordergrund gerückt wird. Dass sich dahinter allerlei frühes Suspense-Vergnügen, nette Schottland-Szenen und vor allem ein großer thematischer Vorgriff auf später folgende Meisterwerke abspielen, lässt sich zwar nicht übersehen, anhand des geckenhaften Donat aber hier und da doch leicht vergessen.

7/10

London Spionage Alfred Hitchcock Schottland


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THE MAN WHO KNEW TOO MUCH (Alfred Hitchcock/UK 1934)


"To a man with a heart as soft as mine, there's nothing sweeter than a touching scene."

The Man Who Knew Too Much (Der Mann, der zuviel wusste) ~ UK 1934
Directed By: Alfred Hitchcock

Im Winterurlaub in der Schweiz lernt die Londoner Familie Lawrence den charmanten Louis Bernard (Pierre Fresnay) kennen, der sich als Spion entpuppt. Nachdem auf Bernard ein tödlicher Anschlag verübt wurde, bringt Bob Lawrence (Leslie Banks) sich in den Besitz einer Notiz, mit der er zunächst nicht viel anfangen kann. Als dann seine Tochter Betty (Nova Pilbeam) entführt wird und Bob und seine Gattin Jill (Edna Best) unmissverständliche Anweisungen über ihr Schweigen erhalten, lässt auch die Wahrheit nicht lange auf sich warten: Hinter Louis' Ermordung und Bettys Entführung steckt eine Gruppe von Verschwörern, die in London die Ermordung eines wichtigen Diplomaten plant. Bob versucht auf eigene Faust, Betty zu befreien und den Anschlag zu verhindern.

Ferienzeit ist bei mir zugleich immer die Zeit für umfangreiche(re) Rück- und/oder Werkschauen. Nachdem ich mich Meister Hitchcock zu meiner persönlichen Unzufriedenheit schon lange nicht mehr oder nur bruchstückhaft gewidmet habe, soll er in den nächsten Tagen mein Augenmerk für sich verbuchen. Kleinere Unterbrechungen und Schlenker seien mir vorab gestattet. Über die bereits eingetragenen Filme werde ich nur gegebenenfalls, und dann an Ort und Stelle, Neues berichten. Betreffes meines persönlichen Startpunkts habe ich mich aus mehrerlei Gründen für "The Man Who Knew Too Much" entschieden. Der primäre Anlass ist rein praktikabler Natur: Erst ab hier ist mir eine lückenlose Werkschau möglich. Zwar besitze ich noch einige von Hitchs früheren Filmen, dabei handelt es sich jedoch nur vereinzelte Titel ohne chronologische Anbindung. Ferner kann "The Man" wohl gewissermaßen auch als thematischer Ausgangspunkt herhalten; "Ausreißer" wie den kurz zuvor entstandenen "Waltzes From Vienna" gab es in der Folge nämlich höchstens noch ansatzweise und keineswegs mehr so zäsurhaft wie noch in Form dieses wohl zumindest halbwegs zu vernachlässigenden Strauss-Musicals.
Von "The Man Who Knew Too Much" fertigte Hitch 22 Jahre später ein Hollywood-Farbremake an, das, soviel vorweg, nicht nur ihm selbst, sondern auch mir besser gefällt. Zwar verfügt das Original über den unsagbar coolen Leslie "Count Zaroff" Banks und vor allem über den wieder mal astronomisch aufspielenden Peter Lorre, doch wenige Schwächen - zugegebenermaßen Makulatur - lassen sich nicht hinfortleugnen. Zum Einen macht sich der Verzicht auf einen damals ohnehin unüblichen Score bemerkbar. Dass Hitchs Suspense fast schon angewiesen ist auf einen Bernard Herrmann ist zwar keine Schande, aber im Direktvergleich schon recht auffällig. Schließlich ein Showdown als Antiklimax: Unmittelbar nach der ebenso meisterlich wie im Remake montierten Szene in der Royal Albert Hall, in der Edna Best den Anschlag verhindert, folgt ein Polizeiüberfall auf die sich in einer Kapelle verschanzenden Verschwörer. Ein wirres, uninteressantes Geknalle ist die Folge, das stark an Hawks' "Scarface"-Finale erinnert, jedoch als viel zu lang gezogen und dramaturgisch überstrapaziert gewertet werden muss und wohl nur deshalb erforderlich war, um eine Lauflänge von über siebzig Minuten zu erreichen. Solche Ungelenkigkeiten sollen bald der Vergangenheit angehören und wurden durch einiges Geschick im Remake ausgemerzt. Mehr hierzu dann in Kürze.

