Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

127 Hours (Danny Boyle/UK, USA 2010)


"Don't lose it, Aron. Don't lose it."

127 Hours ~ UK/USA 2010
Directed By: Danny Boyle

Im April 2003 gerät der Extremsportler Aron Ralston (James Franco) während einer Kletterpartie in einen Felsspalt, in dem er, den rechten Unterarm unlösbar eingeklemmt, hängenbleibt. Der Haken: Niemand weiß von seinem Hiersein. Als ihm nach einigen Tagen sein streng rationiertes Wasser ausgeht, sieht Aron nurmehr eine Lösung, sein Leben zu retten...

Die mit atemberaubender Empathie aufbereitete Kinoversion dieser authentischen Geschichte gehört zu jenem kleinen Kreis von Filmen, die die Natur und ihren verführerischen Zauber als ebenso überwältigend wie heimtückisch zeichnen, in denen sich Mutter Wildnis für die Arroganz der Menschen rächt und eventuell Überlebende nur unter groben psychischen und/oder physischen Verlusten wieder aus ihren Klauen entlässt. Dabei ist die von Boyle mit nachvollziehbar überschwänglicher Faszination eingerahmte Canyon-Landschaft anfänglich natürlich keinesfalls abschreckend; im Gegenteil hat man als Zuschauer selbst das Bedürfnis, dort Zeit zu verbringen und in der goldenen Sonne zu schwelgen. Dann jedoch folgt die unweigerliche Unausweichlickeit. Franco stemmt die sicher nicht leichte Aufgabe, den Film nach den ersten zwanzig Minuten praktisch als einzige agierende, dazu noch höchst eingeschränkte Figur zum Ende zu tragen, mit bewundernswerter Intensität, derweil Boyle die seinen Protagonisten durchflutenden Bewusstseinströme, die später mit Halluzinationen einhergehen, zu visualisieren hat. Doch auch das gelingt erwartungsgemäß just dem Herrn, der einst "Trainspotting" inszenierte. Guter Film, ergo.

8/10

Gebirge Danny Boyle Colorado


Foto

CACTUS FLOWER (Gene Saks/USA 1969)


"You dirty married bachelor!"

Cactus Flower (Die Kaktusblüte) ~ USA 1969
Directed By: Gene Saks

Als seine wesentlich jüngere Geliebte Toni (Goldie Hawn) einen vergeblichen Suizid-Versuch startet, sieht sich der Dentist Julian Winston (Walter Matthau) endlich genötigt, sie zu heiraten. Der Haken: Julian hat ihr seit einem Jahr vorgeschwindelt, bereits verheiratet zu sein und drei Kinder zu haben. Nun muss er eine wilde Scheidungsgeschichte erfinden, die noch pikanter wird, als Toni darauf besteht, Julians zukünftige Ex-Frau kennenzulernen. Diese Rolle soll nun Julians langjährige Praxishelferin Stephanie (Ingrid Bergman) einnehmen...

Fand ich an der Zeit, aufzufrischen, nachdem ich neulich "Just Go With It", die zumindest motivisch verwandte Neuverfilmung des Stücks "Fleur De Cactus" von Barillet und Grédy gesehen hatte. Für "Cactus Flower" hat der Wilder-Stammschreiberling I.A.L. Diamond die Feder zur Hand genommen und entsprechend anverwandt wirkt das Ergebnis. Allerdings ist weniger die sich anbahnende Romanze der beiden alternden Knutschkugeln Matthau und Bergman (jene mit 54 immerhin noch gut fünf Jahre älter als ihr Filmpartner, das gibt's auch nicht alle Tage in Hollywood), sondern die satirische Zeichnung des selbsternannten Künstlermilieus von Greenwich Village. In jenen Tagen schien in New York noch alles gestattet und rein gar nichts merkwürdig zu sein, jedenfalls glaubt man das als Spätergeborener nach Ansicht von Filmen wie diesem nur allzu gern. Ganz herrlich anzuschauen etwa die Tanzflächenverrenkungen der Protagonisten zu einer Northern-Soul-Variation von dem Monkees-Klassiker "I'm A Believer" oder die Szenen in Goldie Hawns Plattengeschäft.
Ansonsten ein sehr lebensweises und wohlmeinendes Stück, das bei allem Tiefsinn älteren Herren ihre evolutionär verwurzelten Lolitakomplexe jedoch kaum auf Dauer austreiben wird. Ich jedenfalls wäre bei der Hawn geblieben, aber wer bin ich schon...