7/10

Verschwoerung Alfred Hitchcock Kidnapping London Schweiz


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THE SKULL (Freddie Francis/UK 1965)


"Witchcraft?" - "Not in this day and age."

The Skull (Der Schädel des Marquis de Sade) ~ UK 1965
Directed By: Freddie Francis


Dr. Maitland (Peter Cushing), Okkultismusforscher und Besitzer einer stattlichen Sammlung entsprechender Exponate, gerät durch den windigen Hehler Anthony Marco (Patrick Wymark) an den Schädel des Marquis de Sade. Maitlands Freund und Kollege Sir Matthew (Christopher Lee), in dessen Besitz sich der Totenkopf zuvor befunden hat, rät ihm, die Finger von demselben zu lassen, da er auf seinen jeweiligen Besitzer geheimnisvolle Kräfte ausübe. Der Marquis sei einst von einem der vier Höllenfürsten besessen gewesen, dessen unselige Kraft dem Schädel noch immer innewohne. Doch Maitland ist dem Einfluss des Schädels längst ausgeliefert. Tatsächlich folgen auf Albträume und somnambule Episoden bald die ersten Toten und Maitland ist nicht länger Herr seiner Sinne.

Einer der ersten Filme des Hammer-Konkurrenten Amicus, sehr ambitioniert, wenn auch sichtlich günstiger als die Arbeiten des Traditionshauses gemacht. Mit Freddie Francis konnte ein geschätzter Regisseur gewonnen werden und die glänzende Besetzungsliste kann mit einigen Gastauftritten berühmter britischer Gruselstars aufwarten, darunter Michael Gough als Auktionator und Patrick Magee als Polizeiarzt. Im Gegensatz zum typischen Hammerfilm bemühte man für "The Skull" derweil weder eine längst vergangene Ära als Handlungsschauplatz noch irgendwelche Monsterfiguren. Das Böse geht hier von einer populären historischen Gestalt aus, der neben ihrem namensspendenden 'Sadismus' nichts weniger als echte Besessenheit angedichtet wird, um sie hinreichend dämonisch erscheinen zu lassen. Ob man diesen fliegenden Totenschädel mit gehörigem Überbiss nun als wahrhaft grauselig empfindet, bleibt wohl allein dem Auge des jeweiligen Betrachters überlassen, über die inszenatorische Sorgfalt und die Professionalität sämtlicher Beteiligten braucht indes kein Zweifel eingeräumt zu werden.

7/10

Marquis de Sade London Besessenheit Freddie Francis Robert Bloch Amicus Dämon Schädel


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THE MAN WHO COULD CHEAT DEATH (Terence Fisher/UK 1959)


"What in the world makes you think you are that special?"

The Man Who Could Cheat Death (Den Tod überlistet) ~ UK 1959
Directed By: Terence Fisher


Obschon er aussieht wie Mitte 30, zählt der Arzt und Künstler Dr. Georges Bonner (Anton Diffring) bereits 104 Lenze. Das Geheimnis seiner Jugend liegt in der einst von ihm und seinem Kollegen Dr. Weiss (Arnold Marlé) entdeckten Möglichkeit, den menschlichen Körper durch die poeriodische Erneuerung einer bestimmten Drüse jung zu halten. Dieser Vorgang muss pünktlich alle zehn Jahre erfolgen, sonst tritt der Alterungsprozess in Sekundenbruchteilen in Kraft. Allerdings kann die Operation für kurze Zeit aufgeschoben werden durch die Einnahme eines ominösen, grünen Tranks. Als Dr. Weiss herausbekommt, dass all die Spenderinnen der von ihm transplantierten Drüsen Mordopfer von Dr. Bonner waren, weigert er sich, diesen weiter zu unterstützen. Bonner benötigt die Hilfe des jungen Kollegen Dr. Gerrard (Christopher Lee), mit dem er sich die Liebe zur selben Frau (Hazel Court) teilt...