7/10

New York Zahnarzt Bohème based on play


Foto

SINBAD THE SAILOR (Richard Wallace/USA 1947)


"Thank Allah, I am sailing home to Dariabar!"

Sinbad The Sailor (Sindbad der Seefahrer) ~ USA 1947
Directed By: Richard Wallace

Der Seefahrer Sindbad (Douglas Fairbanks Jr.) erzählt den Leuten im Hafan von Basra von seiner achten Reise, auf der er nicht nur den Schatz Alexander des Großen auf der sagenumwobenen Insel Deryabar gefunden hat, sondern auch seine große Liebe Shireen (Maureen O'Hara), und im Zuge derer er sich gleich gegen zwei Bösewichte, nämlich den machthungrigen Emir von Daibul (Anthony Quinn) und einen geisterhaften Piraten namens Jamal (Walter Slezak), dessen Gesicht niemand kennt, zur Wehr setzen musste...

Alles ist wahr, alles! Gut aufgelegtes Abenteuermärchen für kleinere und größere Jungs, dem leider noch der Mut zur naiven Fantasy, die später die drei von Ray Harryhausen getricksten Sindbad-Filme begleitete, fehlt. Zwar erzählt der zu großen Gesttikulierereien neigende Sindbad gern auch die Geschichten seiner legendären siebten Reise, vom Vogel Roch und anderen Ungeheuern, in Wallaces Film reicht es jedoch bloß zu zwei - immerhin famos interpretierten - höchst menschlichen Antagonisten. Ansonsten sind die leuchtenden Farben der primäre Trumpf dieser quietschbunten Fabel, in der Fairbanks Jr. grinsend herumspringt wie ein toll gewordenes Eichhörnchen und die am Ende sogar eine felsenfeste Moral absondern darf: Die wahren Schätze liegen im Herzen und im Kopfe eines jeden Suchenden!

7/10

Sindbad 1001 Nacht Piraten Richard Wallace


Foto

BLUE (Silvio Narizzano/USA 1968)


"Let me do this."

Blue (Inferno am Fluss) ~ USA 1968
Directed By: Silvio Narrizano

Der verwaiste Azul (Terence Stamp) hat sich infolge seiner Adoption durch den mexikanischen Bandenführers Ortega (Richardo Montalban) dessen Bande angeschlossen. Der schweigsame, junge Revolverheld genießt das Töten und hat bisweilen regelrecht gewalttätige Momente. Dies ändert sich jedoch im Zuge eines Überfalls, den Ortega und seine Leute auf eine Farmersiedlung nördlich des Grenzflusses verüben. Unter Einsatz seines eigenen Lebens kann Azul gerade noch die Vergewaltigung der Arzttochter Joanne (Joanna Pettit) durch seinen Stiefbruder (Statis Giallelis) verhindern. Joanne und ihr Vater (Karl Malden) pflegen Blue, wie sie Azul nun nennen, gesund. Doch die Idylle ist nur vorübergehend. Als Ortega feststellen muss, dass Azul sich von ihm abgewandt hat, schwört er Rache. Es kommt zum offenen Krieg zwischen den von Blue angeführten Farmern und den Banditen.

Ein seltsamer Film des erst vor drei Wochen verstorbenen Silvio Narizzano. "Blue", der an den Kassen böse gefloppt ist (und dies, in Anbetracht seiner unnahbaren Gestalt, wohl nicht ganz unerwartet), nähert sich seiner Titelfigur mit ganz ähnlichem Misstrauen wie sein Nebenbuhler im Film, der Farmerssohn Jess Parker (Anthony Costello). Von Anfang an lässt die Geschichte keinen Zweifel daran, dass das genussvolle Töten einen eingefleischten Charakterzug des Rachedürstigen ausmacht. Die Rettung Joannes kommt offenbar nur infolge irregulärer Sympathien seitens Blue für ihr reizendes Aussehen zustande. Terence Stamp, dem zumindest in jungen Jahren immer etwas Bedrohliches, Unentschlüsselbares anhaftete, ist in seinem einzigen US-Film dieser Tage die perfekte physische Entsprechung dafür. Dennoch ist die wahre Spezialität des Films seine Bildsprache. Bereits ein kurzer Blick auf die Filmographie des dp Stanley Cortez ("Night Of The Hunter", "Shock Corridor") spricht Bände und macht nicht weiter verwundern, woher die unglaubliche Aufgeräumtheit der Bilder nebst ihren leuchtenden Farben stammen. Narizzano und Cortez vollbringen das Kunststück, selbst den hitzigen Süden von Texas noch kühl und wohlbelüftet erscheinen zu lassen unter dem stahlblauen Firmament. Eine hart an der Grenze zum Camp vorbeischlitternde Dämmerungsszene ist nicht minder toll. Da verzeiht man "Blue" sogar bereitwillig seine latente emotionale Distanziertheit.

7/10

Rache Silvio Narizzano Texas Mexiko


Foto

THE BIG TREES (Felix E. Feist/USA 1952)


"I'd better get out of here. It might be catching."

The Big Trees (Für eine Handvoll Geld) ~ USA 1952
Directed By: Felix E. Feist

Im Jahre 1900 entschließt sich der windige Holzfäller-Baron Jim Fallon (Kirk Douglas), nach Kalifornien zu gehen, um sich die per Regierungsedikt freigestellten Redwood-Bäume unter den Nagel zu reißen. Trotz seines denkbar kompromisslosen Vorgehens muss Fallon bald einsehen, dass die dort angesiedelten Quäker, allen voran die ihm nicht unsympathische Witwe Alicia Chadwick (Eve Miller) irgendwie Recht haben, wenn sie die uralten, gigantischen Mammutbäume als gottgleiche Präsenz auf Erden begreifen. Als Fallons ehemaliger Partner LeCroix (John Archer) sich mit der noch skrupelloseren Konkurrenz zusammentut und ihn übervorteilen will, stellt sich der nunmehr Geläuterte auf die Seite der friedliebenden Quäkersleut.

Auch wenn man den Namen Felix E. Feist auf das erste Hören naiverweise und nicht ganz unberechtigt für das Pseudonym eines Pornofilmers halten könnte, hat selbiger, bevor er später zum Fernsehen wechselte, neben diesem hübschen kleinen Technicolor-Western noch ein paar weitere mit Randolph Scott und Lex Barker auf dem Kerbholz sowie den "Gehirnfilmklassiker" (O.-Ton ofdb) "Donovan's Brain". "The Big Trees" ist die gemächlich erzählte Geschichte einer moralischen Schuldrückzahlung, wie sie weiland auch Walshs "Silver City" erzählte. Jim Fallon nimmt das Prinzip des Kapitalismus anfangs etwas zu wörtlich und vergisst als rücksichtsloser Glücksritter jede Form der Menschlichkeit. Kirk Douglas, man denke nur an Wilders "Ace In The Hole", konnte den schurkischen Schweinhund mit "Schaf im Wolspelz"-Attitüde verkörpern wie nur wenige sonst, weshalb er hier auch besonders auftrumpfen kann. Böse Zungen mögen sogar behaupten, "The Big Trees" gehöre ganz ihm, wenn man aber Feist dabei beobachtet, wie er selbst der Faszination der majestätischen Redwood-Bäume zu erliegen scheint, dann relativieren sich Aussagen wie die obige ganz schnell wieder. Kein großer Klassiker, aber ganz bestimmt eine nette Abwechslung für zwischendrin.

6/10

Kalifornien Holz Freundschaft period piece


Foto

THE GATE (Tibor Takács/CAN, USA 1987)


"Demons aren't gonna ring the doorbell!"