Wenig bekannte Hammer-Produktion der frühen Jahre, von Terence Fisher in wunderhübschem Fin-de-siècle-Ambiente und mit einem wie immer exzellenten Anton Diffring gefertigt. Jener hatte einen unwilligen Peter Cushing auszulösen - ein nachträglicher Glücksfall, möchte ich meinen. Das Thema ist nicht ganz neu, es basiert auf einem Stück von Barré Lyndon und wurde bereits vierzehn Jahre zuvor von Ralph Murphy verfilmt. Fishers Version weist leichte Änderungen auf, aber das ist ja nun ohnehin eine ziemlich Hammer-spezifische Eigenart. Der Genüsslichkeit dieses ziemlich wunderbaren Films tut jenes Vorgehen bestimmt keinen Abbruch. Diffring ist besonders in Kombination mit dem großartigen, im Kino leider stark unterrepräsentierten Arnold Marlé eine Wucht, was Fisher ebenfalls gemerkt haben wird, denn die von ethischen Diskussionen überlagerten Szenen mit den beiden Schauspielern werden lang ausgespielt und bilden so etwas wie das Herzstück des mit herrlichem Technicolor angereicherten Films.

8/10

Terence Fisher period piece Paris Fin de Siècle


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DAY OF THE OUTLAW (André De Toth/USA 1959)


"I'm through being reasonable."

Day Of The Outlaw (Tag der Gesetzlosen) ~ USA 1959
Directed By: André De Toth


In einem eingeschneiten Städtchen im nördlichen Wyoming sind der Rancher Starrett (Robert Ryan) und der Farmer Crane (Alan Marshal) soeben dabei, eine vermutlich tödlich verlaufende Fehde auszutragen, als der gesetzlose Konföderierten-Offizier Bruhn (Burl Ives) und seine Leute dort eintreffen. Der durch eine Kugel schwer verletzte Bruhn und seine Gang werden verfolgt und suchen hier kurzfristig Zuflucht, wobei sich besonders zwei seiner Männer, Tex (Jack Lambert) und Pace (Lance Fuller), kaum zügeln können. Kurz bevor es zu Vergewaltigungen und Alkoholexzessen kommen kann, schafft Starrett es, Bruhn mitsamt seiner Truppe aus der Stadt und ins Gebirge zu lotsen.

Brillante Arbeit von De Toth, nach einem Script von Philip Yordan angefertigt. Dröge, hart, unterkühlt und unfreundlich in seiner Gestalt, zudem in schwarzweiß und ohne große Stars gemacht, blieb "Day Of The Outlaw" die verdiente Populariät bis heute versagt. Dabei ist er mit Sicherheit einer der bemerkenswertesten Genrebeiträge seiner Zeit. Wie in vielen von Philip Yordans Büchern, geht es hier um einen innerlich aufgekratzten, akut aggressiven Helden, der erst durch eine unerwartete Extremsituation innerlich befriedet werden kann. Dass der ansonsten häufig als bad guy besetzte Robert Ryan diese Rolle erhielt, ist eine so mutige wie konsequente Entscheidung. Bei Jimmy Stewart oder Gary Cooper hätte man gleich von Anbeginn geahnt, wohin die psychologische Reise letzten Endes führen würde, Ryan macht es einem da schon deutlich schwerer. Die schweren, klaren Bilder des Films scheinen unter der drückenden Last einer Schneedecke zu stehen, so ungemütlich wirken sie. Immerhin erlöst De Toth uns am Ende und lässt uns nochmal gehörig aufatmen.

9/10

Wyoming Schnee André De Toth


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00 SCHNEIDER - JAGD AUF NIHIL BAXTER (Helge Schneider/D 1994)


"Wat has' denn du gemachte tä?"

00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter ~ D 1994
Directed By: Helge Schneider

Der eigentlich retirierte Kommissar 00 Schneider (Helge Schneider) kehrt zusammen mit seinem Kollegen Lieutenant Körschgen (Helmut Körschgen) in den aktiven Polizeidienst zurück, um den ein-fachen Mörder Nihil Baxter (Helge Schneider), einen "Irren mit 'nem Kunsttick", zu fangen und ins Gefängnis zu tun.