The Gate (Gate - Die Unterirdischen) ~ CAN/USA 1987
Directed By: Tibor Takács

Im Garten von Glens (Stephen Dorff) Eltern wird ein knorriger, alter Baum gefällt. Nicht nur, dass Glen sich über den Verlust seines Baumhauses ärgert, scheint unter dem Wurzelstock auch noch ein tiefer Gang oder Bau zu liegen. Als die Eltern von Glen übers Wochenende wegfahren und er mit seiner Schwester Al (Christa Denton) und seinem besten Kumpel Terry (Louis Tripp) zu Hause bleibt, zeigt sich das ganze unheilige Ausmaß des unterirdischen Gewimmels: Kleine Dämonen, die offenbar allesamt nur Vorboten eines wesentlich größeren Patrons sind, kommen aus dem Loch im Garten und terrorisieren die armen Kids.

Horror-Fantasy-Stoff mit kindlichen Protagonisten, wie er in den Achtzigern zum Regelprogramm auf der Leinwand zählte. Filme wie "Poltergeist", "Joey", "Gremlins", "Critters", "Lady In White", "The Monster Squad" oder der etwas unbekanntere "Something Wicked This Way Comes", allesamt in unterschiedlichen Spektren des Phantastischen zu verorten, schlugen eine Brücke von den vom kindlich nachgeprägten Traumkino eines Steven Spielberg (oft auch unter dessen Beteiligung) hin zu durchaus erwachsenenkompatiblem Grusel, wobei jener Pfad mal konsequenter, mal zurückhaltender beschritten wurde. Die unabhängige Produktion "The Gate" ist ein leicht verspäteter Nachzügler dieser Welle, haut dafür aber nochmal ordentlich auf den Putz. Nicht nur, dass er mit formvollendeten Effekten, darunter einiges an stop motion, das Ray Harryhausen ordentlich Respekt abgenötigt haben dürfte, aufwartet, ist er doch immerhin ehrlich genug zu seinem Sujet, die bedrückende, unwohlige Stimmung nie ins Hintertreffen geraten zu lassen. Als ausgesprochener Kinderfilm funktioniert "The Gate" somit nur bedingt, der jugendliche Gekröse-Buff dürfte sich indes mit vorlautem Gelästere abwenden. Dabei ist es eigentlich gar nicht sonderlich schwer, "The Gate" sympathisch zu finden. Die Kinderdarsteller, darunter der dreizehnjährige Stephen Dorff, sind nett besetzt, mit Glens Freund Terry ist ein etwas vielschichtigerer Charakter dabei und wieder mal ist Heavy Metal (respektive ein Album der fiktiven Band "Sacrifice") der Schlüssel zu aller Dämonie. Natürlich ließ sich Takács, der heute mit zumindest interessant betitelten DTV- und TV-Instants wie "Mansquito" und "Mega Snake" seine ihm noch verbliebene Rest-Fangemeinde unterhält, ehedem noch die mit feiner Ironie gesalzene Butter nicht vom Brot nehmen.

7/10

Monster Familie Independent


Foto

THE EAGLE (Kevin Macdonald/UK, USA 2011)


"You are free, my friend."

The Eagle (Der Adler der neunten Legion) ~ UK/USA 2011
Directed By: Kevin Macdonald

Im Jahre 140 kommt der Zenturio Marcus Aquila (Channig Tatum) nach Britannien, um seinem Vater, der rund 20 Jahre zuvor mit der neunten Legion in Kaledonien verschwunden ist, nachzueifern. Nach einem verlustreichen Einsatz gegen einen Keltenstamm muss Marcus sich schwer verwundet auskurieren und erfährt, dass das Feldzeichen der neunten Legion, der römische Adler, niemals bis vor den Hadrianswall zurückgebracht wurde. Zusammen mit seinem neuen Sklaven, dem selbstbewussten Häuptlingssohn Esca (Jamie Bell), macht sich Marcus auf, den Adler von den Briganten zurückzuerobern und somit die seit dem Verschwinden seines Vaters angeknackste Familienehre wiederherzustellen.

Im Prinzip nichts anderes als eine Art Sequel zu Neill Marshalls letztjährig erschienenem "Centurion", der das bis heute rätselhafte Verschwinden der neunten Legion im schottischen Hochland zum Thema hatte. Auch hier stehen zwei Helden, deren Beziehung allerdings durch das Herr-Sklave-Verhältnis deutlich verkompliziert wird im Mittelpunkt dessen, was man getrost als "Abenteuerfilm vor historischem Hintergrund" bezeichnen kann und wie "Centurion" ist "The Eagle" vor allem ein Film für leicht für Geschichtliches zu begeisternde Zuschauer, die sich nicht vor dem Gegensatz Form-Sujet scheuen und sich von einer betont zeitgenössischen Visualisierung (welche sich im Übrigen immer noch tapfer an Scotts "Gladiator"-Standards hält) nicht in die Suppe spucken lassen. Auf jeden Fall sieht "The Eagle" recht hübsch aus, ist hier und da spannend und um einiges weniger blutig ausgefallen als "Centurion". Ob man das nun positiv bewerten möchte oder eher umgekehrt, liegt wie so häufig im Auge des Betrachters. Ich selbst bin ja ein großer Freund von Schwert-&-Blutwurst-Platten und hätte mir hier und da vielleicht etwas mehr Detailfreude gewünscht. Dennoch eine nette Ergänzung zu "Centurion" und letztlich auch genau auf dessen qualitativer Augenhöhe.

7/10

Antike period piece Schottland Kevin Macdonald Historie Roemisches Reich


Foto

DIE VORSTADTKROKODILE (Wolfgang Becker/BRD 1977)


"Habter gesehen, wie man's macht?"

Die Vorstadtkrokodile ~ BRD 1977
Directed By: Wolfgang Becker

Die "Vorstadtkrokodile" sind zehn Kinder, die sich zu einer Bande mit strengem Ehrenkodex zusammen geschlossen haben. Der an den Rollstuhl gebundene Kurt (Birgit Komanns) rettet dem neuesten Mitglied Hannes (Thomas Bohnen) das Leben, als dieser bei einer Mutprobe fast vom Dach einer Ziegelei fällt. Wegen Kurts schneller Reaktion kann die Feuerwehr Hannes in letzter Sekunde aus seiner misslichen Lage (er hängt an einer Regenrinne) befreien. Kurt, der von den Krokodilen wegen seiner Behinderung stets gemieden wurde, kann sich nun langsam das Vertrauen und die Freundschaft der anderen Kinder sichern. Brenzlig wird es wiederum, als Kurt einem Trio (Martin Semmelrogge, Thomas Naumann, Hans-Gerd Rudolph) jugendlicher Einbrecher auf die Spur kommt, von denen einer der ältere Bruder des Krokodils Frank (Heiner Beeker) ist...