Vermutlich der Film, dem ich in meiner bisherigen Biographie absolut gesehen die meiste Zeit gewidmet habe. Seit ich ihn am seligen, eiseskalten Silvestermorgen des Jahres 1994 als Matinee-Vorstellung im örtlichen Kino bewundern durfte, bin ich ein glühender Liebhaber dieses unumwundenen Meisterwerks deutscher Filmkunst. Ein hierin verwurzelter, reichhaltiger Zitatenfundus, der freilich zum Großteil auf Schneiders älteren Vier-Tonspur-Hörspielen basiert, hat sich seitdem fest in meinen Wortschatz eingemeißelt und wird zu den passendsten (und unpassendsten) Gelegenheiten immer wieder bemüht. Gut aufgehoben fühlt man sich speziell dann, wenn jemand die Geheimcodes versteht, mit denen man sich da verständigt. Dann weiß man, ähnlich wie bei einem Geheimlogengruß: "Aha, da ist ein Gleichgesinnter."
Warum ist Schneiders Film so infektiös? Zunächst mal liefert er trotz der Parallelwelt-Szenerie eine wundervolle Ruhrpott-Doku und geht sogar etwas darüber hinaus, nämlich bis ins Neandertal bei Mettmann, und nur, um einen "merkwürdigen Traum" des Kommissars zu bebildern. "00 Schneider" ist gefilmte Anarchie, alles scheißegal, alles total bescheuert, stream of consciousness, jedwede strukturelle und formale Zwänge negierend. Über Opas Kino der Wallace-Filme bepisst sich der "00 Schneider" ebenso vor Lachen wie über das Neue Deutsche Kino von Fassbinder und Anverwandtentum; dreht den Klassikern dieser Ären eine lange Nase und erweist ihnen zugleich durch immer wieder erfolgende, stilistische Rückgriffe seine Ehrerbietung. Dann ist er auch ein Familienfilm, in dem keiner vermisst zu werden braucht: Buddy Casino, Peter Thoms, Sergej Gleitmann, Charly Weiss und wie sie alle heißen, laufen sich mittels immer bizarreren Auftritten gegenseitig den Rang ab. Mit Werner Abrolat, der schon in "Texas" den Sheriff spielte und in "Praxis Dr. Hasenbein" ein letztes Mal dabei sein wird als Käse-Fachverkäufer, der vor vielen Jahren für Sergio Leone und Jess Franco gespielt hat und seine letzte große Performance als Stimme des schottischen Schulhausmeisters Willie bei den "Simpsons" gab, ist immerhin auch ein richtiger Schauspieler dabei (und damit will ich den großen Andreas Kunze natürlich bei Leibe nicht geschmälert wissen! [das wäre auch schlecht möglich)]. Für Helmut Körschgen, den viele "00 Schneider"-Kultisten an ihrem Herzensobjekt am allerdollsten lieben, war's der denkbar würdigste Schwanengesang. Er wird seine Revals und sein Pilsken jetzt zusammen mit Abrolat, Kunze und Weiss an der lokalen Trinkhalle des Komödianten-Olymps einnehmen.

10*/10

Christoph Schlingensief Groteske Hommage Surrealismus Helge Schneider Satire Ruhrpott


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BLACK BART (George Sherman/USA 1948)


"One thing about being a crook: you can spot another crook at fifty paces."

Black Bart (Die schwarze Maske) ~ USA 1948
Directed By: George Sherman


Kalifornien, um das Jahr 1953: Der als "Schwarzmaske" gefürchtete Bandit Charles E. Boles (Dan Duryea) bereitet der Wells Fargo Bank Kopfzerbrechen. Er hat die Gesellschaft bereits um immense Summen erleichtert und konnte bislang weder gefasst werden noch ist seine wahre Identität bekannt, da er seine Coups namensgetreu nur vermummt begeht. Als die berühmte europäische Tänzerin und Mätresse Lola Montez (Yvonne De Carlo) an die Westküste kommt, ist es um Boles' Herz geschehen. Vom Fleck weg verliebt er sich in die Schöne. Auch sein alter Partner und Freund Lance Hardeen (Jeffrey Lynn), der jetzt für die Wells Fargo arbeitet, verkuckt sich in Lola. Der vorauszusehende Hahnenkampf lässt nicht lange auf sich warten.