Sehr liebenswerte, erste Verfilmung des berühmten Kinderbuchs von Max von der Grün, das ja bereits seit einigen Jahren zum Kanon der Schulliteratur zählt. Der pädagogische Nährwert hält sich dabei relativ geschickt getarnt unter der zumindest halbwegs authentischen Schilderung vorstädtischen Kinder-Milieus. Buch und Film bilden eine Lehrstunde in Sachen Toleranz, ohne dabei jemals auch nur ansatzweise Gefahr zu laufen, kitschig oder pathetisch zu werden. Darin liegt überhaupt das große Geschick des Stoffes, den behinderten Kurt, der seinen Spitznamen "Rennfahrer" ganz flugs weghat, zum einen als Protagonisten und Identifikationsfigur einzuführen und ihn trotz seiner körperlichen Einschränkung als mindestens genauso mutig und clever wie seine neuen Freunde zu charakterisieren. Im Film übernahm diese Rolle ein Mädchen (Birgit Komanns), das dann später von Oliver Rohrbeck nachsynchronisiert wurde. Diese Parallele ist ganz interessant, war doch Rohrbeck in den siebziger und achtziger Jahren Stammsprecher mehrer Kinderserien des Hörspiellabels 'Europa', die sich oftmals als stark von von der Grüns Geschichte beeinflusst präsentierten. Die Kinder wurden allesamt von Laien gespielt, was sich bezüglich Beckers Authentizitätsanspruchs als hervorragende Entscheidung erwies. Der supereklig aufspielende Martin Semmelrogge als böser Egon ist aus dem Film nicht wegzudenken. Überhaupt wirken die Menschen hier allesamt vollkommen "original": Es wird - heute in einem nominellen Kinderfilm undenkbar - geraucht und gesoffen, selbst die Kinder versetzen sich einmal in einen lustigen Weinrausch. Der tolle Eberhard Feik, als Kurts Vater zu sehen, darf sich in einer Szene auf einem Schulfest richtig gehörig einen reintun, wohlgemerkt, ohne gleich als pathologischer Trinker denunziert zu werden. Die unumwundene Darstellung solch gelebter Entspanntheit würde uns heute auch mal wieder guttun...
Die ebenfalls auf der aktuell erschienen DVD enthaltene, vier Jahre später entstandene Dokumentation "Bleibt knackig, Freunde" entzaubert den Film dann recht stark, denn die Kids sind mittlerweile um die 16, 17 Jahre alt, trinken vor der Kamera unverhohlen ihr Schnäpschen und sind gerade dabei, sich eine kleinbürgerliche Existenz zu schaffen. Das ist zwar recht interessant und spaßig zu betrachten, wirkt unmittelbar nach dem Genuss des Hauptfilms aber auch ziemlich entromantisierend. Aber kann man ja auch weglassen und stattdessen lieber noch ein wenig die starken, sehr symbolbehafteten Finalbilder der "Krokodile" nachwirken lassen. Besser ist das.

8/10

TV-Film Kinderfilm Wolfgang Becker Max von der Grün Coming of Age


Foto

JUST GO WITH IT (Dennis Dugan/USA 2011)


"I can't wait to Twitter this to all my friends."

Just Go With It (Meine erfundene Frau) ~ USA 2011
Directed By: Dennis Dugan

Nach einem traumatischen Prä-Hochzeits-Erlebnis hat der ansonsten gut aufgelegte Schönheitschirurg Danny Maccabee (Adam Sandler) einen fiesen Abschlepp-Trick entwickelt: Er trägt einfach seinen - nunmehr bedeutungslosen - Ehering und die Herzen der schönsten Frauen fliegen ihm nur so zu. Bei der atemberaubenden Palmer (Brooklyn Decker) stellt sich leider der diametrale Effekt ein: Als die junge Schönheit, die Danny eigentlich vom Fleck weg heiraten würde, das güldene Heiratssymbol erblick, hält sie ihn für einen Betrüger und will vorläufig nichts mehr von ihm wissen. Um Palmer nun zu verkaufen, dass seine (imaginäre) Ehefrau eine wahre Hexe ist, überredet Danny seine langjährie Sekretärin Katherine (Jennifer Aniston), ebenjene zu spielen. Eine Reise nach Hawaii bringt längst erforderliche Klarheit.