Charmanter, wenn auch gleichförmig-routiniert inszenierter Romantikwestern von George Sherman, dessen größte Stärke seine wunderschön leuchtenden Technicolor-Bilder sieht. Allein deren Betrachtung lässt es mir warm ums Herz werden und die im Prinzip sowieso zu vernachlässigende Geschichte um den verlorenen Outlaw und sein Liebchen vergessen. Ganz abgesehen davon, dass der märchenhafte Plot ohnehin grundphantastisch ist und jedwedes historische Faktum außen vor lässt, ist die Idee, einen legendären Wildwest-Banditen auf die skandalumwitterte Lola Montez treffen zu lassen, natürlich sehr fein und bester Kintopp-Stoff. Ebensogut hätte man zwar auch Sarah Bernhardt und Jesse James eine Romanze andichten können, aber der Maskenmann und die männermordende, ganze Revolutionen auslösende Edelkurtisane geben da schon einiges mehr her.

7/10

Freundschaft Kalifornien George Sherman Lola Montez


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THE LAIR OF THE WHITE WORM (Ken Russell/UK 1988)


"She bit me!"

The Lair Of The White Worm (Der Biss der Schlangenfrau) ~ UK 1988
Directed By: Ken Russell


Der dandyhafte Lord James D'Ampton (Hugh Grant) kommt zwecks Erbantritts auf sein Familiengut zurück, derweil sich auch in seiner Nachbarschaft einiges tut: Der in der Pension der Schwestern Trent (Sammi Davis, Catherine Oxenberg) wohnende Archäologie-Student Angus (Peter Capaldi) gräbt unter einem früheren Kloster eindeutige Spuren eines archaischen Schlangenkults aus und die geheimnisvolle Lady Silvia Marsh (Amanda Donohoe) kehrt aus dem Winterurlaub heim in ihr Ressort, das "Tempelhaus". Bald kann Lord D'Ampton seiner Familientradition, der zufolge einst ein Vorfahr einen in der Gegend hausenden Lindwurm besiegte, fortführen, denn es regt sich etwas in den Höhlen um D'Ampton Hall...

Nicht übel, aber auch kein großer Wurf. Was mir an "Lair Of The White Worm", einer etwas unorthodoxen Stoker-Verfilmung, überhaupt nicht zusagt, ist seine latente Ironie. Als scheue Russell sich, die an sich doch so viel hergebende Lindwurm-Story zur Gänze ernstzunehmen, zieht er es vor, auf der sicheren Seite zu bleiben, sein rein intellektuell betrachtet sicherlich integres Künstlergebahren durchzuziehen und stets als inszenierender Zampano und lachender Dritter hoch über den Dingen zu stehen. Nun ist Russell aber kein John Landis, der eine solche Gratwanderung einst meisterlich zu bewerkstelligen wusste. Stattdessen verfolgt er viele seiner guten Ansätze nicht weiter, darunter die schicken Masken und Make-Ups, und beraubt die ansonsten tolle Donohoe durch das ihr scriptmäßig auferlegte, permanente, dümmliche Dahergefasel jeder Bedrohlichkeit. Überhaupt scheint mir dies das essenzielle Problem dieses ansätzlich sicher sehenswerten Films: Er ist schlichtweg zu geschwätzig. Ich sehnte mir ja eine adäquate Adaption von Stokers Roman herbei, aber das wird vorerst wohl nur ein frommer Wunsch bleiben.

6/10

Monster Ken Russell Bram Stoker Vampire England Schlangen


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WHITE OF THE EYE (Donald Cammell/UK 1987)


"You can't kill what's already dead, can you?"

White Of The Eye (Das Auge des Killers) ~ UK 1987
Directed By: Donald Cammell


Tucson, Arizona: Ein Frauenmörder treibt sein Unwesen in der flirrenden Sommerhitze. Der ermittelnde Detective Mendoza (Art Evans) hegt bereits einen bestimmten Verdacht. Da macht Joan (Cathy Moriarty), die Frau des allseits beliebten Tontechnikers Paul White (Brian Keith), eine schreckliche Entdeckung.

Ein Kunstwerk von hohem Rang ist Cammells vorletzter Film, das sich ästhetisch und atmosphärisch in eine Reihe stellen lässt mit Manns "Manhunter" und Friedkins "To Live And Die In L.A." (mit dem es sich zusätzlich den Schauspieler Michael Greene teilt). Im Gegensatz zu diesen fristet "White Of The Eye" jedoch bis heute ein Nischendasein und harrt beständig seiner längst fälligen, großflächigen (Wieder-) Entdeckung. Cammells Film fällt in die in diesen Fällen stets so gern bemühte Kategorie "seiner Zeit weit voraus". Ehedem von der Cannon verliehen und fälschlich verkauft als Allerweltsthriller, findet man sich hier gleich von Beginn an hineingerissen in ein komplexes, sperriges, formal jedoch ungeheuer geschlossenes Inferno aus latenter Ungemütlichkeit, Gewalt, Lüge und falschen Oberflächen, das am Ende, nach einer mehr als deutlichen "Shining"-Reverenz, buchstäblich explodiert. Für Kino-Schatzsucher und solche, die es werden wollen, eine Ausgrabung, die aller Mühen wert ist.
Vesti la giubba...

9/10

Arizona Donald Cammell Ehe Familie Serienmord Madness


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THE RAGGEDY RAWNEY (Bob Hoskins/UK 1988)


"I'm cursed. We're all cursed."

The Raggedy Rawney (Raggedy - Eine Geschichte von Liebe, Flucht und Tod) ~ UK 1988
Directed By: Bob Hoskins


In einem namenlosen, mitten im Krieg befindlichen Land verkleidet sich der junge Deserteur Tom (Dexter Fletcher) als "Rawney", eine Art verrückte Waldhexe, und schließt sich einer Gruppe fahrender Leute an. Nachdem diese, abergläubisch wie sie sind, Tom, die Rawney, zunächst willkommen geheißen haben, sind sie bald überzeugt, dass er/sie ihnen nur Unglück bringt: Erst ertrinkt der behinderte Sohn (Timothy Lang) einer der Mitreisenden (Zoë Wanamaker), dann geraten die Zigeuner in einen empfindlichen Konflikt mit Soldaten. Schließlich bekommt Jessy (Zoë Nathenson), die Tochter des Treckführers Darky (Bob Hoskins), ein Kind unbekannter Herkunft. Wer steckt dahinter?

Diese naive Antikriegsfabel markierte Bob Hoskins' Debüt als Regisseur. Produziert wurde es von George Harrisons Firma 'Handmade Films' in deren sehr britische Linie der Film hervorragend passt, ist er doch unverkennbar ein Produkt seines Landes und von dessen Mentalität. Ganz bewusst ist "The Raggedy Rawney" lokal und zeitlich entrückt bzw. nicht zuzuordnen. Einerseits könnte sich die Geschichte in einem Bürgerkriegsgebiet auf dem Balkan abspielen, andererseits tragen die Personen englische Namen und sprechen starken Dialekt. Ferner weiß man nicht, wer da überhaupt mit wem im Krieg liegt - die Uniformen geben keine Auskünfte und die Tatsache, dass die Armee vornehmlich damit beschäftigt scheint, Deserteure einzufangen bzw. Verweigerer am Waffendienst zu schnappen, wirkt umso bedrückender. Darky und seine fahrende Truppe symbolisieren derweil eine gesellschaftsautarke, ausgelassene, bald hippieeske Lebensfreunde, die sich lediglich durch die ständige Flucht vor den Militärs aufrecht erhalten lässt. Der traumatisierte Rekrut Tom, der schon nach wenigen Tagen Seiten vom Krieg gesehen hat, die keinen anderen Schluss zulassen als für immer genug davon zu haben, passt recht gut zu den fahrenden Gesellen, allein sein Zugang zu ihnen ist vielleicht etwas umwegig und am Ende von harten, rückblickend vielleicht vermeidbaren Verlusten gesäumt.

8/10

Bob Hoskins Zigeuner Road Movie Erwachsenenmaerchen Parabel





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Funxton

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