Nach "Grown Ups" ist das diesjährige Sandman-Movie wieder etwas bissiger geraten, bleibt insgesamt aber der mittlerweile etablierten, familienfreundlichen Linie des Komikers treu. Überhaupt gibt es kaum Neues zu berichten von der Sandlerfront, aber da der Mann ja ohnehin so etwas wie eine massenkulturelle Konstante repräsentiert, ist das auch gut so. Die beiläufige 'plastic surgery satire' ist nicht übel und der Einsatz von Nicole Kidman (die ich zuletzt in "Cold Mountain" erblickt hatte) mitsamt ihren gestrafften Gesichtszügen, bei der ich zweimal hinsehen musste, um sie überhaupt zu erkennen, scheint mir ein hübsch perfider Zusatz-Kommentar. Hawaii als bewährten Schauplatz sowohl für bizarre Komik als auch für romantische Verwicklungen hatten wir schon ("50 First Dates"), die wie immer ausgesuchte Song-Kompilation mit unter anderem (nachgezählt) sage und schreibe neun Stücken von The Police bzw. dem Solo-Sting, einige davon als interessante Remix-Versionen und dem Überhit "Next To You" als Abschluss, fällt für einen Anhänger der Jungs natürlich generös aus und dieser blonde, überaus wohlbestückte Kleiderschrank Brooklyn Decker ist ein wahrer Klappmesser-Garant. Aber wen wundert's - der Sandman ist ja bekanntlich auch kein Kostverächter in jedweder Hinsicht. Die sich zum personellen Stamminventar entwickelnden Nick Wardson und Dave Matthews sind klasse. Da lassen sich sogar die üblichen, höchst weinerlich inszenierten Kinderheulereien um nachlässige Verräter-Papis noch zähneknirschend verknusen.
Ich schrieb es glaube ich schonmal an anderer Stelle, vermutlich sogar mehrfach, aber aus aktuellem Anlass ist es mir wieder ganz präsent: Sandler, der sein Lebenswerk dem Eskapismus und dem freundlich verpackten Publikums-Beschiss gewidmet hat, bleibt weiterhin der Einzige, der anno 2011 noch die capraeske Chuzpe besitzt, die USA per regelmäßigen Elogen liebevoll zum bonbonfarbenen Schlaraffenland zu verklären. Aber wen wundert's - für Erfolgsmenschen wie ihn repräsentieren sie vermutlich genau das. Für diesen Einsatz gebührt ihm dann aber auch endlich mal irgendeine Form von Staatsorden, Mr. Barack.

6/10

Dennis Dugan Hawaii Los Angeles Satire Adam Sandler


Foto

SPACEBALLS (Mel Brooks/USA 1987)


"May the Schwartz be with you!"

Spaceballs ~ USA 1987
Directed By: Mel Brooks

Der Weltraumhalunke Lone Starr (Bill Pullman) und sein Kumpel Waldi (John Candy) befreien die Prinzessin Vespa (Daphne Zuniga) aus den Klauen der bösen Patrone Lord Helmchen (Rick Moranis) und Präsident Skroob (Mel Brooks). Dabei hilft ihnen Yogurt (Mel Brooks), der kleine, aber mächtige Beherrscher des "Safts".

Eigentlich wollte ich meine kleine, höchst unvollständige Brooks-Sammlung ja mal wieder chronologisch angehen, doch eine bierselige Laune trieb mich und meine Mitschauer dann zu unser aller altem Jugendschlager "Spaceballs". Wer mit "Star Wars" und anderen Klassikern des jüngeren phantastischen Kinos vertraut war und günstigstenfalls zum Zeitpunkt des Kinostarts von Brooks' SciFi-Farce gerade die Pubertät enterte, für den war dieses kalauernde Sammelbecken flacher bis toller Gags ein Instant-Kultfilm. Lange Jahre meiner Schulzeit begleiteten diverse Zitate des Films, Dinger wie "durchkämmt die Wüste" und "wahnsinnige Geschwindigkeit" wurden zu jedem Anlass hervorgekramt. Freilich gehen in der (nichtsdestotrotz sehr gelungenen) deutschen Sprachfassung einige von Brooks' Witzchen verlustig, etwa die diversen jiddischen Gags, die den kleinen, goldenen Yogurt als so eine Art verkitschten Anti-Rebbe erscheinen lassen. Immerhin rettet der bravouröse, des Jiddischen bemerkenswert mächtige Wolfgang Völz, in späteren Tagen Brooks' Stammsprecher, einige Nuancen davon mit zu uns hinüber, wenn das deutsche Dialogbuch auch den Großteil davon sinnentstellt. Immerhin: Einen "Colonel Sandfurz" (George Wyner) haben die Amis nicht bekommen. Zwar hat der Film über die Jahre einiges von seiner Spaßigkeit verloren und man lacht heuer vielleicht auch über andere Gags als früher, in Anbetracht all dieser widerwärtig-uncharmanten und vor allem antihumorigen "Movie-Movies" bleibt er jedoch eine fast schon geistesblitzende Bank.

7/10

Parodie Mel Brooks Farce





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare